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Dreizehntes Kapitel.

Rennt, meine Hunde, herrenlos!
Fliegt, meine Falken, hin und her!
Mein Lehnsherr nehme mir mein Land,
Denn nie kehr' ich zur Heimath mehr!

Alte Ballade.

 

Wir verließen Morton, als er nebst dreien Mitgefangenen unter der Bedeckung eines Reiterhaufens fortzog, der den Nachtrab der Colonne unter Claverhouse bildete, und unter dem unmittelbaren Befehle des Sergeanten Bothwell stand. Ihr Weg ging nach den Bergen, wo die aufrührerischen Presbyterianer unter Waffen sein sollten. Kaum hatten sie eine Viertelmeile zurückgelegt, als Claverhouse und Evandale, von ihren Ordonnanzen gefolgt, vorübersprengten, um ihre Stelle in der vorausmarschirenden Colonne einzunehmen. Sie waren kaum vorüber, als Bothwell seinen Trupp halten, und Morton die Fesseln abnehmen ließ.

»Königsblut muß Wort halten,« sagte der Dragoner. »Ich versprach, Euch höflich zu behandeln, so weit es von mir abhängt. – Hier, Corporal Inglis, laßt diesen Herrn an der Seite des andern jungen Gefangenen reiten. Ihr könnt ihnen erlauben, sich leise mit einander zu unterhalten; aber sorgt dafür, daß sie durch zwei Glieder mit geladenen Karabinern bewacht werden. Wenn sie einen Versuch zur Flucht machen, schießt sie nieder. – Ihr könnt das nicht unhöflich nennen,« fuhr er zu Morton gewendet fort, »Ihr wißt, das ist Kriegsgebrauch – Und, Inglis, koppelt mir auch den Pfarrer und das alte Weib zusammen; 's ist die passendste Gesellschaft, hol' mich der Teufel! Ein einzig Glied ist hinlänglich, sie zu bewachen. Schwatzen sie nur ein Wort von ihrem fanatischen Unsinn, so tränkt's ihnen mit der Degenkoppel ein. Ein stiller Pfaff muß leicht bersten, und wenn er seiner Galle nicht Luft machen kann, krepirt er.«

Nach diesen Befehlen stellte sich Bothwell an die Spitze seiner Schaar, und Inglis bildete mit sechs Dragonern die Nachhut. Sie setzten sich hierauf in Trab, um das Regiment einzuholen.

Morton, von einer Menge verwirrter Gefühle bestürmt, war gegen die verschiedenen Anordnungen, die zu seiner Bewachung getroffen wurden, und selbst gegen die Befreiung von Fesseln, ganz gleichgültig. Es war jene Oede und Leere des Herzens in ihn eingezogen, welche auf den Sturm der Leidenschaft folgt, und seine Brust war nicht mehr von dem Stolze und sich selbstbewußtem Rechte geschwellt. Mit tiefem Unmuthe betrachtete er die Gegenden, durch welche er reiste, und wo jede Wendung ihn an ein entschwundenes Glück, an getäuschte Liebe erinnerte. Von der Höhe, welche sie jetzt hinan geritten waren, pflegte er, wenn er kam oder schied, den ersten und letzten Blick nach dem Schlosse zu richten, und es ist unnöthig, hinzuzufügen, daß er gewöhnlich hier verweilte, und mit dem Entzücken eines Liebenden nach jenen Mauern hinabsah, welche in einiger Entfernung aus dem Walde hervortauchten, und Diejenige umschlossen, welche er bald zu sehen hoffte, oder die er so eben verlassen hatte. Unwillkürlich wendete er sich um, den letzten Blick auf einen so theuern Ort zu werfen, und eben so unwillkürlich seufzte er tief auf. Dieser Seufzer ward von einem seiner Unglücksgefährten beantwortet, dessen Blick vielleicht aus ähnlichem Grunde dieselbe Richtung genommen. Dies Zeichen des Mitgefühls ward freilich mehr auf rohe, denn auf empfindsame Weise geäußert, dennoch war's der Ausdruck eines betrübten Gemüthes, und stimmte in so weit mit Mortons Seufzer überein. Beide Blicke begegneten sich, als sie den Kopf umwendeten, und Morton erkannte Cuddie Headriggs einfältiges Gesicht, dessen klägliche Miene Kummer über sein eigenes Loos, und Theilnahme an der Lage seines Gefährten an den Tag legte.

