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2

Hauterouge und Lassalle brachen in ein schallendes Gelächter aus, als wir wieder draußen vor der Niederlage waren.

»Eine Abfertigung so bündig, so deutlich, der Mann ist zum Herrscher geboren!« schrie lachend Hauterouge.

»In der Tat nette, liebe Leute!« fiel Ducalle ein.

»Herrliche Aussichten für eine angenehme Nachbarschaft, Vignerolles!« spottete Hauterouge.

»Zur Abwechslung das Vergnügen des Teerens und Befiederns!« fügte Lassalle bei.

»Und neununddreißig und damit Holla!« lachte ich.

Und alle lachten wir wieder aus vollem Halse. Aber obwohl ich mitlachte, ärgerte mich die schier zu unverblümte Geradheit des alten Nathan, und das um so mehr, als ich zu meinen Freunden in Ausdrücken über ihn gesprochen, die ihnen, und besonders Ducalle, ein wenig überspannt klangen und in starkem Widerspruch zu meiner noch vor kurzem so unverhohlen geäußerten Abneigung standen. Aber die Debatten der Gemeindeversammlung und die Festigkeit, mit der Nathan seine Grundsätze gegen die schwierigen Squatters gerechtfertigt, hatten mir die Größe seines Geistes in so schimmernden Farben vor die Augen gerückt, mein empfängliches Gemüt war ordentlich geblendet.

Nur schien es mir jetzt auch wieder an der Zeit, ein wenig mehr Ernst zu zeigen und die einigermaßen klägliche Rolle, die wir gegenüber dem Eisenkopf gespielt hatten und noch spielten, eindrucksvoller werden zu lassen. Als verirrte, verlorene Findlinge der Wildnis hatten wir uns die rücksichtslose Sprache der Squatters gefallen lassen müssen. Aber jetzt, wo wir zu vieren waren; in Gegenwart unserer Diener und eines ganzen Gefolges von Akadiern, deuchte es mir allerdings passend, in unserem Land auch einen anderen Ton, und zwar den Ton von Leuten, die zu Hause sind, anzunehmen. Ein festes Auftreten konnte und mußte Nathan und den Seinigen zeigen, daß wir nicht die Leute waren, die sich in ihrem eigenen Lande als hergelaufene Fremdlinge behandeln ließen.

Was wir gehört hatten, rechtfertigte eine ernste Sprache. Bereits in den Attacapas hatten wir von den mannigfaltigen Versuchen der amerikanischen Regierung vernommen, in Louisiana festen Fuß zu fassen, und von geheimen Agenten, die das Land und die westlich gelegenen spanischen Provinzen in allen Richtungen durchkreuzten. Mehrere dieser Agenten, darunter ein gewisser Ingenieur Stille, waren namentlich verzeichnet. Es hatten Expeditionen den Missouri und den Red River hinauf stattgefunden. Zweifellos war auch Major Gale eines dieser geheimen Werkzeuge, dazu bestimmt, die verschiedenen Niederlassungen der eingeschlichenen Amerikaner nach den Plänen seiner Regierung zu lenken. Daß hier Klugheit und Wachsamkeit, verbunden mit der nötigen Festigkeit und militärischen Kenntnis und unterstützt von der Regierung, vieles verhindern könnte, war keinem Zweifel unterworfen.

Ich rief meinen Freunden die Äußerungen der Squatters ins Gedächtnis zurück, die mich zum Teil auch bewogen hatten, an der Versteigerung teilzunehmen. Sie erkannten die Gefahr und stimmten meiner Ansicht bei. Wir kamen überein, die Niederlassung sogleich zu verlassen und nach Hause und von da nach der Hauptstadt zu eilen, wo ich mit dem Gouverneur sprechen und weitere Maßregeln nehmen wollte.

Mit diesem Entschluß kehrten wir in das Blockhaus Nathans zurück. Unsere Pferde waren während der Gemeindeversammlung von Joe eingebracht und eingestellt worden. Wir befahlen Amadée, sie füttern zu lassen, dieweil wir uns aus unserm Squatteranzug austun und Vorkehrungen zu unserer Abreise treffen wollten.

