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Zwanzigstes Kapitel.

Ananias. Der Mann gefällt mir nicht. Er ist ein Heide.
Und spricht gewiß die Sprache Canaans.

Trübsal. Du mußt den Ruf abwarten und das Nahen
Des guten Geist's. Nicht recht war's, ihn zu tadeln.

Der Alchymist.

 

Wir kehren zu Heinrich Morton zurück, den wir auf dem Schlachtfelde verließen. An einem Wachtfeuer verzehrte er seinen Antheil an den Lebensmitteln, die man unter dem Heere vertheilt hatte, und war in tiefes Nachdenken versunken über den Weg, den er nun einzuschlagen habe, als Burley plötzlich zu ihm trat, begleitet von dem jungen Prediger, dessen Ermahnung nach dem Siege eine so gewaltige Wirkung hervorgebracht.

»Heinrich Morton,« sagte Balfour kurzweg, »der Kriegsrath hat, im vollen Vertrauen, daß der Sohn Silas Mortons kein lauer Laodiceer, kein gleichgültiger Gallio ist, Euch an diesem großen Tage zu einem Hauptmann ernannt, mit dem Stimmrecht im Kriegsrath nebst aller Gewalt, die einem Offizier ziemt, der christliche Krieger anführt.«

»Herr Balfour,« erwiderte Morton ohne Zögern, »ich weiß dieses Vertrauen zu schätzen, und es ist nicht zu verwundern, wenn ein natürliches Gefühl für die erduldeten Leiden meines Vaterlandes, der eigenen nicht zu gedenken, mich nicht abgeneigt machen, für Gewissensfreiheit mein Schwert zu ziehen. Aber ich gestehe Euch, ehe ich eine Befehlshaberstelle unter Euch annehme, muß ich erst über die Grundsätze, auf die Ihr Eure Sache stützt, besser befriedigt werden.«

»Und könnt Ihr an unsern Grundsätzen zweifeln,« antwortete Burley, »da wir nur die Reformation des Staats und der Kirche, den Wiederaufbau des verfallenen Heiligthums, die Sammlung der zerstreuten Frommen und die Vertilgung der Sündigen bezwecken?«

»Ich muß offen gestehen, Herr Balfour,« erwiderte Morton, »diese Sprache, die bei Andern so wirksam, ist an mir gänzlich verloren. Es ist nöthig, daß Ihr das wisset, bevor wir uns irgend mit einander einlassen.« (Hier seufzte der junge Geistliche tief auf.) »Ich thue Euch wehe, Sir,« sagte Morton, »aber vielleicht nur, weil Ihr mich nicht ausgehört habt. »Ich verehre die Schrift, so gut als Ihr oder irgend ein Christ. Ich lese sie mit der demüthigen Hoffnung, eine Vorschrift für mein Handeln und heilsame Lehren aus ihr zu schöpfen. Aber dies hoffe ich durch Erforschung ihres Inhalts im Allgemeinen, und des Geistes, der darin athmet, zu finden; nicht aber, indem ich Stellen aus ihrem Zusammenhange reiße, oder Ausdrücke der Schrift auf Umstände und Ereignisse anwende, mit denen sie oft nur in sehr geringem Bezug stehen.«

Der junge Geistliche schien durch diese Erklärung wie vom Donner gerührt, und war im Begriff, Einwendungen zu machen.

»Still, Ephraim!« sagte Burley; bedenkt, es ist nur ein Knabe in Windeln. – Höre auf mich, Morton; ich will mit dir reden der weltlichen Sprache jener fleischlichen Vernunft, welche bis jetzt noch deine blinde, unvollkommene Führerin ist. Was ist's, wofür du dein Schwert zu ziehen bereit bist? Ist es nicht, daß Kirche und Staat verbessert werden durch die freie Stimme eines freien Parlaments, und durch solche Gesetze, die in Zukunft die ausübende Gewalt hindern, Blut zu vergießen, die Menschen zu martern und einzukerkern, Güter einzuziehen, und das Gewissen der Bürger mit Füßen zu treten nach sündhafter Willkür?«

»Allerdings« – versetzte Morton – »halte ich das für rechtmäßige Ursachen zum Kriege, und dafür will ich fechten, so lange ich noch ein Schwert lenken kann.«

»Ja,« sagte Macbriar, »aber Ihr behandelt diese Sache zu gelind, und mein Gewissen erlaubt mir nicht, die Ursachen des göttlichen Zornes zu schminken oder zu übertünchen – – –«

»Still, Ephraim Macbriar!« unterbrach ihn Burley abermals.

