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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

– Ich bin gebunden an den Bothwellberg,
Wo ich siegen oder sterben muß.

Alte Ballade.

 

Auf beiden Seiten trat jetzt eine Pause in den militärischen Bewegungen ein. Die Regierung schien zufrieden, die Rebellen von ihrem fernern Vordringen gegen die Hauptstadt abzuhalten, während die Insurgenten auf die Vermehrung ihrer Streitkräfte bedacht waren. Deßhalb errichteten sie in dem zum herzoglichen Wohnsitz in Hamilton gehörigen Parke eine Art von Lager. In diesem Mittelpunkte konnten sie die Neugeworbenen an sich ziehen, und waren gegen einen plötzlichen Ueberfall gesichert, da der Clyde, ein tiefer und reißender Fluß, ihre Fronte schützte, und nur vermittelst einer langen, schmalen Brücke nahe am Schloß und Dorf Bothwell zu passiren war.

Morton blieb hier ungefähr vierzehn Tage nach seinem Angriff auf Glasgow, ganz seinen militärischen Pflichten obliegend. Er hatte mehrmals Nachrichten von Burley erhalten; diese enthielten aber nur im Allgemeinen, daß sich das Schloß Tillietudlem immer noch halte. Ungeduldig über die Ungewißheit in einer für ihn so wichtigen Angelegenheit, theilte er endlich den übrigen Hauptleuten seinen Wunsch oder vielmehr seine Absicht mit, – denn er sah nicht ein, warum er sich nicht eben so gut wie die Uebrigen in diesem untergeordneten Heere eine Freiheit nehmen sollte – auf einige Tage nach Milnwood zu gehen, um einige wichtige Privatangelegenheiten zu ordnen. Der Vorschlag wurde durchaus nicht gebilligt; denn sie waren von der Wichtigkeit seiner Dienste zu sehr überzeugt, um nicht deren Verlust zu empfinden, und fühlten gar wohl ihre eigene Unfähigkeit, seinen Platz auszufüllen. Indessen konnten sie ihn keinem strengeren Gesetze unterwerfen, als die waren, denen sie selbst gehorchten, und er durfte also ohne ausdrücklichen Widerspruch abreisen. Der ehrwürdige Herr Pfundtext ergriff ebenfalls die Gelegenheit, seinen Wohnort in der Nachbarschaft von Milnwood heimzusuchen, und gönnte Milnwood seine Gesellschaft auf der Reise. Da die Gegend umher ihrer Sache geneigt und bis auf einige Ritterburgen von ihren Truppen besetzt war, so reisten sie ohne andere Begleitung, als die des treuen Cuddie.

Gegen Sonnenuntergang erreichten sie Milnwood, wo Pfundtext seinen Gefährten Lebewohl sagte, und allein nach seinem Pfarrhause weiter reiste, das eine halbe Meile über Tillietudlem hinaus lag. Als Morton seinen eigenen Gedanken überlassen war, mit welchen gemischten Empfindungen sah er die ihm so bekannten Wälder, Ufer und Gefilde wieder! Sein Charakter, seine Gewohnheiten, Gedanken und Beschäftigungen hatten sich in einem Zeitraume von wenig Wochen gänzlich verwandelt; ja, diese Zeit hatte mehr an ihm bewirkt, als viele Jahre. Ein sanfter, romantischer, weichgesinnter Jüngling, in Abhängigkeit erzogen und sich der Aussicht eines geizigen und tyrannischen Verwandten willig fügend, war plötzlich durch die Zuchtruthe der Unterdrückung und den Stachel verletzten Gefühls aufgereizt, der Anführer bewaffneter Schaaren zu werden, war in öffentliche Angelegenheiten ernstlich verwickelt, hatte Freunde zu ermuntern, Feinde zu bekämpfen, und fühlte sein eigenes Glück mit einem Volksaufstande und mit Empörung verknüpft. Er schien plötzlich aus den romantischen Träumen der Jugend in die Sorgen und Bestrebungen des Mannes versetzt. Alles, was ihn früher gefesselt, war jetzt seinem Gedächtniß entschwunden, und selbst seine Liebe zu Editha schien einen männlichern und uneigennützigern Charakter angenommen zu haben, da sie mit andern Pflichten und Gefühlen vermischt und in Kontrast getreten war. Als er diese plötzliche Veränderung, die Umstände, unter denen sie eingetreten war, und die möglichen Folgen seiner jetzigen Laufbahn erwog, wich die seine Seele durchbebende Aengstlichkeit der Glut einer hochherzigen Zuversicht.

