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Drittes Kapitel.

Wie glänzt er stets bei Fest und Spiel!
Wie sicher traf sein Pfeil das Ziel!
Wie hell strahlt er im Waffenkleide
Und Stahlgeschmeide!
Wer soll nun Preis und Kränze haben,
Da er begraben?

Elegie auf Habbie Simpson.

 

Der Reiterschaar, welche auf der Straße nach dem kleinen Marktflecken einherzog, trabte Niel Blane, der Stadtpfeifer, voraus. Er saß auf einem weißen Klepper, war mit Dolch und Schwert bewaffnet, und von seinem Dudelsacke flatterten so viele Bänder herab, daß sechs ländliche Schönheiten, die zum Jahrmarkt oder zur Predigt gehen, daran völlig genug gehabt hätten. Niel war ein schmucker, derber und wohlgestalteter, schlanker Bursche, der das Stadtpfeiferamt von *** und alle mit demselben verbundenen Einkünfte durch sein Wohlverhalten sich erworben hatte. Zu diesen Vortheilen gehörte auch das bis auf den heutigen Tag sogenannte Pfeifersfeld, ein Stück Landes, welches etwa einen Morgen hielt, und dazu jährlich fünf Mark an baarem Gelde, und ein neuer, die Stadtfarben tragender Rock. Weiter hatte er Aussichten, ein paar Thaler zu verdienen, wenn Aemterwahl stattfand, vorausgesetzt, daß der erste Vorgesetzte geneigt oder im Stande war, solch ein Geschenk zu spenden; auch genoß er das Vorrecht, in allen achtbaren Häusern der Umgegend alljährlich zur Frühlingszeit einen Besuch abzustatten, um die Herzen mit Musik zu erfreuen, sich selbst aber mit Bier und Branntwein eine Güte zu thun und obendrein von Jedem etwas Korn zur Aussaat zu erbitten.

Neben diesen sehr werthvollen Einkünften und Vortheilen hatten Niels persönliche und Geschäfts-Talente das Herz der schmucken Wittwe gewonnen, welche den Gasthof im Dorfe besaß. Ihr früherer Ehemann war ein strenger Presbyterianer, der in seiner Secte nur unter dem Namen Gajus, der Zöllner, bekannt war. Deshalb nahmen viele derselben ein Aergerniß an dem Gewerbe seines Nachfolgers, den seine hinterlassene Ehehälfte zum zweiten Gemahle erkoren hatte. Da aber dessenungeachtet die Brauerei ihren guten Namen behauptete, so blieben ihr auch die alten Kunden getreu. Der Charakter des neuen Wirths war von jener schmiegsamen Art, daß er durch die brausenden Fluthen des Parteizwistes sein kleines Schifflein glücklich obenauf erhalten konnte. Er war lustig, schlau, eigennützig, gleichgültig gegen alle Streitigkeiten über Kirche und Staat, und nur darauf bedacht, sich das Wohlwollen seiner Kunden jeder Klasse zu sichern. Aber sein Charakter sowohl, wie der Zustand des Landes, wird dem Leser um so klarer durch die Anweisungen, die Niel seiner Tochter gab, einem Mädchen von ungefähr achtzehn Jahren, das er in die Geschäfte einweihte, die seine Frau lange und treulich besorgt, bis sie ungefähr sechs Monate vor dem Beginn unserer Geschichte auf den Kirchhof getragen wurde. –