»Ich will nicht still sein,« sagte der junge Mann. »Ist es nicht die Sache meines Meisters, der mich gesandt hat? Ist es nicht eine profane, erastinianische Zerstörung seines Ansehens, eine Anmaßung seiner Gewalt, eine Verläugnung seines Namens, den König oder das Parlament an seine Stelle zu setzen, als Meister und Lenker seines Haushalts, als den ehebrecherischen Gemahl seiner Verlobten?«

»Ihr sprecht gut, aber nicht klug,« sagte Burley, ihn aus die Seite ziehend. »Eure eigenen Ohren haben diese Nacht im Rathe vernommen, wie dieser zerstreute Ueberrest zertheilt und zerrissen ist, und Ihr wollt nun einen Vorwand der Trennung zwischen sie bringen? Wollt Ihr eine Mauer ausführen mit ungelöschtem Kalk? – Wenn ein Fuchs dagegen anrennt, wird sie zusammenstürzen.«

»Ich weiß,« erwiderte der junge Geistliche, »du bist getreu, redlich und eifrig bis zum Tode; aber glaube mir, diese weltliche List, dieses Fuchsschwänzen mit den Sündigen und Schwachen ist an sich selbst ein Abfall, und ich fürchte, der Himmel wird uns nicht würdigen, noch mehr zu seinem Ruhme zu thun, wenn wir zu fleischlicher List, zu einem fleischlichen Arm Zuflucht nehmen. Der heilige Zweck muß erreicht werden durch heilige Mittel.«

»Ich sage dir,« antwortete Balfour, »dein Eifer ist zu streng in dieser Sache; noch können wir nicht handeln ohne Hülfe der Laodiceer und Erastinianer; wir müssen noch einige Zeit die Lauen und Weltlichgesinnten unter uns dulden. Die Söhne Zerujahs find noch zu stark für uns.«

»Ich sage dir, das gefällt mir nicht,« sagte Macbriar. »Gott kann die Befreiung bewirken durch Wenige, wie durch Viele. Das Heer der Getreuen, das auf den Pentlandshügeln geschlagen ward, litt nur die gerechte Strafe dafür, daß es die fleischliche Sache des Zwingherrn und Unterdrückers, Karl Stuart, anerkannt hatte.«

»Nun denn,« sagte Balfour, »du kennst den heilsamen Entschluß, den der Kriegsrath gefaßt hat, eine Erklärung ergehen zu lassen, die zarten Gewissen aller Derjenigen zu befriedigen, welche jetzt unter dem Joche der Unterdrücker seufzen. Kehre in den Kriegsrath zurück, wenn du willst, und bewirke, daß sie den Beschluß zurücknehmen, und einen beschränktern ausschicken. Aber verweile nicht länger hier, um mich zu verhindern, diesen Jüngling zu gewinnen, für welchen meine Seele arbeitet; sein Name allein wird Hunderte zu unsern Bannern rufen.«

»Thue, wie du willst,« sagte Macbriar; »aber ich will nicht helfen, den Jüngling zu verleiten, noch ihn in Lebensgefahr bringen; es sei denn unter solchen Bedingungen, die ihm ewige Belohnung zusichern.«

Der listige Balfour entließ hierauf den ungeduldigen Prediger, Und kehrte zu seinem Proselyten zurück.

Um uns in den Stand zu setzen, die weitläufigen Gründe zu übergehen, durch welche er in Morton drang, sich den Insurgenten anzuschließen, wollen wir diese Gelegenheit benutzen, eine kurze Skizze des Mannes zu entwerfen, und die Beweggründe zu entfalten, weßhalb er sich so sehr bemühte, Morton für seine Sache zu gewinnen.

John Balfour von Kinloch, oder Burley – denn unter beiden Namen wird er in den Geschichtsbüchern und Urkunden jener unglücklichen Periode erwähnt – war ein Edelmann von einigem Vermögen und guter Familie in der Grafschaft Fife, und Soldat von Jugend auf. In frühern Jahren hatte er ein wildes, zügelloses Leben geführt, doch bald sich offenkundiger Ausschweifung abgewandt und die strengsten Lehren des Calvinismus angenommen. Unglücklicherweise ließen sich Ausschweifung und Unmäßigkeit eher aus seinem finstern, mürrischen und unternehmenden Gemüthe ausmerzen, als Rachgier und Ehrgeiz, welche trotz seiner frommen Bekenntnisse fortdauernd seine Seele beherrschten. Kühn in seinen Entwürfen, rasch und gewaltthätig in der Ausführung, wagte er das Aeußerste in der Widerspenstigkeit gegen die Regierung, und hegte den Ehrgeiz, sich an die Spitze der Presbyterianer zu stellen.

