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Erstes Kapitel.

Der Mannen hundert biete auf; am Thor der Burg
Sei'n meiner sie gewärtig schon bei Tagesanbruch!

Douglas.

 

Unter der Herrschaft der letzten Stuarts trat von Seiten der Regierung der Wunsch und das Bestreben sehr deutlich hervor, durch alle ihr zu Gebot stehenden Mittel dem strengen oder puritanischen Geiste entgegenzuwirken, welcher ein so hervorstechendes Merkmal der republikanischen Regierung gewesen war, und jene Feudaleinrichtungen wieder in's Leben zu rufen, die den Vasallen an den Lehnsherrn banden, und Beide mit der Krone verknüpften. Es wurden von Staatswegen häufig Musterungen und Zusammenkünfte des Volks veranstaltet, theils um dasselbe in den Waffen zu üben, und theils ihm Zeitvertreib und Lustbarkeiten zu verschaffen. Daß die Regierung sich um diese letzteren bekümmerte und darein mischte, war zum Allerwenigsten unpolitisch; denn wie es bei dergleichen Angelegenheiten zu gehen pflegt, – die Gemüther, anfangs blos von Bedenklichkeiten und Zweifeln heimgesucht, verstockten sich immer mehr und mehr in ihren Meinungen, anstatt dem Machtgebote der Gewalt sich zu fügen; und die jungen Leute beiderlei Geschlechts, welche in England den Lockungen und dem Geize der Pfeife und Handtrommel oder in Schottland der Sackpfeife an und für sich gar nicht hätten widerstehen können, setzten nun denselben, in dem stolzen Bewußtsein, daß sie dadurch den Befehlen der Regierung Widerstand leisteten, einen hartnäckigen Trotz entgegen. Der Versuch, die Menschen mit Gewalt zu Tanz und Frohsinn zu zwingen, ist sogar auf den Sclavenschiffen selten gelungen, wo man ihn in früheren Zeiten manchmal angestellt hat, um die unglücklichen Gefangenen während der wenigen Minuten, in denen sie auf dem Verdecke frische Luft schöpfen durften, dahin zu bringen, ihre Glieder zu bewegen und den Blutumlauf wieder herzustellen. In eben demselben Maße, in welchem die Regierung die Strenge der eifrigen Calvanisten gemildert zu sehen wünschte, wuchs dieselbe; eine jüdischstrenge Beobachtung des Sabbaths, eine hochmüthige Verdammung aller männlichen Zeitvertreibe und unschuldigen Vergnügungen, sowie der für unheilig erachteten Sitte, daß Männer und Weiber zusammen tanzten – denn wenn beide Geschlechter von einander getrennt blieben, galt ihnen, glaube ich, diese körperliche Bewegung nicht für anstößig – zeichnete diejenigen aus, welche einen mehr als gewöhnlichen Grad von Heiligkeit für sich in Anspruch nahmen. Auch suchten sie sogar nach Kräften und Möglichkeit ihre Landsleute und Glaubensgenossen von der sogenannten Waffenschau fern zu halten, zu welcher das Lehnsgefolge der Grafschaft entboten wurde, und bei der jeder Kronvasall mit einer solchen Anzahl von gewappneten und gerüsteten Leuten, und zwar bei schwerer, gesetzlich bestimmter Strafe, sich einfinden mußte, als er vermöge seines Lehns zu stellen hatte. Die Covenanter waren diesen Versammlungen um so mehr abhold, als die Lordstatthalter und die Sherifs, welche dabei die Oberaufsicht führten, von der Regierung ausdrücklichen Befehl erhalten hatten, nichts außer Acht zu lassen, was sie den auf diese Weise zusammengerufenen jungen Leuten nur irgend angenehm machen könnte. Man ging von der Ansicht aus, daß die Waffenübungen am Morgen und die Lustbarkeiten im Freien, welche bis in die Nacht hinein dauerten, eine verführerische Wirksamkeit haben müßten.