»Ach,« sagte der ehemalige Ackerknecht des Guts Tillietudlem, »es ist traurig, daß ehrliche Leute durch's Land geschleppt werden, wie Wunderthiere.«

»Es thut mir leid, Euch hierzu sehen, Cuddie,« sagte Morton, der in seinem eigenen Schmerz das Mitgefühl für Andere nicht vergessen hatte.

»Mir thut's auch leid, Herr Heinrich,« antwortete Cuddie, »um mich und um Euch. Aber wahrhaftig, der Kummer wird uns wenig nützen. Freilich,« fuhr er fort, und schien sein Herz durch Sprechen zu erleichtern, obgleich er wußte, daß dies wenig verfangen würde, »freilich hab' ich, was mich betrifft, gar kein Recht hier zu sein; denn ich habe nichts gethan und nichts gesprochen gegen einen König, oder gegen einen Pfarrer; aber meine Mutter, das arme Weib, konnte das Maul nicht halten, und da müssen wir's Beide ausbaden, wie's scheint.«

»Eure Mutter ist auch gefangen?« sagte Morton, der kaum wußte, was er sprach.

»Freilich, und hinter Euch reitet sie, wie eine Braut, mit dem alten Flegel von Pfaffen, dem Gabriel Pauker. Möchte er doch zum Teufel in einer Trommel oder Pauke gesteckt werden! Seht, wir waren bald in Milnwood aus dem Hause gejagt, und Euer Oheim und die Haushälterin schlugen die Thür hinter uns zu, als hätten wir das böse Uebel am Leibe; da sagt' ich zu meiner Mutter: Was ist jetzt anzufangen? Nun wird uns im ganzen Lande gewiß jedes Loch verstopft; denn Ihr habt die alte Lady beleidigt, und dem jungen Milnwood die Soldaten auf den Hals geschafft. Drauf sagte sie: Sei nicht niedergeschlagen, sondern gürte dich zu dem großen Werk des Tages, und lege wie ein Mann Zeugniß ab auf dem Berge des Covenants.«

»So seid Ihr denn wahrscheinlich in ein Conventikel gegangen?« fragte Morton.

»Ihr werdet's gleich hören,« fuhr Cuddie fort. – »Nun, da ich nicht viel Besseres zu thun wußte, so ging ich mit ihr zu einem alten, närrischen Weib, wie sie selbst ist; da bekamen wir ein wenig Wassersuppe und Haferkuchen, und da leierten sie viel Psalmen ab, das sollt' ich auch mitmachen, und bin bald vor Hunger gestorben. Als der Morgen graute, nahmen sie mich mit zu einer großen Versammlung ihrer Leute aus Mirysikes, und dieser Bursche da, Gabriel Pauker, predigte ihnen vor, sie sollten ihr Zeugniß ablegen, und hingehen nach Ramot Gilead, oder sonst wohin. Ach, Herr Heinrich, der Kerl legte Euch los! Ihr hättet ihn eine halbe Meile unter dem Wind hören können. – Er brüllte wie eine Kuh im fremden Stall. Ei, dacht' ich, hier zu Lande ist kein Ort, der Ramot Gilead heißt – 's wird wohl im westlichen Moorlande sein, und sind wir dort, will ich schon sehen, wie ich mich mit meiner Mutter aus dem Staube mache; denn um keinen Pauker in der ganzen Welt setz' ich meinen Hals auf's Spiel. Nun,« fuhr Cuddie fort, sich durch die Erzählung seines Mißgeschicks erleichternd, ohne sich sonderlich darum zu kümmern, ob sein Gefährte der Erzählung die ihr gebührende Aufmerksamkeit schenke, »eben als mich der Schwanz der Predigt langweilte, hieß es, daß die Dragoner auf uns loskämen. – Einige liefen davon; Andere schrieen: Halt! und wieder Andere schrieen: Nieder mit den Philistern; – Ich machte mich an meine Mutter, um sie fortzubringen, bevor die Rothröcke kämen; aber ich hätte eben sowohl unsere Vorspann-Ochsen ohne Peitsche fortbringen können – nicht einen Schritt wollte sie sich rühren. – Nun, das Thal, in dem wir waren, war enge, und der Nebel war dick, die Dragoner hätten uns verfehlt, wenn wir das Maul gehalten hätten; aber, als wenn der alte Pauker nicht schon genug Lärmens verführt hätte, fingen sie Euch noch an einen Psalm abzuorgeln, daß man's bis Larrick hätte hören können. – Nun, um die Sache kurz zu machen, da kam auf einmal mein junger Lord Evandale herangesprengt, hast du nicht, sprengst du nicht, mit zwanzig Rothröcken hinterdrein. Zwei oder drei Bursche wollten fechten, Pistol und Degen in der einen, und die Bibel in der andern Hand; aber bald ward ihnen der Pelz gewaschen. Viel Schadens geschah ihnen jedoch nicht; denn Evandale rief immer, sie sollten uns zerstreuen, aber unser Leben schonen.«

