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Viertes Kapitel.

Auf, Jüngling, auf! – Dich ruft nicht Menschensinn;
Die Kirche Gottes ruft – schnell zu den Mauern hin!
Wo Redcroß Banner flattere in der Luft,
Wo Ehrentod, wo schöner Sieg dich ruft.

James Doff.

 

Ohne ein Wort zu wechseln, waren Morton und sein Gefährte eine Zeitlang neben einander fortgeritten. Wie schon bemerkt, lag in dem Wesen des Fremden etwas Zurückstoßendes, welches Morton abhielt, eine Unterhaltung anzuknüpfen. Er selbst war zum Reden nicht aufgelegt; Plötzlich aber fragte er: »Was hat Eures Vaters Sohn mit solchen profanen Mummereien zu schaffen, wie die, bei welcher ich Euch heute gefunden?«

»Ich thue meine Pflicht als Unterthan, und gehe meinem Vergnügen nach, wie mir's gefällt,« erwiderte Morton etwas beleidigt.

»Glaubt Ihr, es sei Eure, oder irgend eines christlichen Jünglings Pflicht, die Waffen für Die zu tragen, welche das Blut der Heiligen Gottes in der Wüste vergossen, als wäre es Wasser? Oder ist es ein erlaubtes Vergnügen, nach einem Federbüschel zu zielen, und den Abend zu beschließen mit Weingelagen in Wirthshäusern, indeß Er, der Allmächtige, in's Land kommt mit der Wurfschaufel in der Hand, um den Weizen von der Spreu zu sondern?«

»Eurer Rede nach zu urtheilen,« sagte Morton, »seid Ihr Einer von Denen, die es für wohlgethan halten, sich gegen die Regierung aufzulehnen. Ich muß Euch erinnern, daß Ihr unnöthigerweise in der Gegenwart eines Euch nicht näher Bekannten eine sehr gefährliche Sprache führt, und daß es mir in jetziger Zeit nicht sicher scheint, derselben mein Ohr zu leihen.«

»Du kannst nicht ausweichen, Heinrich Morton,« sagte sein Begleiter, »dein Meister bedarf deiner, und wenn er dich ruft, mußt du gehorchen. Wohl weiß ich, du hast den Ruf eines treuen Predigers nicht gehört, sonst wärest du jetzt schon, was du einst sicher werden wirst.«

»Wir halten an dem Glauben der Presbyterianer, wie Ihr selbst,« sagte Morton.

Seines Onkels Familie besuchte den Gottesdienst bei einem der vielen presbyterianischen Geistlichen, welche, da sie sich gewisse Vorschriften gefallen ließen und befolgten, von Seiten der Regierung die Erlaubniß zum Predigen erhalten hatten.

Diese Indulgenz, wie man es nannte, verursachte unter den Presbyterianern eine große Spaltung; diejenigen nämlich, welche davon Gebrauch machten, wurden von den strengen Anhängern der Sekte bitter getadelt. Der Fremde erwiderte demnach aus Mortons Glaubensbekenntniß mit Verachtung:

»Das ist eine Doppelzüngigkeit, – eine armselige Doppelzüngigkeit. Ihr hört am Sabbath eine kalte, weltliche Predigt von Einem, der seinen hohen Beruf so sehr vergißt, daß er eine Apostelschaft annimmt von der Gunst der Höflinge und falscher Prälaten, und das heißt Ihr Gottes Wort hören? Von allen Lockspeisen, mit welchen der Teufel in diesen blutigen und finstern Tagen nach Seelen gefischt hat, ist diese schwarze Indulgenz die verderblichste. Das ist eine schreckliche Begünstigung! Sie schlägt den Hirten und zerstreut die Schafe auf den Bergen, sie reckt ein christlich Banner gegen andere empor und schürt den Kampf der Finsterniß mit den Schwertern der Kinder des Lichts.«