In einer Stunde waren wir zum Aufbruch gerüstet. Ich hatte zwei Stücke Merinos, zu Sommeranzügen für mich bestimmt, aus dem Ballen genommen, um sie den Misses Elisabeth und Mary für die beschlagnahmten Petticoats zu schenken. Als wir den Porch betraten, der zur Stube führte, kamen uns Nathan und Gale entgegen.

Der Alte schien uns nicht zu bemerken. Allein der Major hatte uns kaum erblickt, als er mit einer Zuvorkommenheit auf uns zueilte, die gegen sein früheres steifstarres Wesen sehr abstach. Auch sein Benehmen, früher würdevoll-kleinlich, hatte jetzt etwas Entschiedenes, Soldatisches. Er trat mit einer leichten Verbeugung auf uns zu und gab uns sein Vergnügen zu erkennen, die Bekanntschaft so ausgezeichneter Offiziere machen zu können.

Wir erwiderten natürlich die Artigkeit, obgleich nicht mit unserer gewöhnlichen Wärme. Er schien dieses zu bemerken und erklärte sein Bedauern, daß er nicht bei unserm ersten Zusammentreffen uns aus unserm Inkognito herausgefunden und so einem gewissen Mißtrauen Raum gegeben habe, das aber natürlich sei in einem Land, wo kein Bartscherer, kein Krämer aus dem schönen Frankreich ankomme, ohne da ein paar Hofchargen oder Grafschaften zurückgelassen zu haben.

Hauterouge versetzte trocken, das Inkognitospielen sei nun schon einmal Mode geworden. Einige gäben sich für mehr aus, als sie wären, andere für weniger. Der Major wandte sich befremdet ab. Um der Unterhaltung, die ernst zu werden und zu unangenehmen Erörterungen zu führen drohte, eine andere Wendung zu geben, bedauerte ich, daß wir nicht länger die Ehre seiner Gegenwart haben könnten, indem wir im Begriff ständen abzureisen.

Ich eröffnete dann Nathan, es sei nun an der Zeit, ihm für seine Gastfreundschaft zu danken und uns wieder auf den Heimweg zu machen.

»Seid willkommen zum Bleiben!« versetzte er. »Wenn ihr aber gehen wollt, können wir euch nicht aufhalten.«

»Die Art und Weise, wie Sie sich gegen uns und überhaupt benommen haben, verdient unsere volle Anerkennung und zeugt von einem Charakter, der fest auf seinem Grundsatz beharrt«, fuhr ich in einem etwas höheren Ton fort. »Fahren Sie fort auf diesem Weg, und wenn wir uns wiedersehen, wie ich erwarte, so hoffe ich, unser Zusammentreffen wird ebenso freundlich sein.«

»Hoffe es gleichfalls«, entgegnete Nathan gelassen. »Hoffe es, obwohl aufrichtig gesagt ich der Notion bin, Sie hätten besser getan, sich ein Haus weiter zu machen. Haben aber den Grundsatz angenommen, und soll der Grundsatz Ihnen zum Besten kommen, obwohl er für uns unangenehme Folgen haben kann.«

»Wie verstehen Sie dies?« fragte ich.

Ich begriff des Alten Meinung wohl, wollte ihn sich aber deutlicher aussprechen lassen.

»Sie haben uns da mit Ihrem Kauf einen kleinen Streich gespielt, einen kleinen Franzosenstreich. Sind aber in Ihrem Recht, haben so gut das Recht zu ersteigern wie einer von uns, obwohl ich nicht recht weiß, wo es hinaus will.«

»Kalkuliere so«, versetzte ich ironisch. »Wollte eben wegen dieses Kaufes mit Ihnen reden. Wollte Sie fragen, ob Sie den Güterballen, der tausend Livres im Fabrikpreise kostet, hier aber fünftausend wert ist, einstweilen als Bürgschaft annehmen?«

»Sie können einen Wechsel ausstellen und den Ballen für den Fall als Einsatz lassen, daß Ihr Wechsel nicht akzeptiert wird«, versetzte Nathan trocken.

»So sei es! Will Ihnen einen Wechsel auf Ihren Kommissionär ausstellen und hoffe, wenn ich zurückkomme, das Geld in Ihren Händen und in Ihnen einen guten Nachbarn zu finden.«

»Das wird auf Sie ankommen, obwohl die Nachbarschaft mit Ihren Landsleuten bisher nicht die erfreulichste war. Sie sind aber in Ihrem Recht, und soll Ihnen Ihr Recht verbleiben, werden aber auch darauf sehen, daß wir in unserm bleiben. Sind einen Aufhetzer und Zwischenträger los geworden, hoffe nicht...« Nathan hielt inne.

