Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neununddreißigstes Kapitel.

– – – – – Aumerle war's,
Doch ist's vorbei, denn er ist Richards Freund;
Und Ihr, Madame, müßt ihn jetzt Rutland nennen.

Richard der Zweite.

 

Die Aufklärungsscene wurde schnell von der Küche nach dem Gemache der Frau Wilson verlegt, dasselbe, das sie als Haushälterin und auch noch jetzt bewohnte. Es sei mehr gegen den Zugwind geschützt, sagte sie, als die Halle, welche für ihren Rheumatismus gefährlich sei; auch sei es für sie passender, als das Zimmer des seligen Herrn, worin sie nur traurig werde; das große getäfelte Zimmer werde nur geöffnet, um ausgelüftet, gescheuert und abgestäubt zu werden, es sei denn bei einer außerordentlichen Feierlichkeit. Beide saßen also in dem mit Matten belegten Zimmer, von Gefäßen mit allerlei Eingemachtem umgeben, welches die cidevant Haushälterin noch immer aus bloßer Gewohnheit bereitete, da weder sie, noch sonst Jemand von diesen Confitüren Etwas genoß.

Morton, der seine Erzählung der Fassungskraft seiner Zuhörerin anpaßte, benachrichtigte sie in kurzen Worten von dem Untergange des Schiffes und aller Mannschaft, bis auf zwei oder drei Matrosen, die sich noch schnell des Boots bemächtigt hatten, und gerade von dem verunglückten Schiffe abstoßen wollten, als er vom Verdecke in ihr Boot sprang, und eben so unerwartet, als gegen ihren Willen, sich als Teilnehmer an ihrer Reise und Rettung aufdrang. Bei seiner Landung zu Vließingen hatte er das Glück, einen alten Kriegskameraden seines Vaters zu treffen, auf dessen Rath er nicht unmittelbar nach dem Haag reiste, sondern seine Briefe an den Hof des Statthalters sandte.

»Unser Prinz,« sagte der Veteran, »muß es vor der Hand noch mit seinem Schwiegervater und Eurem König Karl halten; daher wäre es unklug, Euch durch seine Gunst auszuzeichnen, wenn Ihr Euch ihm als schottischer Mißvergnügter nähert. Erwartet also seine Befehle, ohne Euch aufzudringen; haltet Euch sehr zurückgezogen; nehmt für jetzt einen andern Namen an; vermeidet den Umgang britischer Verbannten und Ihr werdet Eure Klugheit gewiß nicht bereuen.«

Der alte Freund des Silas Morton hatte Recht. Nach geraumer Zeit kam der Prinz von Oranien, auf einer Reise durch die vereinigten Staaten, in die Stadt, wo Morton, trotz der Ungeduld über seine Lage, sich immer noch aufhielt. Er erhielt eine geheime Unterredung mit dem Prinzen, und dieser drückte sich freundlichst über seine Einsicht, Klugheit und liberalen Ansichten aus, welche er über die Parteiungen seines Vaterlandes, über ihre Beweggründe und Pläne zu hegen schien.

»Gern würde ich Euch um meine Person haben,« sagte Wilhelm; »aber das würde in England Anstoß geben. Doch will ich für Euch thun, was ich kann, sowohl aus Achtung für Eure Gesinnungen, als wegen Eurer Empfehlungen, die Ihr mir überbrachtet. Hier ist ein Offizierpatent in einem Schweizerregimente, das jetzt in einer entfernten Provinz liegt, wo Ihr fast keinen treffen werdet. Behaltet vorläufig den Namen Kapitän Melville, bis Ihr in bessern Zeiten wieder Euren eigenen führen könnet?«

»So begann mein Glück,« fuhr Morton fort, »und meine Dienste sind bei verschiedenen Gelegenheiten von Sr. königlichen Hoheit gewürdigt worden, bis er als Befreier nach England kam. Seine Befehle müssen natürlich mein Stillschweigen gegen meine Freunde in Schottland rechtfertigen. Ich wundere mich nicht über die Nachricht von meinem Tode, theils wegen des Schiffbruchs, theils weil ich keine Gelegenheit fand, die Wechsel zu benutzen, womit mich die Freigebigkeit meiner Freunde versehen hatte, ein Umstand, der die Vermuthung, daß ich gestorben sei, noch mehr befestigte.«

»Aber, liebes Kind,« fragte Frau Wilson, »habt Ihr keinen Schotten an des Prinzen von Oranien Hofe gefunden, der Euch kannte? Ich hätte geglaubt, Morton von Milnwood müsse im ganzen Lande bekannt sein.«

»Ich war ja absichtlich in entferntem Dienste,« sagte Morton, »bis zu einer Zeit, wo ohne so innigen Antheil, wie der Eurige, Ailie, nur Wenige den jungen Morton in dem Generalmajor Melville wieder erkannt hätten.«

