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Siebentes Kapitel.

Zum Teufel auch, mag er ein Puritaner oder sonst
was sein – ein Achselträger ist er gewiß.

Was Ihr wollt.

 

Es war Abend, als Herr Heinrich Morton eine alte Frau erblickte, die, in einen bunten Plaid (schottisches Manteltuch) gehüllt, und gestützt aus einen stämmigen Burschen mit beschränkter Miene und in einem grauen Rocke, sich dem Hause von Milnwood näherte. Die alte Mause machte ihre Verneigung und Verbeugung, aber Cuddie trat vor, den jungen Morton anzureden.

Er hatte mit seiner Mutter vorher abgemacht, daß sie es ihm überlassen solle, die Sachen zu ordnen; denn obgleich er gern seine Einfältigkeit gestand und gewöhnlich seiner Mutter Leitung folgte, sagte er doch diesmal: um einen Dienst zu bekommen, oder sich durch die Welt zu schaffen, habe er viel mehr Verstand, als sie, obgleich sie über alle Dinge wie ein Pfaffe predigen könne.

Demnach eröffnete er das Gespräch mit dem jungen Morton:

»Eine schöne Nacht für's Getreide, werther Herr; die westlichen Felder werden heuer gut gedeihen.«

»Ohne Zweifel, Cuddie; aber was bringt denn Eure Mutter, – es ist doch Eure Mutter?« (Cuddie nickte.) »Was kann sie und Euch so spät zu uns herübergebracht haben?«

»Je, Herr, was die alten Weiber immer in Bewegung bringt – die liebe Noth, Herr, – ich suche einen Dienst, Herr!«

»Einen Dienst, Cuddie, und in dieser Jahreszeit? Wie kommt das?«

Mause konnte sich nun nicht länger halten. Gleich stolz auf ihre Sache wie auf ihre Leiden, begann sie mit erheuchelter Demuth: »Es hat Gott gefallen, edler Herr, uns mit einer Prüfung heimzusuchen.«

»Plagt Euch der Teufel?« flüsterte Cuddie seiner Mutter zu. »Wenn Ihr wieder Eure Whiggeschichten auskramt, dann wird man uns keine Thüre öffnen im ganzen Lande.« Darauf wandte er sich laut zu Morton:

»Meine Mutter ist alt und hat sich ein wenig vergessen, als sie mit unserer Lady sprach, und die kann keinen Widerspruch vertragen – und Niemand hat's gern, der nicht muß – besonders von ihren eigenen Leuten, und Herr Harrison, der Verwalter, und Gudyill, der Kellermeister, sind uns nicht gewogen, und in Rom läßt sich's nicht gut mit dem Papste streiten, – so dacht' ich denn, besser ist's, du gehest fort, ehe die Sache noch schlimmer wird, und da sind ein Paar Zeilen von Eurem Freund, die Euch mehr sagen werden.«

Morton nahm das Billet; und vor Freude und Entzücken bis über die Ohren erröthend, las er folgende Worte:

»Wenn Ihr für diese armen, hülflosen Leute Etwas thun könntet, würdet Ihr verbinden E. B.«

Erst nach einigen Minuten gewann er Fassung genug, zu fragen: »Und was wollt Ihr, Cuddie, und wie kann ich Euch nützlich sein?«

»Arbeit, Herr, Arbeit und einen Dienst wünscht' ich gern, ein wenig Obdach für meine Mutter und mich. An Hausgeräth fehlt's uns nicht, wenn wir nur einen Karren hätten, es herbeizubringen. Milch, Mehl und Gemüse genug; denn zur Essenzeit bin ich rasch dabei, und meine Mutter nicht minder, Gott erhalte ihren Appetit, – und was den Lohn und das Uebrige betrifft, so überlass' ich das Euch und dem Laird. Ich weiß, Ihr laßt einen armen Burschen nicht zu kurz kommen, wenn Ihr könnt.«

Morton schüttelte den Kopf. »Speise und Wohnung, Cuddie, glaub' ich Euch versprechen zu können, aber mit dem Lohne wird's hart gehen.«

»Lieber lass' ich's darauf ankommen, als hinab nach Hamilton zu gehen, oder noch weiter.«

»Gut, Cuddie! Geh' in die Küche; ich will sehen, was ich für Euch thun kann.«

Die Unterhandlung war nicht ohne Schwierigkeiten. Morton mußte zuerst die Haushälterin gewinnen, die, wie gewöhnlich, tausenderlei einzuwenden hatte, und zwar lediglich um das Vergnügen zu haben, um Hülfe ersucht und angefleht zu werden; als sie aber gewonnen war, hielt es verhältnißmäßig leicht, daß auch der alte Milnwood sich bewegen ließ, einen Knecht anzunehmen, dessen Lohn er selbst bestimmen könnte.

Ein Nebengebäude ward demnach der alten Mause und ihrem Sohne zur Wohnung angewiesen, und die Verfügung getroffen, daß sie einstweilen und bis sie sich völlig eingerichtet hatten, an der spärlichen Mahlzeit Theil nehmen sollten, die für die Hausgenossen bereitet ward. Morton selbst erschöpfte seine sehr geringe Baarschaft und machte Cuddie unter dem Namen von Hand- oder Angeld ein Geschenk, welches den Werth bekundete, den er aus die ihm mitgebrachte Empfehlung legte.

»So wären wir denn wieder einmal untergekommen,« sagte Cuddie zu seiner Mutter, »und wenn wir's auch nicht so gut und bequem haben, als dort, so kann man ja doch überall leben; hier find wir ja bei schmucken Leuten Eures Glaubens, die ordentlich in die Kirche gehen. Darüber wird's keinen Streit mehr absetzen, Mutter.«

»Von meinem Glauben, Kind? O, du bist gleich ihnen mit Blindheit geschlagen. O Cuddie, sie sind noch im Vorhofe der Heiden und werden nie weiter kommen; sie sind nur wenig besser, als die Prälatisten selber. Sie besuchen den Gottesdienst des verblendeten Peter Pfundtext, der einst ein herrlicher Verkündiger des Wortes war, jetzt aber ein abgefallener Priester ist, der um Lohn und Unterhalt den geraden Pfad verlassen und sich der schwarzen Indulgenz zugewandt hat. O mein Sohn, haben dir die heiligen Lehren des Evangeliums nichts genützt, die du im Thale von Bengonnar aus dem Munde des theuern Richard Rumbleberry, des lieblichen Jünglings, vernommen, der auf dem Grasmarkte zu Edinburgh vor Lichtmeß den Märtyrertod hat dulden müssen! Hast du ihn nicht sagen hören, daß Erastianismus eben so schlimm sei, als Prälatismus, und Indulgenz eben so schlimm, als Erastianismus?«