»Hoffe nicht«, ergänzte ich, »daß ein ärgerer dafür einkehrt. Nicht wahr, Nathan?«

Nathan sah mich mit einem Blick an, der zwar nicht beistimmte, aber zweifelhaft schien. Hauterouge und Ducalle begannen ungeduldig zu werden.

»Wollte das nicht sagen, Colonel!« versetzte Nathan. »Wollte sagen: hoffe nicht, daß wir mit Ihnen ebenso fahren werden.«

»Wollen aufrichtig sein, Mister Strong! Aufrichtig, wie es Männern wohl ansteht!« Ich bemühte mich, so gut wie ich es vermochte, seine Sprache wiederzugeben. »Sie sehen hier Männer von Stand vor sich, Männer, die bei dem bloßen Gedanken an das, was Ihr Blick nun verriet, Ihnen die Sporen in die Flanken setzen würden, um mich eines Ihrer Ausdrücke zu bedienen. Habe meinem angeborenen Monarchen treu seit zehn Jahren gedient, aber nicht in der Rolle, auf die Sie hingedeutet. Verbieten mein Stand und Rang eine solche Rolle, die dem Syndikus zusagen mochte, aber einem Kavalier und Colonel schwerlich je zugemutet werden dürfte. Würde es aber – gestehe ich aufrichtig – noch für weit unrechtlicher halten still zu schweigen, wenn gewisse Pläne und Vorhaben in Anregung gebracht werden sollten, mit denen die Ohren treugesinnter Männer wenigstens in Louisiana, kalkuliere ich, verschont werden sollten.«

»Welche Pläne und Vorhaben meinen Sie?« fragte Nathan aufmerksam.

»Ich sollte glauben, es wäre nicht nötig, Sie darauf hinzuweisen«, fiel Hauterouge heftig ein. »Denn sie verraten sich in jedem Ihrer Worte nur zu deutlich für treugesinnte Ohren.«

»Ah, sind Amerikaner!« versetzte Nathan lächelnd. »Sind Amerikaner, und will heraus und macht sich Luft ihre Bürgerstimmung. Verstehe jetzt, was Sie meinen.«

Diese Worte waren an Hauterouge gerichtet, jetzt wandte er sich an Gale und fuhr fort:

»Stehe Ihnen dafür, sind bei alledem tüchtige Jungens, die nicht mehr darum geben würden, mit einem ganzen Regiment Dons anzubinden, als auf eine Bärenjagd zu gehen. Sage Ihnen, würden eine Tollheit begehen, wenn sie von dem oben auch nur das Mindeste hoffen könnten. Kennen aber zum Glück den droben durch und durch und wissen, wenn er die Sklavenstaaten alle nach Kap Hoorn hinabschieben könnte, täte er es lieber heute als morgen. Kennen seine Abneigung gegen jede Vergrößerung des Landes unter Masons- und Dixons-Linie. Sage Ihnen, Major, sage es Ihnen: könnte der alte Tory sich und seine Yankees von den Bürgern, die südlich dieser Linie zwischen den Sklaven haltenden und freien Staaten wohnen, mit einem einzigen starken Riß losreißen und an sein altes England anflicken, er würde es tun, und würde darüber unter seinen Hamiltons und Federals der größte Jubel sein.«

Der Major stand bei diesem Angriff gegen den alten Tory, gegen John Adams, den Präsidenten der Union, mit verschränkten Armen in Gedanken versunken und sagte nicht ja und nicht nein. Wir standen mit zorngeröteten Wangen über die beispiellose Frechheit des Alten, der uns in unverblümter Nacktheit ins Gesicht zu sagen wagte, was wir anzudeuten Anstand nahmen. Nur mit Mühe vermochte ich Hauterouge von einem Ausbruch zurückzuhalten.

