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Achtes Kapitel.

Ich war ein Martissohn
In manchen Kriegesreigen,
Und Narben, Mäler kann ich
Wohl aller Orten zeigen: –
Die ward mir für 'ne Maid,
Und die im blut'gen Streit,
Und die in der Tranchee
In Flandern vor Turnak.

Bures.

 

»Seid nicht so niedergeschlagen,« sagte der Sergeant Bothwell zu seinem Gefangenen auf dem Wege nach dem Hauptquartier. »Ihr seid ein schmucker, sauberer Bursche von guter Abkunft; das Schlimmste, was Euch begegnen kann, wäre, Hiebe zu bekommen, und das ist das Loos manches ehrlichen Jungen. Ich sag's Euch offen, Euer Leben ist dem Gesetze verfallen, wenn Ihr Euch nicht unterwerft und eine runde Summe auf Eures Onkels Vermögen anweist. Der kann schon blechen.«

»Das quält mich mehr als alles Andere,« sagte Heinrich. »Nur mit Jammer trennt er sich von seinem Gelde, und da er durchaus keinen Theil daran hat, daß ich diesen Mann über Nacht beherbergt, so wünsche ich von ganzem Herzen, daß, wenn ich mit dem Leben davon komme, mir eine Strafe auferlegt würde, die ich zu tragen im Stande bin.«

»Nun,« sagte Bothwell, »vielleicht schlägt man Euch vor, in eins der schottischen Regimenter zu treten, die im Auslande dienen. Das ist kein übler Dienst; wenn Eure Freunde thätig sind und an die rechte Thüre klopfen, so könnt Ihr bald Offizier werden.«

»Ich weiß nicht,« antwortete Morton, »ob nicht ein solches Urtheil das Beste wäre, was mir begegnen könnte.«

»Ei, da seid Ihr am Ende gar kein rechter Whig,« sagte der Sergeant.

»Ich habe mich bis jetzt mit keiner Partei im Staate eingelassen,« sagte Heinrich, »sondern bin ruhig zu Hause geblieben, und habe oft ernstlich daran gedacht, zu einem unserer ausländischen Regimenter zu gehen.«

»So?« erwiderte Bothwell; »nun, allen Respekt! Ich habe selbst lange in der französischen Schottengarde gedient. Blitz, da ist Disciplin zu lernen! Man scheert sich um Euer Treiben nicht, wenn Ihr außer Dienst seid; fehlt Ihr aber 'mal beim Verlesen, so seht zu, wie's Euch ergeht. Sapperment! ließ der alte Hauptmann Montgomery mich nicht sechs Stunden in einem Ruck oben auf dem Arsenal in Brust- und Rückenharnisch, Armschienen und Sturmhaube in der brennenden Sonnenhitze Wache stehen, daß ich so gebraten ward, wie eine Taube im Port-Royal. Ich schwor, nie wieder zu fehlen, wenn Franz Stewart aufgerufen wurde, und sollt' ich die Karten auf dem Trommelfelle liegen lassen. – Ja, Disciplin ist ein herrlich Ding!«

»Sonst gefiel Euch der Dienst gut?« sagte Morton.

» Par excellence!« sagte Bothwell. »Weiber, Wein, Gelage – Alles fast umsonst; und bringt Ihr's nur über's Gewissen, einen fetten Pfaffen glauben zu machen, er könne Euch bekehren, so hilft er Euch selbst zu mancher Erquickung, um Eure Zuneigung zu gewinnen. Welcher rundköpfige Whigpfaff wäre auch so gefällig?«

»Gewiß kein einziger, das gebe ich zu,« sagte Heinrich; »aber worin bestand denn eigentlich Euer Hauptdienst?«

»Des Königs Person zu bewachen,« sagte Bothwell, »für die Sicherheit Ludwigs des Großen zu sorgen, mein Junge, und dann und wann Etwas gegen die Hugenotten, d. h. die Protestanten zu thun. Da hatten wir freies Spiel und war mir eine gute Schule für den Dienst hier zu Lande. Doch da Ihr ein buon camerado seid, wie die Spanier sagen, so muß ich Euch ein Paar von Eures Oheims Goldfüchsen geben. Das ist Soldatenbrauch! Wir müssen keinen rechtschaffenen Burschen darben lassen, wenn wir Geld haben.«

Hiermit zog er die Börse, nahm einige Goldstücke heraus und gab sie ungezählt unserm Heinrich. Der junge Morton lehnte es ab, und da er es trotz der Großmüthigkeit des Sergeanten nicht für klug hielt, denselben wissen zu lassen, daß er Geld bei sich habe, versicherte er denselben, daß er ohne Schwierigkeit von seinem Oheim Unterstützung erhalten werde.

