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Eilftes Kapitel.

Drauf nahmen ein tüchtiges Frühstück sie ein,
Wie's Reisenden wahrlich behaglich mag sein.

Prior.

 

Das Frühstück der Lady Bellenden hatte eben so wenig Aehnlichkeit mit einem Dejeuner unserer Tage, als die große Steinhalle von Tillietudlem mit einem modernen Gesellschaftssaale. Weder Thee, noch Kaffee, noch verschiedenes Zuckerwerk, sondern solide und kompakte Fleischspeisen – der priesterliche Schinken, der ritterliche Lendenbraten, das freiherrliche Rindfleisch, die fürstliche Wildpretpastete, während silberne Flaschen, mit knapper Noth aus den Klauen der Convenanter gerettet, theils mit Bier, theils mit Meth, und verschiedenen köstlichen Weinen gefüllt zur Seite standen. Die Eßlust der Gäste stimmte zur Pracht und Reinlichkeit der Bewirthung – kein zimperliches Kosten und Nippen, sondern jene beharrliche und rüstige Kinnladenthätigkeit, welche am besten in frühen Morgenstunden bei harter Kost zu lernen ist.

Lady Margaretha sah mit Entzücken, daß die Speisen, die sie hatte bereiten lassen, mit solcher Eile in den Magen der hochverehrten Gäste hinabglitten, und hatte, außer an Claverhouse, wenig Gelegenheit, die Gäste zum Essen zu nöthigen, ein Zwang, welchem die Damen jener Zeit ihre Gäste unterwarfen.

Aber der Anführer selbst, mehr darauf bedacht, Miß Bellenden, neben welcher er saß, den Hof zu machen, als seine Eßlust zu befriedigen, schien die guten Schüsseln einigermaßen zu vernachlässigen. Editha hörte, ohne Etwas darauf zu erwidern, manche Artigkeiten, die er mit seiner klangreichen Stimme an sie richtete, welche eben so leicht zur Melodie einer gefälligen Unterhaltung herabschmolz, als sich im Schlachtensturm erheben konnte, »laut wie der Trompete Silberklang.«

Das Gefühl, daß sie in der Gegenwart eines gefürchteten Anführers sei, von dessen Ausspruch Mortons Schicksal abhing, die Erinnerung an das Schreckliche, das in dem bloßen Namen des Obristen lag, raubten ihr für einige Zeit nicht nur die Stimme, sondern sogar die Kraft auf ihn zu blicken. Als sie aber, durch seine sanfte Stimme ermuthigt, die Augen erhob, um eine Antwort an ihn zu richten, zeigte ihr sein Aeußeres wenigstens keine der schrecklichen Eigenschaften, mit welchen ihre Furcht ihn ausgestattet.

Grahame von Claverhouse war noch in der Blüthe des Lebens, fast kleiner und zarter Gestalt, aber schlank und wohl gebaut. Geberden, Sprache und Mienen waren die eines Mannes, der stets mit feinen und lebenslustigen Leuten Umgang gepflogen. Seine Züge hatten fast eine mädchenhafte Regelmäßigkeit. Ein ovales Gesicht, eine gerade, wohlgeformte Nase, dunkelbraune Augen, eine Gesichtsfarbe genug gebräunt, um nicht weibisch zu sein, eine kurze Oberlippe, aufwärts gebogen, wie bei einer griechischen Bildsäule, und leicht beschattet von einem kleinen, hellbraunen Schnauzbärtchen, und eine Fülle gleichfarbiger Ringellocken, die auf beiden Seiten des Antlitzes herabfielen, bildeten vereint ein Gesicht, wie es Maler gern darstellen, und Frauen gern betrachten. Seine Charakterstrenge sowohl, als die höhern Eigenschaften eines unerschrockenen und unternehmenden Muthes, den selbst seine Feinde anerkennen mußten, lagen unter einem Aeußern verborgen, das mehr für den Hof, als für das Feldlager zu passen schien. Derselbe freundlich heitere Ausdruck, welcher seine Züge belebte, schien auch in seinen Handlungen und Bewegungen zu herrschen, und im Ganzen hätte man ihn beim ersten Anblick mehr für einen Vergnügling, als für einen Ehrgeizigen gehalten. Aber unter diesem sanften Aeußern lag ein Geist verborgen, der unbegrenzt in Wagen und Streben, doch so besonnen und vorsichtig war, wie Macchiavel selbst. Tief eingeweiht in die Politik, und darum mit jener Verachtung individueller Rechte begabt, welche fast immer aus ihren Ränken entspringt, war dieser Anführer kalt und gefaßt in der Gefahr, heftig und feurig in der Verfolgung des Sieges, gleichgültig gegen den Tod, und darum ihm ohne Erbarmen Andere weihend. Solche Charaktere bilden sich in den Zeiten bürgerlicher Zwiste, wo die herrlichsten Eigenschaften, durch Partheigeist verderbt, und durch steten Widerstand entflammt, nur allzuoft mit Lastern und Ausschweifungen gepaart sind, die ihnen Verdienst und Glanz zugleich rauben.