»Aber wissen Sie, Mister Strong«, sagte ich in strafendem Ton, »daß eine solche Sprache unziemlich ist, ja daß sie Aufruhr predigt – und Sie in Gefahr, ja in die mexikanischen Bergwerke bringen kann?«

Nathan gab mir keine Antwort, fuhr aber zum Major gewendet in seiner Rede fort:

»Ist aber wieder gut, daß dem droben das Revolutionsfieber so vergangen ist und er seine Lords und Tories lieber hat als gerade, gesunde Demokraten. Hat alles seine Zeit, und wird die Zeit das weitere tun.«

Auf einmal wandte er sich an mich:

»Sie reden, wie ein Franzose reden kann und darf, Colonel, und nehme es Ihnen deshalb nicht übel. Sind kein Amerikaner, kein Bürger, sind ein Franzose, der es nicht besser versteht, eingemauert, wie er ist, in die Bastille seiner Vorurteile und engen Notions.«

»Mister Strong!« erwiderte ich heftiger. »Ich muß Ihnen bemerken, daß die Sprache, die Sie hier führen, ungeziemend für das Land ist, das Sie duldet, und daß wir als Untertanen Seiner spanischen Majestät sie nicht anhören dürfen, und Ihnen als Männer, die Ihnen einige Verbindlichkeit für genossene Gastfreundschaft schuldig sind, raten, eine andere zu führen.«

»Genug, Fremdling!« sprach Nathan mit einer stolzen Bewegung. »Genug! Müssen sich wieder nicht übernehmen. Seid Franzosen, die allzeit an der Stange geführt werden müssen, wenn sie nicht Bocksprünge machen sollen. Müssen sich wieder nicht übernehmen, Colonel! Lassen euch eure Meinung sagen, weil wir die Herren auf unserm Grund und Boden sind, müßt aber deshalb nicht kalkulieren, daß ihr die Herren seid. Nun, lassen euch freies Feld bei uns, weil es nichts schaden kann und ihr schwerlich je einen zu eurer Meinung bekehren werdet. Aber versteht mich! Wir sind nicht die Männer, die vom Spanier oder irgendeinem Potentaten Gunst brauchen oder ansuchen oder angesucht haben. Stehen auf eigenen Füßen in eigenen Schuhen, wissen das euer Gouverneur und eure Regenten. Und will euch jetzt etwas sagen, allen vier, und merkt es euch, kann euch vielleicht ein neues Licht anzünden.«

»Seid Offiziere in der königlichen Armee gewesen und Hofleute und Barone und Grafen«, fuhr Nathan fort. »Sehe aber, müßt noch vieles lernen, ehe ihr ausgelernt habt. Sehe, seid Franzosen und haltet uns für Republikaner, so wie ihr sie in eurem Land habt, die sich, statt sich selbst zu regieren, vom ersten besten Gassentyrannen am Gängelband herumführen lassen – Tollköpfe, die den Feuerbrand in das Haus des Nachbarn schleudern, wenn ihnen ein solcher Ohnehose ein Wort sagt, und dann wie böse Buben sich über das Unheil freuen und rauben und plündern. Haltet uns für ähnlichen Stoff, kalkuliere ich, für Rasende, die mit hundertzwanzig Rifles ein ganzes Land zu erobern ausgehen. Sage euch, ist das Tollheit daran zu denken, ein Land gegen seinen Willen frei zu machen und einen in Müßiggang und Trägheit versunkenen Haufen von Sklaven mit einem Schlag in Bürger, die sich selbst zu regieren imstande sind, umwandeln zu wollen. Ist das nicht unsere Notion! Ist unsere Notion eine andere. Will sie euch sagen, und wird das, was wir tun und wollen, Louisiana sicherer den Staaten gewinnen und uns und Louisiana zu dem machen, wozu es Gott der Allmächtige bestimmt.«

»Wenn Sie darunter verstehen, daß es Ihnen je gelingen werde, die Bevölkerung von Louisiana ihrem Beherrscher abwendig zu machen, dann strafe ich Ihre Vorhersage der Vermessenheit und freventlichen Vertrauens auf das Wesen, das Sie ungeziemend mit Ihren verruchten Plänen in Verbindung bringen!« sprach ich erzürnt.

»Ruhig, Mann!« versetzte Nathan kalt. »Ruhig! Wollen uns nicht ereifern. Werdet ihr, werden wir die Sache nicht ändern noch den Gang des Schicksals aufhalten. Will euch aber sagen, ei, und eine Wette niederlegen, und zwar alles, was ich wert bin – hier vor dem Major –, und sollt gewonnen haben, wenn binnen zehn Jahren Louisiana nicht den Amerikanern gehört!«

Wir schüttelten unwillig die Köpfe, ließen aber den Alten weiterreden.

