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Neunundzwanzigstes Kapitel.

Des Zwistes Fluch und wachsender Parteiung
Stört stets nach Euern Rath.

Das gerettete Venedig.

 

Mortons Klugheit fand hinreichende Beschäftigung, den wüthenden Strom dieser streitenden Parteien zu hemmen, als zwei Tage nach seiner Rückkehr nach Hamilton sein Freund und Gefährte, der ehrwürdige Herr Pfundtext, ihn besuchte, welcher, wie Morton sogleich erfuhr, vor dem Angesichte Balfours von Burley geflohen war, den wir nicht wenig erzürnt über seinen Antheil an Lord Evandale's Befreiung verließen. Als der würdige Geistliche sich von der eiligen und beschwerlichen Reise ein wenig erholt hatte, gab er Morton Bericht von dem, was seit dem denkwürdigen Morgen seiner Abreise in der Nähe von Tillietudlem vorgefallen war.

Mortons nächtlicher Zug war mit so viel Geschicklichkeit ausgeführt worden, und seine Leute hatten so pünktlich seine Befehle vollzogen, daß Burley erst spät am Morgen von dem Vorgefallenen Nachricht erhielt. Seine erste Frage war, ob Macbriar und Pauker angekommen seien, der Aufforderung zu Folge, welche er um Mitternacht an sie erlassen. Macbriar war gekommen, und Pauker, obgleich schwerfällig auf Reisen, konnte jeden Augenblick erwartet werden. Burley schickte hieraus einen Boten in Mortons Quartier und ließ diesen sogleich zur Rathsversammlung berufen. Der Bote kehrte mit der Nachricht zurück, daß Jener das Dorf verlassen habe. Jetzt wurde Pfundtext entboten, der aber, wie er selbst sagte, in der Meinung, mit zänkischen Leuten lasse sich nicht gut verkehren, sich in sein stilles Wohnhaus zurückgezogen hatte; denn ungeachtet er den ganzen vorhergehenden Tag zu Pferde gewesen, hatte er doch lieber einen nächtlichen Ritt gemacht, als sich diesen Morgen in einen Streit mit Burley einzulassen, dessen Wildheit ihn erschreckte, wenn ihn nicht Mortons Festigkeit unterstützte. Jetzt erkundigte sich Burley nach Lord Evandale, und unbeschreiblich war seine Wuth, als er erfuhr, dieser sei in der Nacht von einer Abtheilung Milnwooder unter Heinrich Mortons unmittelbarem Befehle weggeführt worden.

»Der Elende!« rief Burley, gegen Macbriar sich wendend; »der gemeine, feigherzige Verräther! Um sich bei der Regierung wieder einzuschmeicheln, hat er den Gefangenen in Freiheit gesetzt, den ich mit meiner eigenen rechten Hand errungen, und durch den die starke Veste, die uns schon so viel Mühe verursacht, gewiß in unsere Hände gekommen wäre.«

»Aber ist sie nicht in unsern Händen?« fragte Macbriar, nach den Zinnen des Schlosses blickend; »sind das nicht die Fahnen des Covenants, die aus den Mauern wehen?«

»Eine Kriegslist, – ein bloßer Kniff!« sagte Burley; »ein Schimpf über unser Mißgeschick, uns noch mehr zu kränken und zu beleidigen.«

Jetzt ward er durch die Ankunft eines Mannes aus Mortons Gefolge unterbrochen, der ihm die Räumung des Platzes und dessen Besetzung durch die Truppen der Insurgenten berichtete. Durch diese Nachricht ward Burley, statt besänftigt zu werden, nur wüthender.

»Ich habe gewacht,« sagte er; – »ich habe gefochten; – ich habe Pläne entworfen; – ich habe gearbeitet, die Veste zu gewinnen; ich habe es verschmäht, wichtigere Unternehmungen zu leiten; – ich habe ihre Ausgänge versperrt, die Quellen abgeschnitten und den Stab des Brodes zerbrochen in ihren Mauern, und als die Männer im Begriff waren, sich zu beugen unter mir, auf daß ihre Söhne Sklaven und ihre Töchter ein Spott würden für unser ganzes Lager: da kommt dieser unbärtige Knabe und wagt es, seine Sichel an die Ernte zu legen und dem Sieger die Beute zu entreißen! Gewiß, der Arbeiter ist seines Lohnes werth, und die Stadt sammt den Gefangenen sollte dem übergeben werden, der sie gewinnt.«

