Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Neunzehntes Kapitel.

Wer läßt die Glocke ziehen? – Teufel, ha!
Die Stadt steht auf. –
            Othello, 2. Aufzug, 3. Scene.

Die verworrenen Gerüchte, die sich durch die Stadt verbreiteten, verursachten, da sogleich darauf die Sturmglocken ertönten, allgemeine Bestürzung. Die Ritter und Edeln kamen mit ihrem Gefolge auf verschiedenen Sammelplätzen zusammen, wo man sich am füglichsten vertheidigen konnte, und bald erreichte der Lärm den königlichen Palast, wo der junge Prinz einer der Ersten war, die erschienen, um nöthigenfalls den alten König vertheidigen zu helfen. Die Scene der vorigen Nacht lag ihm noch im Gedächtniß, und indem er sich der blutbefleckten Gestalt Bonthrons erinnerte, ahnte er, wiewohl nur unbestimmt, daß des Schurken That mit diesem Aufruhr im Zusammenhang stünde. Das darauf folgende und interessantere Gespräch mit Sir John Ramorny hatte indeß so viel Eindruck gehabt, daß dadurch, außer der unbestimmten Erinnerung an eine geschehene Mordthat, alle Spuren von dem, was er über die blutige That des Meuchelmörders undeutlich gehört hatte, verlöscht worden waren. Um seines Vaters willen griff er mit seinem eigenen Gefolge zu den Waffen, welches in glänzender Rüstung, die Lanzen in den Händen, ein ganz anderes Ansehen hatte, als in vergangener Nacht, wo sie als berauschte Bacchusverehrer erschienen. Der gute alte Monarch empfing dies Zeichen kindlicher Liebe und Dankbarkeit, und zeigte stolz seinen Sohn dem bald nachher eintretenden Herzog von Albany. Er ergriff Jeden bei der Hand.

»Wir sind nun hier drei Stuarts,« sagte er, »so unzertrennlich wie das heilige Kleeblatt; und da man sagt, wer dies heilige Kraut trage, könne dem Zaubertrug spotten, so können wir, so lange wir einander treu sind, der Bosheit und Feindschaft Trotz bieten.«

Der Bruder und der Sohn küßten die freundliche Hand, die die ihrigen drückte, während Robert sein Vertrauen auf ihre Liebe ausdrückte. Der Kuß des Jünglings war diesmal aufrichtig gemeint; der des Bruders war der Kuß des abtrünnigen Judas.

Inzwischen setzte die Glocke der St. Johanniskirche unter Andern auch die Bewohner der Curfewstraße in Bewegung. Im Hause Simon Glovers war die alte Dorothee Glover, wie man sie nannte (denn auch sie entlehnte den Namen von dem Geschäft, welches sie unter ihres Herrn Auspicien trieb), die Erste, die den Lärm vernahm. Obgleich sie gewöhnlich etwas taub war, so blieb doch ihr Ohr immer für schlimme Neuigkeiten so scharf, als der Geruch eines Geiers für das Aas; denn Dorothee, sonst ein treues fleißiges und selbst liebevolles Wesen, hatte den starken Hang, traurige Gerüchte zu sammeln und auszubreiten, der sich unter den niederen Klassen so häufig findet. Wenig gewohnt, angehört zu werden, lieben sie die Aufmerksamkeit, die eine tragische Geschichte dem Erzähler sichert, und freuen sich vielleicht der Gleichheit, in welche das Mißgeschick die, welche sonst über ihnen stehen, auf eine Zeit lang mit ihnen setzt. Dorothee hatte kaum ein kleines Bündel der draußen umherfliegenden Gerüchte zusammengerafft, als sie in ihres Meisters Schlafgemach sprang, der das Privilegium des Alters und des Festtags benutzte, um länger als gewöhnlich zu schlafen.

»Da liegt er, der wackere Mann!« sagte Dorothee halb schreiend, halb im kläglichen Tone des Mitgefühls, – »da liegt er, sein bester Freund ist erschlagen, und er weiß so wenig davon, wie das neugeborene Kind, das Leben von Tod nicht zu unterscheiden versteht.«

»Was gibt's?« sagte der Handschuhmacher, im Bett emporfahrend, – »was gibt es, Alte? Ist meine Tochter wohl?«

»Alte!« sagte Dorothee, die, nachdem sie den Fisch am Haken hatte, ihn ein Bischen zappeln lassen wollte. »Ich bin nicht so alt,« sagte sie, aus dem Gemach springend, »um an dem Orte zu bleiben, wo ein Mann unangekleidet aus dem Bett steigt –«

Und sogleich hörte man sie in der Ferne unten im Wohngemach melodisch zum Scharren ihres Besens singen.

»Dorothee – Nachteule – Teufel, – sage nur, ob meine Tochter wohl ist!«

»Ich bin wohl, mein Vater!« antwortete das schöne Mädchen von Perth, aus ihrem Schlafgemach rufend: »vollkommen wohl; was gibt es aber, um unserer lieben Frau willen? Die Glocken läuten rückwärts, und auf den Straßen ist Geschrei und Lärm.«

»Ich will den Grund sogleich hören. – Schnell, Conachar, binde mir sogleich die Bänder – ach, ich vergaß, – der Hochländer ist weit jenseits Fortingall. – Geduld, Tochter, ich werde dir sogleich Nachricht bringen.«

»Ihr braucht Euch darum nicht zu eilen, Simon Glover,« rief das hartnäckige alte Weib; »das beste und Schlimmste davon könnt Ihr hören, eh' Ihr einen Fuß über Eure Schwelle setzt. Ich weiß die ganze Geschichte draußen; denn, dachte ich, unser Herr ist so eigensinnig, daß er hinauslaufen wird, um die Sache zu hören, was es auch sei; und so macht' ich mich selber auf den Weg und mußte mich nach allem erkundigen, weil er sonst seine alte Nase mitten hinein stecken würde, um sich kneipen zu lassen, ohne zu wissen, warum.«

»Und was ist es für eine Neuigkeit, Alte?« sagte der ungeduldige Glover, noch immer eifrig beschäftigt mit hundert Bändern und Nesteln, mittelst deren das Wams an die Hosen befestigt wurde.