»Wenn ich fallen muß,« sagte er, »so werd' ich jung fallen; meine Absichten werden mißdeutet, meine Handlungen von Denen verdammt werden, deren Beifall mir über Alles ging. Aber das Schwert für Freiheit und Vaterland ist in meiner Hand, und ich werde nicht unedel, nicht ungerächt fallen. Mögen sie mich schimpfen, mögen sie meine Gebeine dem Galgen preisgeben: einst kommt die Zeit, und die Schmach fällt auf das Haupt Derer, die mich geschmäht! Und der Himmel, dessen Name während dieses unnatürlichen Krieges so oft entweiht ward, wird für die Reinheit meiner Absichten zeugen, die mich geleitet.«

Als Heinrich zu Milnwood ankam, verkündete sein Pochen an der Pforte nicht mehr das unruhige Gewissen des unbedachtsamen Jünglings, der kein Maaß kannte, sondern die Zuversicht eines Mannes, der im Vollbesitz seiner eigenen Rechte und Herr seiner Handlungen ist, – kühn, frei und entschieden. Die Thüre ward vorsichtig geöffnet von seiner alten Bekannten, Frau Alison Wilson, die erschrocken zurückfuhr, als sie die Stahlhaube und den nickenden Busch des kriegerischen Gastes gewahrte.

»Wo ist mein Oheim, Alison?« fragte Morton über ihre Bestürzung lächelnd.

»Um Gotteswillen, Junker Heinrich, Ihr seid's?« erwiderte die Alte. »Wahrhaftig, das Herz kam mir gleich auf die Zunge, – aber Ihr könnt's nicht selber sein; denn Ihr seht größer und männlicher aus, als ehedem.«

»Ich bin es aber doch!« sagte er seufzend und lächelnd zugleich. »Ich glaube, diese Tracht macht mich größer, und diese Zeit macht aus Knaben Männer.«

»Traurige Zeiten, wahrlich!« wiederholte die Alte, »und schlimm genug, daß Ihr dabei in Gefahr kommen müßt! Aber was hilft's? – Ihr seid schlecht genug behandelt worden, und, wie ich Eurem Oheim sagte: ein Wurm krümmt sich, wenn man auf ihn tritt.«

»Ihr habt mich immer vertheidigt, Ailie, und keinen Tadel auf mich bringen lassen, als von Euch selbst; daß weiß ich. – Aber wo ist mein Oheim?«

»In Edinburgh,« erwiderte Alison; »der brave Mann hielt's für das Beste, sich an's Kamin zu setzen, wenn der Rauch aufsteigt, – ein geplagter Mann ist's und ein furchtsamer Mann. – Doch Ihr kennt ja den Herrn' so gut als ich.«

»Seine Gesundheit hat doch hoffentlich nicht gelitten?« fragte Heinrich.

»Nicht der Rede werth!« antwortete die Haushälterin; »auch sein Vermögen nicht. Wir wahrten uns, so gut wir konnten; und obgleich uns die Reiter von Tillietudlem die rothe Kuh und die alte Hackie genommen, (Ihr werdet Euch ihrer wohl noch erinnern,) ließen sie uns doch noch vier andere ab, die sie nachdem Schloß treiben wollten, zu gutem Preise.«

»Ablassen?« fragte Morton, »wie meint Ihr das?«

»Je nun, sie waren ausgezogen, Lebensmittel für die Besatzung zu holen,« antwortete die Haushälterin; »aber bald trieben sie wieder ihr altes Handwerk, ritten im Lande umher und feilschten und trödelten mit Allem, was sie kriegten, wie die westlichen Viehtreiber. Meiner Seel', der Major Bellenden hat das Wenigste bekommen von dem, was sie eintrieben; obgleich Alles in seinem Namen geschah.«

»So muß die Besatzung wohl sehr an Mangel leiden?« sagte Morton hastig.

