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4

Als der Tag anbrach, sagte Jonas, der am wenigsten davongetragen: »Will doch hinaus, und Godsend soll mit mir, um zu sehen, ob sich noch etwas von den Spaniern zeigt.«

Und er ging mit Godsend hinaus. Fand draußen über die zwanzig Tote und einige tödlich und leicht Verwundete, die ihn um Gottes willen um einen Trunk Wasser baten.

Sagte ihnen Jonas, sie sollten alles haben, müßten ihm aber sagen, ob die Spanier noch da wären oder ob sie abgezogen.

»Sind abgezogen, sind fort, die Bösewichte!« sagten sie. »Und haben uns zurückgelassen, die Bösewichte! Fort sind sie, fort!«

Traute aber Jonas dem Landfrieden doch nicht ganz und rief eines der Weiber, sagte, sie möchte etwas Suppe bringen und Wasser, um den Armen einen Labetrunk zu geben.

Sagte Rachel: »Laßt sie verschmachten, die Hunde, die meinen Mann so verräterisch umgebracht!«

Sagte ich aber: »Rachel! Nein, Rachel, das ist nicht christlich und nicht wie deines Vaters Tochter gesprochen. Lägest du wie wir so blutig da, würdest du anders reden.«

Und sagte sie: »Du hast recht, Nathan. Gott verzeih mir meine Sünden! Geh, Jonas, und nimm so viel du tragen kannst, und schau, wie viele ihrer sind!«

Und nahm Jonas einen Kübel mit Wasser, einen mit Suppe und Löffel und Becher und ging. Schüttete den armen Tröpfen, die gegen uns gefochten, warum wußten sie selbst nicht, den Labetrunk ein und sagte ihnen, wir wollten sie ins Blockhaus nehmen, sobald wir imstande wären. Und verbunden sollten sie gleichfalls werden.

War dies aber keine so leichte Sache. Denn, wie ihr seht, ist der Hügel gute dreißig Fuß hoch. Und verwundete Leute eine solche Höhe, die beinah senkrecht ist, heraufzuziehen, war für die Weiber schier zu hart. Denn wir Männer konnten uns selbst vor Schmerzen kaum regen und bewegen. War auch das Blockhaus voll von Rumpelwerk und die Palisaden so voll von Toten, daß Rachel, meine Schwester, hinab mußte, um ihre Wunden zu verbinden.

»Was sollen wir aber mit den Toten anfangen?« fragte Rachel, als sie wieder zurück war. »Die Turkey-Buzzards und Getier aller Art kommen zu Tausenden.«

Wir konnten den greulichen Lärm hören. War eine harte Sache, Christen so von abscheulichem Gewürm verzehrt zu sehen, statt sie in ein Grab gelegt zu wissen, wie's sich gehört und gebührt.

»Rachel« sagte ich. »Den Toten können wir zum Leben nicht mehr helfen, aber zu einem ehrlichen Grab, zu dem können wir ihnen verhelfen. Wohl, so geht, ihr Weiber, ihr versteht mit Schaufeln und Grabscheiten umzugehen, und öffnet ein Grab! Jonas wird die Toten hineinwerfen.«

Und sie gingen. War hohe Zeit, denn die Geier und Turkey-Buzzards und alles Getier hatten sich zu Tausenden herbeigetan. Sie öffneten ein großes Grab drüben, und Jonas schleppte die Leichname zusammen. Was er an Geld und Uhren und derlei Dingen bei ihnen fand, nahm er. Die Offiziere hatten zusammen etwa fünfzig Dublonen, die übrigen etwa hundert Dollar. Ihre Kleidung ließ er ihnen, nur ihre Waffen und ihr Geld, das war verfallene Kriegsbeute, die nahm er. Und sammelte auch an die fünfzig Musketen.

Einunddreißig Leichen warf er hier in das Grab, über dem sich der Hügel erhebt, den eben jetzt die Mondesscheibe beleuchtet. Vier, die in der Nacht darauf starben, sind auf der anderen Seite begraben. Waren wenig Verwundete, denn unsere Rifle verwundet nicht gern, macht lieber gleich tot.

Und nahm dieses Grabmachen unsern Weibern fast den ganzen Tag weg. Abends trafen sie Anstalt, die sieben leichter Verwundeten ins Blockhaus zu bringen. Teils hoben sie sie herauf, teils zogen sie sie auf Stricken zu den Palisaden und zwischen das Pfahlwerk herein, aus dem die Toten weggeschafft worden waren.

Und war uns nach diesem christlichen Werk ungemein wohl, und schliefen wir diese Nacht viel ruhiger.

Hatten unsere trefflichen Weiber auch den folgenden Tag alle Hände voll zu tun, um zwölf Verwundete zu pflegen und zu kochen und unsere Schmerzen zu lindern, die höllisch waren, kann ich euch sagen. Waren unter den nicht gefährlich Verwundeten zwei Akadier, die mit Schußwunden im Schulterblatt davongekommen.