Die Prediger und Anhänger der strengern presbyterianischen Ansichten bemüheten sich daher, durch Warnungen, Ermahnungen und Geltendmachung ihres Ansehens dahin zu wirken, daß diese Versammlungen so wenig als möglich besucht wurden. Sie wußten recht gut, daß sie dadurch sowohl die scheinbare als die wirkliche Macht der Regierung schwächten, indem sie das Weiterumsichgreifen jenes Genossenschaftsgeistes hemmten, der sehr bald junge Männer einigt und bindet, welche öfter zu männlichen Lustbarkeiten im Freien oder zu Waffenübungen zusammenkommen. Sie bemühten sich deshalb auf das Nachdrücklichste, alle Diejenigen, welche für ihr Nichterscheinen irgend eine Entschuldigung vorbringen konnten, abzuhalten, und zeigten sich besonders streng gegen solche unter ihren Zuhörern, welche lediglich aus Neugier, oder um an den später folgenden Spielen und Leibesübungen Theil zu nehmen, sich bei jener Waffenschau einfanden. Viele Landadelige waren indeß, obwohl sie sich zu diesen Lehren bekannten, doch nicht immer im Stande, dieselben streng befolgen zu können. Die Vorschriften des Gesetzes waren ausdrücklich und bestimmt, und der geheime Staatsrath, welcher die vollziehende Gewalt in Schottland ausübte, hielt mit großer Strenge darauf, daß die gesetzlichen Strafen gegen alle Kronvasallen vollzogen wurden, welche bei der regelmäßig wiederkehrenden Wappenschau nicht erschienen. Die Grundbesitzer waren daher genöthigt, ihre Söhne, Pächter und Vasallen mit der ihnen zugetheilten Anzahl von Rossen, Leuten und Waffen an den bestimmten Ort zu senden, und da traf es sich denn oft, daß trotz der ausdrücklichen Gebote ihrer Eltern, gleich nach beendigter Musterung wieder heimzukehren, die jungen Leute der Lockung nicht widerstehen konnten, an den späteren Lustbarkeiten Theil zu nehmen. Auch war es nicht immer zu vermeiden, die Gebote mit anzuhören, welche bei solchen Gelegenheiten in den Kirchen verlesen wurden, dadurch aber, wie ihre mißvergnügten Eltern meinten, mit der verfluchten Sache in Berührung zu kommen, welche vor den Augen des Herrn ein Abscheu ist.

Der Sherif der Grafschaft Lanark hielt die Waffenschau eines wilden und wenig angebauten Bezirks, das obere Ward (Bezirk) von Clydesdale genannt, auf einer Hochfläche, unweit eines königlichen Fleckens, dessen Name von keiner Bedeutung für meine Erzählung ist. Es war am Morgen des 5. Mai 1679, und mit diesem Tage hebt unsere Geschichte an. Als die Musterung vorüber, und, dem Brauche gemäß, über dieselbe Bericht abgestattet worden war, sollten, wie gewöhnlich, die verschiedenen Lustbarkeiten beginnen, unter denen ein Vogelschießen das beliebteste war. Dieses alte Spiel wurde früher mit der Armbrust, zu jener Zeit aber schon mit Feuergewehr gehalten. Die Gestalt des Vogels war mit allerlei bunten Federn bekleidet, sah einem Papagei ähnlich, hing an einer Stange und diente zum Ziel, nach welchem die Preisbewerber ihre Musketen oder Karabiner in einem Abstande von sechszig oder siebenzig Schritten abfeuerten. Wer so glücklich war, das Ziel durch seine Kugel herabzuschießen, erhielt für den übrigen Theil des Tages den stolzen Titel eines Papageienhauptmanns, und wurde gewöhnlich unter lautem Jubel nach dem angesehensten Gasthause der Umgegend geleitet, wo alsdann der Abend unter seinen Auspicien, und, wenn er es bestreiten konnte, auch auf seine Kosten, mit einem festlichen Mahle beschlossen wurde.

Es versteht sich wohl von selbst, daß auch die Frauen aus der Umgegend bei diesen Lustbarkeiten zugegen waren, freilich mit Ausnahme jener, welche die Satzungen des Puritanismus streng beobachteten, und es eben deshalb für eine Sünde gehalten haben würden, den irdischen Vergnügungen übelgesinnter Weltkinder beizuwohnen. Landauer Wagen, Barutschen und Tilburie's gab es in jenen Zeiten der Einfachheit noch nicht. Der Lordlieutenant der Grafschaft, ein Mann von herzoglichem Range, machte ausschließlich Anspruch aus die Pracht und Auszeichnung, ein Räderfuhrwerk zu besitzen, ein Ding, das mit abgeblaßter Vergoldung und Schnitzarbeit, etwa einem Kasten gleich, wie man gewöhnlich die Arche Noah darstellt, von acht langschwänzigen flandrischen Stuten gezogen wurde, und acht innere, sechs äußere Sitze hatte. Im Innern hatten Platz genommen: Seine Gnaden selbst und dessen Gemahlin, zwei Ehrenfräulein, zwei Kinder, ein Kaplan, welcher in einer Art von Seitenverschlage saß, der durch ein Hervorstehen des Kutschenschlages gebildet, und seiner Gestalt wegen der Stiefel genannt wurde; – und endlich Seiner Gnaden Stallmeister, welcher in demselben Sitze auf der anderen Seite sich eingerichtet hatte. Geleitet wurde das Fuhrwerk von einem Kutscher und drei Postillonen, mit kurzen Schwertern und dreizöpfigen Knotenperrücken; sie hatten Musketen über der Schulter hängen und Pistolen im Sattel stecken. Aus dem Fußtritte hinter diesem wandelnden Hause standen, oder genauer ausgedrückt, hingen in dreifacher Reihe sechs in reiche Livree gekleidete, und bis an die Zähne bewaffnete Lakaien. Der übrige Landadel, einerlei ob Mann oder Weib, jung oder alt, saß, von seiner Dienerschaft begleitet, zu Pferde, aber aus den schon angeführten Ursachen war die Gesellschaft mehr gewählt als zahlreich.