»Mangel genug,« erwiderte Ailie, – »daran ist nicht zu zweifeln.«

Jetzt ging ihm plötzlich ein Licht auf.

»Burley muß mich hintergangen haben, – sein Glaube gestattet ihm List und Grausamkeit. Ich kann nicht länger bleiben, Frau Wilson; ich muß sogleich weiter gehen.«

»Aber nehmt doch erst einen Bissen zu Euch,« bat die sorgsame Haushälterin. »Ich will's Euch zubereiten, wie ich früher gethan, vor diesen traurigen Zeiten.«

»Es ist unmöglich,« antwortete Morton. – »Cuddie, halte die Pferde bereit!«

»Sie sind just am Fressen,« sagte dieser.

»Cuddie?« rief Ailie; »warum habt Ihr diesen garstigen, unglückseligen Jungen mitgebracht? – Er und seine zänkische Mutter sind an allem Unglück in unserem Hause schuld.«

»Still, still!« erwiderte Cuddie, »Ihr müßt vergessen und vergeben. Die Mutter ist in Glasgow bei ihrer Base und wird Euch nicht wieder plagen, und ich bin jetzt des Hauptmanns Kammerdiener und halt' ihm seine Sachen besser zurecht, als Ihr je gethan – habt Ihr ihn schon so schmuck gesehen, wie jetzt?«

»Freilich, das ist wahr,« sagte die alte Haushälterin und blickte mit großem Wohlgefallen auf ihren jungen Herrn, dessen Aeußeres durch den Anzug ihr vortheilhaft verändert schien. Wahrhaftig, eine solche Spitzenkrause habt Ihr zu Milnwood nie gehabt. Die hab' ich nicht genäht.«

»Nein, nein, Frau!« erwiderte Cuddie, »die ist durch meine Hände gegangen – das ist etwas von Lord Evandale's Schmuck.«

»Lord Evandale?« fragte die Alte, »das ist ja der, den die Whigs diesen Morgen hängen wollen, wenn ich recht gehört.«

»Die Whigs wollen Lord Evandale hängen?« fragte Morton höchst erstaunt.

»Freilich,« sagte die Haushälterin; »gestern Abend machte er einen Ausfall, um sich Lebensmittel zu verschaffen; aber seine Leute wurden zurückgetrieben, und er ward gefangen. Der Whighauptmann Balfour hat einen Galgen aufrichten lassen und geschworen (oder bei seinem Gewissen betheuert, denn diese Leute schwören nicht), daß er, wenn sich die Besatzung nicht bis zum nächsten Morgen ergebe, den jungen Lord, die arme Creatur, hängen lassen wolle, so hoch wie Haman. – Das sind bitterböse Zeiten! – Aber da kann Niemand helfen; darum setzt Euch hin und eßt Brod und Käse, bis was Besseres kommt. Ich hätte Euch kein Wort davon gesagt, hält' ich gewußt, daß es Euch den Appetit verderbt.«

»Sattle die Pferde, Cuddie, sie mögen gefressen haben, oder nicht; wir dürfen nicht eher ruhen, bis wir das Schloß erreicht.«

Aller Bitten Ailie's ungeachtet, setzten sie sogleich die Reise fort.