Editha zeigte bei dem Bemühen, Claverhouse's artige, aber nichtssagende Redensarten zu erwidern, so große Verlegenheit, daß es ihre Großmutter für nöthig erachtete, ihr Beistand zu leisten.

»Editha Bellenden,« sagte die alte Lady, »hat bei meiner zurückgezogenen Lebensweise so Wenige Eures Standes gesehen, daß sie es kaum versteht, immer passende Antworten zu ertheilen. Ein Soldat ist bei uns eine so seltene Erscheinung, Obrist Grahame, daß wir, den jungen Lord Evandale ausgenommen, kaum einen Edelmann in Uniform empfangen. Da ich aber gerade auf diesen vortrefflichen jungen Herrn zu sprechen komme, so erlaubt mir zu fragen, ob ich nicht die Ehre gehabt, ihn diesen Morgen beim Regimente zu sehen?«

»Lord Evandale, gnädige Frau, befand sich auf dem Marsche mit uns,« antwortete der Obrist; »aber ich war genöthigt, ihn mit einer kleinen Abtheilung zu detachiren, um einen Conventikel jener unruhigen Schurken zu zerstreuen, welche so unverschämt waren, sich wenige Stunden von meinem Hauptquartier zusammenzurotten.«

»In der That,« sagte die alte Dame, »einer solchen Vermessenheit hatte ich diese fanatischen Empörer nicht fähig gehalten. Aber es sind sonderbare Zeiten! Es ist ein böser Geist im Lande, Obrist Grahame, der selbst Vasallen der Vornehmen zur Empörung reizt, gegen das Haus, welches sie erhält und nährt. Glaubt Ihr wohl, daß einer meiner rüstigsten Leute sich förmlich weigerte, auf mein Geheiß der Waffenschau beizuwohnen? Gibt's denn kein Gesetz gegen solche Widerspenstigkeit, Herr Obrist?«

»Ich könnte wohl ein solches finden,« sagte Claverhouse mit großer Ruhe, »wenn Ihr mir Namen und Wohnort des Schuldigen nennen wollt.«

»Sein Name,« sagte Lady Margaretha, »ist Cuthbert Headrigg. Von seinem gegenwärtigen Wohnort kann ich Euch nichts sagen; denn Ihr dürft mir glauben, Obrist Grahame, daß er nicht mehr lange in Tillietudlem blieb, sondern wegen seiner Hartnäckigkeit fortgeschickt wurde. Ich wünsche dem Burschen gerade nichts Böses; aber Einsperrung, oder sogar wenige Hiebe könnten ein gutes Exempel für die ganze Gegend sein. Seine Mutter, auf deren Geheiß er handelt, ist eine alte Dienerin meines Hauses, was mich zum Mitleid geneigt macht; obgleich,« fuhr die Lady fort, indem sie aus die Bildnisse ihres Gatten und ihrer Söhne blickte, mit denen die Halle behangen war, und tief aufseufzte – »obgleich ich, Obrist Grahame, nur sehr geringe Ursache habe, mit diesen verstockten und aufrührerischen Leuten Mitleid zu fühlen. Sie haben mich zur kinderlosen Wittwe gemacht, und ohne den Schutz unseres geheiligten Königs und seiner tapferen Krieger würden sie mich bald meiner Ländereien und Güter, meines Herdes und Altars berauben. Sieben von meinen Pächtern, deren Grundzins zusammen sich auf etwa hundert Mark belaufen mag, haben sich schon geweigert, Steuer und Pachtgeld zu zahlen, und waren keck genug, meinem Verwalter zu sagen, daß sie weder einen König noch Gutsherrn anerkennen, der nicht den Convenant beschworen.«

