Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.

Wie in der Mitternacht der Pibroch tönt
So wild und schrill! Doch gleich dem Hauch, der füllt
Die Bergespfeife, füllt den Bergbewohner
Der wilde Muth der Heimath.
                                      Byron.

Wir müssen die tiefer gestellten Personen unsers historischen Drama's nun verlassen, um den Vorfällen zu folgen, welche unter denen von höherem Range und größerer Bedeutung vorgingen.

Wir gehen von der Hütte eines Waffenschmieds in den Staatsrath eines Monarchen, und fassen unsere Geschichte in dem Augenblicke auf, wo, nachdem der Tumult unten beruhigt war, die zornigen Führer vor den König gerufen wurden. Sie traten ein, mißvergnügt und mit finstern Mienen, Jeder viel zu ausschließlich mit den vermeintlich erlittenen Kränkungen erfüllt, um fähig zu sein, auf vernünftige Gründe hören zu können. Nur Albany, ruhig und schlau, schien so weit gefaßt, um ihr Mißbehagen für seine eigenen Pläne zu nützen, und jeden Zufall so zu wenden, daß er seinen indirekten Absichten förderlich sein müßte.

Des Königs Unentschlossenheit, die selbst an Furchtsamkeit grenzte, hinderte ihn nicht, äußerlich das für seine Stellung geziemende Benehmen zu zeigen. Blos wenn er hart bedrängt ward, wie bei dem letzten Auftritt, verlor er seine scheinbare Fassung. Ueberhaupt konnte er wohl von seinen Plänen abgelenkt werden, aber selten von seinem würdevollen Betragen. Er empfing Albany, Douglas, March und den Prior (die übelgewählten Glieder seines bunt zusammengesetzten Rathes) mit einer Mischung von Artigkeit und Hoheit, die jeden hochmüthigen Pair erinnerte, daß er vor seinem Monarchen stand und ihn zu gebührender Ehrerbietung nöthigte.

Nachdem er ihre Grüße angenommen, bedeutete sie der König, sich zu setzen, und sie gehorchten soeben seinem Befehl, als Rothsay eintrat. Mit Anstand trat er zu dem Vater hin und, auf dessen Fußschemel kniend, erbat er sich seinen Segen. Robert versuchte mit einer Miene, unter welcher Zärtlichkeit und Kummer schlecht versteckt waren, ein vorwurfsvolles Gesicht zu zeigen, als er die Hände auf des jungen Mannes Haupt legte und mit einem Seufzer sagte: »Gott segne dich, mein leichtsinniger Sohn, und mache dich in künftigen Jahren zu einem weiseren Manne!«

»Amen, mein theuerster Vater!« sagte Rothsay mit einem so gefühlvollen Tone, wie er ihn oft in seinen besseren Augenblicken hören ließ. Dann küßte er die königliche Hand mit der Ehrfurcht eines Sohnes und Unterthans, und statt einen Platz am Rathstische einzunehmen, blieb er hinter des Königs Stuhl in einer solchen Stellung, daß er, wenn er wollte, dem König in's Ohr flüstern konnte.

Der König gab zunächst dem Prior von St. Dominikus ein Zeichen, seine Stelle an der Tafel einzunehmen, auf welcher Schreibmaterialien lagen, die von allen anwesenden Unterthanen, Albany ausgenommen, der Geistliche allein zu handhaben verstand. Dann eröffnete ihnen der König den Zweck der Zusammenkunft, indem er mit vieler Würde sagte:

»Unser Geschäft, Mylords, betrifft jene unseligen Aufstände in den Hochlanden, die, wie wir durch unsere letzten Boten erfahren, auf dem Punkte sind, die Verwüstung und Zerstörung des Landes selbst bis auf wenige Meilen von diesem unserem Hofe zu veranlassen. Aber so nahe diese Empörung ist, so hat unser schlimmes Geschick und die Anreizung schlechter Menschen doch noch eine nähere erweckt, indem sie Streit und Zwiespalt zwischen die Bürger von Perth und die Leute, welche zum Gefolge Eurer Herrlichkeiten und anderer Ritter und Edeln gehören, geworfen haben. Ich muß mich daher zuerst an Euch selbst wenden, Mylords, um zu hören, warum unser Hof durch so ungebührliche Streitigkeiten beunruhigt wird, und durch welche Mittel sie unterdrückt werden könnten? – Bruder von Albany, sagt Ihr uns zuerst Eure Meinung über diese Sache.«

»Sir, unser königlicher Herr und Bruder,« sagte der Herzog, »da ich in Gegenwart von Eurer Majestät Person war, als der Streit begann, so kenn' ich seinen Ursprung nicht.«

Und was mich betrifft,« sagte der Prinz, »ich hörte kein schlimmeres Kriegsgeschrei, als einer Sängerin Ballade, und sah keine gefährlichern Geschosse fliegen, als Haselnüsse.«

»Und ich,« sagte der Graf von March, »konnte nur begreifen, daß die muthigen Bürger von Perth einige Schufte hetzten, die das blutige Herz auf ihre Schulter gesetzt hatten. Sie liefen zu schnell, als daß sie wirklich die Leute des Grafen Douglas hätten sein können.«

Douglas verstand den Spott, erwiderte aber nur durch einen jener versengenden Blicke, durch die er seinen tödtlichen Haß anzudeuten pflegte. Er sagte indeß mit stolzer Ruhe:

»Mein König muß natürlich einsehen, daß es Douglas ist, der auf jene schwere Anklage zu antworten hat; denn wann gab es Streit oder Blutvergießen in Schottland, daß nicht schnöde Zungen einen Douglas oder einen von Douglas' Leuten als Ursache davon angegeben hätten? Wir haben hier gute Zeugen. Ich spreche nicht von Mylord Albany, der nur sagte, daß er, wie ihm zukommt, bei Eurer Majestät war. Und ich sage nichts von Mylord von Rothsay, der, wie seinem Range, seinem Alter und Verstande zukommt, mit einer fahrenden Musikantin Nüsse knackte. – Er lächelt – hier darf er sagen, was ihm beliebt – Ich werde eine Pflicht nicht vergessen, die er vergessen zu haben scheint. Aber hier ist Mylord von March, der meine Begleiter vor den Tölpeln von Perth fliehen sah! Ich kann diesem Grafen sagen, daß die Männer mit dem blutigen Herzen nur vorrücken und weichen, wenn ihr Führer es befiehlt oder das Wohl von Schottland es fordert.«

»Und ich kann antworten –« rief der ebenso stolze Graf von March, dem das Blut in's Gesicht stieg, als der König ihn unterbrach: –

»Friede! zornige Herren,« sagte der König, »und bedenkt, in wessen Gegenwart ihr seid! – Und Ihr, Mylord von Douglas, sagt uns, wenn Ihr könnt, die Ursache dieses Aufruhrs und warum Eure Gefährten, deren gute Dienste im Allgemeinen wir anerkennen müssen, so thätig bei einem Privatstreit waren?«

»Ich gehorche, Mylord,« sagte Douglas, leicht mit dem Haupte, das sich selten beugte, nickend. »Ich ging von meiner Wohnung im Karthäuserkloster durch die Highstreet von Perth mit Einigen von meinem gewöhnlichen Gefolge, als ich Einige von der schlechtern Bürgerklasse sich um das Kreuz drängen sah, an welches dieser Anschlag und was sich dabei befand, angenagelt war.«

Er zog aus einer Tasche im Busen seines Büffelwamses eine menschliche Hand und ein Stück Pergament. Der König war erschrocken und unruhig.

»Leset,« sagte er, »guter Vater Prior und laßt den häßlichen Anblick entfernen.«

Der Prior las eine Bekanntmachung folgenden Inhalts: –

»In Betracht, daß das Haus eines Bürgers von Perth in letzter Nacht, dem Abend vor St. Valentin, durch eine Schaar liederlicher Nachtschwärmer vom Gefolge eines der Fremden, die jetzt in dieser guten Stadt wohnen, angegriffen ward, wobei man einem der gesetzwidrigen Ruhestörer in dem erfolgten Kampfe diese Hand abhieb: so haben Oberrichter und Magistrat verordnet, daß diese Hand zur Schmach und Schande derer, die solchen Streit veranlaßten, an dieses Kreuz genagelt werde. Und sollte einer von ritterlicher Abkunft behaupten, daß dieses unser Verfahren unrecht sei, so will ich Patrick Charteris von Kinfauns, Ritter, dies Blatt mit ritterlichen Waffen in den Schranken rechtfertigen; oder wenn Einer von geringerer Herkunft läugnen sollte, was hier gejagt ist, so soll er einen Bürger der guten Stadt Perth, seinem Stande gemäß, zur Entgegnung bereit finden. Und so schütze Gott und St. John die gute Stadt!«

»Ihr werdet Euch nicht wundern, Mylord,« begann Douglas wieder, »daß, als mein Almosenier mir den Inhalt eines so unverschämten Blattes vorgelesen hatte, ich durch einen meiner Knappen eine für die Ritterschaft und den Adel Schottlands so schmachvolle Trophäe abreißen ließ. Darauf nahmen sich, wie es scheint, einige jener rohen Bürger die Freiheit, die Hintersten meines Zuges zu beschimpfen und zu höhnen; diese griffen sie zu Pferde an und würden den Streit bald beendigt haben, hätt' ich ihnen nicht bestimmt befohlen, sie sollten mir so ruhig folgen, als der schuftige Pöbel gestatten würde. Und so langten sie hier scheinbar als fliehende Leute an, während sie, hätt' ich befohlen, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, die elende Stadt an vier Ecken angezündet und die unverschämten Bursche, gleich jungen Füchsen in einem brennenden Dickicht, erstickt haben würden.«

Es herrschte Stille, nachdem Douglas gesprochen hatte, bis der Herzog von Rothsay, seinen Vater anredend, antwortete: –

»Da der Graf von Douglas die Macht besitzt, die Stadt anzuzünden, wo Eure Majestät ihren Hof hält, sobald nur der Oberrichter und er wegen eines nächtlichen Tumults oder wegen der Ausdrücke eines Anschlags uneins sind, so sollten wir ihm wohl Alle recht dankbar sein, daß er nicht auch den Willen hat, also zu thun.«

»Der Herzog von Rothsay,« sagte Douglas, der entschlossen schien, sich zu mäßigen, »mag Grund haben, dem Himmel in einem ernsteren Tone zu danken, als er's jetzt thut, daß der Douglas eben so treu als mächtig ist. Dies ist eine Zeit, wo sich die Unterthanen in allen Ländern gegen das Gesetz auflehnen; wir hörten von den Insurgenten der Jacquerie in Frankreich; von Jack Straw, Hob Miller und Pfarrer Ball bei den Engländern; und wir können überzeugt sein, daß Brennstoff genug da ist, um solches Feuer zu fangen, wenn es sich zu unsern Grenzen erstreckte. Wenn ich sehe, wie Bauern Edelleute fordern und Hände des Adels an ihr Stadtkreuz nageln, so will ich nicht sagen, ich fürchte Meuterei – das würde unwahr sein – aber ich sehe sie kommen und will ihr wohlbereitet entgegen treten.«

»Und warum sagt Mylord Douglas,« antwortete der Graf von March, »diese Ausforderung rühre von den Bauern her? Ich sehe Sir Patricks Namen darauf, und er ist, denk' ich, nicht aus gemeinem Blute. Douglas selbst könnte, da er die Sache mit so viel Wärme behandelt, Sir Patricks Handschuh aufheben, ohne seine Ehre zu beflecken.«

»Mylord von March,« erwiderte Douglas, »sollte nur von dem sprechen, was er versteht. Ich bin nicht ungerecht gegen den Nachkommen des rothen Räubers, wenn ich sage, er wiegt zu leicht gegen den Douglas. Der Erbe Thomas Randolphs dürfte bessere Ansprüche auf seine Anwort haben.«

»Und, bei meiner Ehre, ich werde nicht unterlassen, um die Gnade zu bitten,« sagte der Graf von March, seinen Handschuh abziehend.