»Mein Oheim,« sagte Morton, »ist der Meinung, daß wir unter der geduldeten Geistlichkeit uns einer vernünftigen Gewissensfreiheit erfreuen, und ich muß mich, in Beziehung der Wahl des Ortes der Gottesverehrung für seine Familie, nothwendig nach seinen Ansichten richten.«

»Euer Oheim,« sagte der Reiter, »ist Einer von Denen, welchen das kleinste Lämmlein in seiner eigenen Hürde zu Milnwood lieber ist, als die ganze christliche Heerde. Er ist Einer von Denen, die sich willig beugen würden vor dem goldenen Kalb von Bethel, er würde nach dem Staub desselben fischen, ehe es zu Pulver gebrannt und in's Wasser geworfen würde. Dein Vater war ein Mann von einem andern Schlage.«

»Mein Vater,« erwiderte Morton, »war wirklich ein biederer, tapferer Mann. Und Ihr habt wohl schon gehört, Sir, daß er für die königliche Familie focht, in deren Namen ich heute diese Waffen trage.«

»Ja, und hätte er gelebt, um diese Tage zu schauen, wahrlich, er würde die Stunde verflucht haben, in der er das Schwert für sie zog. Aber später mehr davon – ich versichere dich, daß auch deine Stunde kommt, und dann werden die Worte, die du eben gehört, in deinem Busen stecken, wie Pfeile mit Widerhaken. – Mein Weg geht dorthin.«

Er zeigte nach einem Passe, der in wilde öde Berge führte; als er aber sein Pferd in den rauhen Pfad hinein lenken wollte, welcher in dieser Richtung vom Heerwege abführte, trat ein altes, in einen rothen Mantel gehülltes Weib, das am Kreuzwege saß, zu ihm hinan, und sprach in geheimnißvollem Tone: »Wenn Ihr Einer von unsern Leuten seid, so geht heute Nacht nicht den Paß hinauf, so lieb Euch Euer Leben ist. Auf dem Pfade liegt ein Löwe. Der Pfarrer von Brotherstone und zehn Soldaten haben den Paß besetzt, um das Leben zu nehmen Jedem unserer armen Wanderer, der es wagt, sich auf diesem Wege mit Hamilton und Dingwall zu vereinigen.«

»Haben sich die Verfolgten in eine Schaar zusammengezogen?« fragte der Fremde.

»Ungefähr sechzig oder siebenzig Reiter und Fußgänger,« sagte die Alte. »Aber ach, sie sind schlecht bewaffnet, und noch schlechter mit Lebensmitteln versehen.«

»Gott wird den Seinen helfen,« sagte der Reiter. »Welchen Weg muß ich einschlagen, um sie zu finden?«

»Heute Nacht ist's unmöglich,« sagte das Weib; »die Soldaten halten strenge Wache. Wunderbare Neuigkeiten sollen eingelaufen sein, welche sie wüthender und grausamer machen, als sie je gewesen. Ihr müßt Euch diese Nacht verstecken, eh' Ihr auf die Moore kommt, und Euch still halten, bis der Morgen graut; dann erst könnt Ihr Euern Weg durch das Drachenmoor finden. Als ich die schrecklichen Nachrichten der Unterdrücker hörte, hüllte ich mich in meinen Mantel und setzte mich an den Heerweg, um Einen unserer armen Zerstreuten zu warnen, daß er nicht in die Netze der Räuber falle.«

»Ist Eure Wohnung in der Nähe?« sagte der Fremde, »und könnt Ihr mich dort verbergen?«

»Ich habe eine Hütte an der Landstraße,« versetzte die Alte, »ungefähr eine Meile von hier; aber vier Belialskinder, Dragoner genannt, sind drinnen, mein Gut zu verprassen, weil ich nicht dem elenden, saft- und kraftlosen Gottesdienst dieses fleischlichen Menschen, des Pfarrers John Halbtext, beiwohnen mag.«

»Gute Nacht, wackeres Weib, und Dank für deinen Rath,« sagte der Fremde im Wegreiten.

