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2

In der Tat, von diesem Abend an gaben die Squatters ein Vertrauen zu uns kund, ein Verlangen sich zu verständigen, die wirklich wohltuend ansprachen. Mit einem Wort, wir hatten uns gegenseitig kennengelernt, und wie es nun schon der Fall zu sein pflegt, wenn man sich erkannt hat und die Interessen dieselben sind, so glätteten sich alle die schroffen Seiten leicht und gefällig in ein freundlicheres Zusammenleben. Uns schien es bald unbegreiflich, wie wir trotz unserer Weltkenntnis diese zuvorkommenden Leute so sehr verkennen und den soliden Kern unter der freilich harten Schale so lange nicht herausfinden konnten.

Zwar gab es auch später noch zuweilen leichte Reibungen, mit denen ein gewisser aristokratischer Dünkel uns noch öfter necken zu wollen schien. Aber sie wurden immer seltener und schwächer, und Nathan war dann auch zur Hand, uns wieder ins gehörige Geleise zu bringen. Nathan war wirklich ein Freund, den wir uns in unserer Lage nicht besser wünschen konnten.

Er war gleichsam so ganz aus einem Guß geformt, sein Wesen so durch und durch folgerichtig und wieder so tatkräftig, zuverlässig, eigentümlich schlau! Langsam überlegte er, bedächtig erwog er alles und betrachtete es oft zum Ermüden immer wieder in Rede und Gegenrede. Hatte er aber einmal einen Entschluß gefaßt, dann folgte die Tat so unaufhaltsam sicher wie der Schall dem Feuer aus dem Rohr seines Stutzens. Dabei stand ihm eine gewisse leichte ironische Weise zu Gebote, eine gewisse stattlich steife Schicklichkeit, die damals überhaupt die Amerikaner scharf charakterisierte, jetzt aber leider in dem geldmäkelnden Treiben verschwunden ist. Kein Mensch verstand besser als er die Vorurteile und Rechte anderer zu schonen und dabei seine eigenen Ansichten haarscharf an der Grenzlinie fremder vorbei dem vorgesteckten Ziel zuzuführen.

Eine Probe davon erhielten wir gleich am folgenden Tag in der Art und Weise, wie er uns zu seiner Hausordnung bekehrte. Es war Sonntag, und das erste, was wir nach dem Frühstück taten, war, uns eines Stoßes Zeitungen zu bemächtigen, die auf einem Schrank in der Ecke der Stube aufgeschichtet waren. Sie waren von verschiedenen Orten der Union und versprachen gerade die Unterhaltung, die uns an einem puritanischen Sonntag am besten die Zeit vertreiben konnte.

Mistreß Strong sah ein wenig finster drein, als wir uns der weltlichen Blätter bemächtigten. Wir ließen uns jedoch nicht irremachen und teilten brüderlich den Stoß, gerade als Nathan vom Hof in die Stube trat. Ohne ein Wort zu sagen, schritt er zum Schrank, über dem sich ein Laden mit der Hausbücherei befand, streckte bedächtig einen seiner langen knöchernen Arme nach einer mit erzenen Klappen versehenen Bibel und legte diese vor uns hin. Dann ergriff er eine zweite, setzte sich und wartete ruhig, bis Mistreß Strong und die Familie, mit dem Aufräumen fertig, gleichfalls Platz nahmen, alle Gesangbücher in der Hand.

Wir hatten die Zeitungen weggeschoben und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Nathan schlug die Bibel auf, warf uns einen bedeutsamen Blick zu, nannte ein Kapitel aus dem Alten Testament und begann vorzulesen. Als das Kapitel beendigt war, gab er das Lied an, das folgen sollte. Es wurde abgesungen. Wieder folgte ein Kapitel aus dem Neuen Testament, wieder ein Lied und hierauf ein Gebet.

Die häusliche Andacht ging langsam, peinlich genau vor sich. Aber sie hatte ein Etwas, das sie vorteilhaft auszeichnete, sie stand mit der planmäßigen Hausordnung im Einklang. Als sie vorüber war, erhob sich Nathan und trat vor uns hin.