»Hat man je dergleichen gehört!« unterbrach Cuddie; »man wird uns bald wieder aus dem Hause jagen, und dann können wir sehen, wo wir bleiben. Ich habe nur noch ein Wort zu sagen, Mutter: wenn ich Euch noch ein Mal so schwatzen höre – vor den Leuten nämlich, denn ich schlafe bei Eurem Geschwätz nur ein, – aber hör' ich's nur ein Mal noch vor den Leuten, wie ich eben gesagt, daß Ihr von Pfundtext und Rumbleberry sprecht und von göttlichen Lehren und Gottlosen: so werd' ich Soldat, oder Unteroffizier, oder Hauptmann, und dann könnt Ihr und Rumbleberry zum Teufel gehen. Von seinen Lehren hab' ich noch nichts Gutes gehabt, als eine Kolik, da wir vier Stunden aus dem feuchten Moose sitzen mußten, und die Lady kurirte mich mit ihrer Quacksalberei; hätte sie aber gewußt, wie ich mir das Uebel an den Hals gezogen, sie wäre wahrlich nicht so flink damit bei der Hand gewesen.«

Obgleich über den verstockten und unbußfertigen Sinn ihres Sohnes Cuddie seufzend, wagte Mause doch nicht weiter in ihn zu dringen, noch die Warnung zu vernachlässigen, die er ihr gegeben. Sie kannte das Temperament ihres verstorbenen Mannes, dem dieses Pfand ihrer ehelichen Verbindung sehr ähnlich war, und erinnerte sich, daß er wohl in den meisten Dingen sich ihrem überlegenen Scharfsinne unterwarf, bei manchen Gelegenheiten jedoch einen Anfall von Hartnäckigkeit bekam, den weder Vorstellungen, noch Schmeicheleien und Drohungen überwältigen konnten. Schon zitternd bei der bloßen Möglichkeit, daß Cuddie seine Drohung erfüllen könne, bewachte sie ihre Zunge, und selbst wenn Pfundtext in ihrer Gegenwart als ein geschickter und fruchtbringender Prediger gelobt wurde, war sie klug genug, den Widerspruch, der ihr auf der Zunge bebte, zu unterdrücken, und ihre Gefühle nicht anders, denn durch Seufzer zu offenbaren, welche die Zuhörer in christlicher Milde so deuteten, als entstünden sie aus der Erinnerung an die rührendsten Stellen seiner Predigten. Wie lange sie ihre Gefühle hätte unterdrücken können, dürfte sehr schwer zu bestimmen sein. Ein unerwarteter Zufall befreite sie indessen von der Nothwendigkeit.

Der Laird von Milnwood hielt sehr auf alle alten Gebräuche, durch welche eine Ersparniß erzielt wurde. Daher war es in seinem Hause noch Sitte, wie fünfzig Jahre früher in ganz Schottland, daß die Dienstboten, nachdem sie das Essen aus den Tisch gestellt hatten, sich selbst an das untere Ende hinsetzten und in Gegenwart ihrer Herrschaft von den ihnen vorgesetzten Speisen genossen. Am Tage nach Cuddie's Ankunft, also am dritten nach dem Anfänge dieser Erzählung, setzte der alte Robin, welcher Kellermeister, Kammerdiener, Laufbote, Gärtner und Gott weiß, was Alles noch in Milnwoods Hause war, eine ungeheure Schüssel Brühe auf den Tisch, die mit Hafermehl und Grünkohl etwas verdickt war. Nur ein höchst genauer Beobachter konnte in diesem Suppenmeere zwei oder drei magere Hammelsrippchen herumsegeln sehen. Zwei ungeheure Körbe, der eine mit Brod von Gersten- und Erbsenmehl, der andere mit Haferkuchen gefüllt, standen auf beiden Seiten der Schüssel. Ein großer gesottener Lachs würde heut zu Tage eine reichlichere Haushaltung andeuten, aber damals wurden so viele Lachse in den größeren Flüssen Schottlands gefangen, daß sie die gewöhnliche Kost der Dienstboten ausmachten, die sich 's sogar einige Male ausbedungen haben sollen, keine so widerliche, magenverderbende Speise mehr als fünf Mal in der Woche essen zu müssen. Die große schwarze Kanne mit Dünnbier von Milnwoods eigenem Gebräu, so wie Haferkuchen und Brühe wurden den Dienstboten preisgegeben; aber das Hammelfleisch ward für die Familienhäupter, mit Einschluß der Frau Alison, aufbehalten, und eine Maaß Doppelbier, das allenfalls diesen Namen verdiente, wurde für sie zu ihrem ausschließlichen Gebrauche in einem silbernen Kruge seitwärts auf die Tafel gestellt. Ein gewaltiger Kebbock (d. h. ein Käse aus Schaf- und Kuhmilch) und ein Gefäß mit gesalzener Butter standen zu gemeinschaftlichem Gebrauche da.

Dieses köstliche Mahl einzunehmen, saß an der Spitze der Tafel der alte Laird selbst, seinen Neffen aus der einen, die liebe Haushälterin auf der anderen Seite. Nach einem breiten Zwischenraume und unterwärts des trennenden Salzfasses, saß der alte Robin, ein magerer, halbverhungerter Bedienter, den die Gicht krumm und lahm gemacht, eine schmutzige Hausmagd, welche die Gewohnheit gegen die leiblichen Uebungen abgehärtet hatte, denen sie unter den Händen ihres Herrn und der Frau Alison ausgesetzt war; ein Drescher, ein weißköpfiger Kuhjunge und Cuddie, der neue Ackerknecht, mit seiner Mutter, machten die Gesellschaft voll. Die andern Arbeiter, die zu dem Gute gehörten, wohnten in ihren eigenen Häusern, und wenn ihr Mahl auch nicht delikater war, als das eben beschriebene, so waren sie doch wenigstens darin glücklich, daß sie sich satt essen konnten, ohne von den scharfen, neidischen grauen Augen Milnwoods bewacht zu werden, welche genau zu messen schienen, wie viel jeder seiner Untergebenen verzehrte, so daß seine Blicke jeden Bissen auf dem Wege von dem Munde bis zum Magen zu begleiten schienen. Diese strenge Aufsicht fiel gar nicht zu Gunsten Cuddie's aus, der in der Meinung seines Herrn viel verlor durch die Stille und Schnelligkeit, womit er jedes Mal die Speisen verschwinden ließ. Daher wandten sich denn seine unwilligen Blicke von dem ungeheuern Fresser zu seinem Neffen, dessen Widerwille gegen ländliche Arbeit einen Ackerknecht nöthig gemacht, und auf dessen unmittelbare Veranlassung er diesen Vielfraß gedungen hatte.