»Melville war der Name Eurer Mutter,« sagte Frau Wilson; »aber Morton klingt besser für meine alten Ohren. Und wenn Ihr die Besitzung übernehmt, müßt Ihr auch wieder den alten Namen annehmen.«

»Damit werde ich sehr wahrscheinlich nicht eilen, Ailie; denn ich habe triftige Gründe, vor der Hand Keinen, außer Euch, wissen zu lassen, daß ich noch lebe. Was aber die Besitzung von Milnwood betrifft, die ist in guten Händen.«

»In guten Händen, Kind?« wiederholte Ailie; »Ihr meint doch hoffentlich nicht die meinigen? Die Einkünfte und Ländereien sind für mich nur eine große Last, und einen Ehemann nehmen mag ich auch nicht; obgleich Willie Mactrickit, der Schreiber, mich sehr anging und gar freundlich sprach; aber ich bin zu alt dazu, um mich so ködern zu lassen. Mich kann er nicht so beschwatzen, wie so manche Andere. Auch dachte ich immer, Ihr würdet zurückkommen, und da würde ich wohl Brod und Suppe haben, und Euch die Sachen zurecht halten, wie zu Eures armen Oheims Zeit, und es würde mir eine große Lust sein, wenn Ihr gedeihet in Eurer Wirthschaft; – die werdet Ihr auch gewiß in Holland gelernt haben, denn dort haben sie's los. – Aber Ihr wollt gewiß ein größeres Haus halten, als der alte Milnwood, selig; ich kann's Euch just nicht verdenken, wenn Ihr zwei Mal in der Woche Fleisch esset wollet – das macht keine Blähungen.«

»Davon ein ander Mal!« sagte Morton. »Ihr müßt wissen, daß ich nur einige Tage in sehr wichtigen Geschäften der Regierung im Lande bleibe, und deßhalb, Ailie, kein Wort, daß Ihr mich gesehen habt! Ich will Euch zur gelegnern Zeit mit meinen Beweggründen schon bekannt machen.«

»Gut, lieber Junge!« sagte Ailie; »ich kann ein Geheimniß wohl so gut bewahren, wie meine Nachbarn, und das wußte der alte Milnwood, selig, recht gut; denn er sagte mir, wo er sein Geld hatte, und das halten doch die meisten Leute so geheim, als möglich. – Aber kommt, Schatz, ich muß Euch doch das große getäfelte Zimmer zeigen, wie schön sich's erhalten hat, gerade als hätte ich Euch jeden Tag erwartet; – es hat auch Niemand darin geschafft, als ich. Es war mir immer eine Unterhaltung, obgleich mir zuweilen die Thränen in den Augen standen und ich zu mir selbst sagte: Was machst du dir da mit den Teppichen, Kissen und den großen metallenen Leuchtern zu schaffen? Ach, denen das gehört, die kommen doch nicht wieder!«

Mit diesen Worten nöthigte sie ihn in dies Allerheiligste, dessen sorgfältige Reinigung ihre tägliche Beschäftigung war. Morton, der ihr in's Zimmer gefolgt, ohne sich die Sohlen abzuwischen, mußte sich einen Verweis gefallen lassen, was darthat, daß die alte Ailie ihre Oberherrschaft noch nicht aufgegeben hatte. In diesem Gemache überkamen Morton die Empfindungen der Ehrfurcht, von denen er als Knabe bei dem selten gestatteten Zutritte in das Zimmer ergriffen worden war, welches, wie er damals glaubte, nur in fürstlichen Palästen seines Gleichen haben könnte. Manches von diesen kostbaren Möbeln hatte jetzt freilich von dem Einflusse auf sein Gemüth verloren; doch zwei Gegenstände erfüllten ihn mit mannigfachen Empfindungen, die Bilder zweier Brüder, von denen das eine seinen Vater in Lebensgröße darstellte, in vollständiger Rüstung, mit einem Antlitz, das seinen männlichen und entschlossenen Charakter bezeichnete; das andere war das Porträt seines Oheims in gesticktem Sammet. Er sah aus, als schämte er sich seines Putzes, obgleich er diesen nur der Freigebigkeit des Malers zu verdanken hatte.