»Der Segen der Verheißung über Euch,« erwiderte die Alte, »mag Euch Der schützen, der allein schützen kann.«

»Amen!« sagte der Reisende; »denn wohin ich diese Nacht mein Haupt hinlege, das kann keine Menschenkunst mir verkünden.«

»Eure Verlegenheit dauert mich.« sagte Morton, »und hätt' ich ein Haus oder Obdach zu eigen, so würde ich mich lieber der größten Strenge des Gesetzes unterziehen, ehe ich Euch in solcher Fährlichkeit ließe. Aber mein Onkel ist durch die Strafen und Geldbußen, welche das Gesetz den Unterstützern der Geächteten auflegt, so in Angst, daß er uns Allen auf's Strengste untersagt hat, irgend einen Verkehr mit ihnen zu pflegen.«

»Das hab' ich erwartet,« sagte der Fremde! dessenungeachtet könnt Ihr mich aber ohne sein Wissen aufnehmen; – eine Scheune, ein Heuschober, ein Schuppen, jeder Ort, wo ich mich hinlegen kann, würde mir bei meiner Lebensweise eben so lieb sein, als ein Tabernakel von Cedernholz mit Silber ausgelegt.«

»Ich versichere Euch,« sagte Morton in großer Verlegenheit, »daß ich ohne meines Onkels Wissen und Willen Euch unmöglich zu Milnwood aufnehmen kann, und könnt' ich's auch, ich würde es nicht über mich zu bringen vermögen, ihn in eine Gefahr zu verflechten, die er am meisten fürchtet und zu vermeiden bemüht ist.«

»Gut,« sagte der Reisende, »ich habe nur noch ein Wort zu sagen. Habt Ihr je schon Euern Vater den Namen John Balfour von Burley nennen hören?«

»Seinen alten Freund und Gefährten, der ihm fast mit Verlust des eigenen Lebens das seinige gerettet in der Schlacht von Longmarston-Moore? – Oft, sehr oft.«

»Dieser Balfour bin ich,« sagte sein Gefährte. »Dort steht deines Oheims Haus; ich sehe das Licht durch die Bäume schimmern. Der Bluträcher ist hinter mir, und wenn ich hier keine Zufluchtsstätte finde, so ist mein Tod gewiß. Nun wähle, Jüngling; wende dich ab von deines Vaters Freund, wie ein Dieb in der Nacht, und gib Den einem blutigen Tode Preis, welcher Deinen Vater gerettet, oder setze deines Onkels weltliche Güter einer Gefahr aus, wie sie bei diesem verderbten Geschlechte Diejenigen erwartet, welche einem Christen einen Bissen Brod oder einen Trunk Wasser reichen, wenn er vor Mangel verschmachtet.«

Tausend Erinnerungen bestürmten zugleich die Seele Mortons. Sein Vater, dessen Andenken er abgöttisch verehrte, hatte sich oft umständlich über die Verpflichtungen ausgesprochen, welche er diesem Manne schulde, und bedauert, daß sie sich nach langer Waffenfreundschaft in Unfrieden getrennt, als sich Schottland in Revolutioners und Protesters theilte. Die Ersteren hingen Karl II. an, nachdem dessen Vater auf dem Schaffot verblutet, während die Protesters sich mehr zu einer Vereinigung mit den triumphirenden Republikanern hinneigten. Burley's düsterer Fanatismus hatte ihn an die Letzteren gekettet, und mißvergnügt schieden die Freunde, um einander nie wieder zu sehen. Diese Umstände hatte der verstorbene Obrist Morton seinem Sohne oft erwähnt, und immer mit dem tiefsten Bedauern, daß er niemals auf irgend eine Weise im Stande gewesen, die Hülfe zu vergelten, die er bei mehr als einer Gelegenheit von Burley erhalten. Um Mortons Entschluß zu beschleunigen, trug der Nachtwind den dumpfen Ton einer Pauke herüber, welcher andeutete, daß ein Trupp Reiter sich ihnen nähere. »Das muß Claverhouse mit dem Rest seines Regiments sein. Was ist die Ursache dieses Nachtmarsches? Geht Ihr vorwärts, so fallt Ihr ihnen in die Hände; kehrt Ihr aber nach dem Marktflecken zurück, so seid Ihr in keiner geringeren Gefahr vor den Leuten des Cornets Grahame. Der Weg nach den Bergen ist besetzt. Ich muß Euch zu Milnwood unterbringen, oder Euch dem gewissen Tode aussetzen; – aber die Strafe des Gesetzes falle auf mich und nicht auf meinen Oheim. – Folgt mir.«