»Halt, Mylord,« sagte der König. »Thut uns nicht so grobes Unrecht an, Euch hier zu tödtlicher Fehde herauszufordern; bietet vielmehr Eure bloße Hand in Freundschaft dem edlen Grafen, und umarmt Euch zum Zeichen beiderseitiger Treue für die Krone Schottlands.«

»Nicht so, mein König,« antwortete March; »Eure Majestät kann mir gebieten, den Handschuh zurückzunehmen, denn dieser und die ganze Rüstung steht zu Eurem Befehl, so lang' ich meine Grafschaft von der Krone Schottland zu Lehen trage – aber wenn ich Douglas umarme, so muß es mit gepanzerter Hand geschehen. Lebt wohl, mein König. Mein Rath frommt hier nichts, ja, er wird so ungünstig aufgenommen, daß ferneres Weilen vielleicht meiner Sicherheit nicht förderlich wäre. Möge Gott Eure Hoheit vor offenen Feinden und verräterischen Freunden bewahren! – Ich gehe nach meinem Schlosse Dunbar, von wo Ihr, denk' ich, bald Nachrichten erhalten werdet. Auch Ihr lebt wohl, Mylords von Albany und Douglas; Ihr spielt ein hohes Spiel, seht zu, daß es gut abläuft. – Lebt wohl, armer, leichtsinniger Prinz, der Ihr wie ein Reh im Bereich eines Tigers scherzt! – Lebt Alle wohl – Georg von Dunbar sieht das Uebel, das er nicht heilen kann. – Adieu Euch Allen.«

Der König würde gesprochen haben, aber die Laute erstarben ihm auf der Zunge, als er von Albany einen Blick erhielt, der ihn zum Schweigen ermahnte. Der Graf von March verließ das Gemach, die stummen Grüße der Glieder des Rathes empfangend, die er einzeln angeredet hatte, außer von Douglas, der sein Lebewohl mit einem Blicke verachtenden Trotzes erwiderte.

»Der Elende geht, um uns den Engländern zu verrathen,« sagte er; »sein Stolz beruht auf dem Besitz der vom Meere ausgewaschenen Burg, die unsere Feinde in Lothian einführen kann. – Nein, seid nicht besorgt mein König, ich werde halten, was ich sage – indeß ist es noch Zeit. Sprecht nur das Wort, mein König – sagt nur ›Verhaftet ihn‹, und March soll auf seiner verrätherischen Reise nicht bis über den Earn kommen.«

»Nein, tapferer Graf,« sagte Albany, der mehr wünschte, daß die beiden mächtigen Lords einander das Gegengewicht halten möchten, als daß Einer eine entschiedene Uebermacht erlangen sollte; »das hieße zu unbedacht verfahren. Der Graf von March kam hierher unter des Königs sicherem Geleit, und dies zu brechen dürfte sich nicht mit meines königlichen Bruders Ehre vertragen. Wenn jedoch Eure Herrlichkeit einen einzelnen Beweis geben könnte –«

Hier wurden sie durch Trompetenschall unterbrochen.

»Seine Hoheit von Albany ist heut ungewöhnlich bedenklich,« sagte Douglas; »aber es nützt nichts, Worte zu verschwenden – die Zeit ist vorbei – dies sind March's Trompeten, und ich glaube, sobald er das südliche Thor hinter sich hat, wird er im Fluge reiten. Wir werden bald von ihm hören; und wenn es ist, wie ich vermuthe, so werden wir ihn nur mit ganz England im Gefolge wiedersehen.«

»Nein, laßt uns Besseres von dem edlen Grafen hoffen,« sagte der König, keineswegs unzufrieden, daß der Streit zwischen March und Douglas scheinbar die Spuren des Zwistes zwischen Rothsay und seinem Schwiegervater verwischt hatte; »er hat ein feuriges, aber kein böses Gemüth. – In einigen Punkten ist er – ich will nicht sagen gekränkt – aber getäuscht worden – und Etwas muß man dem Zorne des edlen Blutes, welches große Macht besitzt, nachsehen. Aber, Dank dem Himmel, Alle von uns, die zurückblieben, sind von einer Gesinnung, und ich darf sagen von einer Familie; so kann nun wenigstens unser Rath nicht durch Uneinigkeit beeinträchtigt werden. – Vater Prior, ich bitt' Euch, nehmt Euer Schreibmaterial, denn Ihr müßt, wie gewöhnlich, der Geheimschreiber unsers Rathes sein. – Und nun an's Werk, Mylords – zuerst wollen wir den hochländischen Streit in Erwägung ziehen.«

»Zwischen dem Clan Chattan und dem Clan Quhele,« sagte der Prior. »Derselbe ist, wie uns die letzten Nachrichten von unsern Brüdern zu Dunkeld melden, im Begriff, in eine furchtbarere Fehde auszubrechen, als je zwischen diesen Belialskindern stattfand, die von nichts sprechen, als von gegenseitiger gänzlicher Vernichtung. Ihre Schaaren sammeln sich auf beiden Seiten, und jeder Verwandte bis zum zehnten Grade muß sich beim Brattach seines Stammes stellen, oder er verfällt der Strafe von Feuer und Schwert. Das feurige Kreuz hat in jeder Richtung wie ein Meteor geleuchtet, und fremde und unbekannte Stämme jenseit des fernen Murray Frith erweckt – mög' uns der Himmel und St. Dominikus schützen! Aber wenn Eure Herrlichkeiten kein Mittel gegen das Uebel finden können, so wird es sich weit und breit erstrecken und das Erbtheil der Kirche muß allenthalben der Wuth dieser Amalekiter ausgesetzt sein, bei denen so wenig Ehrfurcht vor dem Himmel ist, als Erbarmen oder Liebe für ihre Nachbarn. – Behüt' uns unsre liebe Frau! – Wir hören, einige von ihnen sind vollkommene Heiden und beten Mahound und Termagaunt an.