»Ich will sie schon auf's Korn nehmen – das heißt, mit Ew. Herrlichkeit Erlaubniß,« antwortete Claverhouse; »es würde mir übel anstehen, das Ansehen des Gesetzes nicht aufrecht zu erhalten, zumal wenn dasselbe so würdigen Händen anvertraut ist, wie denen der Lady Bellenden. Aber ich muß gestehen, es wird täglich schlimmer hier im Lande, und ich werde nothgedrungen zu Maßregeln veranlaßt, die mehr mit meiner Pflicht, als mit meinen Gefühlen übereinstimmen. Indem ich davon spreche, kann ich nicht umhin, Ew. Herrlichkeit für die freundliche Ausnahme zu danken, die Ihr einigen von meinen Leuten angedeihen ließet, welche einen Gefangenen eingebracht, den man beschuldigt, den schändlichen Mörder Balfour von Burley beherbergt zu haben.«

»Tillietudlem,« antwortete die Lady, »hat stets den Dienern Seiner Majestät offen gestanden, und ich hoffe, so lange noch hier ein Stein auf dem andern bleibt, wird es auch sowohl zu ihrem Befehl stehen, als zu unserm. Und dies, Obrist Grahame, erinnert mich, Euch zu sagen, daß der Edelmann, welcher den Trupp befehligt, wohl nicht eine ihm angemessene Stelle in der Armee einnimmt, wenn man berücksichtigt, welch' Blut in seinen Adern fließt, und könnt' ich mir schmeicheln, daß mir eine kleine Bitte gewährt würde, so möcht' ich Euch ersuchen, ihn bei einer günstigen Gelegenheit zu befördern.«

»Ew. Herrlichkeit meinen gewiß den Sergeanten Franz Stuart, den wir Bothwell nennen?« sagte Claverhouse lächelnd. – »Die Wahrheit zu gestehen, er ist ein wenig zu ungeschlacht hier zu Lande, und den Gesetzen der Mannszucht nicht so gehorsam, wie es der Dienst erheischt. Da ich aber Lady Bellenden damit verbinden kann, so ist diese Erinnerung ein Befehl für mich. – Bothwell,« fuhr er fort, und wandte sich an den Sergeanten, der eben an der Thür erschien, »küsset Lady Margaretha Bellenden die Hand; sie verwendet sich für Eure Beförderung, und die nächst erledigte Offiziersstelle soll Euer sein.«

Bothwell verrichtete die Huldigung, aber nicht ohne deutliche Zeichen des Widerwillens, und begann hierauf: »Einer Dame die Hand zu küssen, kann keinen Edelmann herabsetzen, aber ich würde, außer dem König, keinem Mann die Hand küssen, und sollte ich auch General werden.«

»Da hört Ihr's,« sagte Claverhouse lächelnd, »hier ist der Fels, an dem er scheitert. Er kann seinen Stammbaum nicht vergessen.«

»Ich weiß, mein edler Obrist,«, sagte Bothwell in demselben Tone, »daß Ihr Euer Versprechen nicht vergessen werdet, und dann werdet Ihr vielleicht gestatten, daß sich der Cornet seines Großvaters erinnert, den der Sergeant freilich vergessen muß.«

»Genug davon, Sir,« sagte Claverhouse mit dem ihm eigenthümlichen gebieterischen Tone, »sagt mir, was Ihr jetzt zu berichten habt.«

»Mylord Evandale und sein Trupp halten auf der Straße mit einigen Gefangenen,« sagte Bothwell.