»Nun,« sagte Macbriar, erstaunt über Burley's Heftigkeit, »ereifere dich nicht so sehr über den Gottlosen. Der Himmel wird seine eigenen Werkzeuge gebrauchen, und wer weiß, ob nicht dieser Jüngling – –«

»Still, still!« rief Burley. »Sprich nicht gegen deine eigene bessere Ueberzeugung. Du warst es, der mich zuerst vor diesem übertünchten Grabe warnte – vor diesem glänzenden Kupfer, das ich für Gold hielt. Es steht schlimm selbst um die Auserwählten, wenn sie die Führung solcher gottseligen Hirten, wie du bist, vernachlässigen. Aber unsere fleischlichen Begierden verführen uns, – der Vater dieses undankbaren Knaben war mein alter Freund. Man muß so eifrig sein im Kampf, wie du, Ephraim Macbriar, wenn man die Ketten und Banden der Menschheit ganz von sich abschütteln will.«

Dieses Compliment traf die schwache Seite des Predigers, und Burley glaubte daher, es werde ihm nicht schwer werden, diesen Mann für seine Absichten zu gewinnen, besonders da sie Beide in ihren Meinungen über das Kirchenregiment völlig übereinstimmten.

»Laßt uns sogleich in die Burg!« sagte Burley. »Unter den Schriften daselbst befindet sich Etwas, das, so gebraucht, wie ich es brauchen kann, uns so viel werth sein soll, wie ein tapferer Führer nebst hundert Reitern.«

»Aber wird dieses auch für die Kinder des Covenants sein?« fragte der Prediger. »Es gibt bereits schon zu Viele unter uns, welche nach Gütern, nach Gold und Silber mehr schmachten, als nach dem Wort; nicht durch solche kann unsere Befreiung erwirkt werden.«

»Du irrst!« sagte Burley. »Wir bedürfen der Mittel, und diese weltlichen Menschen sollen unsere Werkzeuge sein. Auf jeden Fall soll dies moabitische Weib ihres Erbes beraubt werden, und weder der bösgesinnte Evandale, noch der Erastinianer Morton soll jenes Schloß und Gut besitzen, obwohl Beide die Tochter zur Ehe begehren.«

Mit diesen Worten schlug er den Weg nach Tillietudlem ein, wo er sich des Silberzeugs und anderer kostbarer Sachen zum Besten des Heeres bemächtigte, das Archiv und andere Papierschränke durchsuchte und die Vorstellungen derjenigen verachtete, die ihn erinnerten, daß die der Besatzung zugesicherten Bedingungen Achtung für das Privateigenthum erheischten.

Nachdem Burley und Macbriar sich in ihrem neuen Erwerb festgesetzt, gesellten sich noch im Laufe des Tages Pauker und der Laird von Langcale zu ihnen, welchen dieser thätige Geistliche, nach Pfundtext's Ausdrücken, von dem reinen Lichte, in welchem er erzogen worden, verführt hatte. So verbunden, schickten sie an Pfundtext eine Einladung, oder vielmehr eine Aufforderung, einer Rathsversammlung zu Tillietudlem beizuwohnen. Dieser erinnerte sich aber, daß das Thor ein eisernes Gitter und der Thurm ein Gefängniß habe, und beschloß also, sich den zornigen Gefährten nicht anzuvertrauen. Demnach eilte, oder floh er vielmehr nach Hamilton mit der Nachricht, daß Burley, Macbriar und Pauker nach Hamilton kommen würden, sobald sie genug Cameronianer zusammengebracht, um die übrige Armee einzuschüchtern. »Ihr seht,« schloß Pfundtext mit einem tiefen Seufzer, »sie werden sodann die Majorität im Rathe besitzen; denn Langcale, obgleich er bis jetzt immer für einen redlichen, der Partei ergebenen Mann gegolten, ist doch weder Fisch noch Fleisch zu nennen; denn wo die Macht ist, da ist auch Langcale.«

Bei diesem Ende seiner langen Erzählung seufzte der ehrliche Pfundtext schwer auf; denn er erwog die Gefahr, in welcher er zwischen unvernünftigen Gegnern im Heere selbst und dem gemeinsamen Feinde von außen schwebte.

Morton ermahnte ihn zur Geduld, Mäßigung und Ruhe, theilte ihm seine Hoffnung mit, durch Lord Evandale Frieden und Verzeihung zu erlangen, und zeigte ihm eine sehr schöne Aussicht, daß er bald wieder zu seinem schweinsledernen Calvin, zu seinem Abendpfeifchen und seinem Kruge begeisternden Biers zurückkehren werde, wenn er nach Kräften die Maßregeln unterstützen wolle, die Morton zur allgemeinen Friedensstiftung entworfen. So geschützt und getröstet, beschloß Pfundtext die Ankunft der Cameronianer großherzig abzuwarten.