»Mylords und Vettern,« sagte Robert, »Ihr habt gehört, wie dringend der Fall ist, und mögt wohl meine Meinung zu kennen wünschen, bevor Ihr berathet, was Eure eigene Klugheit andeuten wird. Und fürwahr, mir fällt kein besseres Mittel bei, als zwei Abgeordnete zu senden, mit Vollmacht von uns, ihre Streitigkeiten zu schlichten, und zu gleicher Zeit ihnen zu gebieten, im Namen des Gesetzes die Waffen niederzulegen und alle Gewaltstreiche gegen einander zu unterlassen.«

»Ich pflichte Eurer Majestät Vorschlag bei,« sagte Rothsay; »und ich hoffe, der gute Prior wird sich nicht weigern, bei diesem Friedenswerk das ehrwürdige Amt eines Gesandten zu übernehmen. Und sein würdiger Bruder, der Abt des Karthäuserklosters, wird sich um eine Ehre streiten, die gewiß der großen Armee der Märtyrer zwei vorzügliche Rekruten zuführen wird, da die Hochländer wenig den Unterschied zwischen Geistlichen und Laien bei den Abgesandten, die Ihr ihnen schickt, beachten werden.«

»Mein königlicher Herr von Rothsay,« sagte der Prior, »wenn mir die gepriesene Krone des Märtyrerthums bestimmt ist, so werd' ich ohne Zweifel den Weg geführt werden, auf dem ich sie erlangen soll. Inzwischen mag Euch, wenn Ihr im Scherz redet, der Himmel verzeihen und Euch erleuchten, um zu begreifen, daß es Euch besser anstehen würde, mit Euren Waffen die Besitzthümer der Kirche zu schützen, die in so großer Gefahr sind, als Euren Witz im Scherz gegen ihre Diener zu erproben.«

»Ich scherze gar nicht,« sagte der junge Mann gähnend; »auch hab' ich keine Abneigung, die Waffen zu ergreifen, nur daß sie eine etwas beschwerliche Tracht sind, und im Februar ein Pelzmantel besser gegen das Wetter schützt, als ein Stahlharnisch. Und es ist mir so unangenehm, in diesem rauhen Wetter eine kalte Rüstung anzulegen, daß ich wollte, die Kirche sendete eine Kompagnie ihrer Heiligen (auch gibt es ja einige Hochländische, die in jener Gegend wohl bekannt und sicher an's Klima gewöhnt sind), um ihre eigenen Schlachten zu kämpfen, gleich dem lustigen St. Georg von England. Aber ich weiß nicht, wie es zugeht, wir hören von ihren Wundern, wenn man sie anredet, von ihrer Rache, wenn man das Gebiet der Kirche verletzt, Alles nur, um uns zur Freigebigkeit anzuregen, und gleichwohl, wenn nur eine Schaar von zwanzig Hochländern kommt, sind Glocken, Bücher und Kerzen zu nichts nutze, und der geharnischte Baron ist genöthigt, die Kirche im Besitz der Ländereien zu erhalten, die er ihr gegeben hat, gleich als ob er noch die Früchte von ihnen ärntete.«

»Sohn David,« sagte der König, »du gestattest deiner Zunge eine ungebührliche Freiheit.«

»Ei, Sir, ich bin stumm,« erwiderte der Prinz. »Ich wollte Eure Hoheit gar nicht stören, auch dem Vater Prior nichts Unangenehmes sagen, der, mit so viel Wundern zu seiner Verfügung, wie es scheint, einer Handvoll hochländischer Räuber nicht entgegentreten will.«

»Wir wissen,« sagte der Prior mit unterdrücktem Unwillen, »aus welcher Quelle diese schnöden Grundsätze geflossen sind, die wir mit Entsetzen aus dem Munde hören, der sie jetzt ausspricht. Wenn Prinzen mit Ketzern verkehren, so wird ihr Gemüth wie ihre Sitten verdorben. Sie zeigen sich auf den Straßen als die Gefährten von Masken und schlechten Dirnen, und im Rathe als Spötter gegen die Kirche und heilige Gegenstände.«

»Ruhig, guter Vater!« sagte der König. »Rothsay soll Buße thun für seine eiteln Reden. Ach! laßt uns Rath pflegen auf freundliche Art, und nicht wie ein meuterischer Haufe Schiffsvolk in einem sinkenden Fahrzeuge, wenn Jeder mehr mit seinen Nachbarn zu hadern strebt, als den Bemühungen des verlassenen Schiffsherrn, der das Schiff erhalten will, beizustehen. – Mylord von Douglas, Euer Haus hat selten gefehlt, wenn die Krone von Schottland weisen Rath oder männliche Hilfe forderte; ich hoffe, Ihr werdet uns in dieser Verlegenheit Hilfe leihen?«

»Ich kann mich nur wundern, daß diese Verlegenheit vorhanden sein soll,« antwortete der stolze Douglas. »Als mir die Statthalterschaft des Königreichs anvertraut ward, kamen einige der wilden Clans von den Grampischen Bergen herab. Ich bemühte den Rath nicht wegen der Sache, sondern ließ den Sheriff, Lord Ruthven, mit der Macht der Ebene zu Pferde steigen – mit den Hay's, den Lindsay's, den Ogilvie's und andern Edelleuten. Beim heiligen Zaum! wenn die Stahlkleider dem Mantel begegneten, da wußten die Räuber, wozu Lanzen gut waren und ob Schwerter Schneiden hatten oder nicht. Dreihundert ihrer besten Köpfe blieben, außer dem ihres Häuptlings, Donald Cormac, auf dem Moor von Thorn und im Rochinroywalde; eine gleiche Anzahl ward aufgehängt am Galgen, der noch den Namen von dem Henker hat, der das Werk dort verrichtete. Auf solche Weise muß man in meiner Heimath mit Dieben umgehen; und wenn sanftere Mittel bei solchen Schurken bessern Erfolg haben, so tadelt Douglas nicht, daß er seine Meinung sagte. – Ihr lächelt, Mylord von Rothsay. Darf ich fragen, ob Ihr ein zweites Mal Euren Scherz mit mir treiben wollt, bevor ich Euch für das erste Mal geantwortet habe?«