Und schienen uns diese Akadier fromme christliche Gesellen. Sie wimmerten und jammerten, daß sie gezwungenerweise gegen uns mit mußten, und wollten alle Tage ihres Lebens des Guten nicht vergessen, das wir ihnen widerfahren lassen, und bedauerten, sagten sie, daß sie gegen uns gezogen. Und sagten wir, wir bedauerten es auch. Da wir aber die Bekanntschaft gemacht, so hofften wir, wir würden künftig gute Freunde bleiben. Denn unser Sprichwort sagt: Freundschaft auf dem Schlachtfeld geschlossen währt bis in den Tod.

Am dritten Tag war uns ein wenig besser. Ich konnte mich bereits von meinem Tillandsea-Lager erheben, obwohl mit vielen Schmerzen. Und rief ich Rachel und die Weiber und sagte ihnen:

»Unsere Lage ist nicht die am weichsten gebettete, hab' ich die Notion. Unsere Häuser niedergebrannt, wir niedergeworfen, daß wir schier nicht aufstehen können, alles um uns herum Blut und Leichname. Kalkuliere, wir müssen Rat halten, was nun zu tun ist.«

»Kalkuliere, das ist eine schwere Sache«, sagten James und Righteous.

»Haben aber getan, was wir tun mußten«, sagte James. »Kein Hinterwäldler hätte in unserer Lage braver getan.«

»Richtig«, sagte ich. »Habt ganz recht! Haben getan, was wir tun konnten und mußten. Aber jetzt ist nicht die Frage, was wir getan, sondern was zu tun.«

»Was zu tun?« fragte Rachel, die immer viel vom Geist ihres Vaters gehabt und noch hat. »Der Herr hat es gesandt, was uns zugestoßen. Müssen abwarten, was er weiter zu senden willens ist. Und müßt ihr euch ruhig verhalten, und wenn ihr hergestellt seid, dann ist Zeit genug Rat zu pflegen.«

»Und was ist mit Asa?« fragte ich.

Lag aber Asa im Waschkübel Rachels mit weißer Leinwand angetan und lag in der Ecke, wo er begraben ist.

»Asa!« sagte Rachel und brach in Tränen und Schluchzen aus. »Mein geliebter Asa! Soll da ruhen, wo er gefallen ist. Seine Lagerstätte soll sein in dem Blockhaus, das er selbst gebaut, dem blutigen Blockhaus.«

»Rachel, du wirst doch nicht sein Grab graben wollen?« sagte ich.

»Nicht jetzt, Nathan. Für jetzt will ich unterdessen draußen ein Grab graben. Aber wenn wir aus dem Blockhaus heraus sind, dann soll er hier eine Ruhestätte haben, wie sich's gehört und gebührt.«

»Also willst du aus diesem Blockhaus, Rachel?«

»Können doch nicht drei Familien zusammen im Blockhaus wohnen? Wirst doch das nicht wollen?«

»Und wohin sollen wir, Rachel?«

»Wohin?« fragte sie erstaunt. »Wohin anders als dahin, wo wir hergekommen?«

Und deutete sie auf den Präriekamm, auf dem unsere abgebrannten Häuser standen.

»Dorthin ziehen?« sagte ich. »Rachel, vergißt du, daß wir bereits einmal von dort vertrieben worden und die Spanier jetzt zehnmal mehr Ursache dafür haben und den Weg auch leichter finden werden als das erste Mal, auch nicht mehr bloß fünfundachtzig kommen werden?«

»Und sage ich dir, Nathan, der du ein Sohn deines Vaters bist, ich sage dir, daß ich diesen Ort und dieses Land, das meines Mannes Blut getränkt, nimmermehr meiden will, nicht, wenn zehntausend Spanier kämen! Und willst du gehen, so geh! Ich will bleiben. Asa hat das Land mit seinem Blut errungen, und Rachel will es behaupten.«

»Das sind eitle Reden, Rachel«, sagte ich. »Du weißt wohl, daß wir dich nicht allein hier lassen werden. Aber wenn nun die Spanier kommen?«

»Das sind noch eitlere Reden!« sagte Rachel. »Wir sind in Gottes Hand und haben das Unglück nicht verschuldet. Was gekommen ist, müssen wir ertragen, und kommen die Spanier wieder, so helfe uns Gott! Und er wird helfen, so wie er den drei Männern im feurigen Ofen geholfen hat. Wären die Vereinigten Staaten einen Steinwurf weit weg oder über dem Red River drüben, möchten wir einstweilen dorthin, bis eure Wunden geheilt sind. Aber da dies nicht der Fall ist, so müssen wir Gottes Schickung abwarten, abwarten, bis ihr wieder hergestellt seid. Aber das Land verlasse ich nun und nimmermehr.«

Und kannten wir Rachels hohen Geist vollkommen, um zu wissen, sie würde auch halten, was sie sagte. War aber jetzt nichts weiter zu tun, als in Geduld unsere Heilung abzuwarten.

Und warteten wir unsere Heilung auch ab. Und wie unsere Kräfte wiederkehrten, kam auch die Besinnung und der Mut. Und nach Verlauf von vier Wochen waren wir so ziemlich wieder bei Kräften, obwohl wir weder eine Axt schwingen noch eine Rifle halten konnten.

Und schoben und krochen wir eines Morgens nach Verlauf dieser langweiligen vier Wochen aus unserm Blockhaus, das schier unser aller Grab geworden wäre. Und stiegen wir die Leiter hinab, und war unser erster Gang natürlich zu dem Kamm, wo unsere Häuser gestanden.


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