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Sechsunddreißigstes Kapitel.

Mit wem entrauscht die Zeit?

Wie's Euch gefällt.

 

Es ist ein Glück für den Novellisten, daß er nicht, wie der Dramatiker, an die Einheit der Zeit und des Ortes gebunden ist, sondern daß er seine Person nach Belieben bald nach Athen und Theben versetzen, und bald wieder zurückbringen kann. Bisher hat die Zeit, nach Rosalindens Gleichnis, mit dem Helden unserer Geschichte gleichen Schritt gehalten; denn zwischen Mortons erstem Auftreten als Preisbewerber beim Vogelschießen und seiner Abreise nach Holland lag kaum ein Zeitraum von zwei Monaten. Aber manches Jahr verschwand bis zu dem Punkte, wo wir im Stande sind, den Faden unserer Erzählung wieder aufzunehmen, und es muß daher angenommen werden, daß die Zeit über diesen Zwischenraum hinweggerauscht. Ich spreche also das Privilegium meiner Zunft an und lenke die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Fortsetzung der Erzählung, welche von einer neuen Epoche, nämlich von dem Jahre nach der brittischen Revolution beginnt.

Schottland hatte sich soeben von der Erschütterung zu erholen begonnen, die durch den Wechsel der Dynastie veranlaßt worden, und war durch die kluge Mäßigung König Wilhelms den Schrecken eines langen Bürgerkrieges entgangen. Der Ackerbau blühte wieder auf, und Menschen, deren Gemüther unruhig geworden durch die heftigen politischen Erschütterungen und den allgemeinen Regierungswechsel in Staat und Kirche, gelangten wieder zur Besonnenheit, und schenkten nun ihrem eigenen Interesse die alte Aufmerksamkeit, statt die Staatsangelegenheiten zu besprechen. Nur die Hochländer widersetzten sich der neuen Ordnung der Dinge und standen in beträchtlicher Menge bewaffnet unter dem Viscount von Dundee, den unsere Leser bis jetzt unter dem Namen Grahame von Claverhouse kennen gelernt. Der allgemeine Zustand der Hochlande war aber so zügellos, daß eine größere oder geringere Unruhe in denselben die allgemeine Ruhe nicht gefährden konnte, so lange jene Unordnungen nicht über die Grenzen hinaus um sich griffen. In den Niederlanden erwarteten die Jakobiten, jetzt eine untergeordnete Partei, keinen unmittelbaren Vortheil mehr durch offenen Widerstand, und waren nun genöthigt, Privatzusammenkünfte zu halten und Versammlungen zu gegenseitiger Vertheidigung zu bilden, was die Regierung Hochverrath nannte, während Jene über Verfolgung schrieen.

Die triumphirenden Wighs stellten zwar den Presbyterianismus als Staatsreligion wieder her und gaben den Generalversammlungen der Kirche ihren ursprünglichen Einfluß wieder, gingen aber nicht so weit, als die Cameronianer und der ausschweifendere Theil der Nonconformisten unter Karl und Jakob. Sie wollten nichts von der Wiederherstellung des-Covenants wissen, und Diejenigen, welche in König Wilhelm einen eifrigen Anhänger des Covenants erwartet, waren bitter getäuscht, als er ihnen mit ächt holländischem Phlegma seine Absicht mittheilte, jede nur irgend mit der Sicherheit des Staats verträgliche Religionsform dulden zu wollen. Diese von der Regierung gehegten Grundsätze der Toleranz waren ein großes Aergerniß für die heftigere Partei, welche der Meinung war, dieselben ständen mit der heiligen Schrift durchaus im Widerspruche. Sie citirten für ihre engherzige Lehre manchen Bibeltext, der, wie leicht zu erachten, aus dem Zusammenhänge gerissen, und worin den Juden im alten Testamente die Erlaubniß ertheilt ward, die Götzendiener aus dem gelobten Lande zu vertilgen. Sie murrten auch über den Einfluß, den sich weltliche Personen durch das Pfarrverleihungsrecht anmaßten, welches sie eine Schändung der Kirchenkeuschheit nannten. Viele Maßregeln, wodurch die Regierung nach der Revolution eine Neigung zeigte, sich in das Kirchenregiment zu mischen, wurden von ihnen als erastinianisch verdammt, und sie wollten durchaus nicht dem Könige Wilhelm und der Königin Maria den Eid der Treue leisten, bis diese ihrerseits den Covenant, Magna Charta, der presbyterianischen Kirche, wie sie ihn nannten, beschworen hätten.