»Ei, seid nicht böse, mein guter Lord von Douglas,« erwiderte der Prinz, »ich lächelte nur bei dem Gedanken, wie Euer fürstliches Gefolge zusammenschrumpfen würde, wenn es jedem Diebe ginge, wie den armen Hochländern.«

Der König mischte sich wieder ein, um eine zornige Antwort des Grafen zu verhüten. »Eure Herrlichkeit,« sagte er zu Douglas, »räth weise, daß wir den Waffen vertrauen sollen, wenn jene Leute gegen unsere Unterthanen auf die schöne glatte Ebene kommen; aber die Schwierigkeit ist, ihren Unordnungen Einhalt zu thun, so lange sie hinter ihren Bergen stecken. Ich brauche Euch nicht zu sagen, daß der Clan Chattan und Clan Quhele große Verbindungen sind, jeder aus mannigfachen Stämmen bestehend, die sich vereinigt haben, im allgemeinen Kriege zu den Waffen zu greifen; noch jüngst haben ihre Zwistigkeiten allenthalben Blut vergossen, wo sie einander einzeln oder in Masse trafen. Das ganze Land ist durch ihre rastlosen Fehden in Stücke gerissen.«

»Ich kann das Schlimme davon nicht sehen,« sagte Douglas; »die Schufte werden einander vernichten, und das Wild der Hochlande wird sich mehren, wie sich die Menschen vermindern. Wir werden als Jäger die Uebung gewinnen, die wir als Krieger verlieren.«

»Sagt vielmehr, die Wölfe werden sich mehren, wie sich die Menschen vermindern,« erwiderte der König.

»Nun meinetwegen,« sagte Douglas; »besser wilde Wölfe, als wilde Räuber. Unterhaltet starke Truppen längs der Earischen Grenze, um das ruhige von dem unruhigen Lande zu trennen. Beschränkt das Feuer des Bürgerkriegs auf die Hochlande; laßt seine unbezähmbare Wuth sich austoben und es wird bald aus Mangel an Material ausbrennen. Die Ueberlebenden werden gedemüthigt sein und einem Flüstern Eurer Majestät mehr gehorchen, als ihre Väter oder die jetzt lebenden Schurken Euren strengsten Befehlen.«

»Das ist ein weiser, aber kein frommer Rath,« sagte der Prior, sein Haupt schüttelnd; »ich kann's nicht auf mein Gewissen nehmen, ihn anzuempfehlen. Es ist Weisheit, aber es ist die Weisheit des Achitophel, schlau zugleich und grausam.«

»So sagt mir mein Herz,« – sagte der König, seine Hand auf die Brust legend; – »mein Herz sagt mir, daß an jenem furchtbaren Tage die Frage an mich gerichtet werden wird: ›Robert Stuart, wo sind die Unterthanen, die ich dir gab?‹ Es sagt mir, daß ich für Alle verantwortlich bin, Sachsen und Gälen, Niederland, Hochland und Grenzland; daß man mich nicht blos um die fragen wird, die Güter und Kenntnisse besitzen, sondern auch um die, welche stahlen, weil sie arm, und sich empörten, weil sie unwissend waren.«

»Eure Majestät spricht wie ein christlicher König,« sagte der Prior. »Aber Ihr führt das Schwert so gut wie das Scepter, und dies gegenwärtige Uebel ist von einer Art, daß es das Schwert heilen muß.«

»Hört, Mylords,« sagte der Prinz, aufblickend, als hätte er plötzlich einen glücklichen Gedanken, – »Gesetzt, wir gäben diesen wilden Bergbewohnern einen Unterricht in der Chevalerie? Es wäre nicht schwer, die beiden großen Führer, den des Clans Chattan und den Häuptling des nicht minder edeln Geschlechts Clan Quhele, dazu zu bringen, daß sie sich gegenseitig auf Leben und Tod herausforderten. Sie könnten sich hier in Perth schlagen; wir würden ihnen Waffen und Pferde leihen; so würde ihr Streit mit dem Tode des einen oder wahrscheinlich beider Schurken (denn beide, denk' ich, würden ihre Hälse beim ersten Angriff brechen,) erlöschen. Der fromme Wunsch meines Vaters, Blut zu schonen, wäre erfüllt und wir hätten das Vergnügen, dem Zweikampfe zweier wilden Ritter zuzusehen, die zum ersten Mal in ihrem Leben Hosen trügen und auf Rossen säßen, was seit König Arthurs Zeit nicht erhört ist.«

»Schämt Euch, David!« sagte der König. »Macht Ihr das Unglück Eurer Heimath und die Verlegenheit unsrer Räthe zum Gegenstande von Späßen?«

»Wenn Ihr verzeihen wollt, königlicher Bruder,« sagte Albany, »ich denke, obwohl mein Neffe diesen Gedanken in scherzhafter Weise ausgesprochen hat, so kann man doch daraus Etwas entnehmen, was bei dieser schlimmen Angelegenheit viel helfen würde.«

»Guter Bruder,« erwiderte der König, »es ist unfreundlich, Rothsay's Thorheit durch weitere Verfolgung seines unzeitigen Scherzes deutlicher darzustellen. Wir wissen, daß die Hochlandclans nicht unsere ritterlichen Bräuche haben, auch nicht die Kleidung oder Weise zu solchem Kampfe.«

