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Vierunddreißigstes Kapitel.

– Bereitet die Klage, die Anwält' zur Hand,
Die Richter am Tische – war furchtbar zu schau'n.

Die Bettleroper.

 

So tief war der Schlaf, der auf Unruhe und Gemütsbewegung des vorigen Tages folgte, daß Morton kaum wußte, wo er sich befand, als er durch Pferdegestampf, durch Trompetenklang und rauhe Menschenstimmen erwachte. Bald darauf kam der Sergeant-Major, um ihn abzurufen. Dies that er aber auf eine achtungsvolle Weise, indem er sagte: der General – denn Claverhouse war es jetzt – hoffte das Vergnügen seiner Gesellschaft auf der Reise zu genießen. Es gibt Lagen, in denen eine Andeutung Befehl ist, und als einen solchen betrachtete Morton diese Einladung. Möglichst schnell machte er Claverhouse seine Aufwartung, fand dessen Pferd für sich gesattelt und Cuddie zu seiner Bedienung bereit.

Obgleich nun Herr und Diener eher zu den Truppen, als zu den Gefangenen zu gehören schienen, so waren doch Beide ihrer Feuerwaffen beraubt; Morton aber hatte man sein Schwert gelassen, das zu jener Zeit das ausschließende Abzeichen eines Edelmannes war. Claverhouse schien mit Vergnügen an seiner Seite zu reiten, mit ihm zu sprechen und Mortons Ideen zu verwirren, wenn dieser es versuchte, den Charakter des Andern richtig zu beurtheilen. Die feinen Sitten und das gewandte Benehmen des Generals, seine ritterlichen Ansichten von militärischer Hingebung, seine tiefe, gründliche Menschenkenntniß erregten die Bewunderung und den Beifall Aller, welche mit ihm verkehrten, während seine kalte Gleichgültigkeit gegen militärische Gewaltthat und Grausamkeit doch ganz unvereinbar schien mit seinen geselligen und selbst bewunderungswürdigen Eigenschaften. Morton konnte nicht umhin, ihn im Stillen mit Balfour von Burley zu vergleichen, und dieser Vergleich drang sich ihm so sehr auf, daß er ein paar Worte darüber fallen ließ, als sie in einiger Entfernung von den Soldaten neben einander ritten.

»Ihr habt Recht,« sagte Claverhouse lächelnd; »Ihr habt wirklich Recht – wir sind Beide Fanatiker. Aber man muß doch den Fanatismus der Ehre und den eines finstern, albernen Aberglaubens genau unterscheiden.«

»Aber Ihr Beide vergießt Blut ohne Schonung und Gewissensbisse,« sagte Morton, der seine Gefühle nicht unterdrücken konnte.

»Allerdings,« sagte Claverhouse mit derselben Fassung; »aber von welcher Art? Es ist doch wohl ein Unterschied zwischen dem Blute gelehrter, ehrwürdiger Priester, tapferer Soldaten und Edelleute, und dem rothen Safte in den Adern psalmsingender Handwerker, hirnverbrannter Demagogen und einfältiger Bauern – kurz, ein Unterschied zwischen Dem, der eine Flasche edeln Weines, und Dem, der einen Krug schwerfälligen Bieres leert?«

»Diese Unterscheidung ist mir zu fein,« erwiderte Morton. »Gott weckt jeden Lebensfunken, – den des Bauers sowohl, wie den des Fürsten, und wer das Werk des Schöpfers ohne Noth und Grund zerstört, hat es einst zu verantworten. Welches größere Recht zum Beispiel habe ich jetzt auf General Grahames Schutz, als damals, wo ich zuerst mit ihm zusammentraf?«

»Und kaum den Folgen entronnen seid, wolltet Ihr sagen?« antwortete Claverhouse. – »Nun, ich will's Euch offen gestehen. Ich dachte, es mit dem Sohne eines alten rundköpfigen Rebellen und dem Neffen eines schmutzigen presbyterianischen Lairds zu thun zu haben; jetzt aber kenne ich Euch besser, denn Ihr besitzt das, was ich an einem Feinde eben so sehr, als an einem Freunde schätze. Seit unserm ersten Zusammentreffen habe ich viel über Euch erfahren, und hoffentlich habt Ihr gefunden, daß ich aus diesen Nachrichten keinen für Euch ungünstigen Schluß gezogen habe.«

»Aber –,« sagte Morton.