Dorothee ließ ihn in seinem Werke fortfahren, bis sie merkte, daß es bald vollendet sein müßte, und sie voraussah, wenn sie das Geheimniß nicht selbst erzählte, würde ihr Herr draußen in Person nach dem Grund der Unruhe forschen. Sie rief daher weinend aus: »Ach, ach! Ihr könnt nicht sagen, daß es meine Schuld ist, wenn Ihr schlimme Neuigkeiten hört, bevor Ihr in der Frühmesse gewesen seid. Ich wollte es vor Euch verbergen, bis Ihr Gottes Wort gehört hättet; aber da Ihr's einmal hören müßt: Ihr habt den treuesten Freund verloren, der je einem andern die Hand reichte, und Perth hat den tapfersten Bürger zu betrauern, der je ein Schwert in die Hand nahm!«

»Harry Schmied! Harry Schmied!« riefen Vater und Tochter zugleich.

»Ach, ja freilich, da habt Ihr's denn endlich,« sagte Dorothee; »und wessen Schuld ist es, als Eure eigene? – Ihr machtet so viel Wesens darum, daß er eine Sängerin begleitet, wie wenn er mit einer Jüdin gegangen wäre.«

Dorothee würde noch lange fortgefahren haben, aber Ihr Herr rief seiner Tochter, die noch in ihrem eigenen Gemach war, zu: »Es ist Unsinn, Katharina, – nur das Geschwätz einer alten Thörin. So Etwas ist nicht geschehen. Ich will dir sogleich die Wahrheit bringen;« und seinen Stab ergreifend, eilte der alte Mann an Dorothee vorüber hinaus auf die Straße, wo das Gedränge des Volkes sich nach der Highstreet bewegte. Dorothee murmelte inzwischen zu sich selbst: »Dein Vater ist ein kluger Mann, nimm sein eigenes Wort dafür. Er wird bald mit einem Schaden aus dem Getümmel kommen, und dann wird's heißen, Dorothee, gib Leinwand, Dorothee, streiche das Pflaster; aber jetzt ist's nichts als Unsinn, Lüge und Unmöglichkeit, was aus Dorotheens Munde kommen kann. – Unmöglich! Meint der alte Mann, Harry Schmieds Kopf sei so hart wie sein Ambos, und ein ganzer Hochländerclan könne d'rauf klopfen?«

Hier ward sie durch eine Engelsgestalt unterbrochen, die aber mit irren, verstörten Augen, todtenbleicher Wange, aufgelöstem Haar und in fast bewußtlosem Zustande erschien und die Alte aus ihrer mißvergnügten Laune aufschreckte.

»Unsere liebe Frau behüte mein Kind!« sagte sie. »Warum seht Ihr so verstört aus?«

»Sagtet Ihr nicht, es sei Jemand todt?« sagte Katharina mit einer ängstlichen Unsicherheit der Sprache, wie wenn sie die Organe der Rede und des Gehörs nur unvollkommen in der Gewalt hätte.

»Todt, freilich! Ja, ja, todt genug; Ihr werdet ihn nicht noch ein Mal betrüben können.«

»Todt!« wiederholte Katharina, mit derselben Unsicherheit in Stimme und Benehmen. »Todt – erschlagen – und von den Hochländern?«

»Ja, das denk' ich sicherlich, durch Hochländer – die gesetzlosen Schurken. Wer schlägt denn sonst die meisten Leute todt, außer etwa dann und wann, wenn die Bürger Händel haben und einer den andern tödtet, oder wenn die Ritter und Edelleute Blut vergießen. Aber so viel weiß ich, diesmal waren's die Hochländer. Der Mann fand sich nicht in Perth, vornehm oder gering, der Mann gegen Mann sich an Harry Schmied wagen durfte. Man hat ungleiches Spiel mit ihm getrieben; das werdet Ihr sehen, wenn man der Sache auf den Grund kommt.«

»Hochländer!« wiederholte Katharina, als käme ihr ein Gedanke, der ihren Geist beunruhigte. »Hochländer! – O Conachar! Conachar!«

»Wahrlich! und ich kann sagen, Ihr seid auf den rechten Mann gefallen, Katharina. Sie zankten, wie Ihr sahet, am St. Valentinsabend und rangen mit einander. Ein Hochländer hat ein langes Gedächtnis für dergleichen. Gib ihm zu St. Martin eine Ohrfeige, so wird's seine Wange zu Pfingsten empfinden. Aber was könnte die langbeinigen Schufte heruntergeführt haben, um ihr blutiges Werk in der Stadt zu verüben?«

»Weh' mir, ich war es,« sagte Katharina; »ich brachte die Hochländer herunter – ich schickte nach Conachar – ja, sie haben ihm aufgelauert – aber ich war's, die sie in die Nähe ihrer Beute brachte. Aber ich will mit meinen eigenen Augen sehen – und dann – werden wir Etwas thun. Sag' meinem Vater, ich werde bald zurück sein.«

»Seid Ihr wahnwitzig, Mädchen?« rief Dorothee, als Katharina nach der Hausthür eilte. »Ihr werdet doch nicht auf die Straße laufen mit dem Haar, das Euch so über's Gesicht herabhängt; in diesem Anzug, die man Euch das schöne Mädchen von Perth nennt? – Herrgott, aber sie ist schon auf der Straße, komme was da wolle, und der alte Glover wird so toll sein, als hätt' ich sie mit Gewalt mir nichts dir nichts zurückhalten können. – Das ist ein schöner Aschermittwochmorgen! – Was soll man anfangen? Wenn ich meinen Meister unter der Menge suchen wollte, so könnte ich im Getümmel zertreten werden, und man würde um das alte Weib wenig Jammer erheben. – Und soll ich Katharinen nachlaufen, die mir lange aus den Augen und viel leichter zu Fuße ist, als ich? – So will ich lieber hinaus zum Barbier Nicol und dem die Geschichte erzählen.«