»Dir noch einen Lohn geben!« sagte Milnwood zu sich selbst. – »Du wirst in einer Woche mehr fressen, als du in einem Monate verdienen kannst.«

Dieses Gemurmel ward durch ein lautes Klopfen am Hofthore unterbrochen. Es war allgemeine Sitte in Schottland, daß, wenn die Familie bei Tisch war, das Hofthor oder in Ermangelung desselben, die Hausthüre selbst verschlossen und verriegelt wurde; nur Gäste von Wichtigkeit oder Personen in dringenden Geschäften suchten und erhielten um diese Zeit Einlaß. Die Familie von Milnwood war also überrascht, ja in Erwägung der Zeitumstände sogar bestürzt über dieses wiederholte dringende Pochen. Frau Alison eilte in Person zur Thüre, und nachdem sie die mit so viel Lärmen Einlaß Begehrenden durch eine geheime Oeffnung betrachtet, womit die meisten Thüren in Schottland zu diesem Behufe versehen waren, kehrte sie händeringend zurück und rief in großer Bestürzung: »Die Rothröcke! Die Rothröcke!«

»Robin, – Ackerknecht, – wie heißt Ihr denn? – Drescher, – Neffe Heinrich, – das Thor auf! das Thor auf!« rief der alte Milnwood, raffte die zwei oder drei silbernen Löffel, die am obern Ende des Tisches lagen, – die andern unter dem Salzfasse waren nur von Horn – zusammen und steckte sie schnell in die Tasche. »Sprecht höflich, Leute, – um Gottes Willen, sprecht höflich, – sie dulden keinen Widerstand, – wir werden sonst ausgeplündert, – rein ausgeplündert!«

Während die Dienstboten die Soldaten hereinließen, die durch Flüche und Drohungen bereits ihren Zorn über die Säumniß kund gaben, ergriff Cuddie die Gelegenheit, seiner Mutter zuzuflüstern: »Nun, altes Weib, macht Euch 'mal selbst taub, – habt Ihr uns doch sonst oft genug taub gemacht, – und laßt mich für Euch sprechen. Ich habe nicht Lust, mir den Hals brechen zu lassen wegen eines alten Weibes Geschwätz, auch wenn sie meine Mutter wäre.«

»O Kind, ich will ja schweigen, wenn's dir sonst schlimm gehen könnte,« flüsterte ihm Mause zur Antwort; »aber bedenke, mein Sohn, diejenigen, so das Wort verläugnen, die wird das Wort wieder verläugnen.« – Ihre Ermahnung wurde rasch abgebrochen durch den Eintritt von vier Leibgardisten unter Bothwells Befehl.

Mit den großen Hufeisen unter ihren großen Reitstiefeln machten sie ein furchtbares Getöse auf dem steinernen Estrich. Milnwood und seine Haushälterin zitterten aus wohlbegründeter Furcht vor dem Erpressungs- und Plünderungssystem, womit solche Haussuchungen verbunden waren. Heinrich Morton aber hatte noch triftigere Gründe, bestürzt zu sein; denn er erinnerte sich, daß er wegen der Beherbergung Burley's dem Gesetze verfallen war. Die Wittwe Mause Headrigg, zwischen Furcht für ihres Sohnes Leben und einem überspannten Glaubenseifer schwankend, der ihr Vorwürfe machte, daß sie eingewilligt, auch nur schweigend ihre Glaubensmeinung zu verläugnen, war in sonderbarer Verlegenheit. Die andern Diener bebten, ohne zu wissen, warum. Cuddie allein fuhr fort, mit dem Blicke völliger Gleichgültigkeit und Dummheit, den ein schottischer Bauer zuweilen als eine Maske für ungemeine Schlauheit und List zu gebrauchen weiß, große Löffel voll Brühe hinunter zu schlucken, und indem er die damit gefüllte Schüssel in den Bereich seiner Wirkungskraft geschoben, verhalf er sich bei der allgemeinen Verwirrung zu einer siebenfachen Portion.

»Was steht euch zu Diensten, meine Herren?« sagte Milnwood, sich vor den Trabanten der Gewalt tief verbeugend.

»Wir kommen im Namen des Königs,« antwortete Bothwell; »warum, zum Teufel, habt Ihr uns so lange am Thore warten lassen?«

»Wir waren bei Tische,« antwortete Milnwood, »und das Thor war verschlossen, wie es hier auf dem Lande gebräuchlich ist. Gewiß, meine Herren, hätte ich gewußt, daß Diener unseres guten Königs vor dem Thor ständen – aber ist euch nicht Bier – oder Branntwein – oder ein Glas Canariensekt – oder Claret gefällig?« Er machte zwischen jedem Anerbieten eine so lange Pause, wie ein genauer Ausrufer bei einer Versteigerung, der nur zaudernd sein Angebot auf einen Lieblingsgegenstand erhöht.

»Für mich Claret!« rief der Eine.

»Mir lieber Bier,« sagte der Andere,« wenn's nämlich ein ächter Gerstensaft ist.«

»Besserer ist nie gebraut worden,« sagte Milnwood; »den Claret kann ich nicht so loben; der ist dünn und matt, meine Herren.«

»Dafür ist Branntwein gut,« sagte ein Dritter; »ein Glas Branntwein auf drei Gläser Wein verhindert das Magenknurren.«

»Branntwein, Bier, Wein, Sekt, Claret, – wir wollen Alles probiren,« sagte Bothwell, »und was am besten schmeckt, dabei bleiben wir. Darin ist Menschenverstand, und wenn's der verdammteste Whig in ganz Schottland gesagt hätte.«

Hastig, doch mit einem widerstrebenden Zucken seiner Muskeln, langte Milnwood zwei schwere Schlüssel hervor und gab sie der Haushälterin.

»Die Haushälterin,« sagte Bothwell, indem er einen Stuhl herbeizog und sich darauf warf, »ist weder so jung, noch so hübsch, um Jemand in Versuchung zu bringen, ihr in den Keller zu folgen, und da ist auch beim Teufel kein anderes Gesicht, das man statt ihrer schicken könnte. – Was ist das? – Fleisch?« (er suchte mit der Gabel in der Brühe und fischte eine Hammelskotelette auf). – »Ich glaube, ich könnte ein wenig essen – es ist so zähe, als wenn's des Teufels Großmutter ausgeheckt hätte.«

»Wenn etwas Besseres im Hause ist, Herr,« – sagte Milnwood, über diese Symptome von Unzufriedenheit beunruhigt.