»Aber« – unterbrach Grahame – »Ihr wollt sagen, Ihr seid jetzt noch derselbe, wie damals. Freilich! Aber wie konnte ich das wissen? Obgleich, beiläufig gesagt, mein Widerstreben, Eure Hinrichtung aufzuschieben, Euch zeigen kann, wie sehr ich Eure Eigenschaften gewürdigt habe.«

»Erwartet Ihr, General,« sagte Morton, »daß ich Euch für einen solchen Beweis der Achtung besonders dankbar sein soll?«

»Ei, ei, Ihr nehmt's zu genau,« erwiderte Claverhouse. »Ich sage Euch, ich hielt Euch für einen ganz andern Menschen. Habt Ihr je Froissart gelesen?«

»Nein!«

»Ich habe so halb und halb im Sinne,« sagte Claverhouse, »Euch auf sechs Monate in's Gefängniß zu schicken, um Euch dies Vergnügen zu verschaffen. Sein Werk begeistert mich mehr, als Poesie. Mit welchen ritterlichen Gefühlen beschreibt der edle Canonicus die schönen Aeußerungen des Kummers über den Tod des tapfern, hochgebornen Ritters, dessen Fall man nicht ohne Mitleid sehen kann, so groß war seine Treue gegen den König, so rein sein Glaube, so hart sein Herz gegen den Feind, so unwandelbar gegen seine Geliebte! – Ach, wie pflegte er zu trauern über den Fall einer solchen Perle der Ritterschaft, sei es auf der Seite, welche er begünstigte, oder auf der andern. Wurden aber etliche Hundert gemeiner Kerle von der Erde gefegt, Kerle nämlich, die nur für den Pflug geboren sind, da zeigt der hochgeborne Geschichtsforscher verdammt wenig Sympathie, – so wenig, oder vielleicht noch weniger, als John Grahame von Claverhouse.«

»Es befindet sich ein Ackersmann in Eurer Gewalt, General,« sagte Morton, »für den ich Eure Gunst anspreche, trotz der Verachtung, die Ihr gegen einen Stand hegt, den die Philosophen für einen eben so nützlichen, als den des Soldaten hielten.«

»Ihr meint,« sagte Claverhouse, in sein Notizbuch blickend, »einen gewissen Hatherick – Hedderigg – oder Headrig. Ja, ja, Cuddie Headrigg – hier habe ich ihn. Seid unbesorgt für ihn, wenn er sich nur gefüge zeigt. Die Damen von Tillietudlem haben schon vor einiger Zeit mit mir zu seinen Gunsten gesprochen. Ich glaube, er soll das Kammermädchen dort heirathen. Man wird ihn schon durchwischen lassen, wenn er sich nicht selbst den Handel verderbt.«

»Ich glaube nicht, daß ihn der Ehrgeiz treibt, Märtyrer zu werden,« sagte Morton.

»Desto besser für ihn,« sagte Claverhouse. »Aber obgleich der Bursche noch so Manches zu verantworten hat, so will ich doch sein Freund sein, weil er sich gestern mit so plumper Tapferkeit in unsere Reihen warf, um Hülfe für Euch zu suchen. Ich verlasse Niemand, der sich mir so unbedingt vertraut. – Halliday, bringe mir das schwarze Buch her.«

Als der Sergeant dies ominöse, alphabetisch geordnete Verzeichniß der Uebelgesinnten übergeben hatte, blätterte Claverhouse während des Reitens in demselben, und las die Namen, wie sie ihm just aufstießen.