Während die wackere Dorothee ihren klugen Entschluß zur Ausführung brachte, lief Katharina durch die Straßen von Perth auf eine Weise, wodurch sie in jedem andern Augenblick die Aufmerksamkeit Aller auf sich gezogen hätte, welche sie mit unbedachter Heftigkeit eilen sahen, verwirrt und ganz ohne den gewohnten ruhigen Anstand des Ganges und Benehmens, und ohne Plaid, Schürze oder Mantel, welche »gute Frauen« von anständigem Ruf und ehrbarem Stande immer trugen, wenn sie ausgingen. Aber im allgemeinen Schrecken, da sie Alle nach der Ursache des Tumultes forschten oder dieselbe erzählten, während die Meisten sie verschieden angaben, machte die Nachlässigkeit ihrer Kleidung und der Mangel an Fassung auf Niemand Eindruck, und man ließ sie auf dem gewählten Pfade forteilen, ohne sie mehr als die übrigen Weiber zu bemerken, die, von ängstlicher Neugier oder Furcht getrieben, gekommen waren, um nach der Ursache des allgemeinen Lärms zu fragen – vielleicht um Freunde zu suchen, für deren Sicherheit sie besorgt waren.

Während Katharina ihren Weg verfolgte, empfand sie den ganzen seltsamen Einfluß der aufregenden Scene, und nur mit Mühe enthielt sie sich, die Klagen und das Jammergeschrei zu wiederholen, welches um sie her widerhallte. Inzwischen eilte sie rasch vorwärts, wie von einem Traume befangen, im unheimlichen Gefühle furchtbaren Unglücks, ohne daß sie sich desselben bestimmt und deutlich bewußt war, das aber den schrecklichen Gedanken einschloß, der Mann, der sie so innig liebte, dessen gute Eigenschaften sie so hochschätzte, und der ihr, wie sie jetzt fühlte, theurer war, als sie sich vorher gestanden hatte, sei ermordet, und sie wahrscheinlich schuld an seinem Tode. Die Verbindung zwischen Harry's vermeintlichem Tode und dem Einfall Conachars und seiner Begleiter, ob sie gleich im Augenblicke der höchsten Aufregung den Gedanken gefaßt hatte, hatte doch hinlängliche Wahrscheinlichkeit, um für wahr zu gelten, selbst wenn ihr Verstand fähig gewesen wäre, die Glaubwürdigkeit des Umstandes zu untersuchen. Ohne zu wissen, was sie außer dem allgemeinen Verlangen, das Schlimmste von dem schrecklichen Gerüchte zu erfahren, noch suchte, eilte sie dem Orte zu, den ihre Gefühle am vorigen Tage sie unter allen am meisten zu meiden veranlaßt hätten.

Wer hätte am Fastnachtabend die stolze, furchtsame, schüchterne, streng anständige Katharine Glover überreden können, daß sie vor der Messe am Aschermittwoch durch die Straßen von Perth rennen würde, sich Bahn suchend durch Tumult und Verwirrung, mit aufgelöstem Haar, ungeordneter Kleidung, um das Haus desselben Liebhabers aufzusuchen, der, wie sie glauben mußte, sie durch Unterhaltung einer unanständigen und frechen Liebschaft so arg und schwer vernachlässigt und beschimpft hatte? Und doch war es so. Und da sie in der Eile die freieste Straße, wie durch Instinkt, einschlug, gelangte sie, die Hauptstraße, wo das Gedränge am größten war, vermeidend, durch dieselben engen Gassen an der Nordseite der Stadt auf den Wynd, durch welche Harry früher Louisen begleitet hatte. Aber selbst diese verhältnißmäßig einsamen Gassen waren jetzt mit Leuten gefüllt, so allgemein war der Lärm. Katharina Glover drängte sich durch sie, während diejenigen, welche sie bemerkten, einander ansahen und aus Mitleid mit ihrem Unglück den Kopf schüttelten. Endlich stand sie, ohne bestimmtes Bewußtsein ihrer Absicht, vor des Liebhabers Thür und klopfte an.

Die Stille, welche dem Schall ihres heftigen Klopfens folgte, steigerte die Unruhe, welche sie zu dieser verzweifelten Maßregel getrieben hatte.

»Oeffne, – öffne, Harry!« rief sie. »Oeffne, wenn du noch lebst! – Oeffne, wenn du nicht Katharina Glover todt auf deiner Schwelle finden willst!«

Während sie so wahnsinnig schrie, zu Ohren, die, wie man sie glauben lehrte, der Tod verschlossen hatte, öffnete der angerufene Liebhaber in Person eben noch zeitig genug, um die zu Boden Sinkende aufzufangen. Das Uebermaß freudigen Entzückens über ein so unerwartetes Ereigniß kam nur dem Staunen gleich, welches ihm verbot, Alles für wirklich zu halten, so wie seiner Unruhe über die geschlossenen Augen, die halboffenen, bleichen Lippen, die völlige Abwesenheit der Farbe und das scheinbar gänzliche Stocken des Athems.

Harry war, trotz des allgemeinen Lärmens, welcher schon seit geraumer Zeit an sein Ohr gedrungen, daheim geblieben, fest entschlossen, sich nicht in Händel zu mischen, die er meiden konnte; und nur in Folge eines Aufrufs von Seiten des Magistrats, dem er als Bürger gehorchen mußte, geschah es, daß er Schwert und Schild von der Wand genommen und im Begriff war, zum ersten Male unfreiwillig zu gehen und den Dienst zu erfüllen, zu dem ihn seine Bürgerpflicht rief.

»Es ist hart,« sagte er, »in alle Fehden der Stadt gedrängt zu werden, da das Kriegshandwerk Katharinen so zuwider ist. Gewiß gibt es genug Dirnen in Perth, die zu ihren Geliebten sagen: Geh' hinaus, thu' muthig deine Pflicht, und werb' um deiner Dame Gunst! Und doch schickten sie nicht nach ihren Liebhabern, sondern nach mir, der nicht die Schuldigkeit eines Mannes thun, und eine Sängerin schützen, noch die Pflicht eines Bürgers erfüllen kann, der für die Ehre seiner Stadt kämpft, ohne daß mich diese eigensinnige Katharina behandelt, als wäre ich ein Hurer und Raufbold!«

Dies waren die Gedanken, die seinen Kopf beschäftigten, als er, um auszugehen, seine Thür öffnete, und nun das Wesen, welches seinen Gedanken das theuerste war, obwohl er's jetzt am wenigsten zu sehen erwartete, in seine Arme sinken sah.