Burley und seine Gefährten hatten eine beträchtliche Menge dieser Sektirer zusammengezogen, die sich ungefähr auf hundert Reiter und fünfzehnhundert Mann Fußvolk beliefen. Sie waren finster und streng von Ansehn, mürrisch und eigensinnig in ihrer Unterredung, hochmüthig und zuversichtlich, daß nur für sie allein der Weg zum Heil geöffnet, und daß alle andere Christen, so wenig auch deren Lehre von der ihrigen abweiche, doch nicht viel besser, als Verworfene oder Ausgestoßene seien. Diese Männer kamen in's presbyterianische Lager eher als verdächtige Bundesgenossen, oder gar als Gegner, denn als Menschen, welche, derselben Sache geweihet, sich denselben Gefahren aussetzen. Burley machte seinen Gefährten keinen Besuch, besprach sich nicht mit ihnen über die öffentlichen Angelegenheiten, sondern schickte ihnen bloß eine trockene Einladung, sich diesen Abend bei dem allgemeinen Kriegsrathe einzufinden.

Als Morton und Pfundtext in die Rathsversammlung kamen, waren ihre Brüder bereits anwesend. Sie grüßten sich kalt, und es war leicht zu sehen, daß diejenigen, welche den Rath zusammenberufen, keine freundschaftlichen Unterredungen beabsichtigten. Die erste Frage stellte Macbriar, den sein Eifer bei jeder Gelegenheit an die Spitze drängte. Er wünschte zu wissen, durch welches Ansehen der Uebelgesinnte, genannt Lord Evandale, von dem Todesurtheil befreit worden, das gerechterweise über ihn verhängt gewesen sei.

»Auf meinen und Herrn Mortons Befehl!« ries Pfundtext, der seinen Gefährten eine gute Meinung von seinem Muthe geben wollte, sich ferner auf den Beistand desselben verließ und überdies sich auch weit weniger fürchtete, einem Manne von seinem eigenen Stande gegenüber zu treten, der sich nur auf die Waffen theologischer Art beschränkte, worin es Pfundtext mit Jedem aufnahm, als mit dem finstern Mörder Burley anzubinden.

»Und wer, Bruder,« sagte Pauker, »hat Euch beauftragt, Euch in eine so höchst wichtige Sache zu mischen?«

»Der Inhalt unseres Auftrags,« antwortete Pfundtext, »gibt uns das Recht zu binden und zu lösen. Wenn Lord Evandale durch die Stimme eines Einzigen gerechter Weise zum Tode verurtheilt worden, so wurde er auch gewiß rechtmäßiger Weise vom Tode befreit durch den Ausspruch von Zweien.«

»Geht, geht!« rief Burley; »wir kennen eure Gründe. Ihr habt diesen Seidenwurm – dies vergoldete Spielzeug, diesen verbrämten Lumpen von Lord fortgeschickt, um dem Tyrannen Friedensvorschläge zu machen.«

»Allerdings,« sagte Morton, als er sah, daß sein Verbündeter vor Burley's wildem Blick zu wanken anfing, »allerdings war es so, und warum auch nicht? – Sollen wir die Nation in einen endlosen Krieg stürzen, bloß um Pläne durchzusetzen, die eben so wild und gottlos, als unausführbar find?«

»Hört ihr?« rief Balfour; »er lästert Gott!«

»Das ist nicht wahr,« sagte Morton; »die nur lästern Gott, welche Wunder von ihm fordern, und die Anwendung menschlicher Mittel verschmähen, womit die Vorsehung sie gesegnet. Ich wiederhole es – unser Hauptzweck ist die Wiederherstellung des Friedens auf redliche, ehrenvolle Bedingungen, welche unsere Religion und Freiheit sichern. Wir erklären, daß wir keineswegs Absichten auf die Freiheiten Anderer haben.«