»Mylord Evandale?« fragte Lady Margaretha. »Ihr werdet gewiß erlauben, daß er mich mit seiner Gesellschaft beehre, und ein geringes Frühstück hier einnehme, umsomehr, da selbst seine geheiligte Majestät nicht bei dem Schlosse Tillietudlem vorbeizog, ohne einige Erfrischungen zu sich zu nehmen.«

Da dies bereits das dritte Mal im Laufe der Unterhaltung war, daß Lady Margaretha auf jenes merkwürdige Ereigniß anspielte, so benutzte Obrist Grahame, so schnell als es die Artigkeit erlaubte, die erste Pause, um den Fortgang der Erzählung zu unterbrechen.

»Wir sind zwar bereits der Gäste zuviel,« sagte er, »da ich aber weiß, wie viel Lord Evandale entbehren würde« – hier blickte er auf Editha – »wenn er des Vergnügens verlustig würde, dessen wir uns hier erfreuen, so will ich's schon wagen, Eurer Gastfreundschaft zur Last zu fallen. – Bothwell, sagt dem Lord, die gnädige Frau ersuche ihn um die Ehre seiner Gesellschaft.«

»Und Harrison soll Sorge tragen,« setzte die Lady hinzu, »daß die Leute und ihre Pferde gehörig verpflegt werden.«

Editha's Herz pochte gewaltsam während dieser Unterhaltung; denn es fiel ihr augenblicklich ein, daß sie durch ihren Einfluß auf Lord Evandale ein Mittel finden könne, Morton aus seiner gegenwärtigen gefährlichen Lage zu reißen, im Falle ihres Oheims Verwendung bei Claverhouse erfolglos sei. Zu jeder andern Zeit wäre es ihr gewiß widerwärtig gewesen, einen solchen Einfluß zu benutzen; denn so unerfahren sie auch war, so sagte ihr doch ihr angeborenes Zartgefühl, welchen Vortheil ein schönes Mädchen einem Manne einräumt, wenn sie ihm Verbindlichkeiten schuldig wird. Ja, sie würde noch abgeneigter gewesen sein, den Lord Evandale um eine Gefälligkeit zu ersuchen, da die Klatschschwestern aus Clydesdale, aus später zu erwähnenden Gründen, ihn zu ihrem Anbeter machten, und weil sie es sich nicht verhehlen konnte, daß auch nur die kleinste Aufmunterung jenen Vermuthungen einen Grund geben könne, dessen dieselben bisher ermangelten. Dies mußte sie umsomehr befürchten, da im Fall einer förmlichen Erklärung Lord Evandale hoffen durfte, durch den Einfluß der alten Lady und ihrer übrigen Freunde unterstützt zu werden, und daß sie ihren Bitten und Befehlen nichts würde entgegen setzen können, als eine Neigung, welche zu gestehen, wie sie wußte, eben so gefährlich als unnütz sein würde. Sie beschloß demnach, den Ausgang von ihres Oheims Verwendung abzuwarten, und schlug diese fehl, was sie bald aus den Blicken und Worten des offenherzigen Veteranen entnehmen konnte, als das letzte Mittel ihren Einfluß auf den Lord Evandale zu Gunsten Mortons geltend zu machen. Ueber die Verwendung ihres Oheims blieb sie nicht lange in Ungewißheit.

Major Bellenden, welcher an der Tafel die Honneurs gemacht, und mit den militärischen Gästen am Ende des Tisches gelacht und geschwatzt hatte, war jetzt, nachdem das Mahl beendigt, im Stande seinen Posten zu verlassen, und benutzte folglich die Gelegenheit, sich dem Obristen Claverhouse zu nähern, und seine Nichte zu ersuchen, ihn demselben vorzustellen. Da sein Name und Stand wohlbekannt waren, begegneten sich die beiden Krieger mit gegenseitiger Hochachtung, und Editha sah klopfenden Herzens ihren alten Oheim mit seinem neuen Bekannten sich an eine Fensterbrüstung zurückziehen. Sie überwachte die Unterhaltung mit stets gespannten Blicken, und ihre durch die innerste Seelenunruhe geschärfte Aufmerksamkeit konnte aus den Geberden, welche das Gespräch begleiteten, leicht errathen, welchen Fortgang diese Verwendung zu Gunsten Mortons hatte.