Burley, der diesem Entschlusse mit großer Ruhe entgegengesehen hatte, folgte jetzt schweigend.

Das Haus zu Milnwood, von dem Vater des jetzigen Eigenthümers erbaut, war eine anständige Wohnung, und der Größe der Besitzung angemessen, aber etwas in Verfall, seitdem es in Händen des jetzigen Eigenthümers sich befand. In einiger Entfernung standen die Wirtschaftsgebäude. Hier hielt Morton an.

»Ich muß Euch jetzt ein wenig verlassen,« sagte er leise, »bis ich Euch ein Bett im Hause schaffen kann.«

»Um solche Bequemlichkeiten kümmere ich mich wenig,« sagte Burley; »denn seit dreißig Jahren hat dieses Haupt öfter auf dem Boden, oder auf dem nächsten besten harten Steine geruht, als auf Wolle oder Federn. Ein Schluck Bier, ein Bissen Brod, mein Gebet und dürres Heu, sind für mich eben so gut als gemalte Zimmer und eine Fürstentafel.«

Jetzt fiel es aber Morton ein, daß der Versuch, den Flüchtling in's Haus zu bringen, die Gefahr der Entdeckung wesentlich vermehren würde. Er zündete daher im Stalle, wo stets alles Nöthige vorräthig war, Licht an, band die Pferde fest, und wies Burley zur Ruhestatt eine hölzerne Bettstelle auf dem Heuboden an: früher hatte ein Stallknecht darin geschlafen, welchen aber der Oheim in einem Anfalle von Geiz, der von Tag zu Tag sich vermehrte, plötzlich verabschiedet hatte. Hier ließ Morton seinen Gefährten zurück, schärfte ihm aber ein, das Licht so zu stellen, daß kein Schein davon in's Fenster falle, und gab ihm das Versprechen, daß er bald mit Erfrischungen zurückkehren werde, so viel er nämlich zu dieser Stunde noch erhalten könne. Aus diesen letzten Umstand setzte er freilich kein großes Vertrauen, denn die Möglichkeit, nur das Geringste zu bekommen, hing ganz von der Laune ab, in welcher er seines Oheims einzige Vertraute, die alte Haushälterin, fand. Wenn diese sich schon zu Bette begeben hatte, was sehr wahrscheinlich, oder übler Laune, wie nicht minder wahrscheinlich war, so wußte Morton recht gut, daß der Versuch wenigstens sehr problematisch ausfallen mußte.

In seinem Herzen den schmutzigen Geiz verfluchend, der überall in seines Oheims Besitzung herrschte, klopfte er an die verriegelte Thüre auf eine bescheidene Weise, durch welche er gewohnt war, Einlaß zu begehren, wenn der Zufall ihn über die frühe zu Milnwood festgesetzte Ruhestunde hinaus entfernt gehalten. In dem Anklopfen lag ein gewisses Säumen, gleichsam ein Bekenntniß der Gesetzesüberschreitung, durch welches mehr eine Bitte, als ein Befehl um Aufmerksamkeit sich kund gab. Als er einige Male wiederholt geklopft hatte, erhob sich die Haushälterin von ihrem Sitze in der großen Halle, wickelte ihr gewürfeltes Tuch um den Kopf, um sich vor Erkältung zu schützen, schritt über den Steinboden und rief mehrere Male, ehe sie Schlösser und Riegel öffnete, ganz ängstlich: »Wer ist hier in so später Nacht?«