»Und wehrtet Ihr Euch nicht?« fragte Morton, der wahrscheinlich fühlen mochte, daß er es in diesem Augenblicke um viel geringerer Ursache willen mit Lord Evandale aufgenommen haben würde.

»Nein, wahrhaftig nicht,« antwortete Cuddie; »ich trat vor die Alte hin, und schrie um Gnade und Barmherzigkeit; aber zwei von den Rothröcken kamen herbei, und einer wollte meine Mutter mit der flachen Klinge hauen – da hielt ich ihnen meinen Knüppel vor und sagte, ich wollt' es ihnen schon zeigen. Nun wendeten sie sich zu mir, fuhren auf mich los, und ich wehrte mich meiner Haut so gut ich konnte, bis Lord Evandale herbei kam. Da schrie ich, ich sei ein Dienstmann von Tillietudlem – Ihr wißt, man sagt, er habe ein Auge auf's junge Fräulein geworfen – der gebot mir den Prügel wegzuwerfen, und mich mit meiner Mutter gefangen zu geben. Ich denke, man hätte uns davon laufen lassen: aber der Pauker ward dicht neben uns gefangen; denn Wilsons Pferd, das er ritt, hatte früher einem Dragoner gehört, und jemehr der Pauker davon traben wollte, desto schneller lief die dumme Bestie auf die Dragoner zu, als sie dieselben aufsitzen sah. – Nun, als er und meine Mutter zusammen trafen, da ging's über die Soldaten her, und machten ihnen die Hölle heiß. Das war nun Oel in's Feuer gegossen. So führten sie uns denn alle Drei fort, um ein Exempel zu statuiren, wie sie sagten.«

»Ist das nicht ein schändlicher, unerträglicher Druck?« sagte Morton halb zu sich. »Da ist nun ein armer friedfertiger Junge, der blos aus kindlicher Liebe einem Conventikel beigewohnt hat, und den haben sie gefesselt, wie einen Räuber oder Mörder, und wird auch wahrscheinlich so sterben, ohne gerichtliches Verhör, das unser Gesetz auch dem ärgsten Missethäter gewährt. Nur Zeuge solcher Tyrannei zu sein, und noch mehr, selbst unter ihr zu leiden, ist hinreichend, das Blut des feigsten Sklaven zu empören.«