»Jenny,« sagte Niel Blaue, als das Mädchen ihm den Dudelsack abnahm, »das ist der erste Tag, an welchem du das Geschäft deiner braven Mutter übernehmen und das Publikum bedienen sollst. Sie war ein sanftmüthig Weib und war artig gegen die Kunden, und hatte einen guten Namen bei Whigs und Torie's, bei Vornehmen und Geringen. Es wird dir schwer fallen, ihren Platz auszufüllen, besonders an so heißen Tagen wie der heutige. Aber der Wille des Himmels muß geschehen. – Jenny, was Milnwood verlangt, das muß er haben; denn er ist der Papageienhauptmann, und alte Sitten muß man aufrecht erhalten. Kann er seine Zeche nicht selbst bezahlen, – denn, wie ich weiß, hält ihn sein Oheim ziemlich kurz, – so werd' ich schon die Mittel finden, mit diesem Alten zurecht zu kommen. Der Pfarrer spielt Würfel mit dem Cornet Grahame, – sei artig gegen Beide; denn Geistliche und Soldaten können uns eine Schlappe versetzen in diesen Zeiten, wenn sie's darauf absehen wollen. Die Dragoner werden nach Bier schreien und sie wollen's haben und sollen's haben. Es sind ungeschlachte Gesellen; aber wenn sie nicht aus diese Weise zahlen, so zahlen sie auf eine andere. Ich bekam die ungehörnte Kuh – sie ist die beste im Stalle – vom schwarzen Franz Inglis und dem Sergeanten Bothwell für zehn Pfund schottisch, und das haben sie verbechert in einem Nu.«

»Aber, Vater,« unterbrach ihn Jenny, »man sagt, die zwei Spitzbuben hätten die Kuh der Pächterin von Bellsmoor weggetrieben, während sie am Sonntag Nachmittag zur Feldpredigt ging.«

»Still, einfältig Ding du,« sagte ihr Vater. »Was kümmerte uns, wie sie zu dem Vieh kommen, das sie verkaufen? Mögen sie das mit ihrem Gewissen abmachen. – – Nun, Jenny, merk' auf jenen griesgrämigen, finster blickenden Kerl, der dort im Winkel sitzt und den Anderen den Rücken zukehrt. Er sieht aus wie Einer von dem Gebirgsvolk; denn ich sah ihn, wie er stracks wegblickte, als er einen der Rothröcke ansichtig wurde. Mich däucht, er wäre lieber vorbeigeritten, aber sein Pferd – ein stattlicher Wallach ist's – war zu abgehetzt, und so mußte er denn anhalten, gleichviel ob gern oder ungern. Bediene ihn freundlich, Jenny, ohne viel Geschwätz, und bring' ihm nicht die Soldaten auf den Leib durch viel Fragen. Aber gib ihm kein besonderes Zimmer, sonst heißt's, wir wollten ihn verbergen. – Was dich betrifft, Jenny, sei artig gegen alle Leute, und kümmere dich nicht um den Unsinn und das Getratsch, mit dem die jungen Bursche dich heimsuchen. Im Gasthause kann man's so genau nicht nehmen. Deine Mutter selig konnte so viel vertragen, wie nur irgend ein Weib, aber – weit davon ist gut vor'm Schuß. Wird Einer ungezogen gegen dich, so schreie nur. Merk', wenn das Bier ihnen in den Kopf steigt, so fangen sie an über geistlich und weltlich Regiment zu sprechen, und dann, Jenny, zanken sie gern – laß sie gewähren, – Zorn ist eine durstige Leidenschaft, und je mehr sie disputiren, je mehr Bier trinken sie. Du würdest weislich handeln, wenn du ihnen etwas Dünnbier vorsetztest; es wird sie weniger erhitzen und sie werden doch den Unterschied nicht merken.«

»Aber, Vater,« sprach Jenny, »wenn sie, wie neulich, mit einander balgen, soll ich nicht nach Euch schreien?«