Unmittelbar hinter diesem ungeheuren ledernen Fuhrwerke, von welchem wir so eben eine Vorstellung zu geben versucht haben, ritt, um ihren Anspruch auf Vorrang vor dem keine Titel führenden Landadel zu behaupten, Lady Margaretha Bellenden auf einem sittsamen, ruhig einherschreitenden Zelter. Sie trug noch immer das Wittwenkleid, welches die gute Dame nicht mehr abgelegt hatte, seit ihr Mann, wegen seiner standhaften Anhänglichkeit an Montrose, hingerichtet worden war.

Ihre Enkelin, der einzige Gegenstand aller ihrer irdischen Sorge und Liebe, die schön gelockte Editha, welche allgemein für das schönste Mädchen im ganzen Obern Ward betrachtet wurde, erschien neben ihrer betagten Verwandten, wie der Frühling an der Seite des Winters. Ihr schwarzes, spanisches Roß, welches sie mit vieler Anmuth lenkte, ihr kleidsames Reitgewand, und ein mit Franzen besetzter Quersattel, waren sorgsam in Stand gebracht worden, um sie in möglichst vortheilhaftem Lichte erscheinen zu lassen. Aber die üppige Fülle ihrer Ringellocken, welche, unter ihrem Hute hervorquellend, von einem grünen Bande zurückgehalten wurden, damit sie nicht auf die Schultern herabwallten; die sanften und weiblichen Züge ihres Antlitzes, denen es doch nicht an einem gewissen Ausdrucke von muthwilliger Schalkhaftigkeit fehlte, welche keinen Gedanken an Beschränktheit oder Einfalt aufkommen ließ, die zuweilen blonden und blauäugigen Schönen zum Vorwurfe gemacht werden; – diese zogen die Bewunderung der jungen Männer des Westens weit mehr an, als der Glanz ihres Aufzuges oder die Gestalt ihres Prunkpferdes.

Das Gefolge dieser ausgezeichneten Damen war keineswegs ihrer Geburt, oder dem in jenen Zeiten üblichen Brauche angemessen, indem es nur aus zwei berittenen Dienern bestand. Die gute alte Dame war nämlich schuldig und verbunden gewesen, ihre gesammte Hausdienerschaft ausrücken zu lassen, um die bestimmte Anzahl von Leuten zusammen zu bringen, welche die Baronie bei der Musterung zu stellen hatte, und dabei hätte sie es um Alles in der Welt nicht an Etwas fehlen lassen. Der alte Haushofmeister, welcher, angethan mit Stahlhaube und Steifstiefeln, den Zug anführte, hatte, wie er sagte, Blut und Wasser geschwitzt bei seinen Bemühungen, um die Bedenklichkeiten, Einwendungen und Ausflüchte der Moorlandpächter zu besiegen, welche schuldig und gehalten gewesen wären, bei dieser Gelegenheit Menschen, Pferde und Rüstung zu stellen. Es kam endlich in dem Streite mit ihnen bis zu einer offenen Kriegserklärung, da der hitzige und erzürnte Episcopale die Widerspenstigen mit allen möglichen Strafen bedrohete, wogegen diese den calvinistischen Bann auf ihn schleuderten. Indessen was war zu thun? Freilich wäre es leicht genug gewesen, diese widerstrebenden Pächter zu strafen; der Staatsrath würde bereitwillig Geldstrafen zuerkannt, und Reiter abgeschickt haben, um dieselben einzusammeln. Das aber hätte ungefähr so viel geheißen, als den Jäger sammt den Hunden in den Garten rufen, um den Hasen zu erlegen.