»Still,« sagte Cuddie, der zum Theil gehört und verstanden hatte, was Morton in der Ueberwältigung seines Unwillens ausgestoßen, »es ist nicht recht, vornehmen Herrschaften Uebles nachzusagen; das sagte auch immer meine alte Herrschaft, und dazu hatte sie doch gewiß Recht, sie war ja selbst eine hohe Person; ich hörte ihr auch immer geduldig zu, denn sie ließ uns immer einen Mehlbrei geben, oder eine Kohlsuppe, oder sonst was, wenn sie uns über unsere Pflichten vorgepredigt hatte. Aber der Teufel hole den Brei und die Kohlsuppe! nicht einmal ein Glas Wasser geben uns die Herren zu Edinburg. Und doch köpfen und hängen sie uns, lassen uns von den schuftigen Soldaten fortschleppen, und Hab und Gut nehmen, als wären wir vogelfrei. Ich kann nicht sagen, daß mir das von ihnen gefällt.«

»Das wäre auch sonderbar!« sagte Morton mit unterdrückter Bewegung.

»Und was noch das Schlimmste ist,« fuhr der arme Cuddie fort, »die großprahlerischen Rothröcke kommen unter die Dirnen, und schnappen uns die Liebsten weg. Es war mir weh um's Herz, als ich diesen Morgen durch die Felder von Tillietudlem ging, und den Rauch aus meinem eigenen Schornstein steigen sah, und wußte, es säße Jemand anders, als meine Mutter, am Kamine. Aber wahrhaftig, es war mir noch bitterer zu Muthe, als ich den verfluchten Reiter, den Tom Halliday, Jenny Dennison vor meinen Augen küssen sah. Mich wundert's, daß Weiber so unverschämt sein können; aber sie haben's Alle auf die Rothröcke abgesehen. Ich habe oft daran gedacht, selber ein Soldat zu werden, wenn ich sah, daß ich mit Jenny nicht anders fertig werden konnte – und doch darf ich sie nicht sonderlich tadeln; denn am Ende geschah's doch nur meinetwegen, daß sie den Tom ihre Bandschleifen so zerknittern ließ.«

»Euretwegen?« fragte Morton, der nicht umhin konnte, an einer Geschichte Antheil zu nehmen, welche sonderbarer Weise sehr viel Aehnlichkeit mit der seinigen hatte.

»Ja, ja, Milnwood,« erwiderte Cuddie; »denn so bekam das arme Mädchen die Erlaubniß, mir nahe kommen zu dürfen, weil sie so schön that mit dem Lümmel – hol ihn der Teufel! und da sagte sie denn: »geh' mit Gott!« und steckte mir Geld in die Hand; – ich glaub', es war die Hälfte von ihrem Lohn und Trinkgeld; denn die andere Hälfte hat sie für Putz und Geflunker verzettelt, um uns beim Vogelschießen zu sehen.«

»Und Ihr habt es genommen, Cuddie?« fragte Morton.

»Gott behüte, Milnwood; ich war so albern, es ihr wieder hintennach zu werfen – ich war voll Aerger, als der Bube sie küßte, und mit ihr schleckte. Aber ich war ein großer Narr, denn es hätte meiner Mutter und mir gut gethan, und sie wird's in lauter Geflunker und Tand vergeuden.«

Hier folgte eine lange tiefe Pause. Cuddie bereute es wahrscheinlich, daß er seiner Liebsten Geschenk zurückgewiesen, und Heinrich Morton dachte über die Beweggründe und Bedingungen nach, unter welchen es Editha gelungen sein mochte, Lord Evandale zu seiner Fürsprache zu verwenden.

War es nicht möglich, flüsterte ihm die erwachende Hoffnung zu, daß er ihren Einfluß auf Lord Evandale vorschnell und ungerecht beurtheilte? Sollte er sie so strenge tadeln, daß sie um seinetwillen in dem jungen Edelmanne Hoffnungen nährte, die zu erfüllen sie keine Absicht hatte? Oder wie, wenn sie sich gar an Lord Evandales bekannte Großmuth wandte, und sein Ehrgefühl aufforderte, den begünstigten Nebenbuhler zu schützen?

Immer aber fielen ihm die Worte wieder ein, die er gehört, und verletzten ihn wie Natterstiche.