»Das ist die Zeitung, die wir an Sabbatsvormittagen lesen«, sprach er und deutete auf die Bibel. »Und eine so gute Zeitung, als je geschrieben wurde. Werdet wohl tun, wenn ihr sie an solchen Tagen lest. Ist die Zeitung, die uns lehrt, ein ruhig achtbares Haus und uns selbst und unsere Leute in Zucht und Ordnung zu halten. Gibt euch und ihnen den Halt, kalkuliere, ihr versteht, was ich unter dem Halt meine. Gibt euch und ihnen den Halt, und ist eine Hauptsache dieser Halt! Ist das Ruder, der Kompaß dieser Halt, und habt ihr diesen nicht, dann helfen keine Segel und kein Wind! Will euch aber nichts vorschreiben, nur meine Notion sagen und die Ordnung zeigen, die in meinem Hause ist. Mögt in dem eurigen tun, was ihr wollt, aber besser schwerlich!«

Wir hatten in der Folge oft Ursache, ihm für den gegebenen Fingerzeig zu danken. Nirgends mehr als in der Einsamkeit der Hinterwälder empfindet man die Wohltat, die der Menschheit durch dieses göttliche Buch zuteil wird. Es gewährt eine wahre Erquickung und Erholung.

Nachmittags machten wir Besuche bei Nachbarn, und den Abend brachten wir bei Regulator Nollins zu. Den folgenden Tag wollten wir das ersteigerte Land und die Baulichkeiten besichtigen. Nathan, hatten wir gehofft, werde sich als Begleiter antragen. Er hatte jedoch so dringende Arbeiten, daß sich daran nicht denken ließ. Das einzige, was er tun konnte, war, uns seinen Sohn Joshua mitzugeben.

Wir hatten im Sinn, uns von dem ersteigerten Land sogleich in die Attacapas zu begeben, dort unsere Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und die Übersiedlung zu veranstalten. Nathan jedoch schüttelte den Kopf und meinte, wir würden wohl zu Mittag wieder zurück sein. Doch möchten wir tun, wie wir am besten fänden. Sein Haus stehe uns immer offen, auch wenn wir ein Jahr blieben.

Wir dankten ihm für sein Anerbieten und ritten gleich nach dem Frühstück mit Amadée und Jean ab. Der Major, dessen Begleitung uns sehr lieb gewesen wäre, war auf einem Ritt durch die Niederlassung.

Die Entfernung von der Pflanzung Nathans betrug zwölf Meilen. In anderthalb Stunden hatten wir Sorrels Pflanzung, wie sie genannt wurde, vor uns. Die Lage war entzückend. Ein kleiner Fluß, etwa fünfzig Fuß breit, durchlief sie, und was bei uns ein seltener Fall ist, er führte das ganze Jahr hindurch Wasser. Er kam aus den Kieferwaldungen der oberen Opelousas. Das eine Ufer war etwa fünfzig Fuß höher als das andere und hatte schöne Gruppen von Immergrüneichen und Magnolien. Das andere war undurchdringlicher Urwald von Plaquemines, Pecans und Bohnenbäumen. Im Vordergrund auf einer Lichtung, die etwa einen Acre betragen mochte, stand eine Hütte.

»Aber wo ist das Haus?« fragten wir Joshua.

»Das ist es!« sagte der Junge.

»Das ist es? Dieses das zweistöckige Haus?«

Uns wurde grün und blau vor Augen und trostlos im Herzen, und so wurde es auch Amadée und Jean. Zwanzig Fuß hohe Zpyressenpfähle waren so in die Erde eingerammelt, daß sie ein Viereck, dreißig Fuß lang und ebenso breit, bildeten. Diese palisadenartig eingerammelten Pfähle waren durch kleine Balken und Sparren verbunden, die Zwischenräume mit Lehm und spanischem Moos ausgefüllt. Das Ganze war mit Schindeln gedeckt. Die Türen und Fenster bestanden gleichfalls aus diesen rohen, acht Fuß langen Schindeln, die mit Querhölzern zusammengehalten waren. Der Schornstein bestand aus vier langen Brettern, die mit Lehm überworfen waren. Das war das zweistöckige Haus. Baulichkeiten! Kein eiserner Nagel, kein Schloß, kein Riegel oder Fensterglas waren zu sehen.

Wir lachten laut auf vor Ärger. Hätten wir das Land und die Gebäulichkeiten und alles zusammen in die Hände ballen und dem Versteigerer und seinen Hinterwaldgenossen an den Kopf werfen können, mit Lust hätten wir es getan!

»Aber in dem Haus können wir doch nicht wohnen, Herr Graf?« meinte Amadée.