Sein aus Staunen, Freude und Besorgniß gemischtes Gefühl beraubte ihn nicht der Geistesgegenwart, welche der Vorfall erforderte. Katharine Glover in Sicherheit zu bringen und sie zum Bewußtsein zu rufen, daran dachte er zuerst, bevor er dem Rufe des Magistrates folgte, wie dringend dieser auch gewesen sein mochte. Er trug seine liebliche Bürde, leicht wie eine Feder, aber köstlicher wie dieselbe Quantität Goldes, in ein kleines Schlafgemach, welches seine Mutter inne gehabt hatte. Es war das passendste für einen Kranken, da es nach dem Garten ging und vom Toben des Aufruhrs fern lag.

»Hierher, Amme – Amme Shoolbred – komm schnell – komm, es gilt Tod und Leben – hier braucht Jemand deine Hülfe!«

Die Alte trabte herbei. »Wenn es nur Jemand wäre, der dich aus dem Handel ziehen könnte – denn auch sie war von dem Lärm erweckt worden, – aber wie groß war ihr Staunen, als sie, mit Liebe und Ehrerbietung auf das Bett ihrer verstorbenen Gebieterin gelegt und unterstützt von den athletischen Armen ihres Pflegesohnes, die leblose Gestalt des schönen Mädchens von Perth vor sich sah. »Katharina Glover!« sagte sie; »und heilige Mutter Gottes – eine Sterbende, glaub' ich gar!«

»Nicht doch, Alte,« sagte ihr Pflegesohn; »das theure Herz schlägt – der süße Athem kommt und kehrt wieder! komm du, du kannst ihr geschickter helfen als ich – bring' Wasser – Essenzen – was deine alte Kunst nur schaffen kann. Der Himmel legte sie nicht in meine Arme, um zu sterben, sondern zu leben für sich und mich!«

Mit einer Behendigkeit, die ihr Alter nicht erwarten ließ, sammelte Anna Shoolbred die Mittel, um die Ohnmächtige zu beleben; denn, gleich vielen Frauen jener Zeit, verstand sie, was in solchen Fällen zu thun war, ja, sie war sogar kundig, Wunden von gewöhnlicher Art zu behandeln, und die kriegerischen Neigungen ihres Pflegesohnes hatten sie darin in beständiger Uebung erhalten.

»Nun, Harry,« sagte sie, »laß meine Kranke aus deinen Armen – obwohl sie die Umarmung werth ist – und mache deine Hände frei, um mir mit dem Nöthigen zu helfen. – Nun, ich bestehe nicht darauf, daß Ihr auch ihre Hand fahren laßt, wenn Ihr sanft darauf schlagen wollt, so wie die im Krampfe gebogenen Finger sich lösen.«

»Ich ihre zarte, schöne Hand schlagen!« sagte Harry; »Ihr könntet mich ebenso ein Wasserglas mit einem Schmiedehammer schlagen heißen, als ihre schöne Hand mit meinen hornharten Fingern klopfen. – Aber die Finger lösen sich, und wir werden ein besseres Mittel finden, als Schlagen.« Er drückte seine Lippen auf die hübsche Hand, deren Bewegung das wiederkehrende Leben anzeigte. Einige tiefe Seufzer folgten und das schöne Mädchen von Perth öffnete die Augen, heftete sie auf den Geliebten, der neben dem Bett knieete, und sank wieder auf's Kissen zurück. Da sie ihre Hand dem Drucke des Liebenden nicht entzog, so müssen wir mit billiger Nachsicht glauben, die Rückkehr des Bewußtseins sei nicht so vollkommen gewesen, daß sie bemerkte, wie er den Vortheil mißbrauchte, und sie abwechselnd an seine Lippen und an seine Brust drückte. Zugleich müssen wir gestehen, daß während dieses Rückfalles das Blut ihre Wangen röthete und ihr Athem einige Minuten tief und unregelmäßig war.

Der Lärm vor der Thür begann jetzt viel lauter zu werden und Harry ward bei all' seinen verschiedenen Namen gerufen: Schmied, Gow und Harry vom Wynd, gleichwie die Heiden ihre Götter bei verschiedenen Namen anzurufen pflegten. Endlich nahm die Menge draußen, wie portugiesische Katholiken, wenn sie sich in Bitten an ihre Heiligen erschöpft haben, ihre Zuflucht zu tadelnden Ausrufungen.

»Daß Euch der Kuckuck, Harry! Ihr seid ein unwürdiger Mann, Eurem Bürgereide treulos, und ein Verräther der guten Stadt, wenn Ihr nicht sogleich herauskommt!«

Es schien, daß die Bemühungen der Amme Shoolbred in so weit erfolgreich waren, daß Katharinens Sinne sich einigermaßen sammelten; denn indem sie ihr Gesicht mehr gegen das des Geliebten wandte, als ihre frühere Lage gestattete, ließ sie ihre rechte Hand auf seine Schulter fallen, während sie die linke in der seinigen ließ und ihn leicht zurückzuhalten schien, indem sie sagte: »Geh' nicht, Harry – bleib bei mir – sie wollen dich tödten, diese blutigen Menschen!«

Es schien, daß diese zarte Anrede (darauf gegründet, daß sie den Geliebten lebend fand, den sie nur als Leichnam zu erblicken erwartet hatte), obwohl sie ganz leise und fast unvernehmbar gesprochen ward, doch wirksamer war, Harry Wynd in seiner gegenwärtigen Stellung zurückzuhalten, als der wiederholte Ruf so vieler Stimmen draußen, um ihn die Treppe hinabzubringen.