»Keineswegs, Jenny. Wer an den Kessel streicht, wird schwarz. Wenn die Soldaten ihre Säbel ziehen, rufe du nur nach dem Korporal und der Wache. Wenn das Landvolk nach Zangen und Feuerhaken greift, rufe nach dem Rathsherrn und den Gerichtsdienern. Aber mich rufe beileibe nicht; denn ich bin müde vom Blasen den ganzen Tag, und ich will mein Brod ruhig in der Speisekammer verzehren. – Und nun fällt mir's ein: der Laird von Lidkitup (nämlich der ein Laird war) schmachtet nach einem Glas Dünnbier und einem gesalzenen Häring, zupf ihn am Aermel und raun' ihm in's Ohr, daß es mich freuen würde, wenn er zu Mittag mein Gast wäre. Er war früher ein guter Kunde, und es fehlt ihm nur an Geld, um wieder ein guter Kunde zu sein; denn er trinkt noch jetzt so gern wie zuvor. – Und wenn du einen armen Menschen aus unserer Verwandtschaft siehst, dem es an Geld gebricht und der noch weit heim hat, gib ihm einen Schluck und einen Haferkuchen, wir haben's ja, und es steht einem Hause wie dem unsrigen wohl an. Und nun, Kind, geh' und bediene die Leute; aber vor Allem bring' mein Essen, zwei Flaschen Doppelbier und ein Kännchen Schnaps.«

Nachdem er so aus Jenny als den ersten Minister seine Geschäftssorgen gelastet hatte, setzten sich Niel Blaue und sein früherer Patron, der ehemalige Laird, welcher jetzt froh war, sein Tischgenoß zu sein, zum Essen, um sich, fern vom Geräusch der Wirthsstube, des übrigen Abends zu erfreuen.

In Jenny's Departement war Alles voll Thätigkeit. Die Ritter vom Vogelschießen nahmen dankbar die gastliche Bewirthung ihres Hauptmanns an, der zwar selbst wenig trank, aber sich's angelegen sein ließ, daß der Becher mit gehöriger Schnelligkeit unter den Uebrigen kreise; denn diese hätten sich sonst für schlecht bewirthet gehalten. Ihre Anzahl schmolz nach und nach bis auf Vier oder Fünf zusammen, und auch diese begannen schon von Aufbruch zu sprechen. Am andern Tische saßen in einiger Entfernung die zwei Dragoner, deren Niel Blaue Erwähnung gethan, ein Sergeant nämlich und ein Gemeiner von Claverhouse's berühmtem Leibgardenregiment. Sogar die Unteroffiziere und Gemeinen dieses Korps wurden nicht als gewöhnliche Söldner betrachtet, sondern hatten vielmehr den Rang französischer Musketiere, und man sah sie als Kadetten an, welche in Reih' und Glied dienten, mit der Aussicht, Offiziere zu werden, sobald sie sich auszeichneten.

In diesen Reihen fand man viele junge Leute von guten Familien, ein Umstand, welcher noch viel zum Stolz und Selbstbewußtsein dieser Truppen beitrug. Davon war der eben erwähnte Unteroffizier ein auffallendes Beispiel. Sein eigentlicher Name war Franz Stuart, aber er war allgemein unter dem Namen Bothwell bekannt, da er in gerader Linie vom letzten Grafen dieses Namens abstammte, nicht etwa von jenem schmachvollen Geliebten der unglücklichen Königin Maria, sondern von Franz Stuart, Grafen von Bothwell, dessen unruhiger Geist durch öftere Verschwörungen die frühere Regierung Jakobs VI. erschütterten und der endlich in großer Armuth und Verbannung starb. Der Sohn dieses Grafen hatte Karl I. um die Zurückgabe der eingezogenen Güter seines Vaters gebeten, aber die Edelleute, denen sie zugefallen waren, hielten sie viel zu fest, als daß sie ihnen hätten entrissen werden können. Durch den Ausbruch der Bürgerkriege ging er ganz zu Grunde, da die kleine Pension ausblieb, die ihm Karl I. bewilligt, und so starb er in bitterster Armuth. Nachdem sein Sohn theils in fremden, theils in englischen Diensten vielfältige Schicksale erfahren, war er endlich froh, eine Unteroffiziersstelle in der Leibgarde zu erhalten, obgleich er in gerader Linie von der königlichen Familie abstammte, da der Vater des geächteten Grafen von Bothwell ein natürlicher Sohn Jakobs VI. war. Große Körperstärke und Geschicklichkeit im Gebrauch der Waffen hatten diesen Mann der Beachtung seiner Offiziere empfohlen. Allein er nahm auch sehr Antheil an der Zügellosigkeit und an der Unterdrückungslust, welche durch die Gewohnheit, für die Regierung bei Erhebung von Geldstrafen, Erpressung freier Quartiere und andere Mittel die Presbyterianer zu belasten und im Zaume zu halten, nur zu allgemein unter diesen Soldaten wurden. An dergleichen Aufträge waren sie so sehr gewöhnt, daß sie ungestraft jede Zügellosigkeit begehen zu können glaubten, gleichsam als ob sie außer dem Befehl ihrer Offiziere kein Gesetz noch Obrigkeit zu achten verpflichtet wären. Bei solchen Gelegenheiten aber war Bothwell meistens voran.

