Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Dreiunddreißigstes Kapitel.

Die Stund ist nah'; ein jedes Schwert
    Ist scharf, die Herzen schlagen;
Wer sterben kann, wer Flucht begehrt:
    Das Morgenlicht wird's sagen.
                              Sir Edwald.

Wir müssen nun unsere Leser erinnern, daß Simon Glover und seine schöne Tochter aus ihrer Wohnung geeilt waren, ohne Zeit zu haben, Harry Schmied ihren Abschied oder den beunruhigenden Grund desselben zu melden. Als daher der Liebende am Morgen nach ihrer Flucht in Curfewstreet erschien, empfieng er statt des herzlichen Willkomms des ehrsamen Bürgers und des halb fröhlichen, halb tadelnden Aprilgrußes, der ihm von Seiten der lieblichen Tochter versprochen war, nur die niederschlagende Kunde, sie sei mit ihrem Vater auf Befehl eines Fremden, der sich sorgfältig vermummt gehalten habe, früh abgereist. Dann gefiel es Dorotheen, deren Talente für Erzählung von Unglücksfällen und Mittheilungen ihrer Ansichten hierüber der Leser schon kennt, noch beizufügen, sie zweifle nicht, daß ihr Herr und ihre junge Gebieterin in's Hochland gereist seien, um einen Besuch zu vermeiden, der ihnen seit ihrer Abreise von einigen Gerichtsdienern gemacht worden sei, die im Namen eines vom König niedergesetzten Gerichtshofes das Haus durchsucht, alle Behältnisse, von denen man dachte, sie könnten Papiere enthalten, versiegelt, und gerichtliche Vorladungen für Vater und Tochter hinterlassen hätten, an einem bestimmten Tage, bei Strafe des Bannes, vor dem Gerichtshofe zu erscheinen. Alle diese beunruhigenden Nachrichten bemühte sich Dorothee in den düstersten Farben zu malen, und der einzige Trost, den sie dem geängstigten Liebhaber gab, war der, daß sie ihm sagte, ihr Herr habe ihr aufgetragen, ihm zu sagen, er möchte ruhig in Perth bleiben, und er würde bald Kunde von ihnen erhalten. Dies hintertrieb des Schmieds ersten Entschluß, ihnen sogleich nach den Hochlanden zu folgen und Theil an dem Schicksale zu nehmen, welches ihnen drohen möchte.

Als er sich aber seiner öfteren Fehden mit mehreren aus dem Clan Quhele erinnerte und besonders seines persönlichen Zwistes mit Conachar, der nun zu einem ersten Häuptling erhoben war, konnte er bei näherer Ueberlegung nur glauben, daß sein Eindringen in ihre Zufluchtsstätte wahrscheinlich eher die Sicherheit, deren sie sich sonst dort erfreuen konnten, stören, als ihnen nützlich sein möchte. Simons Freundschaft mit dem Häuptling des Clans Quhele war ihm wohlbekannt, und er vermuthete mit Recht, der Handschuhmacher werde dort einen Schutz finden, den seine eigene Ankunft nur stören konnte, da seine Hitze ihn ohne Zweifel in einen Streit mit dem ganzen Clan zorniger Hochländer verwickeln würde. Zugleich schlug sein Herz vor Unwillen, wenn er dachte, daß Katharina nun ganz in der Gewalt des jungen Conachar sei, der gewißlich sein Nebenbuhler war, und nun so viele Mittel hatte, seine Bewerbung zu unterstützen. Wie, wenn der junge Häuptling die Sicherheit des Vaters von der Gunst der Tochter abhängig machte! Er setzte kein Mißtrauen in Katharinens Liebe, aber ihre Denkart war so uneigennützig und ihre Liebe zu ihrem Vater so innig, daß, wenn ihre Liebe gegen seine Sicherheit oder vielleicht sein Leben in die Wage gelegt würde, ein schwerer und schrecklicher Zweifel waltete, ob erstere sich nicht als zu leicht bewähren möchte. Von Gedanken gequält, bei denen wir nicht verweilen dürfen, beschloß er daher, zu Hause zu bleiben, seine Angst so gut als möglich zu unterdrücken und die versprochene Nachricht von dem Alten zu erwarten. Sie kam, befreite ihn aber nicht von seiner Besorgniß.