»Wohnen – in dieser Bärenhöhle?« lachte ich. »Der Teufel mag da wohnen!«

Noch vor zwei Stunden schien es uns so leicht, eine Pflanzung anzulegen, ein wahres Kinderspiel. Jetzt ... ich stand wie sinnlos.

»Was läßt sich da tun? Wollen wir einziehen?« fragte Lassalle.

Und wir brachen in ein lautes Gelächter aus.

»Hab' die Notion, ihr geht wieder heim mit mir«, sagte der Junge, der uns kopfschüttelnd angesehen. »Vater wird wissen, was zu tun ist.«

Abermals schauten wir einander an. Es war das klügste, was wir tun konnten, und wir taten es. Ohne Verzug ritten wir zurück. Viel weniger Zeit nahm es uns, heim- als herzukommen.

Als wir vor Nathans Haus abstiegen, rief er aus dem Tabaksfeld heraus:

»Habe wohl kalkuliert, ihr würdet bald wieder zurück sein! Wußte, das Ding würde euch so, wie es ist, nicht zweimal gefallen!«

»Aber um Himmels willen, Nathan, das Ganze ist ja eine furchtbare Wildnis! Und das Haus!«

»Ja, für tausend Dollar müßt ihr nicht erwarten, ein Schloß zu finden. Und wer hat euch geraten, tausend Dollar zu bieten? Solltet geschaut und gehört haben, wie weit andere gehen! Aber ist nichtsdestoweniger glorreiches Land!«

»Glorreiches Land?! Wollten, es wäre ...«

»Ist glorreiches Land!« bekräftigte Nathan. »Und könnt ihr da eine Pflanzung herstellen, die euch in drei Jahren dreitausend Dollar abwirft!«

»Das ist leichter gesagt als getan!«

»Hab' die Notion, es ist! Kalkuliere aber nichtsdestoweniger, könnt mit einem Kapital von zehntausend Dollar, wenn ihr die Sache richtig anfangt, in zehn Jahren zehntausend Dollar jährliche Einkünfte erringen. Und wenn ihr sie schlecht anfangt, in zwei Jahren irgendwo in New York oder Baltimore einem Barbierladen vorstehen, wie viele eurer Landsleute.«

Wir wußten das, hatten solcher trostloser Begegnungen in London mehrere gehabt. Grafen und Barone, die in den Theatern für John Bull die Geige spielten, selbst einen, der ihm den Bart abnahm. Das war es eben, was uns so gefügig gemacht und noch machte.

»Will euch sagen, was sich – kalkuliere ich – tun läßt. Will euch meine Notion auf einmal sagen: bleibt alle vier hier bei mir und seht euch die Wirtschaft an und geht in die Lehre! Das ist der beste Weg, den ihr einschlagen könnt. Sehen dann, ob sich etwas mit euch anfangen läßt.«

»Was? In die Lehre gehen?« lachten wir.

»Ei, jeder muß in die Lehre gehen, der Meister werden will«, versetzte Nathan. »Kommt nur auf den Anfang an.«

Wir fanden nach einigem Überlegen den Vorschlag doch so gar übel nicht. Aber zu einem Hinterwäldler in die Lehre gehen, zwei hoffähige Kavaliere! Es war ein bißchen stark.

»Kommt jetzt bis zum Mittagessen herunter in das Tabakfeld«, meinte Nathan.

Und wir gingen zu Nathan in das Tabakfeld. Es dürfte wohl nicht bekannt sein, daß der bedeutende Ruf, den unsere Tabakblätter und die von Natchitoches sowie vom Red River überhaupt genießen, von dieser Zeit her datiert. Und ich habe alle Ursache zu glauben, daß dieser Ruf vorzüglich dieser Niederlassung und insonderheit Nathan Strong und George Nollins zu verdanken ist. Die Sorgfalt der beiden in der Auswahl des Bodens, des Anbaus, der Wässerung und besonders der Blätter war außerordentlich. Sie waren geborene Virginier, diese Arbeiten für sie folglich ein Lieblingsgeschäft. Und sie betrieben sie so. Man konnte wirklich nichts Feineres genießen als eine Zigarre von diesen herrlichen Blättern.

Nathan war gerade mit dem Pflücken der Blätter beschäftigt. Natürlich ergriffen wir diese Gelegenheit, um uns in einem der wichtigsten Zweige der Pflanzerwirtschaft zu unterrichten, und halfen nach seiner Anleitung mit.