»Gut,« sagte Bothwell, »in diesem Falle müssen die gelben Spitzbuben noch ein Bischen als Ballast in meinem Beutel bleiben. Es ist stets meine Regel, die Schenke nie zu verlassen, – es sei denn, daß mich der Dienst ruft, – so lange mein Beutel noch so schwer ist, daß ich ihn über das Schild werfen kann. Wenn er nun so leicht ist, daß ihn der Wind zurückbläst, dann – gespornt und gesattelt, um ihn wieder auf irgend eine Art zu füllen. – Aber, was ist denn das für ein Thurm, der von dem jähen Felsen hinabsieht durch die dichte Waldung?«

»Das ist das Schloß von Tillietudlem,« sagte einer der Soldaten. »Die alte Lady Margaretha Bellenden wohnt da, eine der wohlgesinntesten Frauen im Lande und eine Soldatenfreundin. Ich habe einen Monat dort gelegen, als ein verdammter Whighund aus einem Versteck auf mich geschossen, und ich möchte noch ein Mal so eine Wunde aushalten, um wieder so gut einquartiert zu sein.«

»Wenn das ist,« sagte Bothwell, »so will ich ihr im Vorbeigehen meine Aufwartung machen und sie um Erfrischung für uns und die Pferde bitten. Ich bin so durstig, als hätt' ich auf Milnwood nichts getrunken. Aber es ist doch ein gutes Ding in diesen Zeiten,« fuhr er zu Heinrich gewendet fort, »daß des Königs Soldat an keinem Hause vorüber zu gehen braucht, ohne Erquickung zu bekommen. In solchen Häusern, wie Tillie – wie nennt Ihr das Ding? gibt man uns aus gutem Willen; in den Häusern der bekannten Schwärmer greifen wir mit Gewalt zu; und bei den gemäßigten Presbyterianern und andern verdächtigen Leuten gibt man uns aus Furcht; so wird stets unser Durst auf diese oder jene Weise gelöscht.«

»Und in dieser Absicht wollt Ihr Euch also nach dem Schlosse begeben?« fragte Heinrich ängstlich.

»Auf jeden Fall,« antwortete Bothwell. »Wie könnte ich meinen Vorgesetzten einen günstigen Bericht von den schönen Grundsätzen der würdigen Lady abstatten, wenn ich nicht ihren Sekt gekostet habe? – denn Sekt tischt sie uns ganz gewiß auf; der ist der Lieblingstrost der alten hochadeligen Wittwe, wie der leichte rothe Wein der Trank Eurer Lairds auf dem Lande ist.«

»Wollt Ihr durchaus hin,« sagte Heinrich, »so bitte ich Euch um's Himmelswillen, meinen Namen nicht zu nennen, und mich nicht den Blicken einer Familie auszusetzen, die ich kenne. Laßt mich in einen Eurer Mäntel hüllen und nennt mich blos im Allgemeinen als einen Gefangenen unter Eurer Aussicht.«

»Von ganzem Herzen,« sagte Bothwell; »ich versprach Euch höflich zu behandeln und weiß mein Wort zu halten. – Hier, Andrews, schlag' den Mantel um den Gefangenen, und nennt seinen Namen nicht, auch nicht, wo wir ihn gefangen, wenn Ihr nicht auf einem hölzernen Gaul reiten wollt.«