Bothwell und seine Kameraden hätten sich wahrscheinlich nicht so ruhig verhalten, wäre nicht der Cornet gegenwärtig gewesen, der das kleine im Flecken liegende Häuflein befehligte und eben mit dem Pfarrer des Orts im Würfelspiel begriffen war. Plötzlich aber wurden Beide von ihrer Unterhaltung abgerufen, um mit der ersten Magistratsperson wegen dringender Geschäfte zu sprechen, und Bothwell säumte nun nicht, seine Verachtung für die übrige Gesellschaft blicken zu lassen.«

»Ist's nicht sonderbar, Halliday,« sagte er zu seinem Kameraden, »daß diese Zecher den ganzen Abend bechern, ohne des Königs Gesundheit getrunken zu haben?«

»Sie haben des Königs Gesundheit getrunken,« sagte Halliday; »ich habe gehört, wie der kleine grüne Junge Seine Majestät hat leben lassen.«

»Wirklich?« sagte Bothwell. »Nun, Tom, jetzt sollen sie auch die Gesundheit des Erzbischofs von St. Andrews trinken, und noch dazu auf ihren Knieen.«

»Ja, das sollen sie,« sagte Halliday, »und wer es nicht will, den führen wir auf die Wache; dort lehren wir ihn auf einem hölzernen Gaul reiten, mit einem Bündel Karabiner an jedem Fuß, daß er gerade bleibt.«

»Recht, Tom,« fuhr Bothwell fort; »und damit Alles in gehöriger Ordnung geschieht, will ich mit jener sauertöpfischen Blaumütze in der Ecke den Anfang machen.«

Er stand auf, und sein Schwert sammt der Scheide unter den Arm nehmend, um dem beabsichtigten Uebermuth Nachdruck zu geben, stellte er sich vor den Fremden, der von Niel Blane in seinen Ermahnungen an die Tochter aller Wahrscheinlichkeit nach als Einer vom Gebirge, oder als ein widerspenstiger Presbyterianer bezeichnet worden war.

»Ich bin so frei, Werthester, Ew. Gestrengen zu ersuchen,« sprach der Reiter in einem Tone affectirter Feierlichkeit und indem er das Pusten des Landpredigers nachäffte, »daß Ihr Euch, mein Werthester, von Eurem Sitze erhebet und daß Ihr Eure Beine beuget, bis Eure Kniee den Boden berühren, mein Werthester; dann aber leert dieses Maaß (so von den Weltkindern Nößel genannt wird) des herzstärkenden Geistes, den die Fleischlichen Schnaps nennen, auf die Gesundheit und Herrlichkeit Seiner Gnaden des Erzbischofs von St. Andrews, des würdigen Primas von ganz Schottland.«

Alle warteten nun auf die Antwort des Fremden. – Seine Gesichtszüge waren streng bis zur Wildheit, sein schielendes Auge, das seinem Antlitz einen unheimlichen Ausdruck verlieh, und sein vierschrötiger, starker und muskelkräftiger Körper, obgleich etwas unter Mittelgröße, kündigten einen Mann an, welcher weder einen rohen Spaß verstehen, noch Beleidigungen ungestraft sich gefallen lassen wollte.

