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Achtundzwanzigstes Kapitel.

Und eine Nadel war' in ihrer Hand
Für meinen Busen tausend Dolche.

Marlow.

 

Der Zug, welcher Tillietudlem verlassen, hielt einige Minuten an, nachdem er über die Vorposten hinaus war, um einige Erfrischungen zu nehmen, welche von ihren Begleitern mitgenommen worden, und deren die Leute, welche so lange Mangel litten, sehr bedurften. Hierauf eilten sie aus dem Wege nach Edinburgh fort. Man hätte wohl erwarten sollen, Lord Evandale würde während der Reise häufig an der Seite des Fräuleins Editha Bellenden sein. Allein nachdem er sie begrüßt und sorgfältig alle Vorkehrungen getroffen, die zu ihrer Bequemlichkeit dienen konnten, ritt er mit dem Major an der Spitze des Zuges, und schien das Geschäft, die liebliche Nichte zu begleiten, einem Reiter der Insurgenten zu überlassen, dessen Züge durch den dunklen Reitermantel und breitkrämpigen Federhut verhüllt wurden. Länger als eine halbe Stunde waren sie schweigend fortgeritten, als der Fremde das Fräulein mit leiser, zitternder Stimme folgendermaßen anredete:

»Fräulein Bellenden muß Freunde haben, wo man sie kennt; selbst unter denjenigen, deren Handlungsweise sie jetzt mißbilligt. Sind diese im Stande, Etwas zu thun, um ihr ihre Achtung zu bezeugen und Bedauern über ihre Leiden auszudrücken?«

»Mögen sie um ihrer selbst willen lernen,« erwiderte Editha, »die Gesetze zu ehren und unschuldig Blut zu schonen. Mögen sie zu ihrer Pflicht zurückkehren, und ich kann ihnen Alles, was ich gelitten, vergeben, und wäre es noch zehn Mal mehr.«

»Ihr haltet es also für unmöglich,« entgegnete der Reiter, »daß Einer in unsern Reihen dienen kann, dem das Wohl seines Vaterlandes aufrichtig am Herzen liegt, und der überzeugt ist, seine Pflicht gegen dasselbe zu erfüllen?«

»Es wäre vielleicht unklug,« versetzte Miß Bellenden, »diese Frage zu beantworten, da wir in Eurer Gewalt sind.«

»Im gegenwärtigen Falle durchaus nicht, auf mein Ehrenwort!« erwiderte der Reiter.

»Ich bin von meiner Kindheit an Aufrichtigkeit gewöhnt,« sagte Editha, »und muß, wenn ich einmal spreche, meine wahre Meinung äußern. Gott allein kennt das Herz; die Menschen aber müssen die Absichten nach den Handlungen beurtheilen. Verrath, Mord durch Schwert und Galgen, die Unterdrückung einer harmlosen Familie, wie die unsere, die nur zur Vertheidigung ihres Eigenthums die Waffen ergriffen: das sind Handlungen, die Jeden beflecken müssen, der Theil daran genommen, so sehr sie auch durch hochklingende Namen beschönigt werden.«

»Die Schuld des Bürgerkrieges,« entgegnete der Reiter – »das Elend welches er mit sich führt, haben Diejenigen, welche ihn durch gesetzlose Unterdrückung hervorgerufen, viel mehr zu verantworten, als die, welche zu den Waffen getrieben worden, um ihre natürlichen Rechte als freie Männer zu vertheidigen.«

»Das heißt Etwas voraussetzen, was erst bewiesen werden muß,« erwiderte Edith«. »Jede Partei glaubt sich in ihrem Rechte, und darum liegt die Schuld auf Seiten derer, die zuerst das Schwert zogen; wie bei einem Streite das Gesetz diejenigen für strafbar hält, die zuerst zu Gewaltthätigkeiten geschritten sind.«

»Ach!« rief der Reiter, »läge darin unsere Rechtfertigung, wie leicht wäre der Beweis, daß wir fast mit übermenschlicher Geduld gelitten, ehe wir offenen Widerstand geleistet haben. – Aber ich bemerke,« fuhr er tiefaufseufzend fort, »daß ich vergebens vor Miß Bellenden eine Sache vertheidige, über die sie zum Voraus abgeurtheilt und vielleicht ebensosehr aus Abneigung gegen die Personen, als gegen die Grundsätze derer, die dabei betheiligt sind.«

»Verzeiht!« antwortete Editha; »ich habe nur freimüthig meine Meinung über die Grundsätze der Insurgenten ausgesprochen; von ihrer Persönlichkeit weiß ich nichts, – eine einzige ausgenommen.«

»Und diese einzige hat Euer Urtheil über alle andere bestimmt?« fragte der Reiter.