»Gumblegumtion, ein Geistlicher, fünfzig Jahre, geduldet, verschlossen, schlau u. s. w.; pah! nun – nun – hier ist er – Heathercat; geächtet – Prediger – eifriger Cameronianer – hält Conventikel auf den Campsiebergen – still – o, da ist der Headrigg – Cuthbert – seine Mutter eine bitterböse Puritanerin – er ein einfältiger Bursche, gerade darauf los, aber nicht zu Complotten geschaffen, – mehr mit der Hand, als mit dem Kopfe – könnte auf die rechte Seite herübergezogen werden, wenn nicht seine Anhänglichkeit an – –« (hier blickte Claverhouse auf Morton, schloß das Buch und fuhr in einem andern Tone fort). » Redlich und treu sind Worte, die niemals bei mir weggeworfen werden, Herr Morton. Wegen des Burschen könnt Ihr ruhig sein.«

»Empört es nicht einen Mann wie Euch,« sagte Morton, »ein System zu befolgen, welches durch so kleinliche Nachforschungen nach unbedeutenden Subjekten aufrecht erhalten werden muß?«

»Ihr glaubt doch nicht, daß wir uns damit abgeben?« sagte der General stolz. »Die Pfarrer sammeln um ihrer selbst willen alle diese Materialien; sie kennen am besten die schwarzen Schaafe in ihrer Heerde. Ich habe schon vor drei Jahren Euer Conterfei gehabt.«

»Wirklich?« entgegnete Morton. »Wollt Ihr mir es gefälligst mittheilen?«

»Gern!« sagte Claverhouse. »Es hat wenig zu bedeuten; denn Ihr könnt Euch nicht an dem Pfarrer rächen, da Ihr wahrscheinlich Schottland auf einige Zeit verlassen werdet.«

Dies sagte er ganz gleichgültig; Morton aber schauderte unwillkürlich bei diesen Worten, die eine Verbannung aus seinem Vaterlande ankündigten; ehe er indessen antwortete, las Claverhouse: »Heinrich Morton, Sohn des Silas Morton, Obersten eines Reiterregiments für das schottische Parlament, Neffe Mortons von Milnwood – von unvollkommener Erziehung, aber reifen Geistes – ausgezeichnet in allen körperlichen Uebungen, gleichgültig gegen religiöse Formen, aber zum Presbyterianismus geneigt – hat hochfliegende und gefährliche Ansichten über Freiheit des Gedankens und der Rede, und schwankt zwischen Freigeisterei und Enthusiasmus. Er hat viel Anhänger und Bewunderer unter Leuten seines Alters – in seinem Betragen bescheiden, ruhig und anspruchslos, doch kühn und unbeugsam. Er ist – – hier folgen drei rothe Kreuze, welche dreifach gefährlich bedeuten. – Ihr seht nun, welche wichtige Person Ihr seid. – Aber was will denn dieser Bursche?«

Ein Reiter sprengte herbei und übergab ihm einen Brief. Als der Reiter geschieden war, begann Claverhouse mit verächtlichem Tone: »Ein Alliirter von Euch, oder besser von Eurem Freunde Burley, ist Euch desertirt; – hört nur, was er schreibt: – Theurer Sir! (ich weiß nicht, wann wir so intim waren) – Eure Excellenz belieben, meine unterthänigsten Glückwünsche zu dem Siege zu genehmigen – (hm! hm!) womit Sr. Majestät Waffen gesegnet worden sind. Ich bitte Euch, zu vernehmen, daß ich meine Leute unter Waffen halte, um alle Flüchtlinge aufzufangen; auch habe ich bereits mehrere Gefangene gemacht u. s. w. Unterschrieben Basil Olifant. – Ihr kennt wohl den Burschen dem Namen nach?«

»Ist er nicht ein Verwandter der Lady Margaretha Bellenden?« fragte Morton.