»Und was folgt,« sprach er, »wenn ich nicht geneigt sein sollte, Euer unhöfliches Begehren zu erfüllen?«

»Es folgt, mein Werthester,« sagte Bothwell in demselben spöttischen Tone, »daß ich dir erstlich deinen Rüssel oder deine Nase zwacke. Zweitens will ich dir, mein Werthester, diese meine Faust an dein vertracktes Sehwerkzeug appliziren, und schließlich, mein Werthester, will ich meine flache Klinge auf den Schultern des Widerspenstigen herumspazieren lassen.«

»Wenn Ihr's so meint,« sagte der Fremde, »dann gebt mir den Becher,« und indem er ihn in die Hand nahm, sagte er mit eigenthümlichem Ausdruck in Ton und Geberden: »der Erzbischof von St. Andrews und die Stelle, die er jetzt so würdig behauptet; – möge jeder Prälat in Schottland bald das sein, was der hochwürdige Jakob Sharpe ist!«

»Er hat sich geduckt!« rief Halliday jauchzend.

»Aber mit Einschränkung,« sagte Bothwell; »ich verstehe nicht, was der stutzöhrige Whig meint.«

»Beruhigt euch, ihr Herren,« sagte Morton, der ihres unverschämten Benehmens überdrüssig wurde. »Wir sind hier als gute Unterthanen und bei einer lustigen Gelegenheit zusammengekommen, und haben darum wohl ein Recht, zu erwarten, daß wir nicht durch solche Streitigkeiten belästigt werden.«

Bothwell war ihm Begriff, unhöflich zu antworten, aber Halliday erinnerte ihn leise, daß die Soldaten strengen Befehl hätten, die Leute, welche zur Musterung gesendet worden waren, dem Willen des Staatsraths gemäß, nicht zu beleidigen. Nachdem er nun Morton mit einem langen und strengen Blick beehrt, sagte er: »Gut, Herr Papagei, ich werde ferner Eure Herrschaft nicht beunruhigen; bis Mitternacht, denk' ich, wird sie ein Ende haben. – Ist es nicht sonderbar,« fuhr er zu seinem Kameraden gewandt fort, »daß sie so viel Wesens machen, wenn sie ihre Vogelflinten nach einem Ziele abschießen, welches jedes Weib, jeder Knabe nach eines Tages Uebung treffen kann? Wenn aber Hauptmann Papagei oder einer seiner Leute einen Gang probiren wollte mit Säbel oder Degen, mit bloßem Stoßdegen, oder mit Stoßdegen und Dolch, und zwar um ein Goldstück für den ersten Blutstropfen, dann wär's noch der Mühe werth, – oder wollten die Bursche nur ringen, oder sonst Etwas der Art, wozu man Arm und Beine braucht, wenn sie – hier berührte er Mortons Degenspitze mit der Zehe – solche Dinge mit sich führen, die sie doch nicht ziehen wollen.«

Mortons Geduld und Klugheit war jetzt zu Ende, und er war eben im Begriff, Bothwells hochmüthigen Bemerkungen eine zornige Antwort zu ertheilen, als der Fremde vorwärts schritt.