»Denn,« sprach Harrison bei sich, »die Kerle haben ohnehin nicht viel zu brechen und zu beißen, und wenn ich nun die Rothröcke herbeirufe, und diese ihnen das Bischen, was ihnen gehört, noch nehmen, woher soll denn meine verehrte Herrin die zu Lichtmesse fällige Rente bekommen, die selbst in den besten Zeiten nur mit Mühe und Noth einzukriegen ist?«

So bewaffnete er denn den Vogelsteller und Falkonier, den Bedienten und den Ackerknecht, und einen alten, immer durstigen und trinklustigen Kellermeister, welcher mit dem verstorbenen Richard unter Montrose gedient hatte, und allabendlich die Hausdienerschaft mit der Erzählung seiner Thaten, die er bei Kilsythe und Tippermoor verübt haben wollte, in Erstaunen und Verwunderung setzte. Er war von Allen der einzige Mann, dem die Sache einigermaßen am Herzen lag und Ernst war. Auf solche Weise, und indem er noch einige Wilddiebe und andere Gesellen ähnlichen Gelichters, denen man ein allzuenges Gewissen nicht zum Vorwürfe machen konnte, anwarb, brachte Harrison wirklich die Anzahl von Mannen auf die Beine, welche Lady Margaretha Bellenden, als lebenslängliche Nutznießerin der Baronie Tillietudlem und anderer Besitzungen, zu stellen hatte. Als aber am Morgen des verhängnißvollen Tages der Haushofmeister eben seine troupe dorée vor dem eisernen Thore des Schlosses musterte, erschien die Mutter des Ackerknechts Cuddie Headrigg, mit den Steifstiefeln, dem ledernen Koller und anderem Zeug, welches für den Gebrauch an diesem Tage verabfolgt worden war, und legte Alles vor dem Haushofmeister nieder. Dabei versicherte sie ihn ganz ernsthaft, daß, – ob es nun eine Kolik oder eine Bedrängniß des Gewissens gewesen, was sie nicht entscheiden wolle, – so viel gewiß wäre, daß es ihrem Cuddie in der Nacht sehr schlecht gegangen sei, und ob es heute früh besser mit ihm stehe, wisse sie nicht. Des Himmels Finger sehe man daraus, setzte sie hinzu, und ihr Kind solle zu dergleichen Fahrten sich nicht hergeben. Vergebens waren die Androhungen von Züchtigung, Strafe und Fortjagen aus dem Dienste; die Mutter war und blieb hartnäckig, und Cuddie, über dessen körperliches Befinden man in's Klare kommen wollte, und den man deshalb in seiner Behausung heimsuchte und besichtigte, konnte oder wollte nur mit Aechzen und Stöhnen antworten. Die alte Mause, früher Dienerin in der Familie, war eine Art Favoritin der Lady Margarethe, und nahm sich folglich auch Etwas heraus. Die Lady selbst war schon seit einer Weile fort, und man konnte sich daher auf ihren Befehl nicht berufen. In dieser Bedrängniß nun gab dem alten Kellermeister sein guter Geist ein Auskunftsmittel ein.

»Er habe unter Montrose manchen braven Gesellen wacker fechten sehen, der noch viel kleiner als Goose Gibbie gewesen sei. Weshalb er denn den Goose Gibbie nicht nehme?«

Dieser Goose Gibbie war ein knirpsiger, halb blödsinniger Junge, und eine Art von Gehülfe der Alten, welche die Aufsicht über das Federvieh hatte; – denn in einer schottischen Familie jener Tage herrschte eine wundersame Theilung der Arbeit. Dieser Zwerg nun wurde wirklich vom Stoppelfelde abgerufen, in aller Eile in den ledernen Koller gesteckt, man gürtete ihm das Schwert eines erwachsenen Mannes um, oder genauer ausgedrückt, man gürtete ihn an das Schwert, steckte seine kleinen Beine in die Reiterstiefel, und stülpte auf seinen Kopf eine Stahlhaube von solchem Umfange, als wäre es darauf abgesehen gewesen, ihm sein Lebenslicht auszulöschen. So angethan, wurde er seinem dringenden Flehen gemäß auf das zahmste und sanfteste Pferd gehoben, und da der alte Kellermeister Gudyill ihm hülfreich zur Seite war, so bestand er auch die Musterung erträglich genug. Ohnehin prüfte der Sheriff die Mannen einer so wohlgesinnten Person, wie Lady Margarethe Bellenden, nicht allzugenau.