Sir Patrick Charteris hatte das Versprechen nicht vergessen, dem Schmied den Plan der Flüchtlinge mitzutheilen. Aber bei dem Getümmel, welches die Bewegungen der Truppen veranlaßte, konnte er die Nachricht nicht selbst überbringen. Er vertraute daher seinem Geschäftsträger, Kitt Henschaw, das Geschäft an. Aber dieser würdige Mann war, wie der Leser weiß, von Ramorny gewonnen, dem daran lag, Jedermann, besonders aber einem so thätigen und kühnen Liebhaber, wie Harry, den wahren Aufenthalt Katharinens zu verbergen. Henschaw sagte daher dem geängstigten Schmied, sein Freund, der Handschuhmacher, sei sicher in den Hochlanden, und obwohl er von Katharina etwas zurückhaltender sprach, sagte er doch wenig, was der Meinung widersprechen konnte, sie theile, gleich Simon, den Schutz des Clans Quhele. Aber er wiederholte im Namen Sir Patricks die Versicherung, daß Vater und Tochter sich wohlbefänden, und Harry für sein eigenes Interesse und ihre Sicherheit am besten sorgen würde, wenn er ruhig bliebe, und den Lauf der Begebenheiten abwartete.

Daher beschloß Harry Gow geängstigten Herzens ruhig zu bleiben, bis er gewissere Nachricht erhalten würde, und beschäftigte sich mit der Vollendung eines Panzerhemdes, welches das härteste und polirteste sein sollte, das seine geschickten Hände je verfertigt hatten. Diese Uebung seiner Kunst gefiel ihm besser, als irgend etwas Anderes, das er hätte treiben können, und diente ihm zur Entschuldigung dafür, daß er sich in seiner Werkstatt einschloß und die Gesellschaft mied, in welcher täglich müßige Gerüchte umliefen, die ihn nur in Verlegenheit setzen und verwirren konnten. Er beschloß, auf Simons Achtung, auf die Treue seiner Tochter und die Freundschaft des Oberrichters zu vertrauen, der seine Tapferkeit im Kampfe mit Bonthron so sehr lobte, und von dem er glaubte, er würde ihn in dieser äußersten Noth nicht verlassen; die Zeit ging jedoch Tag für Tag hin, und erst als der Palmsonntag nahe war, gedachte Sir Patrick Charteris, da er wegen einiger Anordnungen zu dem bevorstehenden Kampfe nach Perth geritten war, dem Schmied vom Wynd einen Besuch zu machen.

Er betrat seine Werkstatt mit einer mitleidigen Miene, die ihm ungewöhnlich war und die Harry sogleich auf schlimme Nachricht gefaßt machte. Der Schmied erschrak und der erhobene Hammer zögerte, auf das heiße Eisen zu fallen, während der bewegte Arm, der ihn schwang, erst so stark wie der eines Riesen, so machtlos ward, daß Harry nur mit Mühe die Rüstung auf den Boden legen konnte, statt sie aus der Hand fallen zu lassen.

»Mein armer Harry,« sagte Sir Patrick, »ich bringe Euch nur kalte Neuigkeiten – sie sind indeß ungewiß; und wenn sie wahr, sind sie von der Art, daß tapfere Männer, wie du, sie sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen dürfen.«

»In Gottes Namen, Mylord,« sagte Harry, »ich hoffe, Ihr bringt keine schlimmen Nachrichten von Simon Glover und seiner Tochter?«

»Von ihnen selbst nicht,« sagte Sir Patrick; »sie sind sicher und wohl. Aber was dich betrifft, Harry, so sind meine Neuigkeiten kälter. Kitt Henschaw hat, denk' ich, dir gemeldet, daß ich bemüht war, Katharina Glover in sichern Schutz im Hause einer vornehmen Dame, der Herzogin von Rothsay, zu bringen. Aber sie hat das Gesuch abgelehnt und ist zu ihrem Vater in's Hochland geschickt worden. Das Schlimmste kommt nun. Du wirst gehört haben, daß Gilchrist Mac Jan todt und daß sein Sohn Eachin, der in Perth als Lehrling des alten Simon unter dem Namen Conachar bekannt war, jetzt Häuptling des Clans Quhele ist; und ich hörte von einem meiner Leute, es gehe unter den Mac Jans ein starkes Gerücht, der junge Häuptling suche die Hand Katharinens zur Ehe. Meine Leute erfuhren dies übrigens als ein Geheimniß, so lang' sie im Land von Breadalbane waren, um einige Rüstungen zu dem Kampfe zu machen. Die Sache ist ungewiß; aber, Harry, sie sieht wahrscheinlich aus.«

»Sah' Euer Herrlichkeit Diener Simon Glover und seine Tochter?« sagte Harry, nach Athem ringend und hustend, um das Uebermaß seiner Aufregung vor dem Oberrichter zu verbergen.