Sie kamen nun an einen gewölbten Thorweg, der mit Schießscharten versehen und von Thürmen beschützt war, von welchen der eine bis auf den untern Stock ganz zertrümmert war, und dem Bauer, welcher noch den andern Thurm bewohnte, zum Kuhstall diente. Das Thor selbst ward während des Bürgerkriegs durch Monks Soldaten abgebrochen, und da es nicht wieder aufgebaut worden, konnte Bothwell mit seinen Leuten ungehindert durchreiten. Der sehr steile, enge und mit großen runden Steinen gepflasterte Pfad zog sich an der Säte des jähen Felsens in einem Zickzack hinan und ließ die Burg mit ihren äußeren Bollwerken bald sehen, bald verschwinden. Die Ueberbleibsel der gothischen Befestigungswerke waren von solcher Stärke und Festigkeit, daß Bothwell unwillkürlich rief: »Es ist gut, daß dieser Platz in wackern und loyalen Händen ist. Meiner Seele, hätt' ihn der Feind, so könnte ein Dutzend alter Whigweiber ihn mit bloßen Kunkeln gegen eine Schwadron Dragoner vertheidigen, wenigstens, wenn sie nur halb so viel Feuer hätten, wie die Alte, die wir zu Milnwood zurückgelassen. Bei meinem Leben,« fuhr er fort, als sie vor dem großen doppelten Thurme und dessen Bollwerken und Vorsprüngen standen, »'s ist ein herrlicher Platz, gegründet, wie die halbverlöschte Inschrift über dem Thore sagt – wenn nur mein Bischen Latein nicht ganz zum Teufel gefahren – von Sir Ralph von Bellenden im Jahre 1350, – ein respektables Alter. Ich muß die Dame mit gebührender Ehrfurcht begrüßen, wenn's mir auch Mühe macht, einige Redensarten hervorzustöbern, in denen ich pfuschte, als ich noch in solche Gesellschaft kam.«

Während dieses Selbstgesprächs sagte der Kellermeister, der die Soldaten durch eine Schießscharte beobachtete, seiner Gebieterin, daß ein Commando Dragoner, oder, wie er glaube, Leibgardisten mit einem Gefangenen am Thore warte.

»Ganz gewiß,« sagte Gudyill, »ist der sechste Mann ein Gefangener; denn sein Pferd wird geführt, und die zwei vorreitenden Dragoner haben ihre Karabiner auf die Schenkel gestützt. So bewachten wir immer die Gefangenen in den Tagen des großen Marquis.«

»Königliche Soldaten?« sagte die Lady, »vermuthlich verlangen sie Erquickung. Geht, Gudyill, heißt sie willkommen, und laßt ihnen Alles reichen, was das Schloß an Vorrath und Futter geben kann. – Sag' meiner Kammerfrau, daß sie mir meinen schwarzen Schleier und Mantel bringe. Ich will sie selbst unten empfangen; man kann ihnen nicht zu viel Achtung beweisen in diesen Zeiten, wo sie so viel für die Aufrechthaltung des königlichen Ansehens thun. Und hört, Gudyill, sagt Jenny Dennison, sie solle sich in ihren Staat werfen, um vor mir und meiner Nichte hergehen zu können; die drei Frauen sollen heiter aussehen, und sagt meiner Nichte, daß sie sogleich komme.«

In voller Rüstung und begleitet, wie sie angeordnet hatte, segelte jetzt Lady Margaretha mit aller Würde und Feierlichkeit in den Hof hinab. Sergeant Bothwell begrüßte die stolze und ernste Frau mit einer Zuversicht, welche etwas von dem leichten und ungezwungenen Benehmen der Männer von Welt an Karls II. Hofe hatte, und gar keinen Beischmack von den rohen und plumpen Sitten eines Dragonerunteroffiziers. Seine Sprache und sein Benehmen schienen sich für diese Zeit und Gelegenheit zu verfeinern; indessen hatte er wirklich in seinem vielbewegten, abenteuerlichen und ausschweifenden Leben bisweilen eines Umgangs gepflogen, der mehr seiner Abkunft als seiner gegenwärtigen Stellung angemessen war.

Mit einer tiefen Verbeugung antwortete er, als ihn die Matrone fragte, wie sie ihm dienen könne, daß sie diese Nacht noch einige Meilen weiter marschiren müßten und ihnen die Erlaubniß, ein Stündchen die Pferde hier rasten zu lassen, höchst angenehm sein würde.