So grollend und unzufrieden, erließ diese Partei wiederholt Erklärungen gegen Abfall und Ursachen des Zorns, welche ebenfalls zu offener Empörung geführt hätten, wären sie, wie von den beiden frühem Regierungen, verfolgt worden. Da man aber die Murrenden in ihren Zusammenkünften nicht störte, und sie nach Belieben Zeugniß ablegen ließ gegen Socinianismus, Erastinianismus und jede sträfliche Nachsicht und gegen die Abfälle der Zeit, so erstarb allmälig ihr Eifer, der durch keine Verfolgung angefacht wurde; so verminderte sich ihre Anzahl und so schwanden sie bis auf einen kleinen, zerstreuten Rest düsterer, grübelnder, jedoch harmloser Schwärmer.

Aber in den Jahren, welche unmittelbar auf die Revolution folgten, waren die Cameronianer eine starke Secte von heftigen politischen Ansichten, welche die Regierung zu entmuthigen suchte, indeß sie glücklich damit zögerte. Diese Leute bildeten eine heftige Partei im Staate, und die Episcopalen und Jakobiten strebten, trotz ihres alten Nationalhasses, immer fort, Ränke unter ihnen zu spinnen und ihre Abneigung gegen die Regierung zu benutzen, und ihren Beistand zur Rückberufung der Familie Stuart zu erhalten. Die Revolutionsregierung war indessen durch die große Masse der Bewohner des Niederlandes unterstützt, welche besonders einem mäßigen Presbyterianismus geneigt waren und größtentheils die Partei bildeten, welche unter dem Drucke der frühern Regierungen von den Cameronianern gebrandmarkt worden, weil sie die Indulgenz unter Karl II. angenommen. Dies war der Zustand der Parteien in Schottland unmittelbar nach der Revolution.

An einem schönen Sommerabende ritt ein Fremder, dem Anscheine nach ein Soldat von Range, aus einem schönen Pferde den sich windenden Pfad hinab, der dicht an den romantischen Ruinen des Bothwellschlosses und des Clydeflusses endigt, welcher sich so anmuthig durch Felsen und Waldung schlängelt und die alten Thürme umspült, die einst von Aymer von Balence erbaut worden. Nahe daran war die Bothwellbrücke. Das gegenüberliegende Feld, einst der Schauplatz von Mord und Kampf, lag jetzt still und ruhig, wie die Oberfläche eines See's zur Sommerzeit. Busch und Bäume, welche rings in romantischer Fülle wuchsen, wurden kaum vom Abendwinde bewegt. Selbst der Fluß schien bei der Stille der Landschaft sanfter zu rauschen. Der Pfad, den der Reisende herabritt, war hier und da durch einzelne größere Bäume oder durch Einfriedigungen von Obstbäumen beschattet, die jetzt mit dem Segen des Sommers beladen waren. Der nächste wichtigere Gegenstand war ein Pachthof, vielleicht auch die Wohnung eines kleinen Gutsbesitzers, auf der Seite eines sonnigen Abhanges, der mit Obstbäumen bedeckt war. An dem Fuße des Pfades, welcher zu der bescheidenen Wohnung aufwärts führte, stand ein kleines Häuschen, das fast das Ansehen einer Portierwohnung hatte, obgleich dies offenbar nicht der Fall war. Die Hütte schien bequem und niedlicher eingerichtet, als es sonst in Schottland gewöhnlich ist. Dazu gehörte ein kleiner Garten, wo Fruchtbäume und Gebüsche mit Küchengewächsen untermischt waren; eine Kuh und sechs Schafe weideten dicht dabei in einem Gehäge; stolzirend krähte der Hahn vor der Thüre und lockte seine Familie um sich; ein Hause trockenen Reisigs und Torf, zierlich ausgeschichtet, verkündete, daß man für Winterfeuerung gesorgt, und der blaue Rauch, der aus dem mit Stroh umwundenen Schornsteine aufstieg, zeigte, daß die Abendmahlzeit eben bereitet werde. Um diese Scene ländlicher Stille und Behaglichkeit zu vollenden, füllte ein Mädchen von ungefähr fünf Jahren den Krug an einem schönen Brunnen voll des klarsten Wassers, welches ungefähr zwanzig Schritte von dem Häuschen entfernt an einer alten morschen Eiche hervorsprudelte.