»Das nicht,« sagte Sir Patrick; »die Hochländer schienen argwöhnisch und wollten ihm nicht gestatten, den alten Mann zu sprechen, und er fürchtete, sie aufmerksam zu machen, wenn er Katharinen zu sehen verlangte. Ueberdies spricht er nicht gälisch und Jener, von dem er die Nachricht erhielt, nicht viel englisch, und also kann ein Mißverständniß obwalten. Trotzdem geht ein solches Gerücht, und ich hielt es für's Beste, Euch davon zu sagen. Aber Ihr dürft gewiß sein, daß die Hochzeit nicht Statt finden kann, ehe die Sache vom Palmsonntag vorüber ist, und ich rathe Euch, keinen Schritt zu thun, bis wir die Umstände näher erfahren; denn Gewißheit, wär's auch die schmerzlichste, ist wünschenswerth. – Geht Ihr nach dem Rathhause,« setzte er nach einer Pause hinzu, »um über die Herstellung der öffentlichen Schranken auf dem nördlichen Anger zu sprechen? Ihr werdet dort willkommen sein.«

»Nein, guter Lord!«

»Nun, Schmied, ich schließe aus Eurer kurzen Antwort, daß Ihr unzufrieden über diese Sache seid; aber nach Allem sind ja die Weiber Wetterhähne, das bleibt wahr. Salomo und Andere haben es vor Euch erfahren.«

Damit entfernte sich Sir Patrick Charteris, völlig überzeugt, das Amt eines Trösters auf die befriedigendste Weise versehen zu haben.

Mit ganz andern Empfindungen betrachtete der unglückliche Liebhaber die Nachrichten und den tröstenden Commentar.

»Der Oberrichter,« sagte er bitter zu sich selbst, »ist ein trefflicher Mann; wahrlich, er hält seine Ritterwürde so hoch, daß, wenn er Unsinn spricht, ein armer Mann es für Verstand halten muß, ebenso wie er abgestandenes Bier loben muß, wenn es ihm in Seiner Herrlichkeit Silberkrug gereicht wird. Wie würde Alles dies unter andern Umständen klingen? Gesetzt, ich wollte den steilen Abhang des Corrichi Dhu herab, und eh' ich an den Felsenvorsprung käme, begegnete mir Mylord Oberrichter und riefe: ›Harry, dort ist ein tiefer Abgrund, und es thut mir leid, Euch sagen zu müssen, daß Ihr gerade hineinstürzt; aber seid nicht traurig, der Himmel kann einen Stein oder Busch geben, der Euch aufhält. Indeß dacht' ich, es würde Euch tröstlich sein, das Schlimmste zu wissen, was Ihr bald sehen werdet. Ich weiß nicht, wie viel Hundert Fuß tief der Abgrund ist, aber Ihr könnt Euch davon überzeugen, sobald Ihr unten seid, denn Gewißheit ist Gewißheit. Und hört, wann kommt Ihr zum Kegelspiel?‹ Und solch Geschwätz statt eines freundlichen Versuchs, den Hals des armen Burschen zu retten! Wenn ich daran denke, könnt' ich rasend werden, meinen Hammer nehmen und rings umher Alles zusammenschlagen. Aber ich will ruhig sein, und wenn dieser hochländische Habicht, der sich einen Falken nennt, auf meine Turteltaube stößt, soll er erfahren, ob ein Bürger von Perth einen Bogen spannen kann oder nicht.«