»Amadée und Jean!« meinte er mit einem Kopf ruck nach dem angrenzenden Baumwollenfeld, in dem die Familie sammelte. »Hab' die Notion, Mistreß Strong schielt auf euch herüber!«

Amadée und Jean verstanden den Wink und hatten in der nächsten Viertelstunde jeder einen Korb, in dem sie von nun an täglich ihre hundert Pfund Baumwolle einsammelten.

Alles das gab sich durch Rucke, durch Winke so leicht weg, in einer gewissen vertraulich befehlenden und doch wieder bescheidenen Weise. Nur wenig wurde während der Arbeit gesprochen. Nathan war der Mann von Taten, nicht von Worten, obwohl er wieder zuzeiten wahrhaft parlamentarisch weitschweifig werden konnte.

Unsere Anfängerarbeiten hatten unterdessen seine volle Zufriedenheit.

»Sehe, habt den Takt!« entfuhr es ihm am Abend.

Am folgenden Tag wurden wieder Blätter sortiert, den folgenden wieder. So ging es acht Tage lang. Wir verstanden nun die Behandlung des Tabaks bald so gut wie der Sohn des alten Virginia.

Nach Verlauf der Woche ging es ans Baumwollepressen. Die damaligen Baumwollpressen waren noch sehr unvollkommen. Die Zylinder, mit Haken versehen, ließen einen großen Teil der Körner in der Wolle. Eine Verbesserung im Mechanismus mußte den Flaum reiner und schneller liefern. Wir machten Nathan auf die Mängel seiner Cottonpresse aufmerksam. Er ließ sich von uns erklären, mit dem Pressen innehalten, und wir machten uns an die Verbesserung der Maschine. Es gelang uns, durch eine einfache Vorrichtung die Baumwolle reiner zu liefern, und das Pressen ging um so vieles leichter, daß wir unsere Vorrichtung am Ende der Woche an der zweiten Presse, die noch in der Gemeinde war, anbringen mußten. Nun beaufsichtigte Lassalle die eine der Pressen, ich die andere.

So verging wieder eine Woche. Wir standen nun mit der ganzen Gemeinde in einem Verhältnis, so gastlich freundlich, so zwanglos und doch wieder so anhaltend beschäftigt, daß uns die Wochen wie Tage, die Tage wie Stunden verflossen.

Die Abende brachten wir in Nathans Familie oder bei den ausgezeichneteren Gemeindegliedern zu, erzählten unsere Abenteuer, sie die ihrigen. Wir waren nun die geachteten Lieblinge der ganzen Gemeinde geworden, von deren zunehmendem Wohlstand nur die einzige Bemerkung eine Vorstellung geben möge, daß mehr denn achthundert Ballen Baumwolle in diesem Herbst gepreßt wurden, von denen auf Strong und Nollins allein hundertundachtzig kamen.

So waren wir bis in die letzten Tage des Oktober gekommen. Die Pflanzerwirtschaft war uns nun eine Lust, wir hatten ganz die Attacapas, selbst unsere eigene Niederlassung vergessen. Es war eines Abends bei einer Flasche Madeira, daß uns Nathan eröffnete, wie er nun der Notion sei, es wäre Zeit, auch an uns zu denken. Die wichtigste Arbeit sei nun abgetan, und er halte es für Pflicht und Schuldigkeit, auch für uns etwas zu tun. Die Gemeinde sei einverstanden.

Wir erwiderten ihm, der Genuß seiner Gastfreundschaft sei ja ohnehin Entschädigung, und wir wären eigentlich seine Schuldner.

»Will euch sagen, will euch meine Notion auf einmal sagen«, meinte er. »Habt uns einunddreißig Tage geholfen mit vier Händen, sind euch dafür hundertvierundzwanzig Hände schuldig.«

Wir verstanden nicht, was er mit seinen Händen meinte.