»Nein, nein,« sagte Bothwell, »'s ist nicht der Mühe werth. – Ich muß zur Sache. – Ihr besucht Pfundtext, den presbyterianischen Pfarrer, Herr Milnwood, nicht wahr?«

Herr Milnwood eilte zu bekennen und sich zu entschuldigen: »Durch die Indulgenz seiner gnädigen Majestät; denn ich möchte durchaus nichts gegen das Gesetz thun; – ich habe gar nichts gegen die Einführung eines gemäßigten Episkopats; allein ich bin auf dem Lande großgezogen, und die Geistlichen hier sind schlichtere Leute; ich kann also ihrer Lehre besser folgen, und mit Verlaub, mein Herr, es ist keine so kostspielige Einrichtung für's Land.«

»Gut, das geht mich nichts an,« sagte Bothwell; »es ist Ihnen erlaubt, und damit Punktum; aber hätt' ich Gesetze zu geben, mir sollte kein stutzöhriger Hund von diesem Pack auf einer schottischen Kanzel bellen. Indessen, ich muß meinen Befehlen gehorchen. – Sieh, da kommt ja was zu trinken! Nur hingesetzt, gute Alte.«

Er füllte mit einer halben Flasche Claret einen hölzernen Becher und leerte ihn auf einen Zug. »Ihr habt Eurem guten Weine Unrecht gethan, mein Freund; – er ist besser, als Euer Branntwein, obwohl auch dieser gut ist. Wollt Ihr mir auf des Königs Gesundheit Bescheid thun?«

»Mit Vergnügen,« sagte Milnwood, »in Bier – ich trinke nie Claret; ich halte nur ein wenig für liebe Freunde.«

»Wie ich vermuthlich,« sagte Bothwell, und schob dann Heinrich mit den Worten die Flasche hin: »Hier, junger Mann, trinkt auf des Königs Gesundheit!«

Schweigend füllte Heinrich ein mäßiges Glas, ohne auf die Winke und Stöße zu achten, durch die sein Onkel ihm zu verstehen gab, daß er, so wie er, das Bier dem Weine hätte vorziehen sollen.

»Gut,« sagte Bothwell, »habt ihr Alle die Gesundheit getrunken? – Wer ist das Weib dort? Gebt ihr ein Glas Branntwein; sie soll des Königs Gesundheit trinken!«

»Mit Ew. Gestrengen Erlaubniß,« sagte Cuddie mit einem höchst einfältigen Gesichte, »das ist meine Mutter, Herr. Sie ist stocktaub; aber mit Ew. Gestrengen Erlaubniß bin ich bereit, für sie des Königs Gesundheit zu trinken, und zwar so viel Gläser Branntwein, als Ihr für nöthig findet.«

»Darauf wollt' ich schwören,« antwortete Bothwell. »Ihr seht just aus, wie Einer, der's mit dem Branntwein hält. Greif zu, Junge! Alles ist frei, wohin ich komme. Tom, gib auch der Magd einen rechtschaffenen Schluck, wenn sie auch schmutzig genug aussieht. Füllt doch noch ein Mal – auf's Wohl unseres Befehlshabers, des Obersten Grahame von Claverhouse! – Was zum Teufel krächzt denn die Alte? Sie sieht wahrhaftig so verstockt darein, wie der ärgste Whig auf dem Berge. – Entsagt Ihr dem Covenant, gutes Weib?«

»Welchen Covenant meinen Ew. Gnaden? Den Covenant der Werke, oder den Covenant der Gnade?« fiel Cuddie ein.

»Jeden Covenant; alle Covenants, die je ausgeheckt worden,« antwortete der Soldat.

»Mutter,« schrie Cuddie, sich stellend, als ob er mit einer tauben Person spräche, »der Herr wünscht zu wissen, ob Ihr dem Covenant der Werke entsagt?«

»Von ganzem Herzen, Cuddie,« sagte Mause, »und ich bete, daß meine Füße von dieser Schlinge erlöst werden mögen.«

»Nun,« sagte Bothwell, »die alte Frau hat sich freimüthiger herausgeholfen, als ich dachte. Noch ein Glas in der Runde, und dann zur Sache! – Vermuthlich habt ihr Alle von dem am Erzbischof von St. Andrews begangenen Morde gehört, der von zehn oder eilf Fanatikern grausam und barbarisch ausgeführt wurde?«

Alle erschraken und sahen einander an; endlich antwortete Milnwood selbst, sie hätten zwar von einem solchen Unglück gehört, indessen gehofft, es sei nicht wahr.

»Hier ist der Bericht davon, den die Regierung bekannt gemacht; was denkt Ihr davon, alter Herr?«

»Was ich davon denke? – Wa – wa – was dem Staatsrath beliebt,« stotterte Milnwood.

»Ich wünschte Eure Meinung genauer zu wissen, mein Freund,« sagte der Dragoner gebieterisch.

Milnwoods Augen durchflogen schnell das Papier, um den heftigsten Tadel herauszulesen, womit es überflüssig versehen war, und die zum Vortheil des Lesers mit gesperrter Schrift gedruckt waren.

»Ich halte es für einen – blutigen und abscheulichen – Mord und Todtschlag – erdacht von höllischer, unversöhnlicher Grausamkeit – höchst verabscheuungswerth und eine Schmach für's ganze Land.«

»Gut gesprochen, alter Herr!« sprach der Frager. »Das bring' ich Euch und wünsche, daß Euch Eure guten Grundsätze gut bekommen. Ihr seid mir ein Glas schuldig, das ich für Euch gelehrt; nun, du sollst mir Bescheid thun mit deinem eigenen Sekt, – kein saures Bier für einen loyalen Magen! – Jetzt kommt die Reihe an Euch, junger Mann, was haltet Ihr von der Sache?«

»Ich würde nicht anstehen, Euch zu antworten, wenn ich wüßte, was Euch zur Frage berechtigt,« sagte Heinrich.