Es war nun der Donnerstag vor dem verhängnißvollen Palmsonntag und man erwartete, daß die Kämpfer beider Parteien am nächsten Tage ankommen würden, damit sie den Sonnabend als Rasttag hätten, um sich zu erquicken und zum Kampfe vorzubereiten. Zwei oder drei von jeder Partei wurden abgeordnet, um Anweisung über die Lagerung ihrer kleinen Schaar einzuholen, und was noch sonst von Befehlen nöthig war. Harry war daher nicht überrascht, einen großen, starken Hochländer um die Gasse, in welcher er wohnte, in der Art schleichen zu sehen, wie die Bewohner eines wilden Landes die Eigenheiten eines gebildeten untersuchen. Des Waffenschmieds Herz erhob sich gegen diesen Mann wegen seines Landes, gegen das unser Perther Bürger ein natürliches Vorurtheil hegte, und besonders, da er die Kleidung des Clans Quhele an ihm wahrnahm. Der in Silber gearbeitete Zweig von Eichenlaub bezeichnete ihn als einen von der Leibwache des jungen Häuptlings, auf deren Anstrengung im nächsten Kampfe ihr Clan so viel Vertrauen setzte.

Nachdem Harry so viel bemerkt hatte, zog er sich in seine Schmiede zurück, denn der Anblick des Mannes machte seine Leidenschaft rege; und da er wußte, daß die Hochländer zu einem öffentlichen Kampfe verpflichtet waren und keine untergeordnete Fehde ausmachen durften, beschloß er, auch allen freundlichen Verkehr mit ihm zu meiden. Nach wenigen Minuten indeß flog die Thür der Schmiede auf, und der Gäle trat mit flatterndem Tartan, was seine natürliche Größe noch erhöhte, und mit dem stolzen Schritt eines Mannes, der sich höherer Würde bewußt ist, als Alle, die ihm begegnen, herein. Er stand, sich umschauend, da, und schien zu erwarten, daß man ihn mit Verwunderung empfange. Aber Harry hatte durchaus keine Neigung, seiner Eitelkeit zu schmeicheln, und fuhr fort, ein Bruststück zu hämmern, welches auf seinem Ambos lag, als wäre er seines Gastes Gegenwart nicht gewahr.

»Ihr seid der Gow Chrom?« (der krummbeinige Schmied) sagte der Hochländer.

»Die krummbeinig zu werden wünschen, nennen mich so,« antwortete Harry.

»Will nicht beleidigen,« sagte der Hochländer; »aber sie selbst kommt, eine Rüstung zu kaufen.«

»Sie selbst mag dann mit ihren bloßen Beinen wieder abziehen,« antwortete Harry, – »ich habe keine zu verkaufen.«

»Wenn nicht in zwei Tagen Palmsonntag wäre, würde sie selbst Euch ein ander Lied singen lehren,« erwiderte der Gäle.

»Und am heutigen Tage,« sagte Harry mit derselben verächtlichen Gleichgültigkeit, »bitt' ich Euch, mir aus dem Lichte zu gehen.«

»Ihr seid ein unhöflicher Mann; aber sie selbst ist auch Fir nan ord; und sie weiß, der Schmied ist trotzig, wenn das Eisen heiß ist.«

»Wenn sie selbst ein Hammermann ist, so kann sie ihren Harnisch selber machen,« bemerkte Harry.

»Und sie selbst würde das thun, und Euch nimmer um die Sache angehen; aber man sagt, Gow Chrom, Ihr pfeift und singt Weisen über die Schwerter und Harnische, die Ihr schmiedet, welche solche Kraft haben, daß die Klingen Stahl durchhauen, wie Papier, und Panzer und Harnisch Stahllanzen zurückweisen, als wären es Nadeln.«

»Man sagt Eurer Unwissenheit allen Unsinn, den Christenmenschen nicht glauben mögen,« sagte Harry. »Ich pfeife bei meinem Werk, was mir einfällt, wie ein ehrlicher Handwerksmann, und gewöhnlich ist es die Hochlandsweise: Hoch auf die Houghmansstufen! Mein Hammer geht von selber nach dieser Weise.«

»Freund, es ist müssig Spiel, ein Roß zu spornen, wenn seine Beine gefesselt sind,« sagte der Hochländer stolz. »Sie selbst kann gerade jetzt nicht fechten und also ist's nicht artig, sie so zu reizen.«

»Bei Nagel und Hammer, da habt Ihr Recht,« sagte der Schmied, seinen Ton ändernd. »Aber sagt es heraus, Freund, was ist's, was Ihr von mir haben wollt? Ich habe nicht Lust, zu plaudern.«

»Einen Harnisch für ihren Häuptling, Eachin Mac Jan,« sagte der Hochländer.