»Mit dem größten Vergnügen,« antwortete Lady Margaretha, »und ich glaube, meine Leute werden Sorge tragen, daß es weder Menschen noch Pferden an Etwas gebricht.«

»Wir wissen wohl, gnädige Frau,« fuhr Bothwell fort, »daß die Leute im Dienste des Königs innerhalb der Mauern von Tillietudlem stets so empfangen wurden.«

»Wir haben uns bestrebt, unsere Pflicht bei allen Gelegenheiten in loyaler Ergebenheit zu erfüllen,« antwortete Lady Margaretha geschmeichelt, – »sowohl gegen unsern Monarchen selbst, als auch gegen dessen Anhänger und hauptsächlich gegen seine treuen Soldaten. Es ist noch nicht so gar lange, und wahrscheinlich lebt's noch im Andenken Seiner geheiligten Majestät, da er selbst ein Mal mein armes Haus mit seiner Gegenwart beehrte und in einem Zimmer frühstückte, welches Euch, Herr Sergeant, meine Kammerfrau zeigen soll; wir nennen es noch heute das Königszimmer.«

Inzwischen hatte Bothwell seine Leute absitzen lassen, und vertraute die Pferde einer Abtheilung und den Gefangenen einer andern; so daß er selbst ungestört die Unterhaltung fortsetzen konnte, welche die Lady zu eröffnen herablassend genug war.

»Da der König, mein Herr, die Ehre hatte, sich Eurer Gastfreundschaft zu erfreuen, so wundere ich mich nicht, daß sich dieselbe auch auf Diejenigen erstreckt, welche ihm dienen, und deren Hauptverdienst darin besteht, dies mit Treue zu thun. Und doch stehe ich in näherer Beziehung zu seiner Majestät, als dieser rothe Rock anzudeuten scheint.«

»Wirklich, Sir?« sagte Lady Margaretha; »Ihr habt vermutlich zu seinem Hausstande gehört?«

»Nicht so eigentlich zu seinem Hausstande, sondern vielmehr zu seinem Hause, eine Verbindung, durch welche ich die Verwandtschaft der meisten angesehensten Häuser Schottlands ansprechen kann, selbst Tillietudlem nicht ausgenommen.«

»Wie, Sir?« sagte die alte Lady, sich stolz emporrichtend, da sie das eben Vernommene für einen frechen Scherz hielt, – »ich versteh' Euch nicht.«

»In meiner Lage ist es wirklich thöricht, davon zu sprechen, Madame,« antwortete der Krieger; »aber Ihr müßt von der Geschichte und dem Unglück meines Großvaters, Franz Stuart, gehört haben, dem Jakob I., sein leiblicher Vetter, den Titel Bothwell gab, wie ihn mir meine Kameraden zum Spitznamen geben. Er brachte ihm am Ende eben nicht mehr Vortheil, als mir.«

»So?« sagte Lady Margaretha mit Theilnahme und Erstaunen. »Ich habe allerdings oft vernommen, daß der Enkel des letzten Grafen in dürftigen Umständen sei, aber ihn in so niederem Dienstgrade zu sehen, hätte ich nimmermehr erwartet. Welch widriges Geschick konnte Euch bei solchen Verbindungen dahin gebracht – –«

»Gar nichts Ungewöhnliches, Mylady,« sagte Bothwell, die begonnene Frage unterbrechend. »Ich habe auch, so gut wie meine Nachbarn, Augenblicke günstigen Geschickes erfahren, – habe meine Flasche mit Rochester geleert, mit Buckingham lustige Streiche verübt, und vor Tanger an Sheffields Seite gefochten. Aber mein Glück war nicht von Dauer; ich konnte aus meinen Zechgefährten keine nützlichen Freunde machen – vielleicht fühlte ich auch nicht genug« – fuhr er mit einiger Bitterkeit fort, wie sehr der Sprosse der schottischen Stuarts geehrt sei, zu den Gelagen von Wilmot und Villiers zugelassen zu werden.«

»Aber Eure schottischen Freunde, Herr Stuart, Eure so zahlreichen und mächtigen Verwandten?«

»Nun ja, Mylady,« erwiderte der Sergeant, »ich glaube wohl, daß mich Einige von ihnen zu ihrem Waldmeister gemacht hätten, da ich ein leidlicher Schütze bin – Einige hätten mich wohl auch als ihren Bravo gedungen: denn ich weiß mein Schwert zu führen – und hier und da wäre vielleicht Einer gewesen, der in Ermangelung bessern Umgangs mich zum Gesellschafter gemacht haben würde, da ich meine drei Flaschen Wein vertragen kann. – Aber ich weiß, wie es ist – muß ich einmal Dienste thun, so ist mir der meines Vetters Karl der liebste, wenn der Lohn auch noch so gering und die Livree nicht eben splendid ist.«

»Das ist doch Schimpf und Schande!« sagte Lady Margaretha. »Warum wendet Ihr Euch nicht an Seine geheiligte Majestät? Er müßte erstaunt sein, wenn er hörte, daß ein Sprößling seiner erlauchten Familie –«