»Alle Heiligen, Bürger,« rief ein kühner Mann seinen Gefährten zu, »der trotzige Schmied treibt Scherz mit uns! Laßt uns in's Haus dringen und ihn herausschleppen.«

»Bedenkt, was Ihr thun wollt,« sagte ein vorsichtigerer Angreifer; »der Mann, der in Harry Gow's Wohnung eindringt, mag wohl mit heiler Haut in's Haus gehen, wird aber gehörig für den Wundarzt zurecht gemacht herauskommen. – Aber hier kommt Einer, der ein gutes Recht hat, uns bei ihm zu vertreten und dem Abtrünnigen Vernunft beizubringen.«

Die Person, auf die sich dies bezog, war Niemand anders, als Simon Glover. Er hatte den verhängnißvollen Ort erreicht, wo des unglücklichen Strumpfwirkers Körper lag, und zwar gerade zu rechter Zeit, um zu seinem größten Troste, da derselbe auf Befehl des Bailie Craigdallie umgedreht wurde, die Züge des armen Prahlers Proudfute zu entdecken, während das Volk den Lieblingskämpen Harry Schmied erwartete. Ein Gelächter, oder wenigstens etwas dem Aehnliches, verbreitete sich unter denen, die daran dachten, wie sehr sich Oliver um den Ruf eines Raufboldes bemühte, so fremd er seinem natürlichen Charakter auch war, und sie bemerkten, er sei eines Todes gestorben, der eher seinen Ansprüchen, als seiner Gemüthsart entspreche. Aber diese unzeitige spaßhafte Stimmung, die an die Rohheit der Zeit erinnert, verstummte plötzlich vor der Stimme, dem Jammer und Wehklagen einer Frau, die sich durch die Menge drängte mit dem Ausrufe: »O mein Gatte! – mein Gatte!«

Man machte der Trauernden Platz, welche von einigen Freundinnen begleitet war. Magda Proudfute war bisher nur als eine hübsche, schwarzhaarige Frau bekannt gewesen, die man für eingebildet und stolz gegen diejenigen hielt, welche ihr niederer und ärmer als sie selbst dünkten, und als Gebieterin ihres verstorbenen Gatten, den sie schnell nöthigte, den Kamm sinken zu lassen, wenn sie ihn zur Unzeit krähen hörte. Aber nun, unter dem Einflusse des mächtigen Schmerzes, zeigte sie einen weit mehr Achtung gebietenden Charakter.

»Lacht ihr,« sagte sie, »ihr unwürdigen Bürger von Perth, weil einer eurer Mitbürger sein Blut in den Rinnstein vergossen hat? – oder lacht ihr, weil das Todesloos meinen Gatten traf? Wie hat er das verdient? – Unterhielt er nicht ein ehrsames Haus durch seinen eigenen Fleiß, und einen anständigen Tisch, wo der Kranke willkommen war und der Arme Erquickung fand? – Lieh er nicht den Bedürftigen, – stand er seinen Nachbarn nicht bei als ein Freund, und hielt auf Recht und Gerechtigkeit wie eine Obrigkeit?«

»Es ist wahr, es ist wahr,« antworteten die Versammelten; »sein Blut ist unser Blut, so gut, als wär' es das Harry Gow's.«

»Ihr redet wahr, Nachbarn,« sagte Bailie Craigdallie; »und die Sache darf nicht abgethan werden, wie die vorige – Bürgerblut darf nicht ungerächt in unsern Gassen fließen, als wär' es Pfützenwasser, sonst werden wir bald den breiten Tay dunkelroth damit gefärbt sehen. Aber dieser Schlag war nimmer dem armen Manne zugedacht, auf den er gefallen ist. Jedermann weiß, was Oliver Proudfute war, wie groß er sprach und wie wenig er that. Er hat Harry Schmieds Wams, Schild und Helm. Die ganze Stadt kennt sie so gut, als ich, da ist kein Zweifel. Er hatte die Manier, wie ihr wißt, dem Schmied Alles nachzuthun. So hat Jemand, blind vor Wuth oder Rausch, den unglücklichen Strumpfwirker getroffen, den Niemand fürchtete oder haßte, oder sich um ihn überhaupt kümmerte, statt des tapferen Schmieds, der zwanzig Fehden unter den Händen hat.«

»Was ist nun zu thun, Bailie?« rief die Menge.

»Das, meine Freunde, wird eure Obrigkeit für euch beschließen, da wir uns sogleich versammeln werden, wenn Sir Patrick Charteris hierher kommt, was bald geschehen wird. Indessen laßt den Wundarzt Dwining dies arme Stück Erde untersuchen, daß er sage, wie er zu seinem schlimmen Tode kam, und dann laßt ihn in einen reinlichen Sarg, wie es einem ehrsamen Bürger ziemt, vor den Hochaltar der Kirche St. John's stellen, des Schutzpatrons der guten Stadt. Hütet Euch vor Geschrei und Lärm; und jeder Waffenfähige, der der guten Stadt wohl will, halte seine Waffen bereit und sei fertig, sich beim Schall der Glocke des Stadthauses in der Highstreet einzufinden, damit wir entweder den Tod unseres Mitbürgers rächen, oder das Loos annehmen, das uns der Himmel sendet. – Inzwischen meidet jeden Streit mit den Rittern und ihrem Gefolge, bis wir den Unschuldigen von dem Schuldigen unterscheiden. – Aber wo bleibt denn der kühne Schmied? Er ist gleich bereit bei Unruhen, wo man seine Gegenwart nicht verlangt, und er fehlt, wenn er mit derselben der guten Stadt dienen kann? – Was fehlt ihm, weiß es Niemand? Hat er am Fastnachtsabend geschwärmt?«

»Er ist vielmehr krank oder mürrisch, Meister Bailie,« sagte einer von den Mairs oder Gerichtsdienern; »denn obwohl er zu Hause ist, wie seine Leute sagen, will er uns doch weder antworten noch einlassen.«

»Mit Eurer Erlaubniß, Meister Bailie,« sagte Simon Glover, »will ich selber gehen, Harry Schmied zu holen. Ich habe einen kleinen Streit mit ihm abzumachen. Und gepriesen sei unsre Frau, die es so gefügt hat, daß ich ihn lebend finde, wie ich vor einer Viertelstunde nimmer erwartet hätte!«

»Bringt den trotzigen Schmied zum Rathhause,« sagte der Bailie, als sich ein reitender Yeoman durch die Menge drängte und ihm zuflüsterte: – »Hier ist ein guter Bursch', welcher sagt, daß der Ritter von Kinfauns durch's Thor zieht.«

So standen die Dinge, als Simon Glover, wie bereits erwähnt, vor Harry Gow's Hause erschien.