Anfangs zeigte das Gesicht des Obristen jene offene und bereitwillige Höflichkeit, welche, noch ehe sie die verlangte Gefälligkeit kennt, zu sagen scheint, daß der Ersuchte sich glücklich fühlt, den Bittenden zu verpflichten. Im Verlaufe der Unterhaltung aber wurde die Stirne des Obristen finsterer und strenger, und seine Züge, obgleich sie noch immer den Ausdruck der vollkommensten Höflichkeit behielten, nahmen, wenigstens für Editha's geschreckte Einbildungskraft, einen rauhen und unerbittlichen Charakter an. Seine Lippen waren bald wie vor Unwillen zusammengepreßt, bald leicht aufwärts gezogen, gleichsam als ob er in höflicher Nichtachtung die Gründe des Majors Bellenden anhöre. Die Sprache ihres Oheims schien, so viel man aus seinen Bewegungen wahrnahm, eifrig und dringend, unterstützt durch die liebenswürdigste Charaktereinfalt, sowie durch das Gewicht seines Alters und seines Rufes. Aber Alles schien nur einen geringen Eindruck auf den Obristen Grahame zu machen, der bald seine Stellung änderte, als wolle er des Majors lästige Bitten kurz abschneiden, und das Gespräch mit einem höflichen Bedauern abbrechen, welches die entschiedenste Weigerung versüßen sollte. Diese Bewegung brachte Editha Beide so nahe, daß sie Claverhouse sagen hörte:

»Es kann nicht sein, Major Bellenden; Milde ist in diesem Falle außer dem Bereich meines Auftrags, in andern Fällen bin ich gern zu Euren Diensten erbötig. – Doch hier kommt ja Evandale! – Was bringt Ihr uns für Botschaft, Evandale?« fuhr er fort, und wandte sich an den jungen Lord, der eben in voller Uniform, jedoch mit etwas nachlässigem Anzug und bespritzten Stiefeln eintrat, als hätte er einen schweren Ritt gethan.

»Unerquickliche Neuigkeiten, Sir,« war seine Antwort. »Ein starker Haufe Whigs steht auf den Bergen unter Waffen, und in offener Rebellion. Sie haben die Suprematsakte, die, welche das Episcopat begründet, die, welche Karl I. als Märtyrer zu ehren gebietet, nebst noch einigen andern öffentlich verbrannt, und erklärt, unter den Waffen bleiben zu wollen, um das durch den Covenant begonnene Reformationswerk zu befördern.

Diese unerwartete Nachricht überraschte Alle auf eine sehr unangenehme Weise, Claverhouse allein ausgenommen.

»Unerquickliche Nachrichten nennt Ihr das?« begann Grahame mit feuerfunkelnden Blicken. »Die besten sind's, die ich seit sechs Monaten vernommen. Jetzt, da sich die Schurken in einen Haufen zusammengerottet, wollen wir kurze Arbeit machen. Wenn die Natter an's Tageslicht kriecht,« fügte er hinzu, und stampfte mit dem Absatz, als ob er einen giftigen Wurm zertrete – »dann kann ich sie zertreten; sie ist nur sicher, so lange sie in Höhlen und Sümpfen lauert. – Wo sind diese Schurken, Lord Evandale?«

»Ungefähr zehn Meilen von hier im Gebirge, an einem Ort, der Loudonhügel genannt,« antwortete der junge Edelmann. »Ich habe das Conventikel zerstreut, gegen welches Ihr mich gesendet, und nahm einen alten Aufruhrtrompeter gefangen – das heißt einen Prediger, der gerade seine Zuhörer ermahnte, für die gute Sache aufzustehen, nebst einigen seiner Zuhörer, welche besonders unverschämt sich geberdeten. Von einigen Landleuten und Kundschaftern habe ich erfahren, was ich Euch eben sagte.«

»Wie stark mögen sie sein?« fragte der Obrist.