Morton ermangelte nicht, bei Pfundtexts Wohnung anzuhalten und diesen aufzufordern, ihm in's Lager zu folgen. Der ehrenwerthe Geistliche hatte für einen Augenblick wieder seine friedlichen Gewohnheiten angenommen; er las just einen theologischen Tractat, zu dessen Verdauung ihm eine Pfeife und ein kleiner Krug Bier behülflich waren. Mit großem Widerwillen verließ er diese Behaglichkeit, die er seine Studien nannte, um wieder einen sauren Ritt auf einem harttrabenden Pferde zu beginnen. Als er aber von der Sache unterrichtet war, verzichtete er mit einem tiefen Seufzer auf die Hoffnung, einen ruhigen Abend in seinem kleinen Stübchen verbringen zu können; denn er stimmte Morton völlig bei, daß, welches Interesse auch Burley haben mochte, den Bruch zwischen den Presbyterianern und der Regierung durch die Hinrichtung des jungen Edelmanns zu erweitern, die gemäßigte Partei niemals eine so grausame Handlung zulassen dürfe. Auch widerfährt dem Herrn Pfundtext blos Gerechtigkeit, wenn man hinzufügt, daß er, wie die Meisten seiner Partei, solcher unnöthigen Grausamkeit entschieden abgeneigt war; außerdem stimmten ihn schon seine jetzigen Gefühle dazu, mit großem Wohlwollen Morton zuzuhören, der ihm bewies, daß Lord Evandale ein Vermittler werden könne, um den Frieden aus billige und gemäßigte Bedingungen wieder herzustellen. Bei diesen übereinstimmenden Ansichten beschleunigten sie also ihre Reise und kamen gegen eilf Uhr Abends in ein kleines Dorf unweit Tillietudlem, wo Burley sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Sie wurden von der Schildwache angerufen, und dann erst eingelassen, als sie ihren Namen und Rang im Heere angaben. Eine andere Wache stand vor einem Hause, das sie für Lord Evandale's Gefängniß hielten; denn ein Galgen von solcher Höhe war davor errichtet, daß er von den Mauern des Schlosses gesehen werden konnte, wodurch der Bericht der Frau Wilson eine traurige Bestätigung erhielt. Morton verlangte sogleich mit Burley zu sprechen und wurde in dessen Quartier gewiesen. Sie fanden ihn in der Bibel lesend; seine Waffen lagen ihm aber zur Seite, als sei er eines plötzlichen Angriffs gewärtig. Als seine Gefährten eintraten, fuhr er auf.

»Was hat euch hergeführt?« sagte er hastig. »Habt ihr schlimme Nachrichten vom Heere?«

»Nein,« erwiderte Morton; »aber wir hören, daß hier ein Schritt geschehen soll, der sich mit der Sicherheit des Heeres nicht wohl verträgt. Lord Evandale ist Euer Gefangener?«

»Der Herr hat ihn unsern Händen überliefert,« antwortete Burley.

»Und Ihr wollt diesen vom Himmel gewährten Vortheil benutzen, um unsere Sache in den Augen der Welt zu entehren, indem Ihr den Gefangenen einem schmachvollen Tod preisgebt?«

»Wenn sich das Schloß Tillietudlem uns nicht mit Tagesanbruch ergibt,« entgegnete Burley, »so thu' mir Gott dasselbe und noch mehr, wenn er nicht den Tod stirbt, den sein Anführer und Vorbild, John Grahame von Claverhouse, so viel Heilige Gottes hat dulden lassen.«

»Wir sind in Waffen,« erwiderte Morton, »um solche Grausamkeiten zu vertilgen, nicht sie nachzuahmen, noch weit weniger die Thaten der Schuldigen an dem Unschuldigen zu rächen. Durch welches Gesetz könnt Ihr die Grausamkeit rechtfertigen, die Ihr zu begehen im Begriff seid?«

»Wenn du es nicht weißt,« antwortete Burley, »so wird doch wohl dein Gefährte das Gesetz kennen, das die Männer von Jericho dem Schwerte Josua's, des Sohnes Nun, preisgab.«

»Aber wir« – antwortete der Geistliche – »leben unter einem bessern Gesetze, welches uns lehrt, Böses mit Gutem zu vergelten, und für diejenigen zu beten, die uns verachten und verfolgen.«

»Das heißt,« sagte Burley, »du willst dein graues Haar mit seiner grünen Jugend vereinigen, um mir in dieser Sache zuwider zu handeln?«