»Gott sei uns gnädig!« rief die alte Haushälterin; »so was einen Soldaten zu fragen, wo Jedermann weiß, daß sie im ganzen Lande thun, was sie wollen, mit Mann und Weib, mit Vieh und Menschen.«

Der alte Herr, ebenfalls erschreckt über seines Neffen Keckheit, rief: »Seid doch still, oder antwortet dem Herrn mit Bescheidenheit. Wollt Ihr des Königs Ansehen verhöhnen in der Person eines Sergeanten der Leibgarde?«

»Still, Alle!« rief Bothwell, und schlug heftig die Hand auf den Tisch. – »Still, Jeder von euch, und hört mich an! – Ihr fragt nach meinem Rechte, Euch zu fragen, Herr (zu Heinrich); meine Kokarde und mein Säbel sind meine Bestallung, und eine viel bessere, als je der alte Cromwell seinen Rundköpfen gab; und wünscht Ihr mehr darüber zu erfahren, so könnt Ihr nach dem Befehle des Staatsraths sehen, der Seiner Majestät Offiziere und Soldaten ermächtigt, verdächtige Personen aufzusuchen, zu verhören und gefangen zu nehmen; und deshalb frag' ich Euch noch ein Mal, was ist Eure Meinung über den Tod des Erzbischofs Sharpe? – Das ist ein neuer Probirstein, an welchem wir das Metall der Leute prüfen.«

Heinrich hatte inzwischen bedacht, wie nutzlos er seine Familie der Gefahr aussetzen würde, wenn er der tyrannischen Gewalt widerstrebte, die in solchen rohen Händen war; darum überlas er die Erzählung und erwiderte gelassen: »Ich nehme keinen Anstand zu sagen, daß diese Mörder eine unbesonnene, böse That vollbracht, die ich um so mehr bedauere, da ich voraussehe, daß sie einen Vorwand veranlassen wird, gegen Viele gewaltsam zu verfahren, die eben so unschuldig an der That sind, als entfernt, dieselbe zu billigen.«

Während Heinrich dies sprach, blickte ihn Bothwell scharf an und schien sich plötzlich seiner Züge zu erinnern.

»Aha, mein Freund Papageienhauptmann, mich däucht, ich hätte Euch schon früher ein Mal gesehen, und in sehr verdächtiger Gesellschaft.«

»Ich habe Euch gesehen,« antwortete Heinrich, »im Wirthshause des Städtchens –«

»Und mit wem verließt Ihr das Wirthshaus, Junkerchen? – Nicht wahr, mit John Balfour von Bourley, einem der Mörder des Erzbischofs?«

»Ich habe das Wirthshaus mit der von Euch genannten Person verlassen,« antwortete Heinrich; »ich läugne es nicht. Aber ich wußte eben so wenig, daß er ein Mörder des Primaten sei, als ich überhaupt wußte, daß ein solches Verbrechen begangen wurde.«

»Daß sich Gott erbarme! Ich bin verloren! – Verloren und vernichtet!« schrie Milnwood. »Der Junge wird sich noch den Kopf vom Hals reden, und mich um Hab und Gut bringen, bis auf den grauen Rock, den ich auf dem Leibe trage.«

»Aber,« fuhr Bothwell zu Heinrich fort, ohne auf des Oheims Unterbrechung zu achten, »aber Ihr wußtet doch, daß Burley ein geächteter Rebell und Verräther ist, und kennt ja das Verbot, mit solchen Leuten zu verkehren. Ihr wußtet, daß es Euch als einem treuen Unterthanen verboten war, irgend eine Gemeinschaft mit diesem Verräther zu haben, weder mündlich noch schriftlich, noch durch einen Boten, oder ihn mit Speise, Trank, Wohnung, Herberge und Lebensmitteln zu versehen, – Ihr wußtet dies Alles, und doch habt Ihr das Gesetz gebrochen.« (Heinrich schwieg.) »Wo habt Ihr Euch von ihm getrennt?« fuhr Bothwell fort, auf der Landstraße, oder habt Ihr ihn gar in diesem Hause beherbergt?«

»In diesem Hause?« sagte der Oheim; »so lieb ihm sein Leben, er hätte es nicht gewagt, einen Verräther in mein Haus zu bringen.«

»Wagt er es zu läugnen?« sagte Bothwell.

»Da Ihr mir's als ein Verbrechen auslegt,« sagte Heinrich, »würdet Ihr mir's verdenken, wenn ich Etwas sagte, das mich anklagen könnte.«

»O die Güter von Milnwood! – Die schönen Güter von Milnwood! Zweihundert Jahre haben sie den Mortons angehört,« rief der Oheim; »das soll nun Alles fort, Felder, Wiesen, Holzung, Alles, Alles!«

»Nein, Oheim,« sagte Heinrich; »Ihr sollt meinetwillen nicht leiden. – Ich gestehe,« fuhr er gegen Bothwell gewendet fort, »ich habe diesem Manne, dem alten Kriegsgefährten meines Vaters, eine Nachtherberge gegeben. Aber dies geschah ohne meines Oheims Wissen, ja, sogar gegen seinen ausdrücklichen Befehl. Wenn mein Zeugniß gegen mich gültig ist, wird es doch hoffentlich einiges Gewicht haben, meines Oheims Unschuld zu beweisen.«

»Hört, junger Mann,« sagte der Soldat in etwas milderem Tone, »Ihr seid ein trefflicher Bursche, und es thut mir leid um Euch, und Euer Oheim da ist ein guter Herr, freundlicher gegen seine Gäste, als gegen sich selbst; denn uns gibt er Wein, und er trinkt sein eigenes, dünnes Bier, – sagt mir Alles, was Ihr von diesem Burley wißt, was er sagte, als er sich von Euch trennte, wohin er ging, und wo er jetzt wohl zu finden ist – ich will dann ein Auge zudrücken, soweit es meine Pflicht erlaubt. Es sind tausend Mark auf des Mörders Kopf gesetzt – und man könnte leicht – nun, heraus damit – wo habt Ihr ihn verlassen?«

»Ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich diese Frage nicht beantworte, Sir,« sagte Morton. »Dieselben dringenden Gründe, die mich veranlaßten, ihm mit großer Gefahr für mich und meine Freunde Obdach zu gewähren, würden mir gebieten, sein Geheimniß zu ehren, wenn er mir wirklich eins anvertraut hätte.«

»So wollt Ihr mir also keine Antwort geben?« sagte Bothwell.

»Ich habe keine zu geben,« entgegnete Heinrich.

»Vielleicht könnt' ich Euch lehren, eine zu finden, wenn ich Euch brennenden Schwefelfaden zwischen Eure Finger bände,« antwortete Bothwell.

»O um des Himmels Willen, Sir!« sagte die alte Alison bei Seite zu ihrem Herrn; »gebt ihnen Geld – sie suchen nur Geld – sie ermorden den Herrn Heinrich, und dann Euch selbst!«

Milnwood seufzte vor Verlegenheit und Seelenangst, und rief in einem Tone, als wollte er seinen Geist aufgeben: »Wenn zwanzig Pf – Pf – Pfund der Geschichte ein Ende machen könnten –«

»Mein Herr,« wandte sich Alison schmeichelnd zu dem Sergeanten – »würde Euch zwanzig Pfund Sterling geben.«

»Pfund schottisch, du –« unterbrach sie Milnwood; denn sein Geiz überwältigte jetzt seine puritanische Genauigkeit und die Achtung, die er sonst gegen seine Haushälterin hegte.