»Ja!« erwiderte Grahame, »und der männliche, obgleich entfernte Erbe aus ihres Vaters Familie; überdies ein Freier der schönen Editha, obgleich als unwürdig abgewiesen, besonders aber ein Bewunderer der sämmtlichen Besitzungen von Tillietudlem.«

»Der empfiehlt sich der Familie von Tillietudlem schlecht,« sagte Morton, seine eigenen Gefühle unterdrückend, »wenn er mit unserer unglücklichen Partei Verbindungen unterhält.«

»O dieser kostbare Basil wird immer jeden hinter's Licht führen!« rief Claverhouse. »Er war unzufrieden mit der Regierung, weil sie nicht zu seinen Gunsten eine Verfügung des verstorbenen Grafen von Torwood umstoßen wollte, der seine Besitzung seiner eigenen Tochter vermacht hat; er war unzufrieden mit der Lady Margaretha, weil diese kein Verlangen nach einer nähern Verbindung mit ihm bezeugte, und mit der schönen Editha, weil sie eben nicht für seine abstoßende Persönlichkeit eingenommen ward. So stand er nun mit Burley in vertrautem Briefwechsel, und brachte seine Leute unter Waffen, um ihm zu helfen, wenn er keine Hülfe brauchte, nämlich, wenn Ihr uns gestern geschlagen hättet. Und nun behauptet der Schurke, er habe Alles für die Sache des Königs gethan, und soviel ich weiß, wird der hohe Rath dies Alles für baare Münze annehmen; denn er weiß, wie man sich Freunde macht. Und etliche Dutzend armer vagabundirender Schwärmer werden erschossen oder gehangen werden, weil dieser verschmitzte Schuft der Loyalität fuchsschwänzelt.«

Durch diese und andere Gespräche kürzten sie den Weg. Claverhouse sprach immer offen mit Morton, und behandelte ihn mehr als Freund und Gesellschafter, denn als Gefangenen; so daß diesem, trotz der Ungewißheit seines Schicksals, die Stunden, die er mit dem merkwürdigen Manne verlebte, durch dessen lebhafte Einbildungskraft und lebhafte Menschenkenntniß dergestalt erheitert wurden, daß ihm seit dem Augenblicke seiner Gefangenschaft, welche ihn plötzlich von der Sorge über seine schwankende und gefährliche Stellung unter den Insurgenten, und von den Folgen ihres argwöhnischen Hasses befreite, die Stunden minder ängstlich vergingen, als zu irgend einer Zeit seit seinem Auftreten im öffentlichen Leben. In Beziehung auf sein Geschick glich er jetzt einem Reiter, der seinem Rosse die Zügel überlassen hat, und während er sich den Verhältnissen überließ, sich wenigstens die Mühe ersparte, dieselben zu lenken. In dieser Stimmung setzte er die Reise fort; unterdessen verstärkte sich die Zahl seiner Gefährten durch einzelne Reiterhaufen, welche von allen Seiten herbeikamen, und meistens die Unglücklichen mit sich führten, welche in ihre Hände gefallen waren. Endlich näherten sie sich Edinburgh.

»Ich glaube,« sagte Claverhouse, »unser Staatsrath ist entschlossen, durch seinen gegenwärtigen Jubel seine frühere Angst zu zeigen, und hat nun für uns Sieger mit unsern Gefangenen eine Art Triumphzug beschlossen; da mir dergleichen nicht behagt, so bin ich geneigt, meinen Antheil am Gepränge aufzugeben, und auch Euch den Eurigen zu sparen.«

Mit diesen Worten übergab er Allan, jetzt Oberstlieutenant, das Commando, lenkte sein Pferd in eine Nebengasse, und ritt, blos von Morton und einigen Dienern begleitet, in die Stadt. Als er im Quartier anlangte, das er in der Canongate-Vorstadt bewohnte, wies er seinem Gefangenen ein kleines Zimmer an, mit der Andeutung, daß sein Ehrenwort ihn verpflichte, einstweilen sich darin zu verhalten.