Die Streitigkeiten würden heftiger als je geworden sein, wenn sie nicht durch die Nachricht unterbrochen worden wären, daß der Herzog von Monmouth seinen Marsch gegen Westen begonnen und bereits den halben Weg nach Edinburgh zurückgelegt habe. Diese Nachricht beschwichtigte für diesen Augenblick den Zwist und es wurde beschlossen, daß der folgende Tag ein allgemeiner Bußtag für die Sünden des Landes sein solle, daß der ehrwürdige Herr Pfundtext Morgens und Pauker Abends predigen, daß Niemand einen Gegenstand des Zwiespaltes und Streites berühren, sondern die Soldaten ermuntern solle, wie Brüder für eine Sache bis auf den letzten Blutstropfen zu kämpfen. Nachdem dieser Vorschlag der Versöhnung allgemein gebilligt worden, wagte die gemäßigte Partei noch einen andern, in der Hoffnung, daß Langcale ihn unterstützen werde, der bei der empfangenen Nachricht sehr bleich geworden, und jetzt, wie man vermuthete, zu gemäßigten Maßregeln geneigt sein mochte. Da der König, sagten sie, diesmal den Befehl seines Heeres keinem ihrer eifrigen Verfolger übertragen, sondern im Gegentheil einen Mann gewählt habe, der mild gesinnt und ihrer Sache günstig sei, so hege man bessere Absichten gegen sie, als bisher. Sie behaupteten, es sei klug, ja nothwendig, durch eine Unterhandlung mit dem Herzog von Monmouth zu erfahren, ob er nicht mit einem geheimen Aufträge zu ihren Gunsten versehen sei. Dies aber konnte nicht anders geschehen, als wenn man einen Abgesandten in das Lager desselben schickte.

»Und wer will dies unternehmen?« sagte Burley, einem Vorschläge ausweichend, der zu vernünftig war, um sich ihm offen zu widersetzen. – »Wer wird in das Lager gehen, da Grahame von Claverhouse geschworen hat, aus Rache für den Tod seines Neffen Jeden hängen zu lassen, den wir ihm senden?«

»Das soll kein Hinderniß sein,« sagte Morton; »ich will mit Vergnügen jede Gefahr auf mich nehmen, die dem Ueberbringer Eurer Botschaft droht.«

»Laßt ihn gehen!« flüsterte Balfour Macbriar zu; »es ist gut, wenn wir ihn in unserem Rathe los sind.«

Der Vorschlag fand daher auch bei denen keinen Widerstand, von welchen man es am meisten erwartet hatte, und man kam überein, daß Heinrich Morton sich in das Lager des Herzogs von Monmouth begeben solle, um zu erfahren, unter welchen Bedingungen man mit den Insurgenten unterhandeln würde. Sobald sein Auftrag bekannt ward, baten ihn Mehrere der gemäßigten Partei, einen Vergleich auf der Grundlage der dem Lord Evandale überreichten Bittschrift vorzuschlagen; denn die Annäherung der königlichen Armee hatte eine allgemeine Bestürzung verbreitet, trotz des hohen Tones, den die Cameronianer annahmen, welche außer ihrem blinden Eifer nichts besaßen, um ihn zu unterstützen.

Mit diesen Vorschriften und von seinem Diener Cuddie begleitet, machte sich Morton aus den Weg nach dem Lager der Königlichen, trotz aller Gefahren, die demjenigen drohen, der in einem wüthenden Bürgerkriege das Mittleramt übernimmt.

Morton war kaum einige Meilen geritten, als er bemerkte, daß er sich dem Vortrabe der Königlichen nähere, und wie er eine Höhe erreichte, sah er alle Wege in der Nachbarschaft mit Bewaffneten bedeckt, die in großer Ordnung gegen Bothwell-Moor zogen, einer offenen Gegend, wo sie übernachten wollten, nicht weit vom Clyde entfernt, an dessen entgegengesetztem Ufer das Insurgenten-Heer lagerte. Er überlieferte sich dem ersten Reiterposten, auf den er stieß, und gab seinen Wunsch zu erkennen, den Herzog von Monmouth zu sprechen. Der Unteroffizier, der den Posten kommandirte, berichtete es seinem Vorgesetzten, dieser einem höheren Offizier, und Beide ritten dann an den Ort, wo Morton sich befand.

»Ihr verliert nur Eure Zeit, mein Freund, und wagt Euer Leben,« sagte Einer von ihnen zu Morton. »Der Herzog von Monmouth will sich in keine Unterhandlungen mit Verräthern einlassen, die noch unter Waffen stehen, und eure Grausamkeit war so groß, daß sie jede Wiedervergeltung rechtfertigt.«

»Ich kann unmöglich denken,« sagte Morton, »daß der Herzog von Monmouth, selbst wenn er uns als Verbrecher betrachten sollte, eine so große Anzahl seiner Mitunterthanen verdammen werde, ohne auch nur zu hören, was sie zu ihrer Vertheidigung etwa sagen würden. Ich für mein Theil fürchte nichts. Ich bin mir bewußt, weder eine Grausamkeit veranlaßt, noch gebilligt zu haben, und die Furcht, unschuldig für die Verbrechen Anderer zu leiden, soll mich nicht abhalten, meinen Auftrag auszurichten.«

Die beiden Offiziere sahen einander an.