»Ihr seid ein Hammermann, sagt Ihr? Versteht Ihr Etwas davon?« sagte unser Schmied, den Harnisch aus einem Kasten hervorholend, womit er sich in der letzten Zeit beschäftigt hatte.

Der Gäler betrachtete ihn mit einer Verwunderung, die mit etwas Neid gemischt war. Neugierig betrachtete er jeden Theil des Werkes, und endlich erklärte er es für das beste Waffenstück, welches er je gesehen.

»Hundert Kühe und Stiere und eine gute Heerde Schafe würde Euch ein zu leichtes Gebot sein?« sagte der Hochländer, um einen Versuch zu machen; »aber sie selbst wird dir nicht weniger bieten, komme sie dazu wie sie wolle.

»Es ist ein schönes Gebot,« erwiderte Harry; »aber Gold und Gut erkauft diesen Harnisch nicht. Ich muß mein eigenes Schwert an meiner eigenen Rüstung versuchen können; und ich gebe dieses Stahlkleid Keinem, als wer mir im freien Felde auf drei Hiebe und einen Stoß stehen will; auf diese Bedingungen gehört sie Eurem Häuptling.«

»Oho, Mann – nehmt einen Trunk und geht zu Bett«, sagte der Hochländer mit großer Verachtung. »Seid Ihr toll? Meint Ihr, der Häuptling des Clans Quhele würde kämpfen und balgen mit einem niedrigen Perther Bürgerleib wie Ihr? Still, Mann, und hört. Sie selbst will Euch mehr Ehre anthun, als Eurem Geschlecht je gebührte. Sie selbst will mit Euch um den schönen Harnisch fechten.«

»Sie muß erst beweisen, daß sie mir gleich ist,« sagte Harry mit spöttischem Lächeln.

»Wie, ich, Einer von Eachin Mac Jans Leibwache, und dir nicht gleich?«

»Ihr könnt mich versuchen, wenn Ihr wollt. Ihr sagt, Ihr seid ein Fir nan ord – wißt Ihr, wie man einen Schmiedehammer wirft?«

»Ei, freilich – fragt Ihr den Adler, ob er über den Ferragon fliegen kann?«

»Aber bevor Ihr mit mir streitet, müßt Ihr erst einen Wurf mit Einem von meiner Leibwache versuchen. – Dunter, stelle dich für die Ehre von Perth! – Und nun, Hochländer, da steht eine Reihe Hämmer – nimm, welchen du willst, und laß uns zum Garten gehen.«

Der Hochländer, der Norman nan Ord oder Normann vom Hammer hieß, bewies sein Recht zu diesem Titel, indem er den größten Hammer wählte, worüber Harry lächelte. Dunter, der starke Gefährte des Schmieds, that, was man einen ungeheuren Wurf nennt; aber der Hochländer, der sich verzweifelt anstrengte, warf einige Fuß weiter und sah Harry mit triumphirender Miene an, worüber dieser wieder lächelte.

»Wollt Ihr's besser machen?« sagte der Gäle, dem Schmied den Hammer bietend.

»Nicht mit diesem kindischen Spielzeug,« sagte Harry, »was kaum Gewicht genug hat um gegen den Wind zu fliegen. – Janniken, hole meinen Simson; oder helf' Einer von Euch dem Jungen, denn Simson ist etwas schwer.«

Der jetzt beigebrachte Hammer war um die Hälfte schwerer als jener, den der Hochländer schon von ungewöhnlichem Gewicht erwählt hatte. Norman stand erstaunt; aber noch mehr war er's, als Harry seine Stellung nahm, das gewichtige Stück weit hinter seine Hüfte schwang und seiner Hand entgleiten ließ, als würd' es von einer Wurfmaschine geschleudert. Die Luft stöhnte und pfiff, während die Masse hindurch flog. Endlich fiel sie nieder und das Eisen einen Fuß tief in die Erde, eine volle Elle jenseits des Wurfes von Norman.

Der gedemüthigte und besiegte Hochländer ging zu dem Orte, wo die Waffe lag, hob sie auf, wog sie staunend in der Hand und prüfte sie genau, als erwartete er mehr, als einen gewöhnlichen Hammer darin zu entdecken. Endlich kehrte er mit melancholischem Lächeln zum Eigenthümer zurück, achselzuckend und kopfschüttelnd, als der Schmied ihn fragte, ob er seinen Wurf nicht übertreffen wolle.