»Weit entfernt!« erwiderte Editha; »er ist – wenigstens glaubt' ich's einst – ein Mann, mit dem sich wohl Wenige messen können, – er ist – oder schien ein Mann von frühgereiften Anlagen, hoher Redlichkeit, reiner Sitte und innigem Gefühle. Kann ich nun einen Aufruhr billigen, der einen solchen Mann, welcher zur Zierde, zur Leuchte und zum Hort seines Vaterlandes geschaffen war, zum Genossen finsterer Fanatiker oder unwissender Heuchler, – zum Anführer roher Bauern, – zum Waffenbruder von Mördern und Banditen gemacht? – Solltet Ihr einen solchen in Eurem Lager treffen, so sagt ihm, daß Editha Bellenden über seine entweihte Gesinnung, seine zerstörten Aussichten, seinen entehrten Namen mehr geweint hat, als über das Unglück ihres eigenen Hauses, – und daß sie den Hunger, der die Blüthen ihrer Wange und den Glanz ihres Auges geraubt, besser ertragen konnte, als den nagenden Gedanken, durch wen diese Leiden gekommen.«

Bei diesen Worten wendeten sie ihrem Begleiter ein Gesicht zu, dessen welke Wangen die Wahrheit ihrer angedeuteten Leiden bekräftigten, selbst jetzt, da sie durch die Lebhaftigkeit, mit der sie sprach, nur sanft rötheten.

Der Reiter war gegen diese Mahnung nicht unempfindlich. Er fuhr schnell mit der Hand über die Stirn, wie ein Mensch, dem ein stechender Schmerz den Kopf durchzuckt, dann über das Gesicht, und drückte den Hut noch tiefer in die Augen.

Diese Bewegung und das Gefühl, wodurch sie erzeugt wurde, entging Editha keineswegs, und sie bemerkte es nicht ohne Rührung.

»Und doch,« fuhr sie fort, »sollte der Mann, von dem ich spreche, zu tief ergriffen sein von der strengen Meinung einer – einer – Jugendfreundin, so sagt ihm: ausrichtige Reue stehe der Unschuld am nächsten, daß er zwar von einer nicht leicht wieder zu erreichenden Höhe gefallen, daß er zwar der Urheber vielen Unheils geworden, weil er es durch sein Beispiel beschönigt, daß er aber dennoch in Etwas gut machen kann, was er verbrochen.«

»Und auf welche Weise?« fragte der Reiter mit eben so leiser, fast erstickter Stimme.

»Wenn er Alles anwendet, seinem unglücklichen Vaterlande die Segnungen des Friedens wiederzugeben und die verblendeten Rebellen zur Niederlegung ihrer Waffen zu bewegen. Wenn er ihr Blut schont, versöhnt er früheres Blutvergießen; – und wer sich bei der Erreichung dieses großen Zweckes am thätigsten beweist, wird sich am besten den Dank der Gegenwart und das ehrenvolle Andenken der Zukunft erwerben.«

»Aber,« sagte ihr Begleiter mit fester Stimme, »Fräulein Bellenden würde gewiß nicht wünschen, daß bei einem solchen Frieden die Interessen des Volkes der Krone ausgeopfert würden.«

»Ich bin nur ein Mädchen,« antwortete das Fräulein, »und darf wohl kaum ohne Anmaßung darüber sprechen. Da ich aber bereits so weit gegangen, so setze ich offen hinzu, daß ich einen Frieden wünsche, der allen Parteien Ruhe gäbe und die Unterthanen vor militärischer Gewaltthätigkeit sichere, die ich eben so sehr verabscheue, als die Mittel, die man dagegen ergriffen hat.«

»Miß Bellenden,« erwiderte Heinrich Morton, indem er den Kopf erhob und mit seiner natürlichen Stimme sprach; »der Mann, welcher eine so schätzenswerthe Stelle in Eurer Achtung verloren, besitzt doch noch Muth genug, seine Sache als Angeklagter zu verteidigen, und da er nicht länger hoffen darf, von Euch als Freund betrachtet zu werden, würde er Euren harten Tadel verschmerzen, könnte er sich nicht auf das ehrenvolle Zeugniß des Lord Evandale berufen, daß seine ernstlichsten Wünsche und thätigsten Bemühungen eben jetzt darauf gerichtet sind, einen solchen Frieden zu erwirken, den auch der Loyalste nicht verwerfen kann.«

Er verbeugte sich mit Würde gegen die Dame, deren Sprache wohl verrieth, daß sie wußte, mit wem sie sich unterredete, die aber wahrscheinlich nicht erwartete, daß er sich mit so viel Lebhaftigkeit rechtfertigen würde. Verwirrt und schweigend erwiderte sie seinen Gruß; Morton aber ritt an die Spitze des Zuges.