»Glaubt ihr, die Bürger oben, denen die dreizehn Staaten bereits zu eng sind, und die auf allen Seiten ausbrechen, über die Alleghanies, gegen die Seen hinauf, hinab gegen die spanischen Floridas, herab gegen euer Louisiana, die schier jedes Jahr einen neuen Staat gründen und sich zu hunderttausenden in dem großen Mississippi-Tal niedergelassen haben, glaubt ihr, diese Bürger, die Kentuckier, Tennesseer, die Bewohner des nordwestlichen Gebietes des Old Dominion werden lange ruhig sitzen bleiben und ihre Hände in den Schoß legen, wenn ihre Augen ein Land schauen, das ihr Herz erfreut und das Zucker, Baumwolle und Reis und das herrlichste Virginiakraut im Überfluß erzeugt statt Buchweizen und mageren Roggen? Glaubt ihr, sie werden sich den Mississippi, der auf ihrem Grund und Boden, aus ihren Seen entspringt und der ihre Ufer Tausende von Meilen wäscht, glaubt ihr, sie werden sich diesen geduldig von euren Zollbeamten verschließen und versperren, und sich so den Maulkorb anhängen, ihr Mehl versäuern, ihre Schinken von Würmern fressen und euch den Schlüssel in der Hand lassen? Sage euch, seid irrig, wenn ihr das glaubt! Mag eure Regierung in ihrer Beschränktheit wähnen, das Recht zu haben, den Mississippi zu verschließen und den Handel zu beschränken, sie mag aber ebensowohl den Mississippi selbst eindämmen, werden die Dämme wie Strohgeflecht zerrissen werden, ehe sie's sich versieht. Das ist die Stimme nicht von einem, sondern von hunderttausenden!«

»Die spanische Regierung wird ihre Rechte gegen eure Eingriffe zu verteidigen wissen, verlaßt euch darauf!« erwiderte ich. »Solange sie es kann, ohne Zweifel«, gab Nathan zu. »Wie lange sie es aber können wird, ist eine andere Frage. Und noch eine andere, wie lange sie es wollen wird. Man verteidigt nicht gern in Länge das, was uns keinen Nutzen bringt. Und Louisiana ist nicht das Land, das dem Spanier Nutzen bringt. Im Gegenteil kostet Louisiana dem Spanier jedes Jahr blanke zweimal hunderttausend Dollar. Und wäre nicht der spanische Stolz, der sich mit seinen Titeln und Besitzungen wie der Bettler mit seinen Lumpen behängt, Louisiana wäre längst unser.«

Hauterouge wurde feuerrot vor Zorn. Kaum konnten wir ihn mehr von einem Ausfall auf Nathan zurückhalten, der wieder ruhig lächelnd unsern hitzigen Freund vom Kopf bis zu den Füßen maß. Auch ich war nicht wenig über die kalte Ruhe des Mannes empört.

»Sie scheinen die Finanzen des Landes genau zu kennen«, bemerkte ich.

»Kalkuliere, kenne sie. Und eben weil wir sie kennen, wissen wir uns in Geduld zu fassen. Warum uns übereilen? Louisiana muß früher oder später doch unser werden.«

»Sie sprechen sehr bestimmt, Mister Strong!« Ich konnte meinen Zorn kaum noch unterdrücken.