»Wahr, Eure Majestät,« antwortete Albany; »aber ich rede nicht Spott, sondern vollen Ernst. Allerdings haben die Hochländer nicht unsere Form und Weise in den Schranken zu kämpfen, aber sie haben die, welche eben so wirksam zur Zerstörung menschlichen Lebens ist; und wird so das tödtliche Spiel gespielt und der Preis gewonnen und verloren, was liegt dann daran, ob diese Gälen mit Schwert und Lanze fechten, wie es Rittern ziemt, oder mit Sandsäcken, wie die englischen Bauern, oder ob sie sich mit Messern und Dolchen nach ihrer rohen Art die Gurgel abschneiden? Ihr Gebrauch, wie der unsere, vertraut jeden Streit und Rechtsfall der Entscheidung eines Kampfes. Sie sind so eitel als kühn, und der Gedanke, sich vor den Augen Eurer Majestät und des Hofes schlagen zu dürfen, wird sie gleich bestimmen, ihre Streitigkeit auf das Loos eines Kampfes auszusetzen, selbst wenn man ihnen, ihrer Sitte entgegen, die Gesetze auflegt oder die Zahl der Kämpfer bestimmt. Wir werden Sorge tragen, sie dem Hofe nicht anders als unbewaffnet und in zu kleiner Anzahl sich nähern zu lassen, als daß sie wagen könnten, uns zu beunruhigen. Und wenn wir auf unserer Hut sind, so wird, je größer die Anzahl der Kämpfer ist, um so bedeutender das Blutbad unter ihren tapfersten und wildesten Leuten wenden, und um so größer die Aussicht auf lange Ruhe der Hochlande.«

»Dies wär' eine blutige Politik, Bruder,« sagte der König; »und nochmals sag' ich, daß sich mein Gewissen nicht mit dem Blutbade jener rohen Leute befreunden kann, die wenig besser sind, als finstere Heiden.«

»Und ist ihr Leben kostbarer,« fragte Albany, »als das der Edeln und Ritter, die mit Eurer Majestät Zustimmung so häufig in den Schranken fechten dürfen, sei es, um Rechtsstreitigkeiten beizulegen, oder nur um Ruhm zu erwerben?«

Der so hart bedrängte König hatte wenig gegen eine Sitte zu sagen, so sehr geduldet nach den Gesetzen des Reichs und der Gewohnheit der Ritterschaft; und er erwiderte nur: Gott weiß, ich habe eine solche Erlaubniß, wie Ihr mir vorhaltet, immer nur mit größtem Widerstreben ertheilt; und nie sah ich Edelleute im Streite Blut vergießen, ohne daß ich wünschte, es mit meinem eignen zu sühnen.«

»Aber, mein gnädiger Herr,« sagte der Prior, »es scheint, wenn wir ein Verfahren, wie das des Lord Albany, nicht gutheißen, so müssen wir zu dem des Douglas unsere Zuflucht nehmen; wir müssen dann, auf Gefahr einer zweifelhaften Schlacht und mit der Gewißheit, viele treffliche Unterthanen zu verlieren, das mittelst der Niederlandsschwerter thun, was jene wilden Bergbewohner sonst mit ihrer eigenen Hand vollbringen. – Was sagt Mylord Douglas zu der Politik des Herzogs von Albany?«

»Douglas,« sagte der hochmüthige Lord, »rieth nie, daß Etwas durch Politik geschehe, was man mit offener Gewalt erlangen kann. Er bleibt bei seiner Meinung, und ist bereit, an der Spitze seiner eigenen Leute, nebst denen der Barone von Perthshire und von der Ebene in's Feld zu ziehen, um entweder diese Hochländer zur Vernunft oder Unterwerfung zu bringen, oder den Körper eines Douglas in ihren wilden Einöden zurückzulassen.«

»Es ist ritterlich gesprochen, Mylord von Douglas,« sagte Albany; »und wohl möchte sich der König auf Euer unerschrockenes Herz verlassen und auf den Muth Eurer entschlossenen Gefährten. Aber seht Ihr nicht, wie bald Ihr anderswohin gerufen werden könnt, wo Eure Dienste Eurem Könige und Schottland nützlicher sein werden? Habt Ihr nicht das finstere Gesicht gesehen, mit dem der ungestüme Graf March unsern Fürsten seiner Treue versicherte, so lange er Vasall der Krone Schottlands sei? und habt Ihr nicht selber gefürchtet, er möge beabsichtigen, sich England zu ergeben? Andere, minder mächtige und berühmte Herren können sich mit den Hochländern messen; aber wenn March die Percy's und ihre Engländer in's Reich führt, wer soll sie verjagen, wenn Douglas anderswo ist?«

»Mein Schwert,« antwortete Douglas, »ist stets zum Dienst Seiner Majestät, sei es an der Grenze oder in den tiefsten Schluchten der Hochlande. Ich habe die Rücken der stolzen Percy und Georgs von Dunbar schon gesehen und kann sie wohl wiedersehen. Und wenn es dem König gefällt, daß ich Maßregeln ergreife gegen den wahrscheinlichen Bund eines Fremden und eines Verräthers, so gesteh' ich, daß, eh' ich einer geringern oder schwächern Hand das wichtige Werk der Beruhigung der Hochlande anvertraue, ich mich lieber zu Gunsten der Politik des Herzogs von Albany ausspreche und zugebe, daß diese Wilden sich einander vernichten, ohne die Barone und Ritter mit der Mühe zu beladen, sie zu jagen.«

»Mylord von Douglas,« sagte der Prinz, der entschlossen schien, keine Gelegenheit vorbeizulassen, wo er seinen hochmüthigen Schwiegervater necken konnte, »will uns anderen armen Bewohnern der Ebene nicht einmal den Ruhm lassen, den wir auf Kosten der hochländischen Räuber erlangen könnten, während er schon in Gedanken eine Aernte von Siegen auf Kosten der Engländer sammelt; aber Percy hat den Rücken gewisser Leute so gut gesehen, als Douglas, und ich hörte sagen, daß oft die, welche nach Wolle ausgingen, selber geschoren zurückkämen.«