»Mir fällt ein,« sagte der jüngere, »dies ist vielleicht der junge Mann, von dem Lord Evandale sprach.«

»Ist Mylord Evandale bei dem Heere?« fragte Morton.

»Nein!« antwortete der Offizier. »Wir ließen ihn in Edinburgh zurück; er war noch zu schwach, um mit in's Feld zu rücken. – Euer Name ist vermuthlich Heinrich Morton?«

»Ja, Sir!»

»Wir wollen Euch nicht hindern, den Herzog zu sehen, Sir,« sagte der Offizier mit mehr Höflichkeit als zuvor; »aber seid versichert, es führt zu nichts. Denn wenn auch Seine Gnaden Euern Leuten geneigt wäre, so sind doch noch Andere ihm zur Seite, die schwerlich seiner Neigung zustimmen.«

»Es sollte mir leid thun, wenn dem so wäre,« sagte Morton; »aber meine Pflicht ist es, auf meinem Wunsche zu beharren.«

»Lumley,« sagte der höhere Offizier, »berichtet dem Herzog Herrn Mortons Ankunft, und erinnert Seine Gnaden daran, daß es derselbe sei, von dem Lord Evandale so vortheilhaft sprach.«

Der Offizier kehrte bald mit der Nachricht zurück, der Feldherr könne diesen Abend Herrn Morton nicht sehen, wolle ihn aber am folgenden Morgen früh vorlassen. Er wurde über Nacht in einer benachbarten Hütte bewacht, aber höflich behandelt und mit jeder Bequemlichkeit versorgt. Am frühen Morgen kam der Offizier, den er zuerst gesehen, um ihn zur Audienz abzuholen. Das Heer war aufgestellt und bildete Kolonnen zum Marsch oder zum Angriff. Der Herzog befand sich im Centrum, fast eine halbe Stunde von dem Orte, wo Morton übernachtet hatte. Als er zum General hinritt, hatte er Gelegenheit, die Streitkräfte zu schätzen, die zur Unterdrückung des übereilten und schlecht organisirten Aufstandes versammelt waren. Es waren drei oder vier englische Regimenter, die Blüthe von Karl's Armee, dann die schottischen Leibgarden, die vor Begierde brannten, ihre letzte Niederläge zu rächen; – andere schottische Regimenter und eine beträchtliche Cavalleriemasse waren zusammengezogen, die theils aus freiwilligen Edelleuten, theils aus Kronvasallen bestand, zu deren Lehnspflicht der Kriegsdienst gehörte. Morton bemerkte auch noch verschiedene starke Schaaren Hochländer, die aus den nächsten Grenzen zusammengezogen waren; diese wurden von den Whigs in den westlichen Gegenden besonders gehaßt und verabscheut. Sie standen unter ihren Häuptlingen und bildeten einen Theil dieser furchtbaren Kriegsmacht. Ein vollständiger Artilleriepark begleitete das Heer, und das Ganze hatte ein so imposantes Ansehen, daß nur ein wahres Wunder die schlecht ausgerüstete, schlecht geordnete und uneinige Insurgentenschaar vom gänzlichen Verderben retten zu können schien. Der Offizier, welcher Morton begleitete, suchte in dessen Blicken die Empfindungen zu lesen, welche diese herrliche und furchtbare Truppenmacht in ihm erweckte. Aber treu der Sache, die er ergriffen, bestrebte er sich, seine Besorgniß zu unterdrücken, und betrachtete den kriegerischen Prunk um ihn wie eine Sache, die er erwartet hatte und die ihm ganz gleichgültig war.

»Ihr seht, welche Bewirthung man Euch zubereitet,« sagten die Offiziere.

»Hätte ich keinen Appetit dazu, so würde ich Euch in diesem Augenblicke nicht begleiten. Aber um beider Parteien willen würde ich eine friedlichere Bewirthung wünschen.«