»Pfund Sterling,« fuhr nichtsdestoweniger die Haushälterin fort, wenn Ihr die Güte haben wolltet, wegen des jungen Menschen Fehler durch die Finger zu sehen; der läßt sich in Stücken reißen, und Ihr bringt doch kein Wort aus ihm heraus, und es würde Euch wenig helfen, wenn Ihr seine hübschen Finger verbrennen wolltet.«

»Nun,« sprach Bothwell unschlüssig, »ich weiß nicht – die Meisten meines Standes würden das Geld nehmen, und den Gefangenen obendrein; aber ich hab' ein Gewissen, und wenn Euer Herr sein Gewissen halten, und sich verbürgen will, seinen Neffen zu stellen, und wenn Jeder im Hause den Testeid schwören will, so ist's möglich – –«

»O ja, ja, Herr,« schrie Frau Alison, »jeden Eid, jeden Eid, den Ihr wollt!« dann leise zu ihrem Herrn: »holt doch schnell das Geld, sie stecken Euch sonst das Haus über dem Kopfe an.«

Der alte Milnwood warf einen schmerzlichen Blick auf seine Rathgeberin und bewegte sich langsam von dannen, wie ein holländisches Uhrwerk, um seinen gefangenen Goldfüchsen in dieser furchtbaren Noth die Freiheit zu geben. Inzwischen begann der Sergeant Bothwell den Testeid mit solcher Feierlichkeit abzunehmen, wie man sie heut zu Tage nur in Seiner Majestät Zollhäusern erwarten kann.

»Ihr – wie ist Euer Name, Frau?«

»Alison Wilson, Herr!«

»Ihr Alison Wilson, schwört feierlich, bekräftigt und erklärt, daß Ihr es für die Unterthanen unerlaubt haltet, unter dem Vorwande einer Reformation, oder unter sonst einem andern Vorwande sich in Bündnisse und Covenants einzulassen –«

Hier wurde die Ceremonie durch einen Streit zwischen Cuddie und seiner Mutter unterbrochen, der lange flüsternd geführt, jetzt aber laut wurde.

»O still, Mutter, still, sie haben dort was vor. Still, es wird schon gehn.«

»Ich will nicht still sein, Cuddie,« erwiderte seine Mutter. »Ich will meine Stimme erheben, und nicht schonen. – Ich will beschämen den Mann der Sünde, selbst den im Scharlachgewande, und durch meine Stimme soll Herr Heinrich befreit werden von der Schlinge des Vogelstellers.«

»Jetzt ist das Rad im Gange,« sagte Cuddie, »wer kann's noch halten? – Ich sehe sie schon hinter einem Dragoner auf dem Wege in's Gefängniß, mich selbst unter einem Pferdebauch gebunden. Ja, sie hat ihre Rede schon fertig. Und da – nun kommt's 'raus, und wir sind verloren mit Mann und Maus.«

»Und Ihr wollt herkommen,« sagte Mause, und schüttelte ihre welke Hand, während die scharfen Züge ihres runzlichten Gesichtes durch den heiligen Zorn sich belebten; denn bei der bloßen Erwähnung des Testeides vergaß sie alle Klugheit und Cuddie's Ermahnungen, – »kommt Ihr her mit Euren seelentödtenden, Heilige verführenden, Gewissen verwirrenden Eiden und Banden – mit Euren Schlingen und Fallstricken? – Doch umsonst spannt Ihr aus das Netz vor dem Angesicht des Vogels.«

»Ei was, Alte?« sagte der Soldat. »Seht das Wunder, das alte Weib hat mit einem Male Zungen und Ohren wieder bekommen, und nun ist die Reihe an uns, taub zu werden. – Seid still, Weib, und bedenkt, mit wem Ihr sprecht!«

»Mit wem ich spreche? Ach, das weiß das gedrückte Land nur allzu gut. Gottlose Anhänger der Prälaten seid ihr, elende Stützen einer schwachen, zerbrechlichen Sache, blutdürstige Raubthiere und eine wahre Last auf Erden.«

»Meiner Seele!« sagte Bothwell erstaunt, wie ein Bullenbeißer, wenn ihm ein Rebhuhn zur Vertheidigung seiner Jungen um den Kopf fliegt, – »das ist das Prächtigste, was ich noch je gehört! Habt Ihr noch Etwas von dieser Art?«

»Noch Etwas?« sagte Mause, und nachdem sie ihre Stimme durch Räuspern gereinigt: »Ich will Zeugniß ablegen gegen euch ein Mal für alle Mal. – Philister seid ihr, und Edomiter – Leoparden seid ihr, und Füchse – Nachtwölfe, die bis zur Morgendämmerung Gebeine nagen – elende Hunde, so die Auserwählten umkreisen – stoßende Kühe und tolle Stiere von Basan – stechende Schlangen seid ihr, dem Namen und Wesen nach verwandt mit dem großen rothen Drachen: Offenb. Johannis Kap. 12. Vers 3 und 4.« Hier hielt die alte Frau inne, mehr um Athem, als Stoff zu holen.

»Die verdammte alte Hexe!« sagte einer von den Dragonern; »packt sie, und in's Hauptquartier mit ihr!«

»Pfui, Andrews,« sagte Bothwell; »bedenke, die gute Alte gehört zum schönen Geschlecht und bedient sich blos des Vorrechts ihrer Zunge. – Aber hört, Weib, nicht jeder Stier von Basan und jeder rothe Drache wird so höflich sein, als ich, oder sich begnügen, Euch dem Constabel und dem Tauchstuhl zu überlassen. Inzwischen bin ich genöthigt, diesen jungen Mann in's Hauptquartier zu bringen. Ich kann es gegen meinen Officier nicht verantworten, ihn in einem Hause zu lassen, wo ich so viel Verrätherei und Fanatismus vernommen.«

»Jetzt seht 'mal, was Ihr angerichtet, Mutter,« flüsterte Cuddie; »da sind nun die Philister, wie Ihr sie nennt, und führen den Herrn Heinrich weg. Der Teufel hol' Euer vermaledeites Geschwätz!«

»Halt's Maul, feiger Lümmel!« sagte die Mutter, »und tadle mich nicht; wenn du und diese einfältigen Fresser, die da stehen und gaffen, wie die Kühe, die vom Klee bersten, Zeugniß abgelegt hätten mit den Händen, wie ich mit der Zunge, so würden sie nimmermehr den jungen lieben Herrn in's Gefängniß schleppen.«