Der Fremde hielt an und fragte die kleine Nymphe um den Weg nach Fairy-Knowe. Das Kind setzte den Krug hin, da es kaum die Frage verstand, strich sich das goldene Haar aus der Stirne, öffnete die runden blauen Augen, und fragte: »Was wollt Ihr? des Landmannes erste Antwort – wenn sie eine heißen kann – auf jede an ihn gerichtete Frage.

»Ich möchte gern den Weg nach Fairy-Knowe wissen.«

»Mutter, Mutter,« rief die kleine Bäuerin und eilte nach der Thüre, »komm heraus und sprich mit diesem Herrn.«

Die Mutter kam – eine junge hübsche Bauersfrau, deren ursprünglich schalkhaften Zügen die Ehe jenen decenten matronenhaften Ausdruck verliehen, der den Bäuerinnen in Schottland besonders eigen ist. Auf dem rechten Arme trug sie ein Kind, und mit dem linken glättete sie ihre Schürze, an der ein pausbackiges Kind von zwei Jahren hing. Das Mädchen aber, welches der Reisende zuerst gesehen, verkroch sich hinter die Mutter und lugte nur zuweilen verstohlen nach dem Fremden.

»Was ist gefällig, Herr?« sagte das Weib mit achtungsvoller Artigkeit, die sonst solchen Leuten nicht eigen ist, ohne daß sie sich zudringlich zeigen.

Einen Augenblick betrachtete sie der Fremde aufmerksam und sagte dann: »Ich suche den Ort Fairy-Knowe und einen Mann Namens Cuthbert Headrigg. Ihr könnt mich wohl zu ihm weisen?«

»Das ist mein Mann, Herr,« sagte das Weib freundlich lächelnd. »Wollt Ihr absteigen, Herr, und in unsere arme Wohnung eintreten? – Cuddie! Cuddie!« – ein weißköpfiger Bursche von vier Jahren erschien an der Thüre – »Lauf, und sag' dem Vater, ein Fremder will ihn sprechen – oder bleib', – Jenny, du wirst mehr Verstand haben – lauf du hin und sag's ihm; er ist im Vieracker-Park unten. Wollt Ihr nicht absteigen und einen Bissen Brod und Käse oder einen Schluck Bier genießen, bis mein Mann kommt? Das Bier ist gut, obgleich ich's nicht sagen soll, da ich's selber braue. Aber ein Ackersmann hat sauer Arbeiten und muß ein Labsal haben; drum nehm' ich immer ein gutes Maß Malz.«

Während der Fremde ihr höfliches Anerbieten ablehnte, erschien Cuddie, des Lesers alte Bekanntschaft. In seinem Gesichte lag immer noch eine Mischung scheinbarer Dummheit und gelegentlicher Geistesblitze. Er betrachtete den Reiter wie einen Mann, den er noch nie gesehen, und fragte ebenfalls: »Was wollt Ihr, Herr?«

»Ich möchte gern Einiges über diese Gegend erfragen,« sagte der Reisende, »und man hat mich an Euch als einen vernünftigen Mann gewiesen, der mir Auskunft geben kann.«

»Gewiß, Sir,« sagte Cuddie nach kurzem Nachdenken – »aber erst möcht' ich doch wissen, was es für Fragen sein sollen. Man hat seiner Zeit schon so viel schiefe Fragen an mich gerichtet, daß, wenn Ihr sie alle wüßtet, Ihr Euch auch nicht wundern würdet, daß ich ein wenig Bedenken trage. Meine Mutter ließ mich den kleinen Katechismus lernen, das war Euch eine Plage! dann sollt' ich auch der alten Lady zu gefallen meinen Pathen und Pathinnen Red' und Antwort geben können, da mischt' ich Kraut und Rüben durcheinander und macht' es Keinem recht; als ich in's Mannesalter kam, kamen andere Fragen in die Mode, die ich noch weniger ausstehen konnte, als die Gnadenwahl. Daher, lieber Herr, wünsch' ich erst die Fragen deutlich auseinandergesetzt, eh' ich antworte.«

»Von meinen Fragen habt Ihr nichts zu fürchten, guter Freund; sie beziehen sich nur aus den Zustand des Landes.«

»Des Landes?« erwiderte Cuddie; »ei, mit dem steht's gut genug, wäre nur nicht der Teufelskerl, der Claverhouse, jetzt heißt er Dundee, der rumort jetzt in den Hochlanden, und die Donalds und Duncans und Dugalds, die treibens mit ihm, um Alles wieder durcheinander zu bringen, was so ganz vernünftig in Ordnung gebracht ist. Aber Mackay wird's ihm schon eintränken, dafür steh' ich.«

»Woher wißt Ihr das so bestimmt, mein Freund?« fragte der Reiter.