»Ist Sitte bei uns«, fuhr er fort, »wenn ein Ankömmling sich bei uns niederläßt, der für die Zukunft etwas verspricht, ihm eine Frolic zu veranstalten.«

»Doch keine Taring- oder Feathering-Frolic – Teer- und Befiederungs-Unterhaltung –, hoffen wir?«

»Nein, das nicht!« sagte Nathan mit einem trocknen Lächeln. »Ist eine andere Art Frolic. Ist eine Frolic, die euch ein Haus aufblockt, und wozu die Gemeinde eingeladen wird. Und hab' die Notion, ihr tut das morgen.«

»Aber was sollen wir eigentlich?«

»Je nun, nichts weiter, als bei jedem Haus anrufen und die Männer freundlich ersuchen, bei der Frolic ihre Äxte mitzubringen. Und bei einem Dutzend Weibern mögt ihr euer Bittgesuch gleichfalls anbringen. Sie werden schon wissen, was ihr meint.«

»Und das ist alles?«

»Alles! Das weitere werdet ihr sehen. Doch wie groß wollt ihr eigentlich euer Haus haben? Hab' die Notion, vierzig bis fünfzig Fuß.«

»Und die Gemeinde will uns wirklich ein Haus aufblocken?«

»Ei, will sie das! Und übermorgen abend soll es dastehen, so weit Äxte es bringen können. Wollen übermorgen daran, ist bereits abgemacht. Aber müßt die Nachbarn einladen und vergeßt die Frauen nicht!«

Und wir ritten am nächsten Tag herum, die Nachbarn einzuladen, und vergaßen die Frauen nicht. Noch immer wußten wir nicht, was das Ganze sollte, obwohl wir im Hause große Vorbereitungen treffen sahen. Eine Kuh wurde nämlich geschlachtet, Pfannen, Kessel zurechtgerichtet, im ganzen Hause war alles eifrigst tätig.

Das Muschelhorn gab am folgenden Morgen das Zeichen zum Aufbruch. Sein weittönender, posaunenartiger Schall hallte aus dreißig Pflanzungen zurück. Als wir unsere Pferde bestiegen, war die ganze Niederlassung auf den Beinen. Nathan mit Mistreß Strong und Miß Mary waren reisefertig. Er zu Pferde, die beiden Frauen auf dem Wagen, auf dem Fleisch, Brot, Whisky, Kessel, Pfannen und alle möglichen Geräte wie zu einem Auszug aufgepackt waren. Wir bildeten mit Nathan und seinen zwei älteren Söhnen den Vortrab.

Wir hatten etwas mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt, als uns bereits die scharf knallenden Schläge zahlreicher Äxte an die Ohren gellten. Als wir näher kamen, wurden diese Schläge lauter und stärker. Wir ritten rascher und sahen endlich an die fünfzig Hinterwäldler im Wald beschäftigt, Bäume zu fällen. Noch immer kamen Reiter mit ihren Äxten von allen Seiten heran.

»Sind uns zuvorgekommen!« meinte Nathan. »Ist Zeit, daß wir endlich auch dabei sind!«

Und es war hohe Zeit. Die unbarmherzigen Squatters hatten in ihrer Arbeitswut schon einige der schönsten Magnolien und Immergrüneichen auf der Anhöhe gefällt, auf die wir unser Haus hinzustellen gedachten. Eine Stunde später, und sie wäre so kahl gewesen, daß sich kein Kaninchen mehr hätte verbergen können. Wir taten natürlich Einhalt, was sich die Squatters um so lieber gefallen ließen, als die Bäume bloß des Platzes wegen umgehauen worden waren.

Diesen Platz, auf den das Haus nun zu stehen kommen sollte, bestimmten wir vereint mit Nathan. Er war auf dem Scheitel der Anhöhe, die sich etwa fünfzig Fuß über dem Creek erhob und die umliegende Gegend beherrschte.

Das Treiben wurde nun immer lebendiger. An die fünfzig Nachbarn waren mit dem Umhauen der Stämme beschäftigt, fünfzig andere mit dem Zuhauen. Im ganzen Wald hallte es wider. Auf der Prärie zu unsern Füßen weideten über hundert Pferde, denn alle waren zu Pferde gekommen. Und nicht bloß Männer, auch Frauen, Mädchen. An die dreißig Frauen und Mädchen rollten teils auf Wagen, teils galoppierten sie auf Pferden einher schüttelten uns die Hände und begannen ihr Kochgeschäft, sobald die Männer die Küche aufgeschlagen hatten.

Drei Stangen wurden pyramidenartig in die Erde getrieben, von der Spitze herab der Kessel aufgehängt, darunter das Feuer angezündet. In weniger denn einer Stunde prasselte und knisterte es aus zwanzig Pfannen und Kesseln. Rostbeafs, Beefsteaks, Puddings, Keks bräunten in den Pfannen, Whiskyfässer rollten im Gras. Es war ein Bild, so malerisch, aufregend, der fröhliche Tumult war so überraschend!