»So bestimmt, wie einer, der die Sache versteht, nur reden kann«, versetzte Nathan unbekümmert. »Habt ihr nie das Saatkorn beobachtet, wenn ihr es ausgesät in die befruchtende Erde? Nie achtgegeben, wie dieses Saatkorn mehrere Zoll tief in die Erde geworfen mit einer Schicht überdeckt wird, die hundertmal schwerer als das winzige Saatkorn es mit ihrem Gewicht erdrücken sollte? Tut sie das aber? Ist sie imstande, das winzige Saatkorn zu ersticken, zu erdrücken? So wenig, daß das winzige Ding ruhig, gemächlich seine Keime hervorschießt, sich Bahn bricht durch die Erdschollen und hervordringt ans Tageslicht, die Last wegschiebt und siegend über die Scholle heraufwächst und das tote Gewicht! Habt ihr das nie bemerkt? Nie euer Welschkorn beobachtet, besonders wenn mehrere Körner beisammen liegen und ein Klumpen darauf, Pfunde schwer? Wie das Welschkorn den Klumpen so spielend zerreißt und sich auf allen Seiten durchzwingt und die ganze schwere Last weghebt? Will euch sagen, sind wir die Welschkömer und ist Louisiana die befruchtende Erde und eure spanische Regierung der tote Klumpen, die Last, die über der keimenden Saat liegt und sie gern am Wachsen verhindern würde, wenn sie könnte. Kann aber nicht. Sind die Keime, die Triebe, die der Allmächtige in die winzigen Welschkörner gelegt, zu mächtig für die tote Last. Sind zu mächtig die Keime, das heißt unsere schaffigen Arme, unsere Pflüge, Äxte und Köpfe! Sind zu starke Hebel. Und werden diese Hebel eure tote Last, das Gewicht, eure Regierung wegschieben! So leicht! Habt keine Notion, wie leicht! Und wird Louisiana sprossen und keimen und gedeihen, und wir mit!«

Der Mann war zum Prediger oder Staatsredner geboren. Sein Redefluß glich den kräftigen Strömen seines Landes, kühn, schrankenlos, unaufhaltsam. Mit meinem Entschluß ihm Eindruck zu machen war es vorbei. Ich wußte ihm auf diese offene Kriegserklärung kein Wort zu erwidern, ja, ich mußte ihm im Herzen recht geben.

»Mister Streng! Ohne mit Ihnen und Ihren Gesinnungen rechten zu wollen, mache ich Sie nur darauf aufmerksam ...«

»Lassen Sie das!« unterbrach er mich. »Lassen Sie das! Weiß, was Sie sagen wollen. Nicht Sie, nicht ich werden den Gang des Schicksals hemmen, das Louisiana bestimmt ist von dem, der droben über den Sternen die Schicksale der Menschen wie der Länder lenkt. Nicht Sie, nicht ich! Aber soviel ist uns schwachen Menschenkindern gestattet, den Gang dieses Schicksals mehr oder weniger abzusehen und zu entnehmen, je nachdem unsere Vernunft mehr oder weniger durch Vorurteile eingeengt oder durch Laster und Torheiten geschwächt ist. Sage Ihnen, hätte der König, dem Sie so treu anhängen, den gesunden Blick Nathan Strangs gehabt, er wäre noch König. Seid aber Franzosen, und mag euch nicht zu meinen Ansichten bekehren. Hätte sie nicht erwähnt, kein Wort darüber gesprochen, aber habt selbst angefangen. Und kalkuliere, ist ebenso wohlgetan, ja Pflicht und Schuldigkeit, euch meine Notion zu sagen und sie frei auszusprechen, wie es einem freigeborenen Bürger der Union geziemt, der selbst in Louisiana seine Meinung frei bekennen darf, weil er sein Recht zu behaupten vermag. Und jetzt kommt, ist Mittagszeit und das Essen fertig, wartet die Alte auf uns!«

»Mister Strang, wir müssen scheiden. Die Freunde, sehen Sie, warten ungeduldig.«

»Wie Sie wollen! Dachte, Sie wollten Ihre künftigen Nachbarn kennenlernen und das Grundstück, das Sie ersteigert? Dachte, Sie wollten das? Wäre vielleicht das beste, was Sie tun könnten! Sie sind freundlich willkommen, zu bleiben, mögen aber tun, wie Sie wollen! Nur, kalkuliere ich, werden Sie lange auf eine zweite Einladung warten müssen.«

»Ich bin von Ihrer Freundschaft überzeugt, aber ...« Hauterouge und Ducalle standen abseits. Sie redeten heftig miteinander. Um keinen Preis wollten sie bei dem alten Verruchten bleiben, um keinen Preis – das war der Kehrreim, der zu meinen Ohren drang. Ich war in nicht geringer Verlegenheit. Ging ich, so stieß ich einen Mann vor den Kopf, der mir wichtig geworden, und dessen Rat und Beistand für das Gedeihen meiner Entwürfe unentbehrlich war. Blieb ich, so verletzte ich bewährte Freunde.

In dieser Verlegenheit kam Jean mit der Nachricht, daß unsere beiden Pferde von der Anstrengung des vorigen Tages noch so erschöpft wären, daß ans Nachhausereiten gar nicht zu denken sei.