»Ich hab's mit eigenen Ohren gehört,« antwortete Cuddie. »Ein Mann hat's ihm prophezeiht, der schon drei Stunden todt war und wieder lebendig wurde, nur um ihm die Meinung zu sagen. Es war an einem Orte, den man Drumshinnel nennt.«

»Wirklich?« sagte der Fremde. »Das kann ich kaum glauben, mein Freund.«

»Meine Mutter würd' es Euch sagen, wenn sie noch lebte,« erwiderte Cuddie; »sie hat mir Alles auseinandergesetzt; denn ich glaubte, der Mann wäre bloß verwundet gewesen. Er sprach von der Vertreibung der Stuarts und nannte selbst ihre Namen und sagte, was für eine Rache gegen Claverhouse und seine Dragoner bereitet werde. Der Mann hieß Habakuk Mucklewrath, – es hat ein wenig bei ihm gerappelt, aber ein Prediger war er doch.«

»Ihr scheint in einem reichen und friedlichen Lande zu leben,« sagte der Fremde.

»Man kann nicht klagen, Sir, wenn das Getreide in der Scheuer ist,« sagte Cuddie. »Wenn Ihr aber das Blut dort oben auf der Brücke hättet rinnen sehen, so schnell wie das Wasser unten, nun, das hätt' Euch nicht so gefallen.«

»Ihr meint wohl die Schlacht vor einigen Jahren? – Ich habe an jenem Morgen dem Herzog von Monmauth meine Aufwartung gemacht und ein Stück von der Schlacht mit angesehen,« sagte der Fremde.

»Das war ein schöner Spaß, der hat mir das Fechten aus Lebenszeit verleidet,« entgegnete Cuddie. – »Nach Eurem rothen gestickten Rock und Eurem Tressenhut würd' ich Euch für einen Soldaten halten.«

»Und auf welcher Seite wart Ihr denn, mein Freund?« fragte der Fremde wiederum.

»Ei!« erwiderte Cuddie mit einem schlauen Blicke, »damit ist man nicht so bei der Hand, wenn man den Frager nicht kennt.«

»Ich billige Eure Vorsicht; doch habt Ihr sie jetzt nicht nöthig. Ich weiß, Ihr wart damals Heinrich Mortons Diener.«

»Blitz!« rief Cuddie erstaunt – »wer hat Euch dies Geheimniß anvertraut? – Nicht, daß ich mir Etwas daraus machte; denn jetzt sitzen wir warm. Ich wollte, mein Herr wäre noch am Leben, daß er auch was davon kriegte.«

»Was ist denn aus ihm geworden?« fragte der Reiter.

»Er ist untergegangen auf der Reise nach Holland – Mann und Maus untergegangen und mein armer Herr mit,« seufzte Cuddie.

»Ihr habt ihn wohl gern gehabt?« fragte der Fremde.

»Wie sollt' ich nicht? – Jeder, der ihn ansah, mußt' ihn lieb haben. Und ein braver Soldat war er. Wenn Ihr ihn auf der Brücke gesehen hättet! da flog er wie ein fliegender Drache, um die Leute zum Einhauen zu bringen, die eben nicht viel Lust dazu hatten! Er und der finstere Whig, der Burley, waren da; wenn's auf die Beiden angekommen wäre, hätte man uns das Fell nicht so gegerbt an jenem Tage.«

»Ihr nanntet da Burley – wißt Ihr, ob er noch lebt?«

»Viel weiß ich eben nicht von ihm. Man sagt, er sei außer Landes gewesen, und unsere Dulder wollten nichts mit ihm zu schaffen haben, weil er den Erzbischof ermordet. So kam er wieder heim noch zehnmal schlimmer, und band an mit vielen Presbyterianern. Und wie der Prinz von Oranien in's Land kam, konnte er kein Kommando kriegen wegen seiner teuflischen Gesinnung, und seitdem hat man Nichts von ihm gehört, und Einige sagen, vor Stolz und Zorn sei er rein toll geworden.«