Nicht gehemmt durch die Betrachtungen des Zweifels und der Besorgniß, welche auf die Andern Einfluß hatten, ging er nach dem Wohnzimmer; und nachdem er die Stimme der Frau Shoolbred vernommen, nahm er das Vorrecht der genauen Bekanntschaft in Anspruch, in's Schlafgemach hinaufzugehen, öffnete mit der leichten Entschuldigung, »bitt' um Verzeihung, guter Nachbar,« die Thür und trat in das Gemach, wo ihn ein seltsamer und unerwarteter Anblick überraschte. Beim Ton seiner Stimme wurde die schöne Katharina viel schneller belebt, als die Arzneien der Frau Shoolbred dies hätten bewirken können, und die Blässe ihres Gesichts wechselte plötzlich mit einer tiefen Glut der lebhaftesten Röthe. Sie stieß ihren Liebhaber mit beiden Händen zurück, die sie bis jetzt, aus Bewußtlosigkeit oder aus einer durch die Vorfälle des Morgens erweckten Neigung ganz seinen Liebkosungen überlassen hatte. Harry Schmied, dessen Schüchternheit wir kennen, strauchelte im Aufstehen, und Niemand in der Gesellschaft war ohne Verlegenheit, außer Frau Shoolbred, die sich das Vergnügen machte, unter einem Vorwand den Andern den Rücken zu kehren, um auf ihre Kosten zu lachen, was sie nicht länger zurückhalten konnte; und der Handschuhmacher, dessen Staunen, obwohl groß, doch von kurzer Dauer war, stimmte fröhlich mit ein.

»Nun, bei St. John,« sagte er, »ich glaubte diesen Morgen einen Anblick zu haben, der mich vom Lachen heilen würde, mindestens bis nach dem Fasten; aber das würde mich zum Lachen bringen und läg' ich im Sterben. Nun, da steht der ehrsame Harry Schmied, den man als todt beweint und von jedem Thurm in der Stadt ausläutet, lebendig, lustig und, nach seinem rothen Gesicht zu urtheilen, so weit vom Tode, als irgend Einer von Perth. Und da ist meine köstliche Tochter, die gestern Abend von Nichts sprechen wollte, als von der Schlechtigkeit der Wichte, die eitlem Spielwerk nachlaufen und Sängerinnen schützen, – ja, sie, die St. Valentin und St. Cupido zugleich trotzte, – sie ist hier, so viel ich sehe, selbst in ein lustiges Mädchen verwandelt. Wahrlich, mich freut es, zu sehen, daß Ihr, meine gute Frau Shoolbred, die keine Unordnung duldet, selbst bei der Liebesangelegenheit waret.«

»Ihr thut mir Unrecht, mein theuerster Vater!« sagte Katharina, im Begriff zu weinen. »Ich kam mit ganz anderen Erwartungen hierher, als Ihr vermuthet. Ich kam nur, weil – weil –«

»Weil du einen todten Liebhaber zu finden dachtest,« sagte ihr Vater; »und du hast einen lebendigen gefunden, der die Zeichen deiner Achtung annehmen und sie erwidern kann. Nun, wär' es nicht eine Sünde, so könnt' ich in meinem Herzen dem Himmel danken, daß du endlich bei dem Geständniß überrascht worden bist, du sei'st ein Weib – Simon Glover verdient nicht eine vollkommen Heilige zur Tochter zu haben. – Nein, blicke nicht so flehentlich, erwarte kein Erbarmen von mir! ich will blos versuchen, nicht lustig zuzusehen, wenn du deine Thränen stillen oder gestehen willst, daß es Freudenthränen sind.«

»Müßte ich wegen eines solchen Geständnisses sterben,« sagte die arme Katharina, »ich wüßte nicht, wie ich sie nennen sollte. Glaubt nur, lieber Vater, und laßt auch Harry glauben, daß ich nie hierher gekommen wäre, wenn nicht – wenn nicht –«

»Wenn du nicht bedacht hättest, Harry könnte nicht zu dir kommen,« sagte ihr Vater. »Und nun reicht euch die Hände in Frieden und Eintracht, und vertragt euch, wie Valentine sollen. Gestern war Fastnacht, Harry – wir wollen glauben, daß du deine Thorheiten gebeichtet hast, daß dir Absolution geworden und daß du von aller Schuld, womit du beladen warst, befreit bist.«

»Ei, da Ihr darauf kommt, Vater Simon,« sagte der Schmied, »nun Ihr kalt genug seid, mich zu hören, so kann ich beim Evangelium schwören und kann meine Amme, Frau Shoolbred, zum Zeugen ausrufen –«

»Nein, nein,« sagte der Handschuhmacher, »warum Zwistigkeiten aufstören, die ganz vergessen sein sollten?«

»Hört Ihr, Simon! – Simon Glover!« dies schallte nun von unten herauf.

»Ja, Sohn Harry,« sagte der Handschuhmacher ernst, »wir haben jetzt ein ander Geschäft vor uns. Ihr und ich müssen sogleich vor den Rath; Katharina wird hier bei Frau Shoolbred bleiben, die sie bis zu unsrer Rückkehr unter ihre Obhut nehmen wird; und dann, Harry, wollen wir Beide, da die Stadt unruhig ist, sie nach Hause führen, und es würden tollkühne Männer sein, die uns in den Weg träten.«

»Ei, mein lieber Vater,« sagte Katharina mit einem Lächeln, »jetzt übernehmt Ihr ja Oliver Proudfute's Amt. Dieser tapfere Bürger ist Harry's Waffenbruder.«

Ihres Vaters Gesicht verdüsterte sich.

»Du hast ein verletzendes Wort gesprochen, Tochter; aber du weißt nicht, was geschehen ist. Küss' ihn Katharina, zum Zeichen der Vergebung.«

»Nicht doch,« sagte Katharina; »ich habe ihm bereits zu viel Gunst erwiesen. Wenn er das irrende Mädchen sicher daheim sieht, wird Zeit genug sein, den Lohn zu fordern.«

»Unterdessen,« sagte Harry, »will ich als Euer Wirth in Anspruch nehmen, was Ihr unter anderer Bedingung nicht gewähren wollt.«

Er umfing das schöne Mädchen mit den Armen, und es ward ihm erlaubt, den Kuß zu nehmen, den sie zu geben sich weigerte.