»Vermuthlich tausend Mann; aber die Angaben sind sehr verschieden.«

»Dann,« sagte Claverhouse, »ist es Zeit, daß wir auch Hand an's Werk legen. – Laßt zum Aufbruch blasen, Bothwell.«

Bothwell, der, wie das Schlachtroß in der Bibel, den Kampf schon von fern witterte, eilte, den Mohren Befehle zu ertheilen, welche in weißer, reich gestickter Kleidung, und mit silbernen Hals- und Armbändern die Stelle der Trompeter versahen, und bald widerhallten Schloß und Wälder rings von ihrem schmetternden Rufe.«

»Müßt Ihr uns also verlassen?« sagte Lady Margaretha, deren Herz brach bei der Erinnerung früherer, unglücklicher Tage; »wollt Ihr nicht lieber erst über die Streitkräfte der Rebellen nähere Erkundigungen einziehen lassen? – O, wie manches schöne Angesicht haben diese furchtbaren Töne hinweggerufen vom Schlosse Tillietudlem, und ich habe es nie wieder gesehen!«

»Ich kann unmöglich bleiben,« sagte Claverhouse; »es gibt genug Schurken im Lande, um die Aufrührer um das Fünffache zu verstärken, wenn sie nicht rasch und auf ein Mal gebändigt werden.«

»Viele,« sagte Evandale, »strömen ihnen zu, und verbreiten die Nachricht, daß sie einen starken Haufen der geduldeten Presbyterianer erwarten, welche der junge Milnwood anführt, der Sohn jenes berüchtigten alten Rundkopfs, des Obersten Silas Morton.«

Diese Worte brachten eine verschiedene Wirkung auf die Zuhörer hervor. Editha sank fast vom Stuhle vor Schrecken, während Claverhouse einen höhnenden Blick auf den Major warf, der zu sagen schien: – »Ihr seht, welchen Grundsätzen der junge Mann huldigt, dem Ihr das Wort redet.«

»Es ist eine Lüge! es ist eine verdammte Lüge dieser schuftigen Schwärmer,« rief der Major heftig. »Ich stehe für Heinrich Morton, wie für meinen eigenen Sohn. Er ist eben so rechtgläubig, wie irgend ein Herr aus der Leibgarde. Ich will Niemand zu nahe treten. Er ging mehr denn fünfzig Mal mit mir zum Gottesdienst, und nie fehlte ihm eine einzige Antwort beim Gebete. Das kann Miß Bellenden bezeugen, so gut wie ich. Er las stets mit ihr aus demselben Gebetbuch, und kannte den Text so gut als der Pfarrer selbst. Ruft ihn nur; er mag für sich selbst sprechen.«

»Das kann nichts schaden,« sagte Claverhouse, »mag er nun unschuldig oder schuldig sein. – Major Allan,« fuhr er fort, sich zu dem Offizier wendend, »nehmt einen Wegweiser, und führt Euer Regiment so schnell als möglich nach dem Loudonhügel. Reitet gemach, und bringt die Pferde nicht in die Hitze; in einer Viertelstunde haben Lord Evandale und ich Euch eingeholt. Bothwell laßt mit einigen Reitern zurück um die Gefangenen fortzuschaffen.«

Allan verneigte sich, und sämmtliche Offiziere verließen mit ihm den Saal, Claverhouse und den jungen Lord ausgenommen. In wenigen Minuten verkündigten die Töne der Musik und der Hufschlag der Rosse, daß die Reiter das Schloß verließen. Bald hörte man nur noch abgerissene Töne, die in kurzer Zeit gänzlich verhallten.

Während Claverhouse sich bestrebte, die Angst der Lady Margaretha zu verscheuchen, und den alten Major zu seiner Meinung über Morton zu bekehren, näherte sich Evandale Editha, die natürliche Schüchternheit überwindend, welche einen unschuldigen Jüngling in der Nähe des Gegenstands seiner Zuneigung gewöhnlich befällt, und redete sie in einem Tone an, der Achtung und Zuneigung gleich ausdrückte.