»Und – und –« sagte der Fremde nach einigem Zögern – »wißt Ihr Etwas von Lord Evandale?«

»Ob ich Etwas von Lord Evandale weiß? – Ist doch meine junge Lady in dem Hause dort mit ihm so gut als verheirathet.«

»Aber wirklich verheirathet sind sie noch nicht?« fragte der Reiter hastig.

»Nein, nur was man so verlobt nennt – ich und meine Frau waren Zeugen, – vor einigen Monaten – eine lange Freierei, – wenig Leute wissen warum, nur ich und Jenny. – Aber wollt Ihr nicht absitzen? Ich kann Euch nicht so auf dem Gaul sehen, – die Wolken im Westen ziehen dicht über Glasgow hin, und Leute, die's verstehen, glauben, das bedeute Regen.«

Wirklich hatte eine dichte schwarze Wolke die untergehende Sonne verdunkelt, einige große Regentropfen fielen nieder und dumpf rollte der Donner aus der Ferne.

»Dem steckt der Teufel im Leibe.« dachte Cuddie. »Ich wollt', er stieg ab, oder machte sich fort, um in Hamilton einzukehren, eh' das Wetter losbricht.«

Aber der Reiter saß nach seiner letzten Frage einige Augenblicke, wie von ungewöhnlicher Anstrengung erschöpft, regungslos auf dem Pferde. Endlich nahm er sich plötzlich zusammen und fragte Cuddie, ob Lady Margaretha Bellenden noch lebe?«

»Ja,« erwiderte Cuddie; »aber ziemlich knapp. Es hat sich gar Manches schlimm verändert, seit diese rauhen Zeiten begonnen haben. Sie haben viel gelitten; sie haben das alte Schloß verloren und die schöne Baronie und die Aecker, die ich so oft gepflügt, und meinen Kohlgarten, den ich wieder bekommen sollte, und Alles für weiter nichts, wie man sagt, als weil einige Fetzen Pergament fehlten, die bei der Einnahme von Tillietudlem verloren gegangen sind.«

»Davon hab' ich Etwas gehört,« sagte der Fremde mit gedämpfter Stimme, indem er das Gesicht abwandte. »Ich nehme Antheil an der Familie und würde gern helfen, wenn ich könnte. Könnt Ihr mir ein Bett geben auf die Nacht, mein Freund?«

»Wir haben zwar wenig Gelaß, Herr,« sagte Cuddie; »doch wir wollen's versuchen, eh' Ihr in diesem Wetter fortreitet; denn, aufrichtig gesagt, Ihr scheint nicht ganz gesund.«

»Ich leide am Schwindel,« sagte der Fremde; »aber es ist bald vorüber.«

»Ein gutes Abendessen sollt Ihr bekommen, Herr,« sagte Cuddie, »und ein Bett auch, so gut wir's haben. Viel Betten haben wir freilich nicht; denn Jenny hat so viel Kinder (Gott erhalte sie), daß ich wahrhaftig Lord Evandale ansprechen muß, uns Etwas von seinem Ausschuß zu geben.«

»Ich bin leicht befriedigt,« sagte der Fremde, als er in's Haus trat.

»Euer Pferd soll gut versorgt werden,« sagte Cuddie. »Ich weiß ein Pferd zu behandeln, und das ist gar ein hübsches Thier.«

Cuddie führte das Pferd in den kleinen Kuhstall und rief seiner Frau zu, sie solle für den Fremden sorgen. Der Offizier trat ein, warf sich auf den Sessel in einiger Entfernung vom Feuer, und schien wohlbedacht dem Fenster seinen Rücken zuzukehren. Jenny, oder wenn der Leser lieber will, Frau Headrigg, bat ihn, Mantel, Bandelier und den breitkrämpigen Hut abzulegen; er entschuldigte sich aber mit dem Vorgeben, daß ihn friere, und um sich die Zeit bis zu Cuddie's Rückkehr zu vertreiben, schwatzte er mit den Kindern und entzog sich immer, sorgfältig den Blicken seiner Wirthin.


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