»Ein Sprichwort,« sagte Douglas, »welches wohl für einen Prinzen paßt, der mit dem Beutel einer wandernden Dirne an der Mütze, den er als Gunstzeichen erhalten, von Ehre spricht.«

»Entschuldigt, Mylord,« sagte Rothsay; »Leute, die unpassend heiratheten, werden gleichgiltig in der Wahl derjenigen, die sie par amours lieben. Der Hund an der Kette muß nach dem nächsten Knochen greifen.«

»Rothsay, mein unglücklicher Sohn!« rief der König. »Bist du rasend? oder willst du das volle Ungewitter des Mißfallens eines Königs und Vaters auf dich lenken?«

»Ich bin stumm,« erwiderte der Prinz, »auf Eurer Majestät Befehl.«

»Nun wohl, Mylord von Albany,« sagte der König, »da Euer Rath so ist, und da schottisches Blut fließen muß, wie, ich bitt' Euch, sollen wir jene wilden Leute dahin bringen, daß sie ihren Zwist, wie Ihr vorschlagt, schlichten?«

»Das, mein König,« sagte Albany, »muß das Ergebniß reiferer Erwägung sein. Aber das Werk wird nicht schwierig sein. Gold wird nöthig sein, um einige der Barden, der vorzüglichen Räthe und Wortführer zu bestechen. Den Häuptlingen beider Bündnisse aber muß man andeuten, daß, wofern sie nicht auf diese freundliche Anordnung eingehen –«

»Freundliche, Bruder?« sagte der König mit Nachdruck.

»Ja, freundliche, mein König,« erwiderte sein Bruder, »da es besser wäre, das Land erlangte Frieden auf Kosten etlicher zwanzig Hochländer, als daß der Krieg fortdauerte, bis eben so viele Tausend Menschen durch Schwert, Feuer, Hunger und alle Uebel des Bürgerkrieges umgekommen sind. Um auf unsern Plan zurückzukommen, so denk' ich, die erste Partei, welcher der Vorschlag gemacht wird, nimmt ihn mit Freuden an, und die andere schämt sich dann der Weigerung, ihre Sache der Tapferkeit der muthigsten Krieger anzuvertrauen. Haß und Eitelkeit werden sie hindern, unsere Beweggründe zu errathen, und sie werden hitziger sein, sich in Stücke zu hauen, als wir, sie aufzumuntern. Bis ich jedoch meinen Zweck so weit erreicht habe, daß mein Rath von Nutzen sein kann, will ich mich zurückziehen.«

»Wartet noch einen Augenblick,« sagte der Prior, »denn ich habe Euch etwas Schlimmes mitzutheilen, von so düsterer und schrecklicher Art, daß Euer Gnaden frommes Herz seine Möglichkeit kaum begreifen wird; und ich entdecke es mit Schmerz, weil es so gewiß, als ich ein unwürdiger Diener des heiligen Dominikus bin, die Ursache von dem Zorn des Himmels gegen das unglückliche Land ist, einem Zorne, durch den unsere Siege in Niederlagen, unsere Freude in Trauer verwandelt, unser Rath durch Uneinigkeit gestört und unser Land vom Bürgerkrieg verzehrt wird.«

»Sprecht, ehrwürdiger Prior,« sagte der König; »sicherlich, wenn die Ursache solcher Uebel in mir oder in meinem Hause liegt, so will ich sogleich Sorge tragen, daß sie entfernt werde.«

Er sprach diese Worte mit schwankender Stimme und erwartete ängstlich des Priors Antwort, ohne Zweifel aus Furcht, daß er Rothsay einer neuen Thorheit oder eines neuen Fehlers beschuldigen werde. Seine Besorgnisse täuschten ihn vielleicht, wenn er glaubte, er sähe des Geistlichen Blick einen Augenblick auf dem Prinzen ruhen, bevor er mit feierlicher Stimme sagte: – »Ketzerei, mein edler und gnädiger König, Ketzerei ist unter uns. Sie reißt Seele um Seele von der Heerde, wie Wölfe aus den Hürden Lämmer stehlen.«

»Es sind genug Hirten, um die Heerde zu bewachen,« antwortete der Herzog von Rothsay. »Hier sind allein vier Klöster von Ordensgeistlichen bei der armen Heerde von Perth, ungerechnet die Weltgeistlichen. Mich dünkt, eine so wohl besetzte Stadt kann es mit einem Feinde aufnehmen.«

»Ein Verräther in einer Besatzung, Mylord,« antwortete der Prior, »kann viel thun, die Sicherheit einer Stadt zu vernichten, die von Legionen bewacht ist; und wenn der eine Verräther entweder aus Leichtsinn, oder Liebe zum Neuen, oder sonst einem Grunde von denen geschützt und gehegt wird, die ihn am eifrigsten aus der Festung jagen sollten, so wird seine Gelegenheit, Unheil zu stiften, unberechenbar vermehrt.«

»Eure Worte scheinen auf einen hier Anwesenden zu zielen, Vater Prior,« sagte Douglas; »wenn auf mich, so thun sie mir schnödes Unrecht. Ich weiß wohl, daß der Abt von Aberbrothock einige übelgemeinte Beschwerden geführt hat, weil ich sein Vieh nicht zu zahlreich für seine Heerden werden ließ, und nicht duldete, daß die Getreidehaufen die Klosterscheuern zerdrückten, während unsere Leute an Fleisch und ihre Pferde an Hafer Mangel hatten. Aber mich dünkt, diese fruchtbaren Weiden und Felder seien von meinen Vorfahren dem Kloster Aberbrothock nicht in der Absicht geschenkt worden, daß ihre Nachkommen mitten in diesem Ueberfluß Hungers sterben sollten. Das soll nicht geschehen, bei der heiligen Jungfrau! Aber was Ketzerei und falsche Lehre betrifft,« fügte er, mit der breiten Hand heftig auf die Tafel schlagend, hinzu, »wo ist der, welcher Douglas anzuklagen wagt? Es mißfällt mir, wenn man arme Leute wegen leichtsinniger Gedanken verbrennt; aber mein Arm und Schwert werden immer bereit sein, den christlichen Glauben zu schützen.«