»Wir müssen Euch verlassen,« sagte er, und faßte ihre Hand, die er in heftiger Bewegung preßte – »wir verlassen Euch, um Auftritten entgegen zu gehen, die nicht ohne Gefahr sind. Lebt wohl, theures Fräulein; – laßt mich zum ersten und vielleicht zum letzten Male sagen, theure Editha. Wir scheiden von einander, und unter so eigenthümlichen Umständen, daß es zu entschuldigen ist, wenn ich Euch mit einiger Feierlichkeit ein Lebewohl sage, Euch, die ich so lange kannte und die ich so – sehr schätze.«

Sein Benehmen schien ein tieferes und bewegteres Gefühl auszudrücken, als in seinen Worten lag. Kein weibliches Herz hätte gegen seinen bescheidenen und tiefgefühlten Ausdruck der Zärtlichkeit unempfindlich bleiben können. Auch Editha, obgleich durch das Mißgeschick und die augenscheinliche Gefahr des Mannes betrübt, den sie liebte, wurde doch durch die hoffnungslose und ehrerbietige Leidenschaft des schönen Jünglings gerührt, der jetzt von ihr schied, um sich in Gefahren nicht gewöhnlicher Art zu stürzen.

»Ich hoffe, – ich glaube zuversichtlich,« sagte sie, »es ist keine Gefahr vorhanden. Ich hoffe, wir haben keine Ursache zu diesem feierlichen Abschied, – diese unbesonnenen Aufrührer werden eher durch Furcht als durch Gewalt zersprengt werden, und Lord Evandale wird bald zurückkehren, um wieder zu sein, was er immer sein muß, der theure und geschätzte Freund Aller in diesem Schlosse.«

» Aller?« wiederholte er, einen melancholischen Nachdruck auf das Wort legend. »Aber mag es so sein – was Euch nahe ist, ist mir theuer und werth, und dessen Beifall mir schätzbar. Ich hoffe keinen allzuglücklichen Erfolg. Wir sind unserer zu Wenige, als daß ich diesen unglückseligen Unruhen ein schnelles, unblutiges Ende gemacht zu sehen erwarten dürfte. Diese Menschen sind schwärmerisch, entschlossen und verzweifelt, und haben Führer, die in Kriegsangelegenheiten nicht ganz unerfahren sind. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß das Ungestüm unseres Obristen uns ihnen etwas zu voreilig entgegentreibt. Aber es gibt Wenige, die mindern Grund haben, Gefahr zu meiden, als ich.«

Editha hatte nun die gewünschte Gelegenheit, des jungen Edelmannes Verwendung und Schutz für Heinrich Morton zu erbitten, und es schien auch kein anderer Weg übrig, ihn dem drohenden Verderben zu entreißen. Doch fühlte sie in diesem Augenblick, daß sie dadurch Neigung und Vertrauen des Liebenden mißbrauche, dessen Herz so offen vor ihr lag, als ob sein Mund eine ausdrückliche Erklärung gegeben hätte. Konnte sie also schicklicher Weise Lord Evandale auffordern, einem Nebenbuhler zu dienen? oder gestattete es ihre Klugheit, eine Bitte an ihn zu richten, oder sich eine Verbindlichkeit gegen ihn aufzulegen, ohne Hoffnungen zu nähren, die sie niemals erfüllen konnte? Aber der Augenblick war zu dringend für solche Bedenklichkeiten, oder auch nur für jene Erläuterungen, mit denen sie sonst ihre Bitte hätte einleiten können.

»Ich will nur erst über das Schicksal des jungen Menschen entscheiden,« sagte Claverhouse an der anderen Seite der Halle, »und dann, Lord Evandale – es thut mir leid, Eure Unterhaltung wieder zu unterbrechen – aber wir müssen dann gleich aufsitzen. – Bothwell, warum bringt Ihr nicht den Gefangenen herauf? und hört, zwei Glieder sollen ihre Karabiner laden.«

In diesen Worten glaubte Editha das Todesurtheil ihres Geliebten zu vernehmen. Augenblicklich brach sie den Zwang, der sie bis jetzt am Sprechen gehindert.