Nachdem Morton ungefähr eine Viertelstunde in der Einsamkeit über die seltsamen Wechsel seiner Lebensverhältnisse in der letzten Zeit nachgedacht, riß ihn ein großes Geräusch auf der Straße an's Fenster. Trompeten, Trommeln und Pauken wetteiferten mit dem Jauchzen eines zahlreichen Pöbels, und benachrichtigten ihn, daß die königliche Reiterei den Triumphzug feiere, von dem Claverhouse gesprochen hatte. Der Magistrat der Stadt war ihr mit der Hellebardiergarde bis an's Thor entgegengegangen, und zog ihnen in der Prozession voran. Der nächste Gegenstand waren zwei Köpfe auf Piken, und vor jedem blutigen Haupte wurden die Hände der zerstückten Unglücklichen hergetragen. Diese blutigen Trophäen gehörten den beiden Predigern zu, die an der Bothwellbrücke gefallen waren. Hierauf folgte ein von Henkersknechten geführter Karren, auf welchem Macbriar und zwei andere Gefangene saßen, die seines Standes zu sein schienen. Sie waren baarhaupt und stark gefesselt, blickten aber mehr triumphirend als betrübt um sich, und schienen weder durch das Loos ihrer Gefährten, deren blutige Häupter vor ihnen hergetragen wurden, noch durch die Furcht vor ihrem eigenen nahen Ausgange nur im Geringsten erschüttert zu sein.

Hinter diesen, dem öffentlichen Hohne preisgegebenen Gefangenen kam ein Trupp Reiter, die ihre Schwerter schwangen, und die weite Straße mit ihrem Freudengeschrei erfüllten, welches das Jauchzen des Pöbels beantwortete, der sich in jeder großen Stadt glücklich preist, wenn er schreien darf, sei es, über was es wolle. Hinter diesem Trupp kam die Hauptschaar der Gefangenen, mit einigen Anführern an der Spitze, die mit allem nur denkbaren Spott behandelt wurden. Einige saßen verkehrt auf den Rossen, Andere waren an Eisenstangen gekettet, die sie mit den Händen tragen mußten, wie die spanischen Galeerensklaven, wenn sie nach dem Hafen transportirt werden, wo sie auf die Schiffe kommen. Noch andere Köpfe wurden theils auf Piken und Hellebarden, theils in Säcken, mit den Namen der Getödteten an der Außenseite, den Ueberlebenden vorangetragen.

Hinter diesen kam der namenlose Haufe, einige Hundert an der Zahl, von denen Einige noch in ihrem Unglück ein Gefühl des Vertrauens zu der Sache behielten, für welche sie Gefangenschaft erduldet, und wahrscheinlich noch ein blutigeres Zeugniß ablegen sollten; Andere waren bleich, entmuthigt, niedergeschlagen, und schienen theils ihre Klugheit zu bezweifeln, daß sie eine Sache ergriffen, welche die Vorsehung doch nicht billigte, theils nach einem Ausweg zu blicken, durch den sie den Folgen ihrer Unbesonnenheit entgehen könnten. Wiederum Andere schienen unfähig, über die Sache in's Reine zu kommen, oder irgend Hoffnung, Vertrauen und Furcht zu hegen, sondern stolperten vorwärts, wie Ochsen, unwissend ob sie zur Weide oder Schlachtbank geführt würden. Diese Unglücklichen wurden auf beiden Seiten von Soldaten bewacht, und hinter ihnen folgte die Hauptmasse der Cavaliere, deren Musik dumpf widerhallte und sich mit dem Sieges- und Freudengesang der Soldaten und dem wilden Jauchzen des Pöbels vermischte.

Mit innigstem Weh blickte Morton auf dieses Schauspiel, und erkannte in den blutigen Häuptern und den noch entstelltern Gesichtern der Lebenden die Züge, welche ihm während der kurzen Zeit des Aufstandes so vertraut geworden. Tief erschüttert sank er in den Sessel, bis Cuddies Stimme den Betäubten erweckte.