Unter diesem Gespräch näherten sie sich dem Oberbefehlshaber, welcher, von vielen Offizieren umgeben, auf einer Anhöhe saß, die eine weite Aussicht gewährte, und von der man die Windungen des majestätischen Clyde und das ferne Insurgentenlager am jenseitigen Ufer erblicken konnte. Die Offiziere der königlichen Armee schienen das Terrain in der Absicht zu überschauen, um sogleich einen Angriff anzuordnen. Als Hauptmann Lumley, der Offizier, welcher Morton begleitete, dessen Namen und Botschaft dem Herzog in's Ohr flüsterte, gab dieser seiner Umgebung, bis aus zwei höhere Offiziere, ein Zeichen, sich zu entfernen. Sie sprachen einige Minuten leise mit einander, ehe Morton Erlaubniß hatte, näher zu treten, und so konnte er genau die Personen betrachten, mit denen er unterhandeln sollte. Es war unmöglich, den Herzog von Monmouth anzusehen, ohne durch die Anmuth und Schönheit seiner Gestalt ergriffen zu werden, so daß ein berühmter Dichter später von ihm sagte:

Was er auch that, geschah mit Anmuth.
Und angeboren war's ihm, zu gefallen;
In jeglicher Bewegung lag ein Reiz,
Ein Paradies auf seinem Angesichte.

Dem aufmerksamen Beobachter jedoch entging es nicht, daß Monmouths männliche Schönheit manchmal minder ergreifend wurde durch einen Zug von Wankelmuth und Unschlüssigkeit, der auf Zweifel und Unsicherheit deutete, auch in solchen Momenten, wo kräftige Entscheidung am nothwendigsten war.

Neben ihm stand Claverhouse, den wir bereits kennen, und ein anderer hoher Offizier, dessen Aeußeres besonders auffallend war. Seine Kleidung war nach dem alten Schnitt aus Karl's I. Zeit und bestand aus einem Koller von Gemsenleder, seltsam aufgeschlitzt und mit altmodischer Stickerei und Borden verziert. Seine Stiefel und Sporen waren ebenfalls ein Produkt jener Mode. Er trug einen Brustharnisch, über welchem ein grauer Bart von ehrwürdiger Länge herabfloß, den er zum Zeichen seiner Trauer um Karl I. trug; denn er hatte sich seit der Hinrichtung dieses Fürsten nicht scheeren lassen. Sein Haupt war unbedeckt und fast gänzlich kahl. Seine hohe, gefurchte Stirn, seine grauen, durchdringenden Augen und scharfen Züge bewiesen, daß sein Alter nickt durch Schwäche gebeugt und seine finstere Entschlossenheit durch Menschenliebe nicht gemildert ward. Dies sind, obwohl nur schwach gezeichnet, die äußeren Umrisse des berühmten Generals Thomas Dalzell, eines Mannes, der von den Whigs noch mehr gefürchtet und gehaßt war, als Claverhouse selbst, und der aus Haß gegen sie, oder vielleicht aus angeborner Strenge, dieselben Gewaltthätigkeiten ausübte, welche Claverhouse nur aus politischen Gründen beging, als die besten Mittel, die Presbyterianer einzuschüchtern und ihre Sekte gänzlich zu vernichten.

Die Gegenwart dieser beiden Generale, von denen Morton einen persönlich und den andern aus der Beschreibung kannte, schien ihm für das Schicksal seiner Botschaft entscheidend. Aber trotz seiner Jugend und Unerfahrenheit, und trotz des ungünstigen Empfanges, der seiner Vorschläge zu warten schien, näherte er sich muthig, als man ihm das Zeichen dazu gab, fest entschlossen, die Sache seines Vaterlandes und derer, welche die Waffen ergriffen, solle nicht darunter leiden, daß sie ihm vertraut ward.

Monmouth empfing ihn mit der anmuthigen Feinheit, die sich selbst in seinen geringsten Handlungen zeigte; Dalzell betrachtete ihn mit düsterem, ernstem Blicke, und Claverhouse mit einem spöttischen Lächeln und einem Kopfnicken, wie einen alten Bekannten.

»Ihr kommt von diesen unglücklichen Leuten, Sir,« sagte der Herzog, »und Euer Name, glaub' ich, ist Morton. Wollt Ihr uns gefälligst den Inhalt Eurer Botschaft mittheilen?«

»Mylord,« sagte Morton, »sie ist in der Vorstellung und Bittschrift enthalten, welche, wie ich vermuthe, Lord Evandale Eurer Gnaden übergeben.«

»Das hat er, Sir,« antwortete der Herzog, »und ich höre von Lord Evandale, daß sich Herr Morton in dieser unglücklichen Sache mit so viel Mäßigung und Großmuth benommen, daß ich ihn bitte, meinen Dank dafür anzunehmen.«

Morton bemerkte, daß Dalzell unwillig den Kopf schüttelte und Claverhouse Etwas zuflüsterte, der mit einem Lächeln antwortete.