»Das ist mein Streit,« sagte er, »und im Namen der guten Sache will ich ihn selbst verfechten. Sprich, Freund,« sagte er zu Bothwell, »willst du mit mir einen Gang im Ringen versuchen?«

Von ganzem Herzen, mein Werthester,« antwortete Bothwell; »ja, ich will mit dir ringen, bis Einer von uns stürzt, oder alle Beide.«

»Nun, so wahr ich auf Den hoffe, der helfen kann,« erwiderte sein Gegner, »auf der Stelle will ich dir ein Beispiel geben.«

Bei diesen Worten warf er seinen grauen Reitermantel von den Schultern, und seinen nervigen braunen Arm mit Entschlossenheit ausstreckend, schickte er sich zum Kampfe an. Der Soldat ließ sich nicht durch die muskelkräftige Gestalt, die hohe Brust, die breiten Schultern und den wilden Blick seines Gegners abschrecken, sondern pfiff mit großer Ruhe, löste sein Wehrgehänge und legte seinen Soldatenrock ab. Die Gesellschaft, des Ausgangs harrend, stand um Beide her.

Im ersten wie im zweiten Gange schien der Reiter einigen Vortheil zu haben, doch keiner von beiden war entscheidend. Aber offenbar hatte er seine ganze Kraft zu schnell gegen einen Gegner angewendet, der so viel Ausdauer, Kraft und langen Athem besaß. Im dritten Gange hob der Landmann seinen Gegner schnell vom Boden, und warf ihn mit solcher Kraft hin, daß er einen Augenblick betäubt und regungslos da lag. Sein Kamerad Halliday zog sogleich seinen Degen. »Ihr habt meinen Sergeanten getödtet,« rief er dem siegenden Ringer zu, »und bei Allem, was heilig ist, Ihr sollt mir dafür büßen!«

»Zurück!« riefen Morton und seine Gefährten; »es war ein ehrlicher Kampf. Euer Kamerad hat Händel gesucht, und jetzt hat er die Bescheerung.«

»Das ist leider nur zu wahr,« sagte Bothwell, sich langsam aufrichtend, »stecke deinen Säbel ein, Tom! Ich dachte nicht, daß ein solcher Rundkopf den besten Federhut aus des Königs Leibgarde in einem verdammten Wirthshause zu Boden setzen würde. – Freund, gebt mir Eure Hand.« Der Fremde reichte die Hand hin. »Ich versichere Euch,« sagte Bothwell, indem er ihm derb die Hand schüttelte, »daß einst die Zeit kommt, wo wir uns wieder treffen und dieses Spiel aus eine ernstere Weise versuchen.«

»Und ich versichere Euch,« sagte der Fremde, den Händedruck mit gleicher Kraft erwidernd, »wenn wir das nächste Mal wieder zusammentreffen, soll Euer Kopf just so niedrig liegen, wie er eben gelegen; dann sollt Ihr aber nicht die Kraft haben, ihn wieder aufzurichten.«

»Gut, mein Werthester,« antwortete Bothwell; »wenn du ein Whig bist, so bist du ein handfester und braver, und damit gute Nacht. Am besten thätest du, du bestiegest dein Rößlein, ehe der Cornet die Runde macht, denn, glaub' mir, er hat schon Leute angehalten, die weniger verdächtig aussahen als du.«

Dem Fremden schien dieser Wink nicht verachtungswerth. Er warf seine Bezahlung hin, ging in den Stall, sattelte, und brachte sein großes schwarzes Pferd heraus, das jetzt durch Ruhe und Futter neu gestärkt war, und sagte dann zu Morton gewendet: »Ich reite gen Milnwood, das, wie ich höre, Eure Heimath ist, wollt Ihr mir nicht den Vortheil und Schutz Eurer Gesellschaft gönnen?«

»O ja,« sagte Morton, obgleich er fast zurückbebte vor dem Benehmen des Mannes, in welchem ein düsterer, strenger Ernst lag. Nach einem höflichen Gute Nacht brachen seine Gefährten auf und gingen in verschiedenen Richtungen von dannen; Einige leisteten ihnen ungefähr eine Meile weit Gesellschaft, dann aber entfernte sich Einer nach dem Andern, und jetzt waren die Reisenden allein.