Um vier Uhr stand das Gebäude aufgeblockt, sechzig Fuß lang, fünfzig breit. Ein viereckiges Bauwerk aus fußdicken Zypressen, dreißig Fuß hoch aufgezimmert. Die Arbeit war ungeheuer, unglaublich. Hätten wir sie nicht mit eigenen Augen geschaut, wir hätten uns die Möglichkeit nimmer träumen lassen. Als alles soweit fertig war, wandte sich Nathan an uns und die Umstehenden:

»Habt jetzt das Haus! Das Dach mag später folgen, und die innere Einrichtung und Einteilung müßt ihr selber besorgen. Damit ihr dies aber könnt, wollen wir euch das Ding da« – er deutete auf die Hütte des Syndikus Sorrel – »heraufbugsieren. Könnte euch sonst das Fieber da unten einen Streich spielen. Wollen aber zuerst eine Brücke haben!«

Und gesagt, getan! Die hundert oder – buchstäblich zu reden – zweihundert Hände ergriffen die vom Aufblocken übriggebliebenen Zedernstämme, brachten sie über den Fluß, legten darüber Querbalken. Und nachdem die Brücke so fertig war, legten sie das Bauwerk Sorrels auseinander, brachten Balken, Sparren, Schindeln vom jenseitigen Ufer auf die Anhöhe herauf, rammten sie wieder ein, und in zwei Stunden stand die Hütte fix und fertig.

Jetzt ging es über das Essen. Obwohl die Squatters während ihrer Arbeit manchen Schluck versucht und allenfalls ein Beefsteak oder einen Kuchen zur Gesellschaft mitgenommen, so war das Hauptessen doch bis zum Ende verspart worden. Wir waren die Gastgeber, denn die Lebensmittel, die immer vom Veranstalter einer Frolic gegeben werden, waren auf unsere Rechnung vorgeschossen worden.

Ein fröhlicheres, vergnügteres Waldmahl wurde nie genossen. Zwanzig Wachfeuer, um diese unsere Squatters und ihre Weiber, wir die geschäftigen Gastgeber. Es war ein einzigartiges Ereignis. Seelenvergnügt trennten wir uns. Der Mond stand schon hoch über den Bäumen, als wir mit Nathans Familie die Pferde bestiegen.

»Und wißt ihr, Colonel, daß die Bürger großen Gefallen an euch finden?« begann Nathan, nachdem wir eine Weile stillschweigend geritten waren.

Wir bezeigten natürlich unsere Zufriedenheit mit dem Gefallen der Bürger.

»Gefallt ihnen, Colonel!« fuhr Nathan fort. »Könnt euch Glück wünschen zu diesem Gefallen. Wollen euch noch ein paar Frolics geben.«

»Wie? Noch ein paar Frolics?«

»Hab' euch schon gesagt, daß wir, nämlich Mister Nollins und ich, eure Schuldner für hundertvierundzwanzig Tagwerke sind, die ihr bei uns geschafft, im Hause und an den Pressen. Wir wollten diese Schulden redlich nach Gelegenheit abzahlen. Haben sich aber die Bürger angetragen, dieses mit einem Mal zu tun und sich dafür mit uns auszugleichen. Ist dies freilich das beste.«

»Aber Sie werden doch nicht glauben, daß wir für Tagelohn bei Ihnen und Ihrem Schwager gearbeitet haben, Mister Strong?«

»Kalkuliere, ihr habt nicht. Kalkuliere aber, würde Nathan ebensowenig anstehen, wenn er sich die Arbeit von vier Fremdlingen zugute kommen lassen würde, ohne ihnen dafür wieder seinen Arm zu leihen.«

»Wenn Sie's so nehmen, dann ist's freilich etwas anderes. Aber wir genossen Ihre Gastfreundschaft.«

»Und wir die eurige«, versetzte Nathan. »Schenken euch nichts! Die Frolic geht auf eure Rechnung, wie's sich bei Frolicgebern gehört und gebührt. Müßt aber Mistreß Strong ein gutes Wort geben, daß sie euch morgen wieder die Frolic herrichtet.«

Und wir gaben Mistreß Strong ein gutes Wort, unsere Frolic für den folgenden Tag herzurichten.