Nichts könne sie ihm verweigern! war es möglich, eine unumwundenere Erklärung zu geben? Die Sprache der Liebe selbst hat in den Grenzen mädchenhafter Verschämtheit keinen stärkern Ausdruck. Auf ewig ist sie nun für mich verloren, und es bleibt nichts übrig, als das Unrecht zu rächen, welches ich erduldet, und mein Vaterland noch stündlich leidet.«

Cuddie folgte offenbar, wenn auch minder zart, einem ähnlichen Ideengang; denn plötzlich fragte er Morton ganz leise: »Wär's denn so übel, wenn wir uns von den Kerlen hier losmachten, wenn's gelingt?«

»Nicht im Geringsten,« sagte Morton, »und wenn sich eine Gelegenheit darbietet, lass ich sie gewiß nicht unbenutzt.«

»Es freut mich, daß Ihr so sprecht,« antwortete Cuddie; »ich bin nur ein armer, einfältiger Bursche; aber ich kann's für kein großes Unrecht halten, uns mit Gewalt loszumachen, wenn's möglich ist. Ich fürchte nichts, wenn Noth am Mann ist; aber die alte Lady würde sagen, das sei Widerspenstigkeit gegen die königliche Gewalt.«

»Jeder Gewalt auf Erden will ich mich widersetzen,« sagte Morton, »die willkürlich meine verbrieften Rechte als freier Mann angreift, und ich bin entschlossen, mich nicht ungerechter Weise in ein Gefängniß oder an den Galgen schleppen zu lassen, wenn ich durch List oder Gewalt diesen Menschen entgehen kann.«

»So denk' ich auch; vorausgesetzt, es bietet sich die Gelegenheit dazu. Aber Ihr sprecht von verbrieften Rechten. Das sind nun Dinge, die Euch und Euresgleichen, die Edelleute, angehen; ich armer Landmann aber komme damit nicht durch.«

»Die verbrieften Rechte, von denen ich spreche,« sagte Morton, »sind auch den geringsten Menschen in Schottland gegeben. Es ist die Freiheit von Schlägen und Banden, die Freiheit, welche, wie Ihr in der Schrift findet, vom Apostel Paulus selbst in Anspruch genommen ward, und welche jeder Freigeborene vertheidigen muß, um seiner selbst und seiner Landsleute willen.«

»Meiner Seel'!« erwiderte Cuddie, »das hätte lange gedauert, ehe Lady Margaretha oder meine Mutter eine solche Stelle in der Bibel gefunden hätten! Die Eine brummt immer: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und die Andere ist eben so toll mit ihrer Whiggerei. Mir ging's wie ein Mühlrad im Kopf herum, als die beiden Alten losschwatzten. Könnt' ich aber einen Herrn finden, der mich zum Diener nähme, so würde ich gewiß ein ganz anderer Kerl, und ich hoffe, Ew. Edeln werden daran denken, was ich gesagt habe, wenn wir glücklich aus diesem Haus der Knechtschaft befreit sind, und mich dann zu einem Fallet-de-Schamle –«

» Valet de chambre?« fragte Morton; »ach, das wäre eine schlechte Beförderung, auch wenn wir uns in Freiheit befänden.«

»Ich weiß, was Ihr meint – Ihr denkt, weil ich vom Lande bin, würd' ich Euch Unehre bringen vor den Leuten; aber Ihr müßt wissen, ich bin nicht so vernagelt. Es ist keine Arbeit, die ich nicht leicht gelernt hätte, außer etwa Schreiben, Rechnen und Lesen. Aber im Ballspiel reicht mir keiner das Wasser, und ich kann mit dem Säbel handthieren, so gut wie Corporal Inglis hier. Ich wollte ihm gleich einen Wischer versetzen, so breit er auch hinter uns herreitet. – Aber Ihr wollt doch wohl nicht im Lande bleiben?« setzte er, sich selbst unterbrechend, hinzu.

»Höchst wahrscheinlich nicht,« antwortete Morton.