»Norman hat bei dem Spiele bereits zu viel verloren,« erwiderte er. »Sie hat ihren eignen Namen, der Hammerer, verloren. Aber arbeitet Ihr selbst, der Gow Chrom, auf dem Ambos mit dieser Pferdelast Eisen?«

»Ihr werdet sehen, Bruder,« sagte Harry, nach der Schmiede vorangehend. »Dunter,« sagte er, »zieh' mir diese Stange aus dem Ofen;« und Simson erhebend, wie er den ungeheuren Hammer nannte, bog er das Metall mit hundert Streichen von der Rechten zur Linken, – jetzt mit der rechten Hand, jetzt mit der linken, dann mit beiden, mit so viel Kraft und Geschick, daß er ein kleines, aber schön geformtes Hufeisen in der Hälfte der Zeit vollendete, die ein gewöhnlicher Schmied mit einem bequemen Werkzeuge gebraucht hätte.

»Ei, ei!« sagte der Hochländer, »und warum wolltet Ihr mit unserm jungen Häuptling fechten, der weit über Euern Stand ist, wenn Ihr auch der beste Schmied seid, der je mit Wind und Feuer arbeitete?«

»Hört an!« sagte Harry – »Ihr scheint ein guter Bursche, und ich will Euch die Wahrheit sagen: Euer Herr hat mich beleidigt, und ich gebe ihm diesen Harnisch umsonst, wenn er mit mir kämpfen will.«

»Ei, wenn er Euch beleidigt hat, muß er sich Euch stellen,« sagte der Leibgardist. »Einen Mann beleidigen, das nimmt die Adlerfeder von des Häuptlings Mütze, und wäre er der Erste in den Hochlanden, was Eachin allerdings ist, er müßte mit dem Manne fechten, den er beleidigt hat, oder es fällt eine Rose aus seinem Kranze.«

»Wollt Ihr ihn dazu bewegen,« sagte Harry, »nach dem Kampfe am Sonntag?«

»O, sie selbst wird ihr Bestes thun, wenn die Falken nicht die Gebeine ihrer selbst abzufressen bekommen; denn Ihr müßt wissen, Bruder, daß Clan Chattans Klauen sehr tief bohren.«

»Auf diese Bedingung gehört die Rüstung Eurem Häuptling,« sagte Harry; »aber ich will ihn vor König und Hof entehren, wenn er den Preis nicht zahlt.«

»Keine Furcht, keine Furcht; ich selbst will ihn zum Kampfe führen,« sagte Norman; »gewißlich.«

»Ihr werdet mir einen Gefallen thun,« erwiderte Harry; »und damit Ihr Eures Versprechens gedenken mögt, will ich Euch diesen Dolch schenken. Seht – wenn Ihr ihn gehörig gebraucht und zwischen Harnisch und Kragen Eures Feindes setzt, so wird der Wundarzt unnöthig sein.«

Der Hochländer war verschwenderisch mit seinen Danksagungen und nahm Abschied.

»Ich hab' ihm den besten Harnisch gegeben, den ich je machte,« sagte der Schmied, seine Freigebigkeit fast bereuend, »und zwar für den armseligen Preis, daß er seinen Häuptling auf einen Kampfplatz mit mir bringen will; dann mag Katharina dem gehören, der sie tapfer gewinnen kann. Aber sehr fürcht' ich, der Jüngling wird einen Ausweg finden, er müßte denn am Palmsonntag solches Glück haben, daß er einen zweiten Kampf wagt. Das ist indeß eine Hoffnung; denn schon oft hab' ich einen unreifen Burschen nach seinem ersten Kampfe emporschießen sehen, von einem Zwerge zu einem Riesentödter.«

So erwartete Harry mit wenig Hoffnung aber größter Entschlossenheit die Zeit, die sein Schicksal entscheiden sollte. Was ihn das Schlimmste besorgen ließ, war das Schweigen des Handschuhmachers und seiner Tochter. »Sie schämen sich,« sagte er, »mir die Wahrheit zu gestehen und daher schweigen sie.«

Am Freitag Mittag kamen die beiden Schaaren, jede dreißig Mann stark, welche die streitenden Clans vertraten, bei den verschiedenen Punkten an, wo sie zur Erholung Halt machen sollten.