»Heinrich Morton!« rief der Major, überrascht durch die plötzliche Erscheinung.

»Derselbe,« versetzte Morton, »dem es wehe thut, von Major Bellenden und seiner Familie so hart beurtheilt zu werden. Er überläßt es Mylord Evandale,« fuhr er mit einer Verbeugung gegen den jungen Edelmann fort, »seine Freunde über seine Handlungsweise und die Reinheit seines Strebens aufzuklären. Lebt wohl, Major Bellenden! Alles Glück Euch und den Eurigen! – Mögen wir uns einst in bessern Tagen wiedertreffen!«

»Glaubt mir, Herr Morton,« sagte Lord Evandale; »Euer Vertrauen soll Euch nicht reuen. Ich werde mich bestreben, die großen Dienste, die Ihr mir geleistet, dadurch zu belohnen, daß ich Alles anwende, Euch in der guten Meinung des Majors Bellenden und Aller, deren Achtung Euch werth ist, wieder herzustellen.«

»Das hab' ich von Eurer Großmuth erwartet, Mylord,« sagte Morton.

Er rief seine Leute zusammen und ritt durch die Haide Hamilton zu. Ihre Federn flatterten und ihre Stahlhauben glänzten in der Sonne. Nur Cuddie blieb hinter den Gefährten zurück, um einen zärtlichen Abschied von Jenny Dennison zu nehmen, die während dieses kurzen Morgenrittes ihren Einfluß auf sein empfängliches Herz wieder gewonnen hatte. Einige Bäume verhüllten ein wenig ihr tête à tête, als sie ihre Pferde anhielten, um sich zu verabschieden.

»Leb' wohl, Jenny,« sagte Cuddie mit einem höchst kraftvollen Seufzer, – »denk' manchmal an den armen Cuddie – einen ehrlichen Burschen, der dich gern hat, Jenny. Wirst wohl manchmal an ihn denken?«

»O ja, – wenn ich Kohlbrühe esse,« antwortete das boshafte Mädchen, das weder die beißende Antwort noch das schelmische Lächeln unterdrücken konnte.

Cuddie rächte sich, wie bäurische Liebhaber pflegen und wie Jenny wahrscheinlich erwartete; – er umschlang sie, küßte ihr herzlich Wangen und Lippen, wandte sein Pferd und trabte seinem Herrn nach.

»Ein Teufelskerl!« sagte Jenny, indem sie ihre Lippen abwischte und die Haube zurecht rückte, »zwei Mal mehr Courage hat er, als der Tom Halliday. – Ich komme, Mylady, ich komme. – Gott sei uns gnädig! die alte Lady wird uns doch nicht gesehen haben?«

»Jenny,« sagte Lady Margaretha, als das Mädchen zu ihr kam, »war der junge Mann, der die Reiter anführte, nicht derselbe, der Vogelhauptmann ward und der an demselben Morgen, als Claverhouse kam, gefangen nach Tillietudlem gebracht wurde?«

Jenny, die hoch erfreut war, daß die Frage nicht ihre eigenen kleinen Angelegenheiten betraf, blickte auf ihre junge Gebieterin, um wo möglich einen Wink zu erhalten, ob sie die Wahrheit sagen solle, oder nicht. Da sie aber keinen solchen erhaschen konnte, so folgte sie ihrem Zofeninstinkt und log.

»Ich glaube nicht, daß es derselbe war, Mylady,« sagte Jenny so zuversichtlich, als ob sie ihren Catechismus hersagte; »der war ja ein kleiner, schwarzer Mann.«

»Du mußt blind gewesen sein, Jenny,« sagte der Major, »Heinrich Morton ist groß und blond, und er ist es gewesen.«

»Ich hatte andere Dinge zu thun, als nach ihm zu sehen,« sagte Jenny und warf den Kopf aus; »meinetwegen mag er so blind sein wie ein Pfennigkerzchen.«

»Haben wir nicht von Glück zu sagen, daß wir den Händen eines so blutdürstigen, verzweifelten Fanatikers entgangen sind?« sagte Lady Margaretha.