»Nun, daraus mach' ich mir eben nichts. Seht, meine Mutter, die könnt' ich schon unterbringen, bei der alten Muhme Meg in Glasgow; da würde man sie vermuthlich weder als Hexe verbrennen, noch gar als altes Whigweib aufhängen; denn der Profoß soll recht gutmüthig sein gegen solche armen Leute. Und Ihr und ich, wir gingen dann, um unser Glück zu probiren, wie in den tollen alten Mährchen von Jock, dem Riesentödter, und Valentin und Orson, und wir kämen zurück in's lustige Schottland, wie's im alten Liede heißt, und ich griff wieder zur Pflugschar, und machte Furchen in den schönen Boden von Milnwood, daß es eine Herzenslust sein sollte, sie anzusehen.«

»Ich fürchte,« sagte Morton, »es ist nicht sehr wahrscheinlich, mein lieber Cuddie, daß wir je zu unserer alten Beschäftigung zurückkehren.«

»Ei, Herr,« versetzte Cuddie, »es ist immer gut, wenn man die Hoffnung nicht sinken läßt; – ein zerbrochenes Schiff kommt auch an's Land. – Aber was hör' ich? – Hol mich der Teufel, wenn meine Mutter nicht wieder am Predigen ist! Ich kenne schon ihren Text – er tönt wie der Wind, der durch ein leeres Zimmer pfeift, und der Pauker macht sich auch wieder an die Arbeit, – der Himmel erbarme sich! Wenn die Soldaten ärgerlich werden, so schlagen sie Beide todt, und uns obendrein.«

In der That wurde ihr ferneres Gespräch unterbrochen; denn hinter ihnen blökte es gleich einem Kalbe, und die Stimme des Predigers klang zwischen der des alten Weibes, wie das Brummen einer Baßgeige neben dem Gequieck einer zerbrochenen Fiedel. Anfangs hatte das alte Leidenspaar mit einander sich begnügt, in leisen Ausbrüchen des Jammers und Unwillens; aber das Gefühl des erlittenen Unrechts wurde schärfer und drückender durch gegenseitige Mittheilung, und endlich vermochten sie nicht mehr ihren Zorn zurückzuhalten.

»Wehe, Wehe, dreifaches Wehe über Euch, Ihr blutigen und grausamen Verfolger!« rief der ehrwürdige Gabriel Pauker. – »Wehe, dreifaches Wehe über Euch, bis zum Brechen der Siegel, bis zum Blasen der Trompeten, bis zum Ausgießen der Schalen!«

»Ja, ja, der schwarze Blick treffe ihre abscheulichen Angesichter, und mögen sie draußen stehen am jüngsten Tage!« rief die alte Mause mit gellender Stimme einfallend, wie die zweite Stimme in einem Canon.

»Ich sag' Euch, fuhr der Geistliche fort, »daß Euer Aufmarschiren und Reiten – Euer Wiehern und Aufbäumen – Eure blutigen, barbarischen und unmenschlichen Grausamkeiten – Euer Betäuben, Ersticken und Verführen der Gewissen armer Leute durch Eide, so die Seele verderben und sich selbst widersprechen – sind von der Erde aufgestiegen gen Himmel wie ein gräßlich-schrecklicher Ruf des Meineids, auf daß die Rache komme über« – ein heftiger Husten erstickte seine Stimme.

»Und ich sage,« schrie Mause in demselben Tone, und fast zu derselben Zeit, »ich sage mit diesem meinem alten Athem, und er ist mir benommen durch meine Engbrüstigkeit und diesen heftigen Ritt –«

»Der Henker! ich wollte, sie müßten galoppiren,« sagte Cuddie, »da würde sie doch das Maul halten.«

»Mit diesem alten, kurzen Athem,« fuhr Mause fort, »will ich Zeugniß ablegen gegen den Abfall, die Abweichung und Abtrünnigkeit des Landes – gegen die Bedrängnisse und Ursachen des Zornes.«