Der Clan Quhele wurde gastlich in der reichen Abtei Scone bewirthet, während der Oberrichter die Gegner in seinem Schlosse Kinfauns aufnahm. Die äußerste Sorgfalt ward angewendet, um beide Parteien mit der pünktlichsten Aufmerksamkeit zu behandeln und keinen Anlaß zu geben, daß sie sich über Parteilichkeit beklagen könnten. Alle Punkte der Etikette wurden indessen von dem Lord Großconnetable, Grafen Errol, und dem Grafen von Crawford geordnet, indem Ersterer für den Clan Chattan sprach, während der Letztere des Clans Quhele Vertreter war. Boten gingen beständig von dem einen Grafen zum andern, und sie hielten mehr als sechs Zusammenkünfte in dreißig Stunden, ehe das Ceremoniel des Kampfes vollständig geordnet werden konnte.

Unterdessen befahl, für den Fall einer Erneuerung alten Streites, wozu viel Samen zwischen den Bürgern und ihren hochländischen Nachbarn vorhanden war, eine Bekanntmachung den Bürgern, sich nicht über eine halbe Meile dem Orte zu nähern, wo die Hochländer einquartiert waren, während hinsichtlich der Letztern die bestimmten Streiter genöthigt waren, eine Annäherung an Perth ohne besondere Erlaubniß zu meiden. Truppen waren zur Vollziehung des Befehls aufgestellt, die ihre Pflicht so gewissenhaft thaten, daß sie selbst Simon Glover, einen ächten Bürger von Perth, hinderten in die Stadt zu kommen, weil er gestand, mit Eachin Mac Jan's Kämpfern angelangt zu sein und ein Plaid nach ihrem Muster trug. Dies machte es dem Handschuhmacher unmöglich, Harry Wynd aufzusuchen und ihn von Allem, was seit ihrer Trennung vorgegangen, genau zu unterrichten; ein Gespräch, dessen Stattfinden das Ende unserer Erzählung wesentlich geändert haben würde.

Am Sonnabend Nachmittag kam noch Jemand an, der die Stadt fast ebensosehr interessirte, als die Vorbereitungen zum bevorstehenden Kampfe. Dies war der Graf von Douglas, der durch die Stadt ritt mit einer Schaar von nur dreißig Reitern, von denen aber Alle Ritter und Herren des ersten Ranges waren. Aller Augen folgten diesem gefürchteten Grafen, wie man den Flug des Adlers durch die Wolken verfolgt, unfähig, den Lauf von Jupiters königlichem Vogel zu erkennen, aber schweigend, aufmerksam und so ernst in der Betrachtung, als könnte man den Grund errathen, warum er am Firmamente dahin eilt. Er ritt langsam durch die Stadt und zog durch das nördliche Thor hinaus. Am Dominikanerkloster stieg er ab und verlangte den Herzog von Albany zu sehen. Der Graf wurde sogleich eingeführt und vom Herzog auf eine Weise empfangen, die einnehmend und gefällig sein sollte, aber beim ersten Anblick Verstellung und Unruhe verrieth. Nachdem die ersten Begrüßungen vorüber, sagte der Graf mit großem Ernst: »Ich bringe Euch traurige Nachrichten. Euer königlicher Neffe, der Herzog von Rothsay, ist nicht mehr, und ich fürchte, er ist durch schändliche Anschläge zu Grunde gegangen.«

»Anschläge!« sagte der Herzog verwirrt, »was für Anschläge? – Wer wagt Anschläge gegen den Erben des schottischen Thrones?«

»Es ist nicht meine Sache, diese Zweifel zu erklären,« sagte Douglas – »aber die Leute sagen, der Adler ward mit einem Pfeil getödtet, der mit seiner eigenen Schwinge befiedert war, und der Eichstamm ward durch einen Keil des nämlichen Holzes gespalten.«

»Graf von Douglas,« sagte der Herzog von Albany, »ich verstehe keine Räthsel.«

»Und ich gebe keine aus,« sagte Douglas hochfahrend. »Eure Hoheit wird Umstände in diesen Papieren finden, die des Durchlesens werth sind. Ich will eine halbe Stunde nach dem Klostergarten gehen und dann wieder zu Euch kommen.«

»Ihr geht nicht zum König, Mylord?« fragte Albany.