Während dieses Gespräches hatten die Soldaten bereits den Gefangenen gebunden und sich desselben versichert. In diesem Augenblicke kehrte Milnwood zurück, und bestürzt über diese Zurüstungen eilte er, obgleich mit manchem schweren Seufzer, auf Bothwell zu, um ihm das Gold anzubieten, welches er zur Auslösung seines Neffen hervorholen mußte. Der Soldat nahm die Börse mit gleichgültiger Miene, wog sie in der Hand, warf sie in die Luft, fing sie wieder auf, und sagte den Kopf schüttelnd: »In diesem Neste gelber Goldfinken steckt manche lustige Nacht, aber hol' mich der Teufel, ich wag's doch nicht dafür! – Diese Vettel hat zu laut gesprochen, und vor allerlei Leuten. – Hört, alter Herr,« fuhr er zu Milnwood fort, »ich muß mit Eurem Neffen in's Hauptquartier, und kann also mit gutem Gewissen nicht mehr, als mein gebührendes Gratial nehmen.« Er öffnete die Börse, gab jedem Soldaten ein Goldstück, und nahm drei für sich selbst. »Jetzt,« sprach er, »habt Ihr den Trost zu wissen, daß Euer Neffe, der junge Papageienhauptmann, sorgsam und höflich behandelt werden wird, und das übrige Geld stell' ich Euch zurück.«

Milnwood streckte hastig seine Hand aus.

»Aber Ihr wißt,« sagte Bothwell, immer mit dem Beutel spielend, »jeder Gutsbesitzer ist verantwortlich für die Treue seiner Hausgenossen, und meine Leute sind nicht verbunden zu verschweigen, was sie für eine schöne Predigt von dem alten Weib im Tartan-Plaid gehört haben, und Ihr werdet einsehen, daß die Angabe davon Euch eine schwere Strafe von Seiten des Staatsraths zuziehen wird.«

»Lieber Herr Sergeant – würdiger Herr Kapitän!« rief der erschreckte Geizhals; »ich versichere Euch, in meinem Hause ist Keiner, der ein Aergerniß geben könnte.«

»Nun,« antwortete Bothwell, »Ihr sollt selbst ihr Zeugniß ablegen hören, wie sie es nennt. – Ihr, Bursche (zu Cuddie), tretet zurück und laßt Eure Mutter sprechen, wie ihr's um's Herz ist. Ich sehe, sie hat schon wieder frisch geladen.«

»Lord, edler Herr,« sagte Cuddie, »eine alte Weiberzunge ist doch nicht werth, daß man so viel Aufsehens davon macht. Mein Vater und ich haben uns nie viel um ihr Geträtsch bekümmert.«

»Schweig', Junge, rath' ich dir,« sagte Bothwell. »Ich glaube, du bist schlauer, als du aussehen willst. – Frisch, gute Frau; Euer Herr will nicht glauben, daß Ihr ein so prächtiges Zeugniß ablegen könnt.«

Mause's Eifer bedurfte keines solchen Spornes, um sich wieder in vollen Lauf zu setzen.

»Wehe den Willfährigen und fleischlichen Selbstsüchtigen,« sagte sie, »die ihr Gewissen betäuben, daß sie den schändlichen Erpressungen nachgeben, und den Mammon der Ungerechtigkeit hingeben den Söhnen Belials, daß sie Frieden mit ihm schließen! Es ist ein sündhaftes Nachgeben, ein schändlich Bündniß mit dem Widersacher! Es ist das Böse, so Menahem beging im Angesichte des Herrn, als er tausend Talente gab dem Phul, dem König von Assyrien, auf daß seine Hand mit ihm sei, zweites Buch der Könige, Kapitel fünfzehn, Vers neun. Es ist die Uebelthat Ahabs, als er Geld schickte dem Tiglat-Pileser – siehe dasselbe Buch im sechszehnten und achten. Und wenn es selbst dem frommen Hiskiah als ein Abfall angerechnet wurde, daß er dem Sancherib nachgab, und ihm Geld schickte, und sich erbot zu tragen, was ihm auferlegt würde – siehe abermals im zweiten Buch, im achtzehnten Kapitel, Vers vierzehn und fünfzehn – so ist's auch also mit Denen, welche in dieser abtrünnigen und widerspenstigen Zeit Steuern und Gebühren, Schatzungen und Geldbußen zahlen den gierigen und ungerechten Zöllnern, und Erpressungen und Belohnungen den gedungenen Pfaffen – faulen Hunden, die nicht bellen, sondern kauern und schnarchen – und Gaben spenden zur Hülfe und zum Lohne unserer Dränger und Unterdrücker. Sie sind Alle Denen gleich, so das Loos mit ihnen werfen; gleich Denen, so einen Tisch dem Soldaten, und einen Trunk der Menge anbieten.«

»Das ist eine schöne Lehre für Euch, Herr Morton! Wie gefällt's Euch?« sagte Bothwell; »wie glaubt Ihr, daß es dem Staatsrath gefallen wird? Ich denke, wir können das Meiste davon im Kopf behalten, ohne Bleistift und Schreibtafel zu gebrauchen, wie Ihr sie in Eure Konventikel mitbringt. Nicht wahr, Andrews, sie will keine Schatzung zahlen?«

»Ja, zum Henker!« sagte Andrews, »und sie schwur, es sei sündhaft, einem Soldaten einen Krug Bier zu geben, oder ihn an den Tisch zu lassen.«

»Da hört Ihr's,« sagte Bothwell zu Milnwood gewendet; »aber das ist Eure Sache,« und damit reichte er ihm gleichgültig den Beutel mit dem verminderten Inhalt zurück.

Milnwood, dessen Kopf durch das gehäufte Unglück wirbelte, streckte mechanisch seine Hand nach dem Beutel aus.

»Seid Ihr toll?« flüsterte ihm die Haushälterin zu; »sagt, daß sie ihn behalten, – sie thun's ja doch, so oder so, – das ist der einzige Weg, sie zu kirren.«

»Ich kann's nicht thun, Ailie – ich kann's nicht thun,« sagte Milnwood in der Bitterkeit seines Herzens. »Ich kann das Geld, das ich so oft gezählt, nicht den Schurken in den Rachen werfen.«

»So muß ich's selbst thun, Milnwood,« sagte die Haushälterin, »oder Alles geht drunter und drüber. – Mein Herr, Sir,« sagte sie zu Bothwell gewendet, »kann unmöglich Etwas aus der Hand eines so ehrenwerthen Herrn, wie Ihr seid, wieder zurücknehmen; er bittet Euch inständigst, das Geld einzustecken, und seinen Neffen mit so viel Güte zu behandeln, als Euch nur irgend möglich, und über unsere Gesinnung einen günstigen Bericht an die Regierung zu machen, und laßt uns kein Uebel geschehen wegen des albernen Geschwätzes dieser Alten – hier blickte sie grimmig auf Mause, um sich für den Zwang zu entschädigen, den es sie kostete, ein mildes Benehmen gegen die Soldaten zu zeigen – ein tolles Weib, ist erst seit gestern Nachmittag hier, soll aber nie wieder über die Schwelle kommen, wenn sie einmal hinaus ist.«