»Ihr irrt Euch, Madame,« sagte Lord Evandale; »einen solchen Namen verdient Herr Morton durchaus nicht, von uns aber am wenigsten. Daß ich am Leben bin und daß Ihr Euch jetzt zu Euern Freunden zurückziehen könnt, statt die Gefangenen eines wirklich fanatischen Mörders zu sein, verdanken wir einzig und allein der schnellen und energischen Menschenliebe dieses jungen Mannes.«

Hierauf erzählte er alle Ereignisse, mit denen der Leser bereits bekannt ist, und verbreitete sich über Mortons Verdienste und die Gefahren, denen er sich durch die wichtigen Dienstleistungen aussetzte, als rede er von einem Bruder und nicht von einem Nebenbuhler.

»Ich wäre mehr als undankbar,« sagte er, »wenn ich die Verdienste eines Mannes verschwiege, der zwei Mal mein Leben gerettet.«

»Ich habe gern eine gute Meinung von Heinrich Morton, Mylord,« erwiderte Major Bellenden, »und ich gestehe, er hat sich gegen Eure Herrlichkeit schön benommen; aber ich kann nicht so nachsichtig sein, wie Ihr, was sein gegenwärtiges Treiben betrifft.«

»Ihr müßt erwägen,« entgegnete Lord Evandale, »daß er gewissermaßen dazu gezwungen worden ist, und ich muß gestehen, obgleich seine Grundsätze einigermaßen von den meinigen abweichen, so sind sie doch der Art, daß sie Achtung verdienen. Claverhouse, dem doch eine tiefe Menschenkenntniß durchaus nicht abzusprechen ist, hat seine ungewöhnlichen Eigenschaften richtig ermessen, über seine Grundsätze aber mit herbem Vorurtheil abgesprochen.«

»Ihr habt nicht viel Zeit gebraucht, seine außerordentlichen Eigenschaften kennen zu lernen, Mylord,« antwortete der Major. »Ich, der ich ihn von seiner Kindheit an kenne, konnte vor dieser Sache viel von seinen guten Grundsätzen und Gesinnungen sagen; aber von seinen hohen Talenten – –«

»Diese sind wahrscheinlich verborgen gewesen, Major, sogar ihm selber, bis die Umstände sie hervorriefen; und wenn ich sie entdeckte, so lag es darin, weil unsere Unterredung höchst wichtige Gegenstände betraf. Jetzt bemüht er sich dem Aufstande ein Ende zu machen, und die Bedingungen, die er vorschlug, sind so gemäßigt, daß es ihnen an meiner herzlichen Empfehlung nicht mangeln soll.«

»Und hofft Ihr wirklich auf das Gelingen eines so umfassenden Unternehmens?« fragte Lady Margaretha.

»Ich würde hoffen, wäre jeder Whig so gemäßigt wie Heinrich Morton, und jeder Royalist so uneigennützig wie Major Bellenden. Aber der Fanatismus ist aus beiden Seiten so groß, daß, wie ich fürchte, nur das Schwert diesen Krieg beendigen wird.«

Man kann sich leicht denken, daß Editha mit gespanntester Aufmerksamkeit auf diese Unterhaltung horchte. Während sie bedauerte, daß sie sich zu herb und voreilig gegen ihren Geliebten ausgelassen, fühlte sie sich zugleich von dem stolzen und erfreulichen Bewußtsein gehoben, daß sein Charakter, selbst nach dem Urtheil seines edelmüthigen Nebenbuhlers, so war, wie ihre Liebe ihn einst beurtheilt hatte.

»Bürgerliche Zwiste und häusliche Vorurtheile,« dachte sie, »können es nothwendig machen, daß ich sein Andenken aus meinem Herzen tilge; aber es ist kein geringer Trost für mich, bestimmt zu wissen, daß er der Stelle werth war, die er so lange behauptet hat.«