»Lord Evandale,« sagte sie, »dieser junge Mann ist ein genauer Freund meines Oheims. Euer Einfluß auf Euren Obristen muß groß sein – laßt mich um Eure Verwendung für ihn bitten – Ihr würdet meinen Oheim auf ewig verbinden.«

»Ihr überschätzet meinen Einfluß, Miß Bellenden,« sagte Lord Evandale. »Ich bin in solchen Verwendungen oft unglücklich gewesen, wenn ich sie bloß im Namen der Menschlichkeit unternahm.«

»Dennoch versucht es noch ein Mal, um meines Oheims willen.«

»Und warum nicht um Euretwillen?« sagte Lord Evandale. »Wollt Ihr mir nicht erlauben zu hoffen, daß ich dadurch Euch persönlich verbinde? – Traut Ihr einem alten Freunde so wenig, daß Ihr ihm nicht die Freude vergönnen wollt, zu denken, er werde Eure Wünsche erfüllen?«

»Gewiß – gewiß,« erwiderte Editha – »Ihr werdet mich unendlich verbinden. – Ich nehme Antheil an dem jungen Manne, meines Oheims wegen. – Verliert keine Zeit, um Gotteswillen.«

Ihre Bitten wurden kühner und dringender; denn sie hörte die Schritte der Soldaten, die sich mit ihrem Gefangenen näherten.

»Beim Himmel!« sagte Evandale, »er soll nicht sterben, und müßte ich an seiner Statt das Leben lassen. Aber wollt Ihr nicht,« sprach er, indem er ihre Hand ergriff, welche sie im Drange ihres Gefühls zurückzuziehen nicht Muth genug hatte, »wollt Ihr mir nicht zur Belohnung meines Diensteifers ein Gesuch gewähren?«

»Alles dürft Ihr fordern, Lord Evandale, was schwesterliche Zuneigung gewähren kann.«

»Und ist dies Alles,« fuhr er fort, »was Ihr meiner Liebe im Leben, meinem Andenken im Tode widmen könnt?«

»Sprecht nicht so, Mylord,« sagte Editha; »Ihr betrübt mich und thut Euch selbst Unrecht. Es gibt keinen Freund, den ich höher schätze, oder dem ich bereitwilliger jeden Beweis der Hochachtung – wenn – aber –«

Ein tiefer Seufzer verursachte, daß sie sich schnell umsah, ehe sie das letzte Wort hatte aussprechen können, und als sie noch nachdachte, wie sie die Ausnahme einkleiden könne, die ihren Satz beschließen sollte, gewahrte sie, daß Morton sie gehört hatte, der gefesselt und von Soldaten bewacht hinter ihr vorbei ging, um Claverhouse vorgestellt zu werden. Als ihre Augen sich begegneten, schien der düstere und vorwurfsvolle Blick Mortons ihr anzudeuten, daß er einen Theil ihres Gesprächs gehört und gänzlich mißverstanden habe. Dies fehlte noch, um Edithens Kummer und Bestürzung zu vollenden. Das Blut trat ihr auf die Stirn und plötzlich zum Herzen zurück, so daß sie todtenbleich dastand. Diese Veränderung entging der Aufmerksamkeit Evandale's nicht, dessen schneller Blick leicht entdeckte, daß zwischen dem Gefangenen und dem Gegenstande seiner eigenen Zuneigung eine seltsame, ungewöhnliche Verbindung obwalte. Er ließ das Fräulein los, blickte den Gefangenen noch schärfer an, sah wieder auf Edithen, und gewahrte deutlich die Bestürzung, die sie nicht länger verbergen konnte.

»Das ist, glaub' ich, der junge Mann, der beim Vogelschießen den Preis gewonnen,« sagte er nach einem Augenblicke düstern Schweigens.

»Ich weiß es nicht gewiß,« stammelte Editha, – »aber – nein, ich glaube nicht« – sagte sie, ohne zu wissen, was sie sprach.

»Er ist es,« sagte Evendale entschieden. »Ich kenne ihn genau. Ein Sieger,« fügte er stolz hinzu, »sollte einer schönen Zuschauerin doch mehr Interesse einflößen.«

Er wandte sich hierauf von Editha ab. Zu dem Tische tretend, wo Claverhouse sich niederließ, stand er in einiger Entfernung auf sein Schwert gestützt, ein stiller, aber nicht gleichgültiger Zuschauer bei dem, was vorging.


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