»Ja, ja,« sagte Cuddie, »ja, ja, so ist's! Ich wußte ja doch, daß wir uns bald wieder fortscheeren müssen, sobald Ihr nur drei Worte herausbringt. Ich wußte es wohl, das ist das Ende vom Liede, Mutter.«

»Still, mein Sohn,« sagte sie, »trage dein Kreuz mit Geduld – nicht wieder über die Schwelle? O daß ich sie nie überschritten hätte! hier ist kein Zeichen, daß der Würgengel vorübergehe. Sie werden schon fühlen den Schlag seiner Hand, die da so viel an die Creatur und so wenig an den Schöpfer denkt – so viel an weltlich Gut, und so wenig an den gebrochenen Bund – so viel an ein Paar nichtsnütziger Goldstücke, und so wenig an das reine Gold der Schrift – so viel an ihre eigenen Freunde und Verwandten, und so wenig an die Auserwählten, die da geprüft werden mit Plagen, Hetzen, Jagen, Suchen, Verfolgen, Fangen, Einkerkern, Foltern, Aechten, Köpfen, Hängen, Rädern und Viertheilen, nebst den Hunderten, die aus ihren Wohnungen in Wüsteneien, auf Berge, Moore und Haiden zu fliehen gezwungen sind, um dort das Wort zu hören, wie heimlich genossenes Brod.«

»Die gehört zum Covenant, Sergeant; sollen wir sie nicht mitnehmen?« sagte einer der Soldaten.

»Rappelt's bei dir?« sagte ihm Bothwell leise, »siehst du denn nicht, daß sie viel besser ist da, wo sie ist, so lange wir hier einen so achtbaren, freigebigen, goldspendenden Gutsbesitzer haben, wie der Herr Milnwood ist, der die Mittel besitzt, ihre Vergehungen mit Geld abzubüßen? Laß die Alte zu einem andern Nest fliegen, sie ist viel zu zähe, als daß sich irgend Etwas aus ihr machen ließe. Nun,« rief er, »noch ein Glas auf Milnwood und sein Haus; auf baldiges, frohes Wiedersehen! und damit wird's nicht lange anstehen, wenn er solch' fanatisches Volk bei sich behält.«

Er befahl hierauf seinen Leuten aufzusitzen, und nahm das beste Pferd aus Milnwood's Stall für des Königs Dienst, um den Gefangenen fortzuschaffen. Frau Wilson packte ein kleines Bündel für Heinrichs gezwungene Reise zusammen, und während sie geschäftig umherlief, erhaschte sie die Gelegenheit, ihm ungesehen von den Soldaten eine kleine Summe in die Hand zu stecken. Bothwell und seine Soldaten hingegen hielten ihr Versprechen und waren höflich. Sie banden den Gefangenen nicht, sondern begnügten sich sein Pferd in die Mitte zu nehmen.

Unter fröhlichem Gelächter ritten sie von dannen, und ließen die Familie Milnwood in großer Verwirrung zurück. Der alte Laird, durch den Verlust seines Neffen und die fruchtlose Aufopferung von zwanzig Pfund Sterling fast zu Boden gedrückt, wälzte sich den ganzen Abend in seinem großen Sorgensessel, und wiederholte stets dieselbe Klage: »Zu Grunde gerichtet, von allen Seiten zu Grunde gerichtet – Leib und Gut, Leib und Gut!«

Frau Alisons Schmerz ward gemildert durch den Strom von Schimpfworten, mit dem sie Mause und Cuddie von Milnwood vertrieb. »Dich soll das Unglück verfolgen. Der schmuckste Junge im ganzen Clydesdale kann vielleicht heut noch den Tod leiden, und das nur wegen Euch und Eures tollen Geschwätzes.«

»Geht nur,« erwiderte Mause; »ich sehe, Ihr seid noch in den Banden der Sünde, und in der Galle der Bosheit, da Ihr murrt, Euer Schönstes und Bestes hinzugeben für die Sache Dessen, der Euch Alles gegeben hat. – Ich versichere Euch, ich habe so viel für Herrn Heinrich gethan, als ich für meinen eigenen Sohn thun würde; denn wenn Cuddie würdig befunden würde, Zeugniß auf dem Richtplatz – –«

»Dazu habt Ihr Hoffnung genug,« sagte Alison, »wenn ihr euch Beide nicht eines Bessern besinnt.«

»Und wenn,« fuhr Mause fort, ohne die Unterbrechung zu beachten, »die blutigen Doegs und schmeichelnden Zephiten mich suchen sollten, um mich zu fangen, mit dem Versprechen, seiner zu schonen unter sündigen Bedingen, so würd' ich dennoch beharren in meinem Zeugnis gegen Papstthum, Prälatisten, Antinoministen, Erastianisten, Lapsarianisten, Sublapsarianisten, und gegen die Sünden und Fallstricke der Zeit – schreien würd' ich, wie ein Weib in Kindesnöthen, gegen die schwarze Indulgenz, so ein Stein des Anstoßes geworden für die Lehrer – ich würde meine Stimme erheben, wie ein gewaltiger Prediger.«

»Still, still, Mutter,« rief Cuddie, sie gewaltsam fortziehend; »macht die brave Frau nicht taub mit Eurem Zeugniß; Ihr habt genug gepredigt für sechs Tage. Ihr habt uns aus dem schönen Freihause und dem Kohlgarten gepredigt, und jetzt aus dem neuen Zufluchtsorte, ehe wir uns den Steiß d'rin wärmten; und Ihr habt den Herrn Heinrich in's Gefängniß hineingepredigt, und zwanzig Pfund aus des Lairds Tasche, von denen er sich doch nicht gern getrennt; d'rum könnt Ihr jetzt ein wenig inne halten, um mich nicht zwischen Himmel und Erde zu predigen. Kommt, kommt; die Familie hier hat genug von Eurem Zeugniß gehört, um es nicht so bald zu vergessen.«

Mit diesen Worten zog er Mausen fort, auf deren Zunge noch immer die Worte: Zeugniß, – Covenant, – Gottlose, – Indulgenz schwebten.

»Du tolles, aberwitziges Thier, das du bist!« rief die Haushälterin der Scheidenden nach; »hält sich für etwas Apartes, und bringt so viel Leid in eine stille, ruhige Familie! Wär' ich nicht wegen meiner Stellung zu vornehm dazu, ich hätte ihr die zehn Gebote in's Gesicht gezeichnet.«


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