Der Herzog nahm die Bittschrift aus der Tasche, und offenbar kämpfte in ihm seine angeborne Milde und seine Ueberzeugung, daß die Bittsteller nur ihr Recht verlangten, mit dem Wunsche, des Königs Ansehen zu behaupten und sich den strengen Ansichten seiner Kollegen zu fügen, die ihm eben sowohl als Rathgeber, wie als Beobachter beigegeben wurden.

»In dieser Schrift, Herr Morton, stehen Vorschläge, über deren Angemessenheit ich für jetzt noch meine Meinung zurückhalten muß. Einige davon scheinen mir recht und billig, und obgleich ich darüber keine besondere Instruktionen vom König habe, so versichere ich Euch doch auf mein Ehrenwort, Herr Morton, daß ich mich für Eure Sache verwenden und meinen ganzen Einfluß bei Sr. Majestät gebrauchen werde. Aber Ihr werdet einsehen, daß ich nur mit Bittenden, aber nicht mit Rebellen unterhandeln kann, und ehe ich Etwas zu Euren Gunsten bewillige, muß ich darauf bestehen, daß Eure Anhänger die Waffen niederlegen und auseinander gehen.«

»Dadurch, Herr Herzog,« erwiderte Morton unerschrocken, »würden wir uns selbst als Rebellen bekennen, wozu unsere Feinde uns stempeln wollen. Wir haben unsere Schwerter gezogen, um unser angeborenes Recht wieder zu erringen, das man uns entrissen. Eurer Gnaden Billigkeit und Einsicht haben schon im Allgemeinen die Gerechtigkeit unserer Bitte zugestanden, einer Bitte, auf die man nimmer gehört haben würde, wäre sie nicht vom Schmettern der Trompete begleitet gewesen. Wir können und dürfen daher, selbst wenn Eure Gnaden uns Verzeihung zum Voraus ankündigt, die Waffen nicht niederlegen, wenn wir nicht eine feste Aussicht auf Abhülfe unserer Beschwerden vor Augen haben.«

»Herr Morton,« erwiderte der Herzog, »Ihr seid jung; aber Ihr müßt genug von der Welt gesehen haben, um zu wissen, daß Gesuche, die an und für sich weder gefährlich, noch unvernünftig, es werden können durch die Art und Weise, auf welche man sie betreibt und unterstützt.«

»Wir können antworten, Mylord,« entgegnete Morton, »daß wir zu diesem unangenehmen Mittel erst gegriffen, als alle andern fehlgeschlagen.«

»Herr Morton,« sagte der Herzog, »ich muß diese Unterredung abbrechen. Wir sind zum Angriffe bereit; dennoch will ich ihn eine Stunde aufschieben, daß Ihr meine Antwort den Insurgenten mittheilen könnt. Wollen sie auseinander gehen, die Waffen niederlegen und mir eine friedliche Botschaft zuschicken, so will ich mein Ehrenwort verpfänden, für die Abhülfe ihrer Beschwerden alles Mögliche anzuwenden; wo nicht, so mögen sie sich vor den Folgen hüten. – Ich glaube, meine Herren,« fügte er, zu seinen zwei Collegen gewendet, hinzu, »weiter kann ich meine Instruktionen zu Gunsten dieser mißleiteten Menschen nicht ausdehnen.«

»Auf meine Ehre,« erwiderte Dalzell rasch, »ich, nach meiner geringen Einsicht, würde sie schon so weit nicht ausgedehnt haben, wenn ich es vor dem König und meinem Gewissen verantworten will. Aber ohne Zweifel wissen Eure Gnaden mehr von des Königs Privatmeinung, als wir, die wir uns bloß nach dem Buchstaben unserer Instruktionen zu richten haben.«

Monmouth erröthete. »Ihr hört,« sagte er, sich zu Morton wendend, »General Dalzell tadelt mich, daß ich so weit gegangen bin.«

»General Dalzells Gesinnungen, Mylord, sind so, wie wir sie von ihm erwartet haben,« erwiderte Morton; »Eure Gnaden hegen Gesinnungen, wie wir sie zu finden hofften. Ich kann wirklich nicht umhin, hinzuzufügen, daß im Falle einer völligen Unterwerfung, die Ihr durchaus begehrt, es mehr als zweifelhaft bleibt, wie weit selbst Eurer Gnaden Vermittelung sich wirksam erweist, da dem Könige solche Rathgeber zur Seite stehen. Uebrigens will ich unsern Anführern Eurer Gnaden Antwort mittheilen, und wenn wir keinen Frieden erlangen können, müssen wir den Krieg führen, so gut es geht.«