Um dahin zu gelangen, hatte er häufig die Versammlungen der Whigs besucht, und sie mehrmals befehligt, wenn sie unter Waffen erschienen, und die zu ihrer Zerstreuung ausgeschickten Truppen geschlagen. Endlich stellte ihn seine eigene wilde Schwärmerei, verbunden, wie man sagt, mit Beweggründen von Privatrache, an die Spitze jenes Haufens, der den Primas von Schottland als den Urheber aller Leiden der Presbyterianer, ermordete. Die gewaltsamen Maßregeln, welche die Regierung ergriff, um diese That nicht allein in den Urhebern derselben, sondern auch an allen Glaubensverwandten zu rächen, so wie die langen, vorhergehenden Leiden, von denen keine andere Befreiung als durch Waffengewalt zu hoffen war, veranlaßten den Aufstand, der, wie wir bereits erzählt, mit Claverhouses Niederlage im blutigen Gefecht bei Loudonhill begann.

Burley aber war, trotz seines Antheils am Siege, weit entfernt von jener Höhe, nach der sein Ehrgeiz strebte, woran vorzüglich die Verschiedenheit der Meinungen schuld war, welche unter den Insurgenten über die Ermordung des Erzbischofs Sharpe herrschten. Die Heftigern billigten die That als eine Handlung der Gerechtigkeit. vollbracht an einem Verfolger der Kirche des Herrn, durch unmittelbare Eingebung der Gottheit selbst; aber der größere Theil der Presbyterianer betrachtete die That als ein höchst strafbares Verbrechen, obgleich sie zugaben, daß die Strafe des Erzbischofs keineswegs unverdient gewesen. Die Insurgenten waren noch über einen andern Punkt uneinig, der bereits berührt worden. Die feurigem und ausschweifendem Fanatiker verdammten diejenigen Prediger und Versammlungen, die sich auf irgend eine Art begnügt hatten, ihre Religion mit Erlaubniß der herrschenden Kirche auszuüben, als hätten sie sich einer kleinmüthigen Aufopferung der Kirchenrechte schuldig gemacht. Dies, sagten sie, sei absoluter Erastinianismus oder Unterwerfung der Kirche Gottes unter die Anordnungen einer irdischen Regierung, und darum wenig besser als Prälatismus und Papstthum. – Eben so wollten auch die Gemäßigtem des Königs Rechte auf den Thron zugeben, und in weltlichen Angelegenheiten seine Obergewalt anerkennen, so lange sie mit gebührender Rücksicht aus die Freiheit der Unterthanen und im Einklang mit den Reichsgesetzen ausgeübt werde. Aber die wildere Sekte, von ihrem Führer Richard Cameron, Cameronianer genannt, verwarfen den regierenden Monarchen, so wie jeden seiner Nachfolger, der nicht den feierlichen Bund oder Covenant anerkennen würde. In dieser Partei war also der Samen der Zwietracht dick ausgesäet, und Balfour, so schwärmerisch er auch war, und so sehr er auch den heftigsten Lehrsätzen anhing, sah im Voraus das Verderben der allgemeinen Sache, wenn man auf jenen Grundsätzen beharrte, in einer Zeit, wo Einigkeit so nöthig war. Darum mißbilligte er den redlichen, geraden Eifer Macbriars, und wünschte eifrigst den Beistand der gemäßigten Partei der Presbyterianer beim Umsturz der Regierung zu gewinnen, hoffend, ihr bald vorschreiben zu können, was an deren Stelle treten solle.

Er war also besonders bemüht sich Heinrich Mortons Beitritt zur Sache der Insurgenten zu sichern. Das Andenken seines Vaters war allgemein geachtet unter den Presbyterianern, und da nur wenige von gutem Stande sich den Insurgenten zugesellt, so konnte der junge Mann bei seiner Familie und seinen Aussichten sicher sein, zum Anführer gewählt zu werden. Durch Morton, den Sohn seines alten Kriegsgefährten, hoffte Burley einigen Einfluß auf den gemäßigtem Theil des Heeres zu gewinnen, und sich bei ihnen endlich so in Gunst zu setzen, daß er zum Oberbefehlshaber ernannt würde, was das Ziel seines Ehrgeizes war. Er hatte also, ohne abzuwarten, bis ein Anderer den Gegenstand anregte, dem Kriegsrathe die Fähigkeiten und Gesinnung Mortons gerühmt, und leicht dessen Erhebung zu dem beschwerlichen Posten eines Anführers in diesem uneinigen und undisciplinirten Heere erreicht.