»Still, ich bitte dich, still, gutes Weib,« sagte der Prediger, der sich eben von seinem heftigen Hustenanfall erholt hatte, und sein eigenes Anathem durch Mause's bessere Lunge zum Schweigen gebracht sah, »still, und nimm nicht das Wort aus dem Munde eines Dieners des Altars. – Ich sage, ich erhebe meine Stimme, und verkünde Euch, daß ehe das Spiel ausgespielt ist – ja, ehe noch die Sonne untergeht, sollt Ihr erfahren, daß kein verzweifelter Judas, wie Euer Prälat Sharpe, der an seinen Ort gebracht ist, daß kein Heiligthum schändender Holofernes, wie der blutdürstige Claverhouse, daß kein ehrgeiziger Diotrephes, wie der Knabe Evandale, noch ein habsüchtiger, weltlichgesinnter Demas, wie der, den sie Sergeant Bothwell nennen, der jedes Weib schändet, und ihre Mehlkasten ausleert; weder Eure Karabiner, noch Eure Pistolen, weder Eure Säbel, noch Eure Pferde, Sättel, Zäume, Decken und Gurte widerstehen werden den Pfeilen, welche geschärft, und den Bogen, so gegen Euch gespannt sind!«

»Nein, nimmermehr werden sie ihnen widerstehen,« wiederholte Mause. – »Verworfene sind sie allesammt – Besen der Verheerung, nur gut, um in's Feuer geworfen zu werden, wenn sie den Unrath aus dem Tempel gefegt – Peitschen mit kleinen Stricken, so zusammengeknotet zur Geißel Derer, welche weltlich Gut und Habe mehr lieben, als das Kreuz oder den Covenant; aber wenn das Werk vollbracht ist, dienen sie blos zu Riemen für des Teufels Schuhe.«

»Gott verdamme mich,« sagte Cuddie zu Morton gewendet, »wenn meine Mutter nicht so gut wie der Geistliche predigt! – 'S ist Schade, daß er so den Husten hat; denn der kommt ihm immer, wenn er gerade im Zuge ist, und das lange Reden von heut Morgen ist ihm auch nicht zuträglich gewesen. – Beim Teufel ja, ich wollte, er schwatzte sie stumm; dann hätte er Alles allein zu verantworten. – Zum Glück ist der Weg holprig, und vor dem Pferdegetrappel können die Soldaten nicht Acht auf ihre Reden geben; sind wir aber 'mal auf ebenem Boden, dann werden wir andere Dinge hören.«

Cuddie's Vermuthungen waren nur allzu gegründet. Die Worte der Gefangenen waren übertönt worden von dem Lärm der Hufschläge auf dem rauhen, steinigen Boden; aber nun kamen sie auf Moorgrund, wo das Zeugniß der zwei gefangenen Eiferer dieses rettenden Accompagnements entbehrte. Kaum hatten daher die Pferde den Haidegrund und Rasen betreten, als Gabriel Pauker wiederum seine Rede mit den Worten begonnen: »Ich erhebe meine Stimme wie ein Pelikan in der Wüste –«

»Und ich,« hatte Mause hinzugesetzt, »wie ein Sperling auf dem Dache« – als der Corporal von hinten rief: »Holla ho! haltet Eure Mäuler! wenn sie Euch der Teufel nicht verklebt, komm' ich mit dem Sprungriemen!

»Ich will nicht schweigen auf Befehl des Unheiligen,« sagte Gabriel.

»Auch ich nicht,« sagte Mause, »auf das Geheiß eines irdenen Scherben, obgleich er rothgefärbt ist, wie ein Ziegel des Thurmes zu Babylon, und sich Corporal nennt.«

»Halliday,« rief der Corporal, »hast du keinen Knebel bei der Hand? – Wir müssen ihnen die Mäuler stopfen, sonst schwatzen sie uns Alle todt.«

Ehe eine Antwort erfolgen, oder eine Maßregel des Corporals ausgeführt werden konnte, sprengte ein Dragoner an Bothwell heran, der sich weit von dem Trupp befand, welchen er befehligte. Als er die überbrachten Befehle vernommen, ritt er sogleich an die Spitze seiner Truppen, befahl ihre Reihen zu schließen, und still und behutsam vorwärts zu reiten, da sie bald im Angesicht des Feindes sein würden.


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