Als sie mit einander die Treppe hinabstiegen, legte der alte Mann seine Hand auf des Schmieds Schulter und sagte: »Harry, meine theuersten Wünsche sind erfüllt; aber die Heiligen wollten, daß das in einer schlimmen und schrecklichen Stunde geschehen sollte.«

»Ja,« sagte der Schmied; »aber du weißt, Vater, wenn die Aufstände in Perth häufig sind, so währen sie doch selten lange.«

Darauf öffnete er eine Thür, die aus dem Hause nach der Schmiede führte und rief: »Hierher, Kameraden, Anton, Cuthbert, Dingwell und Ningan! Keiner von euch gehe fort, bis ich zurückkehre; seid so treu, wie die Waffen, die ich euch schmieden lehrte; eine französische Krone und einen schottischen Festtag für euch, wenn ihr meinem Befehle gehorcht. Ich lasse einen großen Schatz unter eurer Obhut. Bewacht die Thüren gut – laßt den kleinen Jenkin den Wynd auf- und abgehen und haltet eure Waffen bereit, wenn sich Jemand dem Hause nähert. Oeffnet die Thüren Niemand, bis Vater Glover oder ich zurückkommt; es betrifft mein Leben und Glück.«

Die starken, schwarzen Riesen, die er anredete, antworteten: »Tod Jedem, der's versucht!«

»Meine Katharina ist nun so sicher,« sagte er zu ihrem Vater, »als wenn zwanzig Mann ihretwegen ein königlich Schloß besetzen. Wir werden durch den Garten viel ruhiger nach dem Rathhause gelangen.«

Er führte den Begleiter daher durch einen kleinen Obstgarten, wo die Vögel, die während des Winters von dem gutmüthigen Handwerker geschützt und gefüttert worden waren, in der frühen Jahreszeit das ungewisse Lächeln einer Februarsonne mit einigen schwachen und abgebrochenen melodischen Lauten begrüßten.

»Hört diese Minstrels, Vater,« sagte der Schmied; »ich lachte ihrer diesen Morgen in der Bitterkeit meines Herzens, weil die kleinen Wichte sangen, während so viel Winter vor ihnen liegt. Aber nun, dünkt mich, könnte ich einen frohen Chor anstimmen, denn ich habe meine Valentine, wie sie den ihrigen; und was auch Schlimmes morgen vor mir liegen mag, heut' bin ich der glücklichste Mann in Perth, Stadt und Grafschaft.«

»Doch muß ich Eure Freude hemmen,« sagte der alte Glover, »obwohl, der Himmel weiß es, ich sie theile. – Der arme Oliver Proudfute, der harmlose Narr, den Ihr und ich so gut kannten, ist diesen Morgen todt auf der Straße gefunden worden.«

»Blos halb todt betrunken, hoff' ich?« sagte der Schmied; »nun, eine Kraftbrühe und ein Stück von Schürzenpredigt werden ihn wieder zum Leben bringen.«

»Nein, Harry, nein. Er ist erschlagen – erschlagen mit einer Streitaxt oder einer ähnlichen Waffe.«

»Unmöglich!« erwiderte der Schmied; »er war schnellfüßig genug, und würde nicht um ganz Perth sich auf seine Hände verlassen haben, wenn er sich mit den Fersen helfen konnte.«

»Es war ihm keine Wahl gegeben. Der Hieb ist ihm in's Genick gegeben worden; er, der ihn schlug, muß ein kleinerer Mann als Jener selbst gewesen sein, und brauchte eine Reiterstreitaxt oder eine ähnliche Waffe, denn eine Lochaberaxt hätte den obern Theil des Kopfes treffen müssen – aber dort liegt er todt, zerschmettert, möcht' ich sagen, mit einer schrecklichen Wunde.«

»Das ist unbegreiflich,« sagte Harry Wynd. »Er war um Mitternacht in meinem Hause, in einem Mohrentänzerkleide; er schien vom Trinken zu kommen, wenn er auch nicht zum Uebermaß getrunken hatte. Er sagte mir eine Geschichte, wie er von Schwärmern verfolgt und in Gefahr sei; aber ach! Ihr kennt ihn; ich dachte, es sei ein prahlerischer Einfall, wie er ihn oft in der Trunkenheit hatte; und, verzeihe mir die barmherzige Jungfrau! ich ließ ihn unbegleitet gehen, was ein unmenschliches Unrecht war. Der heilige John sei mein Zeuge! ich wäre mit jedem hilflosen Wesen gegangen, und um so viel eher mit ihm, der so oft mit mir an einem Tische saß und aus einem Becher trank. Wer in aller Welt hätte daran gedacht, ein so einfältiges Geschöpf zu kränken, das Niemand beleidigte, außer durch leere Prahlereien!«

»Harry, er trug deine Blechhaube, dein Büffelwams, deinen Schild – wie kam er dazu?«

»Ei, er verlangte die Sachen für die Nacht und ich war unwohl und froh, seiner Gesellschaft los zu werden; denn ich feierte den Tag nicht und wollte ihn auch nicht feiern wegen unseres Mißverständnisses.«

»Es ist die Meinung des Bailie Craigdallie und all' unserer weisesten Räthe, daß der Hieb dir zugedacht war, und daß es dir zukommt, die gehörige Rache für unsern Mitbürger zu nehmen, der den Tod erlitt, den man dir zugedacht hatte.«

Der Schmied schwieg eine Zeitlang. Sie hatten nun den Garten verlassen und wandelten in einem einsamen Gäßchen, durch welches sie sich dem Rathhause nähern wollten, ohne der Beobachtung oder müßigen Fragen ausgesetzt zu sein.