»Es war dumm, den wackern alten Mann in so viel Geflunker zu stecken,« sagte Ailie; »trug er doch nie so Etwas, sondern nur einen grauen Rock und einen Ueberschlag mit der schmalen Einfassung.«

Morton theilte im Stillen ganz ihre Ansicht; denn Alles, was sich dem Anzuge eines Edelmannes näherte, saß seinem Oheim überaus schlecht. Er machte sich nun von Ailie los, um einige seiner Lieblingsplätze im nahen Walde aufzusuchen, während sie mit eigenen Händen dem Mittagsmahle noch Etwas hinzufügte, das einem Stück Geflügel das Leben kostete, welches ohne ein so bedeutendes Ereigniß, nämlich Mortons Ankunft, gewiß bis zu einem hohen Alter fortgegackert hätte, ehe Ailie sich eines so grausamen Mordes schuldig gemacht haben würde. Das Mahl wurde gewürzt durch Gespräche von alten Zeiten und durch Pläne, welche Ailie für die Zukunft entwarf, wobei sie dem jungen Herrn alle klugen Gewohnheiten des alten Oheims empfahl, und die Geschicklichkeit hervorhob, mit welcher sie ihr Amt als Haushofmeisterin versehen würde. Morton ließ die Alte während dieser frohen Augenblicke Luftschlösser bauen, und verschob auf eine passendere Gelegenheit die Mittheilung seiner Absicht, wieder auf den Continent zurückzukehren und dort sein Leben zuzubringen.

Seine nächste Sorge war jetzt, die militärische Kleidung abzulegen, da er durch sie seine Nachforschungen nach Burley behindert glaubte. Er vertauschte sie gegen einen grauen Rock und Mantel, seine ehemalige Tracht zu Milnwood, welche Frau Wilson aus einer nußbraunen Truhe hervorholte, wohin sie die Kleider gelegt hatte, ohne jedoch zu vergessen, dieselben von Zeit zu Zeit sorgfältig zu bürsten und auszuklopfen.

Frau Wilson meinte, dieser Anzug stehe ihm recht gut, und obschon er nicht dicker geworden, sehe er doch männlicher aus, als damals, da man ihn von Milnwood abgeführt habe; dann ließ sie sich weiter aus über den Vortheil, alte Kleider aufzuheben, um einen Nothnagel zu haben, und war schon um ein Erkleckliches in der Geschichte eines Sammtmantels, der dem verstorbenen Milnwood gehörte, dann in einen Rock und hierauf in ein Paar Hosen verwandelt worden war, vorgeschritten, als Morton die fernern Metamorphosen dadurch unterbrach, daß er Abschied von der Alten nahm.

Er gab in der That ihren Gefühlen einen gewaltigen Stoß durch die Mittheilung, daß er durchaus noch diesen Abend seine Reise fortsetzen müsse.

»Wohin wollt Ihr denn? – Warum wollt Ihr das thun? – Warum wollt Ihr nicht in Eurem eigenen Hause schlafen, das Ihr seit so langen Jahren nicht gesehen habt?«

»Es thut mir gewiß leid, Ailie; aber ich muß. Das war auch der Grund, daß ich mich Euch unkenntlich zu machen suchte, da ich fürchtete, Ihr würdet mich nicht so leicht wieder von Euch lassen.«

»Aber wohin geht Ihr denn?« fragte Ailie nochmals. »Hat man je so Etwas erlebt! Kaum seid Ihr da, so wollt Ihr auch schon wieder weg, wie ein Tausendsasa!«

»Ich muß hinunter zu Niel Blane, des Pfeifers, Gasthof,« sagte Morton. »Er kann mir doch wohl ein Bett geben?«

»Ein Bett? Ei freilich,« antwortete Ailie; »aber Ihr werdet auch dafür blechen müssen. Ich glaube, Ihr seid in der Fremde verrückt geworden, daß Ihr Euer Geld ausgeben wollt für ein Abendbrod und Bett, da Ihr doch beides umsonst haben könnt, ja noch einen Dank dazu, wenn Ihr's nur haben wollt.«

»Ich versichere Euch, Ailie, es ist ein Geschäft von großer Wichtigkeit, wo ich viel gewinnen und durchaus nichts verlieren kann.«

»Ich sehe nicht ein, wie das möglich ist, wenn Ihr damit anfangt, vielleicht zwölf Schilling schottisch für Euer Abendbrod zu geben; aber junge Leute sind immer waghalsig, und denken aus diese Manier zu Geld zu kommen. Mein alter seliger Herr ging einen bessern Weg, und gab das Geld nicht so leicht wieder aus, wenn er es einmal hatte.«

Morton beharrte auf seinem Entschlusse, nahm Abschied von Ailie und bestieg sein Pferd, um nach der kleinen Stadt zu reiten, nachdem er ihr ein feierliches Versprechen abgenöthigt hatte, seine Rückkehr geheim zu halten, bis sie wieder von ihm sehe, oder höre.

Ich bin gewiß nicht zur Verschwendung geneigt, dachte er auf dem langsamen Trabe nach dem Städtchen; aber wenn Ailie und ich zusammen so haushalten sollten, wie sie will, wahrhaftig, mein Aufwand würde der guten Alten das Herz in der ersten Woche brechen.


 << zurück weiter >>