»Gott sei uns gnädig, Herr!« rief der arme Junge, und seine Zähne klapperten wie Nußknacker, seine Haare standen zu Berge, und sein Gesicht war leichenblaß – »Gott sei uns gnädig, Herr! wir müssen sogleich vor den hohen Rath! – Ach Gott, was wollen von mir armen Teufel so schmucke Herren und Edelleute! – Und da ist meine Mutter gekommen von Glasgow, um zu sehen, wie ich Zeugniß ablege, das heißt, wie ich bekenne und gehangen werde. Aber hol' mich der Teufel, wenn der Cuddie so viehdumm ist, sobald er's besser haben kann. Doch hier ist Claverhouse selbst – der Herr vergeb' uns unsere Sünden, mehr sag' ich nicht.«

»Ihr müßt augenblicklich vor den hohen Rath, Herr Morton,« sagte Claverhouse, der indeß eingetreten war. »Euer Diener muß mit Euch. Für Euch selbst habt Ihr nichts zu fürchten; aber ich sag' es Euch zum Voraus, Ihr werdet Etwas sehen, was Euch schmerzlich berühren wird, und was ich Euch gern erspart hätte, wenn es in meiner Macht gewesen. Mein Wagen wartet – wollen wir?«

Man kann sich leicht denken, daß Morton gegen diese Einladung nichts einzuwenden wagte, so unangenehm sie ihm auch war. Er stand auf und begleitete Claverhouse. »Ich muß Euch sagen,« begann dieser als er die Treppe hinabging, »Ihr kommt wohlfeil weg, eben so Euer Diener, wenn er nur das Maul hält.«

Cuddie hörte diese letzten Worte mit der größten Freude.

»Ich will mich schon meiner Haut wehren,« sagte er, »wenn sich die Mutter nur nicht drein mischt.«

In diesem Augenblicke faßte ihn die alte Mause an der Schulter; denn sie hatte sich in's Vorzimmer gedrängt.

»Kind! Kind!« sagte sie zu Cuddie, als sie an seinem Halse hing. »Froh und stolz, betrübt und gedemüthigt bin ich zugleich, daß ich mein Kind hingehen sehe, vor dem hohen Rath Zeugniß abzulegen mit dem Munde, wie er mit seiner Waffe that im Felde.«

»Still, still, Mutter!« rief Cuddie ungeduldig. »Ihr thörichtes Weib, ist jetzt die Zeit von solchen Dingen zu reden? Ich sag' Euch, ich werde nicht Zeugniß ablegen, weder so, noch so. Ich hab' mit Herrn Pfundtext gesprochen, und will die Erklärung annehmen, wie sie das Ding nennen, und so gehen wir frei aus, – er hat sich und seinen Leuten das Leben gerettet, und das ist ein Geistlicher aus dem Fundament. Ich mag keine von Euren Predigten, die sich mit einem Psalm auf dem »Grasmarkt« endigen.«

»O Cuddie,« rief die alte Mause, wankend im Wunsche, die Seele oder den Leib ihres Sohnes zu retten, »es wird mir weh thun, wenn sie dir ein Leides zufügen. Aber bedenke, liebes Kind, du hast gekämpft für den Glauben, laß dich nicht abziehen vom schönen Kampfe des Glaubens wegen der Furcht, das Irdische zu verlieren.«

»So schweigt doch, Mutter,« erwiderte Cuddie; »ich hab' schon genug gekämpft und jetzt hab' ich's dick; hab' mich lange genug mit allen Waffen herumgeschlagen, mit Musketen, Pistolen, Panzern und Büffelwämsern, aber den Pflug hab' ich doch lieber. Ich weiß gar nicht, warum Einer fechten soll, wenn er nicht zornig ist, es sei denn, wenn man ihm droht, gehangen zu werden, wenn, er ausreißt.«

»Aber mein lieber Cuddie,« fuhr die beharrliche Mause fort, »dein bräutlich Gewand. – O Kind, beflecke nicht dein Hochzeitkleid!«

»So geht doch, Mutter!« erwiderte Cuddie, »seht Ihr denn nicht, daß die Leute auf mich warten? – Fürchtet nichts für mich, ich weiß die Geschichte schon besser anzufassen als Ihr. – Ihr schwatzt da von Hochzeit, und es handelt sich doch jetzt darum, wie man dem Galgen entrinnt.«

Mit diesen Worten riß er sich aus den Armen seiner Mutter und bat die Soldaten, die ihn bewachen sollten, ihn sogleich an den Ort zu führen, wo die Untersuchung stattfinden sollte. Claverhouse und Morton waren schon voraus.


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