Kaum hatte die Gesellschaft das Wirthshaus verlassen, als Trompeten und Pauken ertönten. Bei dieser unerwarteten Aufforderung traten die Soldaten auf dem Marktplatze unter die Waffen, während Cornet Grahame, ein Vetter Claverhouses, und der Bürgermeister des Fleckens, von einem halben Dutzend Soldaten und Stadtdienern mit Hellebarden begleitet, mit einem Ausdrucke von Schrecken und Eifer aus den Gesichtern in Niel Blane's Zimmer traten.

»Bewacht die Thüren,« waren die ersten Worte des Cornets; – »Niemand darf das Haus verlassen. So, Bothwell, wie kommt das? Habt Ihr nicht Lärm blasen hören?«

»Er wollte eben nach seinem Quartier, Sir,« erwiderte sein Kamerad; »er hat einen schlimmen Fall gehabt.«

»In einem Streite wahrscheinlich?« sagte Grahame. »Wenn Ihr so Eure Pflicht vernachlässigt, dann wird Euer königliches Blut Euch schwerlich schützen.«

»Worin hab' ich meine Pflicht vernachlässigt?« sagte Bothwell mürrisch.

»Ihr hättet im Quartier sein sollen, Sergeant Bothwell,« erwiderte der Offizier. »Ihr habt eine goldene Gelegenheit entwischen lassen. So eben ist die Nachricht eingegangen, daß der Erzbischof von St. Andrews von einem Haufen rebellischer Whigs ermordet worden, welche seinen Wagen auf dem Bagus-Moor unweit der Stadt St. Andrews anhielten, ihn herausrissen und mit ihren Schwertern und Dolchen in Abrahams Schoos beförderten.«

Bei dieser Nachricht standen Alle erstarrt. »Hier sind ihre Signalements,« fuhr der Cornet fort und zog eine Proklamation aus der Tasche. »Tausend Mark sind auf den Kopf eines Jeden gesetzt.«

»Die Einschränkung! die Klausel!« sagte Bothwell zu Halliday. »Nun versteh' ich's! Der Teufel, daß wir ihn nicht angehalten haben! Geht, sattelt unsere Pferde, Halliday. Cornet, war nicht unter ihnen ein stämmiger, vierschrötiger Mann, von breiter Brust, dünnen Seiten und mit einer Habichtsnase?«

»Halt, Halt,« sagte Cornet Grahame, »laßt mich in's Papier sehen – Hackstown von Rathillet, lang, mager; – Haare schwarz.«

»Das ist er nicht,« sagte Bothwell.

»John Balfour, genannt Burley, Adlernase, rothes Haar, fünf Fuß acht Zoll groß –«

»Das ist er! – Das ist er!« sagte Bothwell. »Er schielt furchtbar aus einem Auge?«

»Richtig,« fuhr Grahame fort – »ritt ein schwarzes Pferd, das dem Primaten beim Morde abgenommen wurde.«

»Derselbe Mann! dasselbe Pferd!« rief Bothwell. »Es ist noch keine Viertelstunde, seit er in diesem Zimmer war.«

Einige hastige Fragen bestätigten außerdem die Meinung, daß der zurückhaltende und mürrische Fremde Balfour von Burley war, der Anführer einer Schaar von Puritanern, die in Wuth und mißleitetem Eifer den Primaten, dem sie zufälliger Weise begegnet, ermordeten, als sie eine andere ihnen verhaßte Person aufsuchten. Ihre aufgeregte Einbildungskraft hielt dieses zufällige Zusammentreffen für einen göttlichen Fingerzeig, und sie brachten den Erzbischof mit kaltblütiger Grausamkeit um, in dem Wahne, daß der Herr, wie sie sich ausdrückten, ihn in ihre Hände überliefert habe.

»Zu Pferd! Zu Pferd! Nachgesetzt, meine Jungen,« rief Cornet Grahame. »Der Kopf des Mordhundes wird Euch mit Gold aufgewogen.«


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