Diese Umstände waren schuld, daß das Geleit der Lady an jenem verhängnißvollen Tage nur aus zwei Lakaien bestand. Bei jeder andern Gelegenheit würde sie sich geschämt haben, mit einem so unbedeutenden Gefolge öffentlich zu erscheinen. Aber für die Sache des Königthums war sie immer bereit, die größten persönlichen Opfer zu bringen. Sie hatte in den Bürgerkriegen jener unglücklichen Zeit ihren Gemahl und zwei hoffnungsvolle Söhne verloren; sie war aber auch dafür belohnt worden, denn es hatte Karl der Zweite, als er durch das westliche Schottland zog, um Cromwell bei Worcester die unglücklich für ihn sich entscheidende Schlacht zu liefern, im Schlosse Tillietudlem gefrühstückt. Dieser Vorfall bildete von Anfang an einen wichtigen Zeitpunkt im Leben der Lady Margarethe, und selten nahm sie nachher entweder daheim oder auswärts an einem Frühmahle Theil, ohne umständlich zu erzählen, was Alles beim Besuche des Königs sich begeben; namentlich unterließ sie nie zu erwähnen, daß Seine Majestät ihr zum Gruße beide Wangen geküßt habe. Die Bemerkung indeß machte sie seltener, daß der König dieselbe Gunstbezeigung zwei hübschen, drallen Dienstmädchen, welche hinter ihr standen, und für jenen Tag zu Kammerfrauen erhoben worden waren, gleichfalls hatte angedeihen lassen.

Diese Beweise königlicher Gunst waren entscheidend, und wenn Lady Margarethe nicht bereits durch das Bewußtsein ihrer hohen Geburt, durch Erziehung und Haß gegen die andere Partei, von welcher sie so viel Unglück und Ungemach erduldet hatte, eine standhafte königlich Gesinnte gewesen wäre, so würde doch schon der Umstand, daß sie der Majestät ein Frühstück gegeben, und dafür die Begrüßung des Königs empfangen hatte, Ehre genug für sie gewesen sein, um sie für immer an die Geschicke der Stuarts zu knüpfen.

Jetzt nun triumphirten, allem Anscheine nach, die Stuarts; aber Lady Margarethe war auch in den schlimmsten Tagen deren standhafte und treue Anhängerin gewesen, und war immer bereit, dieselbe Härte und Ungunst des Schicksals noch ein Mal zu ertragen, wenn die Schale je wieder zu ihrem Nachtheile sich senken sollte. Gegenwärtig erfreute sie sich in vollem Maße an der kriegerischen Entfaltung der Streitmacht, welche zur Unterstützung der Krone bereit stand, und dämpfte, so viel ihr immer möglich war, den peinigenden Mißmuth und die Kränkung, welche der schmähliche Abfall ihrer eigenen Hintersassen ihr verursachte.

Zwischen der Lady und den Repräsentanten einiger alten loyalen Familien, welche sich auf dem Plane eingefunden hatten, und die ihr große Ehrerbietung zollten, wurden viele Höflichkeiten gewechselt; und während der Dauer der Musterung zog kein junger Mann von Rang an ihnen vorüber, ohne sich höher im Sattel aufzurichten, und sein Pferd etwas mehr zusammenzunehmen, um seine eigene Reitergewandtheit und die vollkommene Abrichtung seines Rosses in den Augen des Fräuleins Editha Bellenden im vortheilhaftesten Lichte erscheinen zu lassen. Allein die durch vornehme Abkunft und unbezweifelte Loyalität ausgezeichneten Cavaliere erregten Editha's Aufmerksamkeit gerade nur in so weit, als die Gesetze der Höflichkeit unumgänglich erforderten, und sie hörte die Complimente, die ihr in nicht spärlichem Maße gesagt wurden, sehr gleichgültig an, obschon dieselben absichtlich aus den langweiligen und weitschweifigen Romanen Calprenedes und der Scudery entlehnt waren; jenen Spiegeln, nach welchen die Jugend der damaligen Zeit sich so gern ausstaffirte, bevor die Mode den Ballast derselben über Bord geworfen hatte, und die Schiffe erster Größe, wie die Romane von Cyrus, Cleopatra und andere zu kleineren Fahrzeugen verarbeitete, die so geringen Tiefgang haben, oder um es deutlicher auszudrücken, so wenig Zeit in Anspruch nehmen, als das kleine Boot, in welchem der geneigte Leser sich einzuschiffen gütig genug war.

Das Schicksal wollte indeß, daß Fräulein Bellenden diesen Gleichmuth nicht bis zum Schlusse des Tages sich bewahren sollte.


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