Schlau und triftig waren die Gründe, durch welche Balfour, sobald er seines minder listigen und starrköpfigen Gefährten, Macbriar, los war, Morton zur Annahme der gefährlichen Beförderung zu bewegen strebte. Zwar suchte er weder zu läugnen noch zu verhehlen, daß die Ansichten, die er selbst in Bezug auf Kirchenregiment hege, mit denen des Predigers, der sie so eben verlassen, vollkommen übereinstimmten. Allein er behauptete, da die Angelegenheiten des Volkes in einer so verzweifelten Lage seien, so sollten kleine Meinungsverschiedenheiten Diejenigen, welche im Allgemeinen das Wohl ihres bedrückten Vaterlandes wünschten, nicht abhalten, das Schwert für dasselbe zu ziehen. Manche Streitpunkte, wie zum Beispiel der über die Indulgenz, entsprängen aus Umständen, welche aufhören würden, sobald ihr Versuch gelänge, das Land zu befreien; denn die siegreichen Presbyterianer würden dann nicht nöthig haben, einen solchen Vertrag mit der Regierung abzuschließen, und mit Abschaffung der Indulgenz werde aller Streit über die Rechtmäßigkeit derselben ein Ende haben. Besonders nachdrücklich sprach er über die Nothwendigkeit, den jetzigen günstigen Zeitpunkt zu benutzen, bei der Gewißheit, daß die ganze Macht der westlichen Grafschaften auf ihrer Seite sein werde, sowie über die schwere Schuld, welche Diejenigen auf sich laden würden, welche bei der Noth des Vaterlandes und der wachsenden Tyrannei aus Furcht oder Gleichgültigkeit ihre thätige Hülfe der guten Sache entzögen. Morton bedurfte dieser Gründe nicht, um sich einer Verbindung anzuschließen, die nur irgend eine Aussicht zur Befreiung seines Vaterlandes bot. Er zweifelte indessen sehr, ob der jetzige Versuch durch die gehörigen Streitkräfte unterstützt werden, und ob man die errungenen Vortheile mit Weisheit und Mäßigung benützen würde. Indem er aber die Unbilden erwog, die er selbst erfahren, und seine Mitbürger täglich erduldeten, und die gefährliche Stellung bedachte, in welcher er sich bereits der Regierung gegenüber befand: fühlte er sich in jeder Hinsicht berufen, den bewaffneten Presbyterianern sich anzuschließen.

Indem er aber gegen Burley seine Zustimmung gab, ein Anführer der Insurgenten und ein Mitglied des Kriegsraths zu werden, machte er doch eine gewisse Einschränkung.

»Ich bin bereit,« sagte er, »alle meine beschränkten Kräfte zur Befreiung meines Vaterlandes anzuwenden. Aber Ihr dürft mich nicht mißverstehen. Ich mißbillige im höchsten Grade die That, welche zu diesem Aufstande Veranlassung gegeben, und keine Gründe würden mich je bewegen, daran Theil zu nehmen, würde er noch nach solchen Maßregeln fortgeführt, wie diejenigen, mit denen er begonnen worden.«

Ueber Burley's gebräunte Stirne verbreitete sich eine düstere Gluth.

»Ihr meint,« sagte er mit einer Stimme, die seine Aufregung nicht verrathen sollte – »Ihr meint den Tod des James Sharpe?«

»Offenherzig gestanden,« antwortete Morton, »den mein' ich.«

»Ihr glaubt also,« sagte Burley, »daß der Allmächtige in Zeiten der Noch keine Werkzeuge gebraucht, seine Kirche zu befreien von den Drängern? Ihr seid der Meinung, daß die Gerechtigkeit einer Hinrichtung nicht in der Größe des Verbrechens Dessen bestehe, der sie erduldet, nicht in der heilsamen Wirkung, welche ein solches Beispiel auf andere Uebelthäter hervorbringen muß; sondern Ihr meint, sie hange von dem Kleide des Richters, der hohen Bank und der Stimme des Urtheilssprechers ab? Ist eine gerechte Strafe nicht gerecht vollzogen, sei es nun auf dem Schaffot, oder auf der Haide? Und wo die bestallten Richter aus Feigheit, oder weil sie mit den Uebertretern des Gesetzes selbst das Loos geworfen, dulden, daß diese frei im Lande herumziehen, und hohe Stellen einnehmen, und ihr Gewand färben mit dem Blute der Heiligen, ist es da nicht wohlgethan, daß jeder Tapfere sein Schwert zieht für die allgemeine Sache?«