»Verzeiht Madame,« unterbrach der Sergeant, »ich bin nur ein schlichter Soldat, aber es muß doch einmal heraus, und Ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich behaupte, daß Seine geheiligte Majestät mehr daran denkt, selbst Sprößlinge zu setzen, als die zu ernähren, welche seine Ahnen gepflanzt haben.«

»Gut, Herr Stuart,« sagte Lady Margaretha, »Eins müßt Ihr mir versprechen – daß Ihr diese Nacht in Tillietudlem bleibt; morgen erwarte ich Euren Commandanten, den tapfern Claverhouse, dem König und Vaterland so viel schulden wegen seiner Thaten gegen Diejenigen, welche gern die Welt umkehren möchten. Ich will mit ihm in Betreff Eurer schnellen Beförderung sprechen, und gewiß, er fühlt zu sehr, was dem Blute in Euren Adern und dem Verlangen einer Dame gebührt, die von Seiner Majestät so sehr ausgezeichnet wurde, um nicht jetzt für Euch besser zu sorgen.«

»Ich bin Ew. Gnaden sehr verbunden und will gern mit meinem Gefangenen hier bleiben, weil es Euer Wunsch ist, und besonders, weil ich ihn dann am ehesten dem Obersten Grahame vorstellen, und seine letzten Befehle in Betreff des jungen Menschen empfangen kann.«

»Wer ist Euer Gefangener?« fragte Lady Margaretha.

»Ein junger Mensch aus der bessern Klasse hier in der Nachbarschaft, der so leichtsinnig gewesen, einem von des Primaten Mördern Zuflucht zu ertheilen, und dem Hunde das Entkommen zu erleichtern.«

»O pfui,« sagte Lady Margaretha; »ich bin nur allzugeneigt, die Beleidigungen zu vergeben, die mir diese Schurken zugefügt; obgleich einige davon von der Art sind, daß ich sie nicht leicht vergessen kann; aber wer die Thäter eines so grausamen und überdachten Mordes beschützen kann – pfui über ihn! Wenn Ihr ihn, ohne Eure Leute zu belästigen, sicher haben wollt, so soll Harrison oder Gudyill den Schlüssel unseres Hauptgefängnisses suchen. Es ist seit der Woche nach dem Siege bei Kilsythe noch nicht geöffnet worden, wo mein armer Sir Arthur Bellenden zwanzig Whigs hineinsteckte. Es liegt nur zwei Stock unter der Erde, und ist nicht ungesund, besonders da es, wenn ich nicht irre, eine Oeffnung in's Freie hat.«

»Verzeiht, Madame,« antwortete der Sergeant, »ich glaube wohl, daß es ein vortrefflicher Kerker ist; aber ich habe versprochen, den Burschen höflich zu behandeln, und ich will sorgen, daß man ihn so gut bewache, daß ihm das Entrinnen unmöglich gemacht wird. Die Wachthabenden sollen ihn so fest halten, als wären seine Beine in Eisenstiefeln und seine Finger in Daumschrauben.«

»Gut, Herr Stuart,« erwiderte die Lady; »Ihr kennt am besten Eure Pflicht. Ich wünsche Euch vom Herzen guten Abend, und empfehle Euch der Fürsorge meines Verwalters Harrison. Ich würde Euch bitten, uns Gesellschaft zu leisten, aber ein – ein – ein – –«

»O Madame, es bedarf keiner Entschuldigung; ich weiß wohl, der grobe, rothe Rock König Karls II. vernichtet alle Vorrechte des rothen Blutes König Jakobs des Fünften.«

»In meinen Augen gewiß nicht, Herr Stuart, Ihr thut mir Unrecht, wenn Ihr dies denkt. Ich will morgen mit Eurem Obristen sprechen, und Ihr werdet Euch bald in einem Range befinden, wo es nicht mehr nöthig sein wird, Anomalien auszugleichen.«

»Ich glaube, Madame,« sagte Bothwell, »Eure Güte wird sich getäuscht finden; doch bin ich Euch für Eure Absicht verbunden, und will jedenfalls mit Herrn Harrison eine lustige Nacht zubringen.«

Lady Margaretha nahm einen ceremoniösen Abschied, und zwar mit der Achtung, die sie dem königlichen Blute schuldig zu sein glaubte, sogar wenn dasselbe nur in den Adern eines Sergeanten der Leibwache floß, und versicherte Herrn Stuart wiederum, daß Alles, was im Schlosse Tillietudlem zu haben sei, zu seinem und seiner Leute Diensten stehe.