»Wir sind Zwei von denen,« entgegnete Pfundtext, »welchen mit dir zugleich Gewalt über dieses Heer gegeben ist, und wir werden nicht dulden, daß dem Gefangenen ein Haar gekrümmt werde. Es kann Gott gefallen, ihn zum Werkzeug zu wählen, diesen unglücklichen Bruch in unserm Israel zu heilen.«

»Dacht' ich's doch, daß es so weit kommen würde,« antwortete Burley, »wenn Leute, wie du, in den Rath der Aeltesten berufen werden.«

»Leute, wie ich?« fragte Pfundtext. – »Und wer bin ich denn, daß Ihr mich mit solcher Verachtung nennt? – Hab' ich nicht die Heerde dieser Hürde vor Wölfen geschützt dreißig Jahre lang? Ja, just als du, John Balfour, in den Reihen der Unbeschnittenen fochtst, selbst ein Philister von frecher Stirn und blutiger Hand. – Wer bin ich? –«

»Da du es so gern wissen möchtest, so will ich dir's sagen,« sprach Burley. »Du bist Einer von denen, die da ernten wollen, wo sie nicht gesäet, und die Beute theilen, während Andere die Schlacht schlagen. – Du bist Einer von denen, die dem Evangelium folgen um der Brode und Fische willen – die ihr eigenes Pfarrhaus mehr lieben, als die Kirche Gottes, und die lieber ihre Pfründen genießen unter Prälatisten und Heiden, als das Schicksal theilen mit jenen edeln Geistern, welche Alles hinter sich geworfen haben um des Covenants willen.«

»Ich will dir sagen, John Balfour,« erwiderte Pfundtext, mit Recht aufgebracht, »ich will dir sagen, wer du bist. Du bist Einer von denen, deren blutiges, schonungsloses Gemüth ein Vorwurf geworden ist für die ganze Kirche dieses leidenden Königreichs, und wegen deren Gewaltthätigkeit und Blutschuld zu fürchten steht, daß diese schöne Unternehmung, unsere bürgerlichen und religiösen Rechte wieder zu gewinnen, niemals von der Vorsehung mit dem gewünschten Erfolg gekrönt wird.«

»Ihr Herren,« sagte Morton, »lasset diese gegenseitigen Beschuldigungen. Ihr aber, Herr Balfour, sagt uns, ob es Eure Absicht ist, Euch der Befreiung Lord Evandale's zu widersetzen, die uns in dem gegenwärtigen Zustande der Dinge eine vortheilhafte Maßregel scheint.«

»Ihr seid hier zwei Stimmen gegen eine,« antwortete Burley; »aber ihr werdet euch nicht weigern, zu warten, bis der vereinte Rath über diese Sache entscheidet.«

»Wir hätten nichts dagegen einzuwenden,« erwiderte Morton, wenn wir nur demjenigen trauen könnten, in dessen Händen der Gefangene bleiben soll. – Aber Ihr wißt recht wohl,« setzte er mit einem finstern Blick auf Burley hinzu, »daß Ihr mich in dieser Sache schon ein Mal betrogen habt.«

»Geh!« sagte Burley verächtlich, »du bist ein thörichter, unbesonnener Knabe, der um die schwarzen Augen eines albernen Mädchens den Glauben, die Ehre und die Sache Gottes und des Vaterlandes hingäbe.«

»Herr Balfour,« sagte Morton, die Hand aufs Schwert legend, »diese Sprache fordert Genugthuung.«

»Und du sollst sie haben, Bübchen, wenn und wo du es wagen willst,« versetzte Burley; »darauf geb' ich dir mein Wort!«

Jetzt war die Reihe an Pfundtext, sich drein zu mischen; er bewies ihnen das Thörichte eines solchen Streites und erwirkte mit Mühe eine Art mürrischer Versöhnung.