»Guten Morgen, Sir,« sagte der Herzog; »ich schiebe den Angriff nur noch eine Stunde auf, aber auch nicht länger als eine Stunde. Habt Ihr binnen dieser Zeit eine Antwort zu überbringen, so will ich sie hier empfangen, und ich bitte Euch ernstlich, laßt sie so sein, daß ferneres Blutvergießen verhindert wird.«

In diesem Augenblicke sahen Dalzell und Claverhouse mit einem noch bedeutungsvollern Lächeln einander an. Dies bemerkte der Herzog, und wiederholte seine Worte mit großer Würde:

»Ja, meine Herren, ich wünsche, die Antwort möchte so ausfallen, daß durch sie ferneres Blutvergießen verhindert würde. Ich hoffe, diese Gesinnung verdient weder Euren Spott, noch kann sie Euer Mißfallen erregen.«

Ohne zu antworten, erwiderte Dalzell des Herzogs Stirnfalten mit einem finstern Blick. Claverhouse aber, auf dessen Lippen ein ironisches Lächeln schwebte, verbeugte sich und sprach: »Es kommt mir nicht zu, die Gesinnungen Eurer Gnaden zu beurtheilen.«

Der Herzog winkte Morton, sich zu entfernen. Er gehorchte und ritt mit seinem voriger Begleiter langsam durch das Heer, um nach dem Lager der Nonconformisten zurückzukehren. Als er an dem schönen Corps der Leibgarden vorbeikam, fand er Claverhouse bereits an ihrer Spitze. Kaum hatte dieser Offizier Morton erblickt, als er auf ihn zuritt und auf's Höflichste anredete:

»Ich glaube, dies ist nicht zum ersten Male, daß ich Herrn Morton von Milnwood sehe?«

»Es ist nicht des Obersten Grahame Schuld,« erwiderte Morton mit bitterem Lächeln, »daß er oder sonst Jemand jetzt durch meine Gegenwart belästigt wird.«

»Erlaubt mir wenigstens zu sagen,« antwortete Claverhouse, »daß Herrn Mortons gegenwärtige Stellung die Meinung rechtfertigt, die ich von ihm gehegt, und daß mein Verfahren bei unserem letzten Zusammensein nur meiner Pflicht angemessen war.«

»Eure Handlungen mit Eurer Pflicht und Eure Pflicht mit Eurem Gewissen zu versöhnen, ist Eure Sache, Oberst Grahame, nicht die meinige,« sagte Morton, mit Recht beleidigt, daß er gleichsam das Urtheil gut heißen sollte, welches fast an ihm vollzogen worden wäre.

»Wartet einen Augenblick,« sagte Claverhouse; »Evandale behauptet, ich hätte ein Unrecht gegen Euch wieder gut zu machen. Ich werde immer einen Unterschied machen zwischen einem hochgesinnten Edelmann, welcher, obgleich irre geleitet, nach edeln Grundsätzen handelt, und dem tollen, fanatischen Pöbel dort mit den blutdürstigen Mördern, die ihn anführen. Wenn sie sich nicht nach Eurer Rückkunft zerstreuen, so bitte ich Euch inständigst, kommt sogleich zu unserer Armee und ergebt Euch; denn seid versichert, sie halten unsern Angriff keine halbe Stunde aus. Wollt Ihr Euch rathen lassen und dies thun, so fragt nur nach mir. Monmouth, so seltsam dies klingt, kann Euch nicht schützen, Dalzell will nicht – ich aber kann und will, und ich habe Evandale versprochen, es zu thun, wenn Ihr mir die Gelegenheit dazu darbieten wollet.«

»Ich würde dem Lord Evandale sehr verbunden sein,« antwortete Morton kalt, »wenn seine Absicht nicht die Meinung bärge, daß ich die Sache Derer verlassen solle, mit denen ich mich verbunden habe. Was Euch betrifft, Herr Oberst, wenn Ihr mir die Ehre erzeigen wollt, auf eine andere Weise Genugthuung zu geben, so werdet Ihr mich in einer Stunde am westlichen Ende der Bothwellbrücke mit dem Schwerte in der Hand finden.«

»Es wird mich freuen, Euch dort zu treffen,« sagte Claverhouse; »noch mehr aber, wenn Ihr meinen ersten Vorschlag erwägt.«

Sie grüßten und trennten sich.

»Das ist ein prächtiger Junge, Lumley,« sagte Claverhouse zu dem andern Offizier; »aber er ist verloren – sein Blut komme über ihn selbst!«

Mit diesen Worten traf er Anstalten zur bevorstehenden Schlacht.


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