Sergeant Bothwell ermangelte nicht, die Lady beim Wort zu halten, und vergaß bald die Höhe, von der seine Familie herabgestiegen war, bei einem fröhlichen Gelage, während dessen Herr Harrison sich bemühte, das Beste aus dem Keller zu bringen, und seinen Gast durch jenes verführerische Beispiel zur Munterkeit anzuregen, welches beim Trinken viel mehr gilt, als irgend eine Vorschrift. Der alte Gudyill schloß sich einer Gesellschaft an, welche so sehr nach seinem Geschmacke war, just wie Davy im zweiten Theile Heinrichs IV. an den Schwelgereien seines Herrn, des Richters Shallow, Antheil nimmt. Mit Gefahr den Hals zu brechen rannte er in den Keller, um ein geheimes Behältniß zu plündern, welches, wie er vorgab, nur ihm allein bekannt war, und welches während seines Kellermeisteramtes keinem Andern, als einem Königsfreunde, weder eine Flasche geliefert habe, noch je liefern werde.

»Als der Herzog hier speiste,« sagte der Kellermeister, und setzte sich in einiger Entfernung vom Tische nieder, da ihn Bothwells Stammbaum in eine ehrfürchtige Scheu versetzte; bei jedem Absatze seiner Rede aber rückte er eine halbe Elle näher: – »als der Herzog hier speiste, wünschte Mylady durchaus eine Flasche von diesem Burgunder« – hier rückte er etwas näher, – »aber ich weiß nicht, wie es kam, Herr Stuart, ich traute ihm nicht recht. Ich hielt ihn nicht für einen Freund der Regierung, wie er vorgab, – der Familie ist nicht zu trauen. Dieser alte Herzog Jakob verlor sein Herz, eh' er seinen Kopf verloren, und der Worcester-Mann war nur ein sehr schlechter Schmaus, weder gut gekocht, noch gebraten.« (Mit dieser witzigen Bemerkung vollendete er seine erste Parallele, und begann einen Zickzack nach der Art eines geschickten Ingenieurs, um seine Annäherung an den Tisch fortzusetzen). »Ja, Herr, jemehr die gnädige Frau schrie: »Burgunder für Seine Gnaden! – alten Burgunder – vom besten Burgunder – den Burgunder Neununddreißiger!« – desto mehr sagte ich zu mir selbst: Hol' mich der Teufel, wenn ein Tropfen in seine Kehle fließt, eh' ich seine Grundsätze kenne; bis dahin ist Sekt und Claret gut genug für ihn. Nein, nein, meine Herren, so lange ich im Schlosse Tillietudlem das Kellermeisteramt verwalte, soll keine Person, deren Treue bezweifelt werden kann, das Beste von unsern Vorräthen bekommen. Finde ich aber Einen, der dem König und seiner Sache, so wie dem gemäßigten Bischofsthum anhängt; wenn ich, wie gesagt, einen Mann finde, der für Kirche und Krone fechten will, wie ich selbst zu meines Herrn Lebzeiten, und so lange Montrose schaltete, gethan, dann ist nichts im Keller so gut, das ich ihm nicht darreichte.«

Unterdessen hatte er sich in dem Hauptpunkte des Platzes festgesetzt, oder mit andern Worten, seinen Stuhl dicht an den Tisch gerückt.

»Und nun, Herr Franz Stuart von Bothwell, hab' ich die Ehre, auf Eure Gesundheit zu trinken, und ich wünsche Euch eine Offiziersstelle und viel Glück bei Eurem Geschäfte, das Land von Whigs und Rundköpfen, von Schwärmern und Covenantern zu reinigen.«

Bothwell, der, wie leicht zu erachten, längst aufgehört hatte in der Wahl seiner Freunde bedenklich zu sein, die er mehr nach seiner Bequemlichkeit und seinen Umständen, als seiner Abkunft würdig wählte, that dem Kellermeister gern Bescheid, indem er zugleich die Vortrefflichkeit des Weines pries, und Herr Gudyill, bereits ein ordentliches Mitglied der Gesellschaft, versah sie unablässig mit neuen Stoffen zur Fröhlichkeit, bis der Tag zu dämmern anfing.


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