»Ich bin nicht gesonnen,« sagte Morton, »über diese einzelne Handlung meine Meinung weiter zu erläutern, als nothwendig ist, Euch mit meinen Grundsätzen bekannt zu machen. Ich wiederhole demnach, daß Eure Verteidigung mich nicht befriedigt. Daß der Allmächtige in geheimnißvollem Walten einem blutdürstigen Menschen ein blutiges Ende bereitet, rechtfertigt die nicht, welche ohne irgend eine gesetzliche Autorität sich vermessen, als Vollstrecker der göttlichen Rache sich aufzuwerfen.«

»Und waren wir das nicht?« sagte Burley in einem Tone wilder Begeisterung. »Waren wir nicht – war nicht Jeder, dem der Vortheil der durch den Covenant befestigten Kirche Schottlands am Herzen lag, eben durch jenen Covenant verpflichtet, den Judas hinwegzuraffen, der die Sache Gottes verkauft um ein Jahrgeld von fünfzigtausend Mark? Hätten wir ihn auf dem Wege von London her getroffen, und ihn dort erschlagen mit der Schärfe des Schwertes, so hätten wir nur unsere Pflicht gethan als Männer, die ihrer Sache und ihren im Himmel ausgeschriebenen Eiden getreu sind. War nicht die Hinrichtung selbst ein Beweis unserer Vollmacht? Hat ihn nicht der Herr in unsere Hände überliefert, als wir uns umschaueten nach einem geringeren Werkzeuge der Verfolgung? Beteten wir nicht um eine Entscheidung, wie wir handeln sollten, und ward es nicht in unsere Herzen gegraben, wie mit diamantenem Griffel: ›Ihr sollt ihn greifen und erschlagen!‹ – Dauerte das Trauerspiel nicht schon eine volle halbe Stunde, ehe das Opfer vollendet war? und zwar auf offener Haide, mitten unter den Streifwachen der Besatzungen – und doch, wer hat das große Werk gestört? – Hat auch nur ein Hund uns angebellt, während wir verfolgten, ergriffen, schlugen und zerstreuten? Wer also will, wer kann behaupten, daß nicht ein mächtigerer Arm, als der unsere, sich hier offenbart habe?«

»Ihr täuscht Euch selbst, Herr Balfour,« sagte Morton. »Eine so leichte Ausführung und glückliche Flucht waren oft von . den entsetzlichsten Verbrechen begleitet. – Aber nicht meine Sache ist's, Euch zu richten. Ich habe nicht vergessen, daß auch zu der früheren Befreiung Schottlands der Weg durch eine Gewaltthat eröffnet wurde, die Niemand rechtfertigen kann: es war die Ermordung Cummings durch die Hand von Bruce; und wenn ich daher auch die That verdamme, wie ich thun muß, so will ich doch glauben, daß Ihr Beweggründe gehabt haben könnet, welche dieselbe in Euren Augen rechtfertigen, obgleich nicht in den meinen, oder in denen der gesunden Vernunft. Dies führ' ich blos an, um Euch bemerklich zu machen, daß ich mich Männern anschließe, welche ihre Sache in offenem Kampfe verfechten wollen, nach den Kriegsgesetzen civilisirter Nationen, ohne irgend eine Gewaltthat zu billigen, welche unmittelbare Veranlassung des Aufstandes war.«

Balfour biß sich in die Lippen und unterdrückte mit Mühe eine heftige Antwort. Unmuthig bemerkte er, daß sein junger Waffenbruder in den Grundsätzen eine Klarheit des Urtheils und eine Festigkeit des Geistes besaß, die ihm wenig Hoffnung gewährten, jenen mächtigen Einfluß auf ihn zu erwerben, den er zu gewinnen sich geschmeichelt. Nach kurzem Schweigen sagte er ruhig und gefaßt: »Mein Benehmen liegt offen vor Gott und Menschen. Die That ward nicht in einem Winkel vollbracht; ich bin hier in Waffen, sie einzugestehen, und es gilt mir gleich, wo, oder von wem ich dazu aufgefordert werde, ob vor dem Staatsrath, oder auf dem Schlachtfelde, ob auf dem Richtplatze oder am jüngsten Tage. Ich mag jetzt nicht weiter mit Einem streiten, der noch außerhalb des Vorhanges steht. Wollt Ihr aber als Bruder Euer Loos mit uns werfen, so kommt mit mir in den Kriegsrath, der noch versammelt ist, um den künftigen Weg des Heeres zu bestimmen und unsern Sieg zu benutzen.«

Morton stand auf und folgte ihm schweigend, nicht sehr erbaut von seinem Verbündeten und mehr beruhigt durch die Gerechtigkeit der Sache, die er ergriffen, als über die Maßregeln und Bewegungsgründe so Mancher, die sich ihr widmeten.


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