»Wohl!« riefen Hauterouge und Ducalle. »So wollen wir zu einem Akadier! Lieber in der schlechtesten Hütte als einen Augenblick länger hier bleiben!«

Ich widersprach. Nathan, so bemerkte ich, wäre von mir zu dem Meinungskampf herausgefordert worden. Und wir hätten nicht das Recht, ihn wegen seiner ausgesprochenen Meinung zu verdammen.

»Was?« schrie Ducalle. »Was, Colonel? Sie verteidigen die Grundsätze dieses Rebellen, dieses Barbaren?«

Nathan verzog keine Miene, obwohl er zum Teil verstand, was wir französisch redeten. Aber jetzt nahm Major Gale das Wort.

»Pardon, junger Mann! Pardon, wenn ich Ihnen in die Rede falle. Aber die Meinung, die Mister Nathan ausgesprochen, ist die Meinung, zu der sich Millionen Amerikaner mit Stolz bekennen, und mit diesen Major Henry Gale!«

»Und mit denen wir nichts zu tun haben, und die wir bekriegen und bekämpfen wollen!« fuhr es Hauterouge heraus.

»Das steht euch frei, Messieurs! Steht euch auch frei, zu sagen, was ihr gehört! In New Orleans, in den Attacapas, überall! Weiß eure Regierung unsere Meinung, machen kein Geheimnis daraus.«

Ich suchte zu vermitteln – aber Nathan fiel mir in die Rede.

»Still, Fremdlinge! Kalkuliere, werden nicht von euch, die ihr nicht einmal Achtung vor dem Hause eines Bürgers habt und wie Narren durch das Fenster mitten zwischen seine Familie und Gäste hineinspringt, werden von euch nicht die Grundsätze der bürgerlichen Gesittung lernen! Sage euch, bin hier auf meinem Grund und Boden, und zwar so lange, bis mich eine stärkere Gewalt als die eurige vertreibt. Bin hier und spreche meine Meinung aus vor Gott und der Welt und eurer Regierung. Mögt wieder sagen, was ihr gehört und gesehen, und mögt ... gehen! Denn – hab' die Notion – seid nicht die Männer, mit denen ich lange verkehren wollte.«

Ducalle schäumte vor Zorn. Ich hatte ihn nie so gesehen. Er riß Hauterouge am Arm fort und schrie:

»Ich sehe, der alte Regulator hat die Aussicht, die Zahl seiner Schutzbefohlenen mit unserem Colonel zu vermehren!«

Ohne auf unsere Vorstellungen zu achten, schwangen sich unsere hitzköpfigen Freunde auf ihre Pferde und galoppierten im Sturm davon. Nathan war ganz ruhig geblieben und hatte gelassen von Roche Martin und den Akadiern Abschied genommen, die nun den beiden nacheilten.

»Werden ihnen die Köpfe bald leichter werden, wenn sie bei den Akadiern einkehren!« lachte der Alte in sich hinein. »Ein einziges Nachtlager wird sie heilen. Sind – die Umwege mit in Anschlag gebracht – fünfunddreißig Meilen von Hause. Werden sehen, was es heißt, die Gastfreundschaft eines Akadiers gegen die eines Amerikaners zu vertauschen.«

»Habt aber wohl getan zu bleiben«, wandte er sich an Lassalle und mich. »Wohl getan! Seid willkommen! Sehe, daß Sie ein Mann sind, Colonel, der die Welt gesehen. Liebe es, mit solchen Männern zu sein.«

Auch Major Gale ergriff unsere Hände.

»Sie haben wohl getan und werden sehen, was es heißt, die Freundschaft eines Mannes wie Mister Strong gewonnen zu haben.«

Im ganzen genommen war ich froh, daß ich geblieben, und selbst daß Hauterouge und Ducalle gegangen. Denn die Attacapas waren mir zuwider, von ganzem Herzen zuwider, und das königstreue Ungestüm meines lieben Hauterouge würde ein ewiger Zankapfel geworden sein. Hier, das fühlte ich, war der Schauplatz, wo meine Tätigkeit sich entwickeln konnte, obwohl ich gewünscht hätte, das Scheiden von unseren Freunden wäre auf eine für sie weniger verletzende Weise vor sich gegangen.


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