Während Editha sich so ihren ungerechten Unwillen vorwarf, kam ihr Geliebter im Lager der Insurgenten an und fand dieses in großer Bestürzung. Zuverlässige Nachrichten waren eingelaufen, daß die Königlichen Verstärkung aus England bekommen und im Begriff seien in's Feld zu rücken. Das Gerücht vergrößerte ihre Zahl, Ausrüstung und Mannszucht, und verbreitete noch andere Umstände, welche die Insurgenten entmuthigten. Alles Gute, was sie etwa von Monmouth zu erwarten hatten, konnte der Einfluß derer vereiteln, die den Oberbefehl mit ihm theilten. Sein Generallieutenant war der berühmte Thomas Dalzell, der die Kriegskunst in dem damals noch so rohen Rußland ausgeübt hatte und wegen seiner Grausamkeit und Gleichgültigkeit gegen menschliches Leben und Leiden eben so gefürchtet, als wegen seiner Loyalität und Unerschrockenheit geachtet wurde. Dieser Mann war nach Monmouth der Zweite im Oberbefehl; die Reiterei aber war von Claverhouse befehligt, der vor Begierde brannte, den Tod seines Neffen und seine Niederlage bei Drumclog zu rächen. Hierzu kamen noch die furchtbarsten Beschreibungen von dem Geschütz und der Cavalleriemacht, mit welchen die königliche Armee in's Feld rücke, und jedes Gerücht vermehrte die Besorgniß der Insurgenten, daß die Rache des Königs nur darum so lange gezaudert habe, um desto sicherer und schwerer zu treffen.

Morton bestrebte sich, das gemeine Volk dadurch zu ermuthigen, daß er ihnen die Uebertreibung jener Gerüchte vorstellte und sie an die Stärke ihrer eigenen Stellung erinnerte, da dicht vor ihnen ein nicht zu durchwatender Strom sei, über den man nur vermittelst einer langen schmalen Brücke gelangen könne. Er erinnerte sie an den Sieg über Claverhouse, als sie schwach an Anzahl und weit weniger disciplinirt und kampfgerüstet waren; er zeigte ihnen, daß der Boden wegen seiner Unebenheit und der ihn durchschneidenden Gebüsche bei muthiget Verteidigung bedeutenden Schutz gegen Artillerie und sogar gegen Kavallerie gewähre, und daß also ihr Heil nur von ihrem eigenen Muthe und ihrer eigenen Entschlossenheit abhänge.

Während Morton aber auf diese Weise den Muth des Heeres aufrecht zu erhalten suchte, benutzte er jene entmuthigenden Gerüchte, die Anführer von der Nothwendigkeit zu überzeugen, der Regierung gemäßigte Bedingungen vorzuschlagen, während sie noch ein zahlreiches, unerschrockenes Heer befehligten. Er zeigte ihnen, daß bei der gegenwärtigen Stimmung ihrer Anhänger kaum zu erwarten sei, sich ohne Nachtheil mit den wohlgeordneten Truppen des Herzogs von Monmouth einzulassen; wenn sie aber geschlagen und zerstreut würden, so werde der Aufstand, statt dem Lande nützlich zu sein, nur ein Vorwand werden, es noch härter zu unterdrücken.

Durch diese Gründe bewogen und überzeugt, daß es eben so gefährlich sei zusammenzubleiben als ihre Truppen zu entlassen, waren die meisten Anführer der Meinung, daß, wenn man solche Bedingungen erhalten könne, wie sie Lord Evandale dem Herzog von Monmouth überreichte, der Zweck, für den sie die Waffen ergriffen, größtentheils erreicht sei. Sie kamen dann überein, der von Morton entworfenen Bittschrift und Vorstellung beizutreten. Dagegen gab es noch andere Anführer, und diese hatten gerade den meisten Einfluß auf das gemeine Volk, die jeden Vorschlag eines Vergleichs, der sich nicht auf die Grundlage des feierlichen Bundes oder Covenants vom Jahre 1640 stützte, für null und nichtig, gottlos und unchristlich erklärten. Diese Männer verbreiteten ihre Ansicht unter dem Pöbel, der wenig Einsicht und nichts zu verlieren hatte, und überredeten Viele, daß die feigen Rathgeber, welche zu einem Frieden riethen, der nicht wenigstens die Entthronung der königlichen Familie und die entschiedene Unabhängigkeit der Kirche vom Staate zur Bedingung habe, nur furchtsame Arbeiter seien, die ihre Hände vom Pfluge abziehen wollten und nur einen Vorwand suchten, ihre Waffenbrüder zu verlassen. Diese widersprechenden Meinungen wurden in jedem Insurgentenzelt, oder vielmehr in den Hütten und Baraken, welche statt der Zelte dienten, wüthend verfochten. Leidenschaftlichkeit im Reden führte oft zu Hader und Thätlichkeit, und die Zwietracht, welche das Heer der Verfolgten zerspaltete, verkündete nur zu deutlich deren künftiges Schicksal.


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