Und richtig ließ sich am Morgen darauf lange vor Sonnenaufgang wieder das Muschelhorn von Nathans Porch aus hören und eine Weile nachher die Echos aus den Pflanzungen. Wir waren diesmal zeitiger, um bei der Clearing-Frolic nicht die letzten zu sein. Denn um eine solche Frolic handelte es sich heute. Es gibt dieser unterhaltenden Zusammenkünfte mannigfaltige in den Hinterwäldern, zum Beispiel Quilting-Frolics, wo Mädchen und Frauen sich zum Steppen der Bettdecken versammeln, oder Husting-Frolics zum Aushülsen des Welschkorns.

Miß Elisabeth, die diesmal mitging, hatte, bis die Squatters kamen, noch Zeit, uns Kaffee an einem der nicht erloschenen Wachfeuer zu bereiten. Als sie endlich ankamen, kalkulierte Nathan in der ganzen Gegend herum, wo wohl am besten der Anfang des sogenannten Clearings zu machen wäre. Man stimmte fürs jenseitige Ufer, gerade dem aufgeblockten Hause gegenüber, wegen des trefflichen Bodens und Baumschlags. Am jenseitigen Ufer wurde also angefangen.

Bei dieser Clearing-Frolic lichteten oder vielmehr ›ringelten‹ unsere vierzig Squatterfreunde neun Morgen des reichsten Schwemmlandes.

Am folgenden Tag war abermals Clearing-Frolic, an der einundvierzig andere Squatters zehn Morgen für uns ringelten oder lichteten. Am dritten Tag wurden elf Morgen von dreiundvierzig Squatters gelichtet. Sie hatten abgewechselt, so daß uns jeder ein Tagewerk gab, wofür sich wieder Nathan mit ihnen ausgleichen mußte.

Als die dritte und letzte Clearing-Frolic und das darauffolgende Essen vorüber waren, nahm uns Nathan vor den Nachbarn bei der Hand, zeigte auf die hölzernen Wände des Hauses und den getöteten Wald und sprach:

»Kalkuliere, haben euch nun auf den Weg getan, auf dem ihr weiterkommen könnt, wenn ihr die euch von eurem Schöpfer verliehenen fünf Sinne zusammennehmt. Seht die Art und Weise, wie wir euch auf den Weg getan haben! Wollten zuerst sehen, ob mit euch etwas anzufangen wäre und ob ihr auch nachbarlicher Gesinnung fähig wäret. Sahen, läßt sich von euch etwas erwarten, und haben euch deshalb das Haus hergestellt und an dreißig Acker gelichtet. In die könnt ihr nun säen und pflanzen, was euch im nächsten Jahr einen tüchtigen Anfang machen soll. Habt einen guten Anfang, Mann! Und wären wir soweit quitt in dem Punkt der Hände und vielleicht noch etwas mehr. Wollen es aber nicht so genau nehmen, von wegen, kalkuliere ich, weil ihr Fremdlinge seid. Seht aber, kalkuliere ich, wir sind nicht die Leute, die einem Fremden nicht auch einen Ruck geben können, wenn dieser Anlage zur Respektabilität hat. Hoffe, habt Anlage zur Respektabilität, und werden gute Nachbarn bleiben! Haben euch wenigstens gezeigt, daß der Fehler nicht an uns liegt, wenn wir es nicht bleiben. Seid jedoch mir und Mister Nollins für Whisky und Schinken und geschlachtete Kühe fünfundfünfzig Dollar schuldig.«

»Wir bezahlen gern das Doppelte, lieber Nathan!« sagten wir.

»Fünfundfünfzig habe ich gesagt!« versetzte er trocken. »Und laßt euch sagen, Mann, bietet einem Bürger nie mehr als er fordert. Er wird schon von selbst nehmen, was ihm gehört, verlaßt euch drauf! Sind nicht blöde, wir Amerikaner, stehe euch dafür!«

So war der Mann, dem wir unsern Anfang, unser bürgerliches Dasein in Louisiana zu verdanken hatten. Das abgeschlossenste, nüchternste, unzugänglichste, und doch wieder wohlwollendste, verständigste Wesen, das uns in unserem dreißigjährigen Leben vorgekommen. Seine Gedanken hatten etwas so grob Großartiges, sein Verstand etwas so durchdringend Praktisches ...


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