»Was den Gefangenen betrifft,« sagte Burley, »so macht mit ihm, was ihr wollt. Was auch die Folgen sein müssen, ich wasche meine Hände. Er ist ein Gefangener, durch mein Schwert und meinen Speer, während Ihr, Herr Morton, auf Exercierplätzen und Paraden den Adjutanten spieltet – und Ihr, Herr Pfundtext, die Schrift in Erastinianismus umwandeltet. Nehmt ihn dennoch hin, und verfahrt mit ihm nach Wohlgefallen. – Dingwall,« fuhr er fort, indem er eine Art von Adjutanten herbeirief, der im nächsten Zimmer schlief, »laßt den Posten, der bei dem übelgesinnten Evandale steht, an die abgeben, welche Hauptmann Morton zur Ablösung senden wird. – Der Gefangene,« sagte er, wieder zu Morton und Pfundtext sich wendend, »steht nun zu eurer Verfügung, ihr Herren. Aber bedenkt wohl, einst kommt der Tag, wo ihr schwere Rechenschaft für alle diese Dinge geben müsset.« Mit diesen Worten entfernte er sich, ohne guten Abend zu bieten, in ein inneres Gemach. Nach kurzer Ueberlegung kamen die beiden Gäste überein, zur persönlichen Sicherheit des Gefangenen noch eine andere Wache aus ihrem eigenen Kirchsprengel hinzuzufügen. Zufällig befand sich gerade eine Abtheilung derselben im Dorfe, die einstweilen unter Burley's Befehle standen, damit die Leute so lange als möglich in der Nähe ihrer Heimath bleiben möchten. Es waren meist flinke, thätige Bursche und wurden von ihren Kameraden gewöhnlich die Schützen von Milnwood genannt. Auf Mortons Verlangen übernahmen vier von diesen bereitwillig den Nachtdienst; auch ließ er Headrigg bei ihnen, auf dessen Treue er sich verlassen konnte, mit dem Befehle, ihn zu rufen, wenn etwas Besonderes vorfalle. Nach dieser Anordnung nahm Morton mit seinen Gefährten für diese Nacht Besitz von einer Wohnung, wie sie in dem überfüllten, elenden Dorfe zu finden war. Sie legten sich jedoch nicht eher nieder, als bis sie eine Denkschrift entworfen, welche die Beschwerden der gemäßigten Presbyterianer enthielt und mit dem Wunsche schloß, in Zukunft ihre Religion frei ausüben zu dürfen, und daß es ihnen gestattet werde, ohne Druck und Belästigung die gottesdienstlichen Gebräuche von ihren eigenen Geistlichen verwalten zu lassen. Ferner verlangten sie, daß ein freies Parlament berufen werde, welches die Angelegenheiten der Kirche und des Staates in Ordnung bringe und den von den Unterthanen erlittenen Ungerechtigkeiten wieder abhelfe, und daß endlich Allen, die zur Erreichung dieses Zweckes unter Waffen stehen, oder einst gestanden, völlige Amnestie verliehen werde. Morton hegte große Hoffnung, daß diese Bedingungen, welche Alles umfaßten, was die gemäßigte Partei unter den Insurgenten bedurfte oder wünschte, selbst unter den Royalisten Fürsprecher finden würden, da sie, von allem Fanatismus frei, nur die gewöhnlichen Rechte freier Schotten verlangten.

Er rechnete um so mehr auf eine günstige Aufnahme, da der Herzog von Monmouth, dem Karl die Unterdrückung des Aufstandes aufgetragen, ein gemäßigter, wohlwollender, den Presbyterianern günstiger Mann, und von dem König unumschränkt bevollmächtigt wär, alle Maßregeln zur Herstellung der Ruhe in Schottland zu ergreifen. Um diesen zu gewinnen, glaubte Morton, sei es nothwendig, einen passenden und angesehenen Vermittler zu finden, Und ein solcher schien ihm Lord Evandale. Er beschloß daher, den Gefangenen am nächsten Morgen zu besuchen und dessen Gesinnung in Betreff des Mittleramtes zu erforschen; allein es ereignete sich ein Vorfall, der diese Absicht noch beschleunigte.


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