»Ei, das ist fürwahr recht fein, Herr Heinrich, sagte die Alte mit der tyrannischen Unverschämtheit einer verzogenen Günstlingin, »ein friedliches Haus in so später Nacht zu stören, und ruheliebende Leute auf Euch warten zu lassen. Euer Oheim ist schon an die drei Stunden zu Bette, und Robin hat den Schnupfen, und so mußte ich allein auf Euch warten, so sehr mich auch der Husten plagt.«

Und damit hustete sie einige Male zur Veranschaulichung der Beschwerde, der sie sich so eben unterzogen.

»Ich bin Euch herzlich verbunden, und danke Euch viele Mal, Alison.«

»Ei, Sir, wie sind wir doch so artig! Viele Leute nennen mich Frau Alison, und Milnwood selbst ist der Einzige, der mich Alison nennt, und oft sagt er auch Frau Alison.«

»Nun denn, Frau Alison,« sagte Morton, »es thut mir in der That leid, daß Ihr meinetwegen so lange ausbleiben mußtet.«

»Da Ihr aber jetzt hereingekommen seid, warum nehmt Ihr nicht Euer Licht, und macht Euch zu Bette? Laßt mir nur ja das Licht nicht tropfen, wenn Ihr durch's getäfelte Zimmer geht, ich müßte sonst das ganze Haus scheuern, um die Fettflecken wieder weg zu kriegen.«

»Aber, Alison, ehe ich zu Bette gehe, müßt Ihr mir noch einen Bissen und einen Schluck Bier verschaffen.«

»Essen? – und Bier, Herr Heinrich? Meiner Treu, Ihr seid schwer zu befriedigen! Glaubt Ihr, wir haben nicht von Eurem Vogelschießen drüben gehört, wo Ihr so viel Pulver verpufftet, daß man damit alles wilde Geflügel hätte lausen können, das wir bis Lichtmeß brauchen, – dann seid Ihr mit allen nichtsnutzigen Burschen der ganzen Gegend nach des Pfeifers Schenkstube gegangen, und habt dort zweifelsohne auf Eures armen Oheims Kosten geschmaust bis nach Sonnenuntergang, und dann kommt Ihr nach Haus und schreit nach Bier, als ob Ihr hier Herr und Meister wäret.«

Aengstlich besorgt, seinem Gaste wo möglich einige Erfrischungen zu verschaffen, unterdrückte Morton seine gereizte Empfindlichkeit, und versicherte der Frau Alison mit guter Laune, daß er wirklich hungrig und durstig sei, – »und was das Vogelschießen betrifft,« sagte er, »so hab' ich von Euch gehört, daß Ihr sogar sonst selbst dabei gewesen, Frau Alison. Ich wollte nur, Ihr hättet uns zugesehen.«

»Ach, Herr Heinrich,« sagte die Alte, »ich wollte, Ihr lerntet nicht Eure Schmeicheleien den Weibern in's Ohr flüstern! Doch wenn Ihr's nur bei alten Weibern thut, wie ich bin, hat's gute Wege. Aber nehmt Euch in Acht mit den jungen Mädchen, Herr Papageienhauptmann. – Ihr haltet Euch selbst für einen schmucken Burschen, und meiner Treu!« – dabei betrachtete sie ihn von oben bis unten, indem sie den Lichtschein auf ihn fallen ließ – »an der Außenseite fehlt nichts, wenn nur die innere Seite ebenso hübsch wäre. Aber da fällt mir ein, als ich noch ein junges Gelbschnäbelchen war, sah ich den Herzog, denselben, der in London seinen Kopf verlor – die Leute sagen, es sei nicht viel daran gewesen, für den armen Herrn aber war der Verlust schmerzhaft genug. – Nun, der wurde Vogelkönig; denn Wenige wollten ihm den Rang ablaufen. – Nun, der sah schmuck aus, und als alle Edelleute zu Pferde stiegen, war Seine Gnaden mir so nahe, als ich Euch, und er sagte mir: ›Nimm dich in Acht, du gutes Mädchen (dies waren seine eigenen Worte), mein Pferd ist nicht sehr fromm‹ – Und nun, da Ihr sagt, Ihr habt wenig gegessen und getrunken, will ich Euch zeigen, daß ich an Euch gedacht; denn ich halt' es nicht für gut, daß junge Leute mit leerem Magen zu Bette gehen.«