»Nein,« antwortete Douglas; »ich hoffe, Eure Hoheit wird mir beistimmen, daß wir dies große Familienunglück unserem Monarchen verbergen, bis die Sache des morgenden Tages entschieden ist.«

»Gern stimm' ich bei,« sagte Albany. »Wenn der König von diesem Verluste hörte, könnte er nicht Zeuge des Kampfes sein; und wenn er nicht in Person erscheint, werden die Leute sich wahrscheinlich weigern zu fechten, und die ganze Sache ist aufgelöst. Ich bitte, setzt Euch, Mylord, während ich diese traurigen Papiere in Betreff des armen Rothsay lese.«

Er ging die Papiere in seinen Händen durch, einige flüchtig überlaufend und auf andern weilend, wie wenn ihr Inhalt von größter Wichtigkeit wäre. Als er fast eine Viertelstunde auf diese Weise zugebracht hatte, erhob er die Augen und sagte sehr ernst: »In diesen höchst traurigen Dokumenten ist wenigstens der Trost, daß ich nichts darin sehen kann, was die Spaltungen im Staatsrath erneuern dürfte, die durch den letzten feierlichen Vertrag zwischen Eurer Herrlichkeit und mir beigelegt wurden. Mein unglücklicher Neffe sollte demzufolge bei Seite gebracht werden, bis die Zeit ihm mehr Ernst und Urtheilskraft gäbe. Er ist jetzt durch das Schicksal entfernt, das unserer Absicht hierbei zuvorkam und unser Handeln unnöthig machte.«

»Wenn Eure Hoheit,« erwiderte der Graf, »nichts sieht, was das gute Einverständniß zwischen uns stört, auf dem die Ruhe und Sicherheit Schottlands beruht, so bin ich kein so schlechter Freund meines Vaterlandes, um dergleichen zu suchen.«

»Ich versteh' Euch nicht, Mylord von Douglas,« sagte Albany schnell. »Ihr urtheilt zu rasch, wenn Ihr meint, ich würde mich von Eurer Herrlichkeit beleidigt fühlen, weil Ihr Eure Macht als Statthalter gebrauchtet, und die elenden Mörder auf meinem Gebiete zu Falkland straftet. Glaubt, ich bin vielmehr Eurer Herrlichkeit Dank schuldig, daß Ihr mir die Bestrafung der Elenden abnahmt, da es mir das Herz gebrochen hätte, sie nur zu sehen. Das schottische Parlament wird ohne Zweifel ihre ruchlose That untersuchen, und glücklich schätz' ich mich, daß das Racheschwert in der Hand eines so gewichtigen Mannes, wie Eure Herrlichkeit, war. Unser Beschluß ging, wie Ihr Euch erinnern werdet, nur bis zum Vorschlag der Haft unseres unglücklichen Neffen, bis einige Jahre ihn Klugheit gelehrt hätten.«

»Dies war allerdings Eurer Hoheit Vorschlag, wie er mir ausgedrückt wurde,« sagte der Graf; »das kann ich bezeugen.«

»Nun, edler Graf, dann kann uns kein Tadel treffen, weil Schurken zu ihrem eigenen rachsüchtigen Zwecke unserer guten Absicht ein Ziel gesetzt haben.«

»Das Parlament wird nach seiner Weisheit entscheiden,« sagte Douglas. »Was mich anlangt, mein Gewissen spricht mich frei.«

»Und meines beruhigt mich,« sagte der Herzog feierlich. »Nun, Mylord, was die Vormundschaft des Knaben Jakob anlangt, der seines Vaters Erbe sein soll, wie steht es damit?«

»Der König muß das entscheiden,« sagte Douglas, den das Gespräch ungeduldig machte. »Meinetwegen wohne er, wo es sei, nur nicht zu Stirling, Doune oder Falkland.«

Damit verließ er das Gemach sofort.

»Er ist fort,« murmelte der schlaue Albany, »und er muß mein Verbündeter sein – doch er fühlt sich geneigt, mein Todfeind zu werden. Gleichviel – Rothsay schläft bei seinen Vätern – Jakob kann bald folgen, und dann – vergütet eine Krone meine Verlegenheiten.«


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