»Du schweigst, mein Sohn, und doch haben wir Zwei viel zu sprechen,« sagte Simon Glover. »Bedenke, daß die verwittwete Frau Magdalena, wenn sie Grund hat, Jemand des Unrechts, das ihr und ihren Waisen geschehen ist, zu zeihen, ihr Recht nach Sitte und Herkommen durch einen Kämpen behaupten muß. Denn wer der Mörder auch sei, wir wissen genug von dem Gefolge dieser Edeln, um versichert zu sein, daß der Verdächtige sich auf den Zweikampf berufen wird, vielleicht in Verspottung derer, die sie die feigen Bürger nennen. So lang' wir Männer sind mit Blut in unseren Adern, darf dies nicht geschehen, Harry Wynd.«

»Ich sehe, wohin Ihr mich ziehen wollt, Vater,« antwortete Harry niedergeschlagen; »und St. John weiß, ich habe einen Ruf zur Schlacht so gern gehört, als ein Kriegsroß je die Trompete. Aber bedenkt, Vater, wie ich Katharinens Gunst öfters verlor, und fast verzweifeln mußte, sie wiederzugewinnen, weil ich, so zu sagen, zu schnell fertig mit meinen Händen bin. Jetzt ist all' unser Streit zu Ende und die Hoffnungen, die heute morgen nach menschlichem Denken gar zu weit lagen, stehen näher und glänzender, als je; muß ich nun, mit dem Versöhnungskuß der Theuren auf den Lippen, mich von Neuem in Gewaltthat stürzen, was sie, wie Ihr wohl wißt, auf's Schwerste beleidigen wird?«

»Es ist schwer für mich, dir zu rathen, Harry,« sagte Simon; »aber das muß ich dich fragen: habt Ihr, oder habt Ihr nicht Grund zu glauben, daß dieser arme unglückliche Oliver für Euch angesehen worden ist?«

»Ich fürcht' es nur zu sehr,« sagte Harry. »Man hielt ihn mir etwas ähnlich, und der arme Narr hatte sich bemüht, meine Geberden und meinen Gang nachzuäffen, ja, selbst die Weisen, die ich zu pfeifen pflege, um dadurch eine Aehnlichkeit zu erhöhen, die ihm theuer zu stehen gekommen ist. Ich habe Widersacher genug, in der Stadt wie auf dem Lande, die mir nachstellen können; und er hatte, denk ich, keine.«

»Nun, Harry, ich weiß nicht, ob meine Tochter nicht beleidigt sein wird. Sie hat viel mit Pater Clemens verkehrt und hat Begriffe über Frieden und Vergebung empfangen, die, wie mich dünkt, schlecht für ein Land passen, wo die Gesetze uns nicht schützen können, wenn wir nicht den Muth haben, uns selber zu schützen. Wenn Ihr Euch zu dem Kampfe entschließt, so will ich mein Bestes thun, sie zu überreden, daß sie die Sache betrachtet, wie die übrigen Weiber in der Stadt; und seid Ihr entschlossen, die Sache ruhen zu lassen – bleibt der Mann ungerächt, der sein Leben für Euch verloren hat – die Wittwe und die Waisen ohne Ersatz für den Verlust eines Gatten und Vaters – nun, so will ich gerecht gegen Euch sein und denken, daß ich Euch wenigstens wegen Eurer Geduld nicht geringer achten darf, da sie der Liebe zu meiner Tochter entsprang. Aber, Harry, wir müssen uns in diesem Falle aus der lustigen St. Johnston entfernen, denn hier werden wir nur eine entehrte Familie sein.«

Harry seufzte tief und schwieg einen Augenblick, dann erwiderte er: »Ich möchte lieber todt, als entehrt sein, und sollt' ich sie auch nie wiedersehen! Wär' es gestern Abend gewesen, so wär' ich dem Besten jener Kriegsleute so freudig begegnet, als ich je bei einem Maibaum tanzte. Aber heute, wo sie zum ersten Male sich benahm, als spräche sie: ›Harry Schmied, ich liebe dich!‹ Vater Glover, es ist sehr hart. Doch es ist Alles meine eigne Schuld! Dieser arme, unglückliche Oliver! ich hätt' ihm den Schutz meines Daches gewähren sollen, als er mich in seiner Todesangst darum bat; oder wär' ich mit ihm gegangen, dann hätt' ich sein Schicksal verhindert oder getheilt. Aber ich höhnte ihn, lachte ihn aus, überhäufte ihn mit Schmähungen, obwohl die Heiligen wissen, daß ich sie nur im Aerger der Ungeduld aussprach. Ich trieb ihn aus meinem Hause, da ich wußte, er sei hilflos, um dem Schicksal entgegenzugehen, welches vielleicht mir zugedacht war. Ich muß ihn rächen oder auf ewig entehrt sein. Seht, Vater – man hat einen Mann genannt, der so hart wie der Stahl, worin ich arbeite. – Weint Stahl je Thränen, gleich diesen? – Schande für mich, daß ich sie vergieße!«

»Es ist keine Schande, mein theuerster Sohn,« sagte Simon; »du bist so mild, als tapfer, und ich habe das stets gewußt. Es gibt noch eine Auskunft für uns. Es wird vielleicht Niemand entdeckt, auf dem ein Verdacht haftet, und wenn kein solcher gefunden wird, kann der Zweikampf nicht stattfinden. Es ist ein arges Ding, zu wünschen, daß unschuldig Blut nicht gerächt werde. Aber wenn der Vollbringer des schändlichen Mordes für jetzt verborgen bleibt, so wirst du mit dem Geschäft verschont, die Rache zu suchen, die der Himmel sicherlich zur gehörigen Zeit nehmen wird.«

Während sie so sprachen, langten sie auf dem Punkte der Highstreet an, wo das Rathhaus lag. Als sie die Thür erreichten und sich Bahn durch die Menge machten, welche die Straße erfüllte, fanden sie die Zugänge durch eine auserlesene Schaar bewaffneter Bürger und etwa fünfzig Lanzen des Ritters von Kinfauns besetzt, der mit seinen Verbündeten, den Gray's, Blair's, Moncrieff's und Anderen eine beträchtliche Reiterschaar nach Perth geführt hatte, wovon diese ein Theil waren. Sobald der Handschuhmacher und der Schmied erschienen, wurden sie in das Zimmer geführt, wo die Magistratspersonen versammelt waren.


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