Um Frau Alison Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sei es bemerkt, daß ihre nächtlichen Strafpredigten bei solcher Gelegenheit nicht selten mit diesem Sinnspruch endigten, der immer die Vorrede zu einer bessern Mahlzeit als gewöhnlich war, wie sie denn auch wirklich jetzt eine solche dem Jünglinge vorsetzte. Der Hauptzweck ihres Keifens war nur, ihre Herrschaft und Macht zu zeigen; denn im Grunde war Frau Alison kein böses Weib, und liebte ihren alten und jungen Herrn, obwohl sie beide quälte, mehr als irgend Jemand in der Welt. Sie betrachtete nun Herrn Heinrich, wie sie ihn nannte, mit großem Wohlbehagen, als er ihr gutes Mahl zu sich nahm.

»Wohl bekomm's, mein Lieber. Solche Leckerbissen habt Ihr wohl bei Niel Blane nicht bekommen. Seine Frau war ein recht wackeres Weib, und verstand ihre Geschäfte recht gut für eine Person ihres Gleichen; doch eines Gentleman Haushälterin konnte sie es nicht gleich thun. Aber ihre Tochter, glaub' ich, ist ein albern Ding – was hatte sie am letzten Sonntag in der Kirche für einen wunderlichen Kopfputz auf! – Nun, viel Aufhebens wird doch nicht davon gemacht werden. – Aber meine alten Augen fallen mir zu, übereilt Euch nicht, mein Lieber, löscht behutsam das Licht aus; da ist ein Krug Bier, und hier ein Glas Nelkenwasser; das geb' ich nicht Jedem. Wenn ich Magenschmerzen habe, nehm' ich es manchmal selbst, und für Euer junges Blut ist es besser als Branntwein. Nun gute Nacht, Herr Heinrich. Löscht das Licht fein aus.«

Morton versprach, ihrer Warnung pünktlich zu folgen, und bat sie, nicht zu erschrecken, wenn die Thüre aufgehe; sie wisse ja, daß er gewöhnlich nach seinem Pferde sehen, und es für die Nacht versorgen müsse. Frau Alison zog sich sodann zurück; Morton aber raffte schnell die Lebensmittel zusammen, und wollte eben zu seinem Gaste eilen, als die alte Haushälterin noch ein Mal den wackelnden Kopf zur Thüre hereinsteckte, mit der Ermahnung, Herr Heinrich möge mit sich selbst Abrechnung halten, bevor er zu Bette gehe, und um Schutz bitten während der nächtlichen Dunkelheit.

So waren die Sitten einer gewissen Klasse von Dienstboten, die einst in Schottland nicht zu den Seltenheiten gehörten, und vielleicht noch jetzt in manchen Familien der entlegenen Grafschaften zu finden sind. Sie waren mit den Familien, zu denen sie gehörten, gleichsam verwachsen, und da sie die Entlassung aus dem Dienste gar nicht für möglich hielten, so waren sie Jedem, welcher dem Familienkreise angehörte, aufrichtig zugethan. Sie waren aber auch, wenn die allzugroße Nachsicht ihrer Herrschaft sie verwöhnte, bald launig, bald eigensinnig und tyrannisch, und zwar in solchem Maße, daß manche Hausfrau, mancher Hausherr wünschen mochte, ihre grobkörnige Treue mit der sanften und fügsamen Unzuverlässigkeit eines neuern Dienstboten zu vertauschen.


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