»Mylord, ich zweifle nicht,« sagte der Prior; »das ist stets bei Eurem edlen Hause der Fall gewesen. Was des Abts Beschwerden betrifft, so verschieben wir die auf einen andern Tag. Was wir aber jetzt wünschen, ist, daß einem der ersten Großen des Staates eine Vollmacht gegeben werde, sich mit den Gliedern der heiligen Kirche zu dem Zwecke zu vereinigen, mit Gewalt, wenn es nöthig wäre, die Untersuchungen zu unterstützen, welche der ehrwürdige Offizial der Grenzen und andere Prälaten, unter denen auch ich Unwürdiger sein werde, über die neuen Lehren anzustellen beabsichtigen, welche die Reinheit des Glaubens verderben und die Einfältigen irre leiten, dem heiligen Vater und seinen ehrwürdigen Vorgängern zum Trotze.«

»Laßt den Grafen von Douglas königliche Vollmacht hierzu erhalten,« sagte Albany; »und laßt keine Ausnahme von seiner Gerichtsbarkeit stattfinden, außer was die königliche Person betrifft. Was mich selbst anlangt, obwohl ich gewiß bin, nie, weder in That, noch Gedanken, eine Lehre, welche die heilige Kirche nicht billigt, angenommen oder begünstigt zu haben, würde ich doch erröthen, eine Freiheit aus dem königlichen Blute von Schottland herzuleiten und in Anspruch zu nehmen, aus Furcht, den Schein auf mich zu werfen, als suchte ich Zuflucht wegen eines so schrecklichen Verbrechens.«

»Ich will damit nichts zu thun haben,« sagte Douglas; »gegen die Engländer und den Verräther March zu ziehen ist Beschäftigung genug für mich. Ueberdies bin ich ein ächter Schotte und will nicht, daß die schottische Kirche sich noch mehr unter Roms Joch beuge, und die Krone eines Barons sich vor der Bischofsmütze und Kapuze demüthige. Also, edler Herzog von Albany, setzt nur Euren Namen in die Vollmacht, und ich bitte Euer Gnaden, den Eifer der mit Euch verbundenen Glieder der heiligen Kirche zu mäßigen, daß man die Grenze nicht überschreitet; denn der Geruch eines Scheiterhaufens am Tay würde Douglas zurückführen von den Mauern von York.«

Der Herzog beeilte sich, den Grafen zu versichern, daß die Vollmacht mit Milde und Mäßigung vollzogen werden sollte.

»Ohne Frage,« sagte König Robert, »muß die Vollmacht umfassend sein; und vertrüge es sich mit der Würde der Krone, so wollten wir selbst uns ihrer Gerichtsbarkeit nicht entziehen. Wir hoffen jedoch, daß, während die Blitze der Kirche gegen die schnöden Urheber dieser abscheulichen Ketzereien gerichtet werden, Maßregeln der Milde und des Mitleidens hinsichtlich der unglücklichen Opfer ihrer Vorspiegelungen getroffen werden.«

»So hält es die heilige Kirche stets, Mylord,« sagte der Prior der Dominikaner.

»Nun, dann fertige man die Vollmacht mit gehöriger Sorgfalt aus im Namen unseres Bruders Albany und Anderer, die dazu passend sein werden,« sagte der König. – »Und nun laßt uns unsern Rath aufheben; Rothsay, komm' du mit mir und leih' mir deinen Arm, – ich habe mit dir allein zu sprechen.«

»Holla!« – rief hier der Prinz in dem Tone, in welchem er ein dressirtes Pferd angeredet haben würde.

»Was bedeutet diese Rohheit, junger Mensch?« sagte der König. »Wirst du nie Vernunft und Anstand lernen?«

»Glaubt nicht, daß ich Anstoß geben wollte, mein König,« sagte der Prinz; »aber wir gehen auseinander, ohne zu erfahren, was hinsichtlich des seltsamen Abenteuers mit der todten Hand geschehen soll, welche der Douglas so artig aufgehoben hat. Wir werden hier in Perth unbehaglich sitzen, wenn wir in Zwist mit den Bürgern leben.«

»Ueberlaßt das mir,« sagte Albany. »Mit einigen Geschenken an Land und Geld und viel schönen Worten mögen sich die Bürger für diesmal begnügen; aber es wäre gut, den Baronen und ihren Leuten, welche am Hofe sein müssen, zu empfehlen, daß sie den Frieden in der Stadt achteten.«

»Gewiß, so wollen wir's haben,« sagte der König; »man ertheile sogleich deshalb strenge Befehle.«

»Das heißt den Burschen zu viel Gnade erweisen,« sagte Douglas; »aber es ist Eurer Majestät Wille. Ich erlaube mir, mich zurückzuziehen.«

»Doch nicht, bevor Ihr eine Flasche Gascognerwein gekostet habt, Mylord?« sagte der König.

»Verzeiht,« erwiderte der Graf; »ich bin nicht durstig und ich trinke nicht aus Mode, sondern entweder aus Bedürfniß oder Freundschaft.« So sprechend, ging er fort.

Der König, als ob erleichtert durch seine Entfernung, wandte sich an Albany und sagte: »Und nun, Mylord, sollten wir unsern jungen Rothsay hier ausschelten; er hat uns aber so gut im Rathe gedient, daß wir seine Verdienste als Sühne seiner Thorheiten nehmen können.«

»Mich freut, das zu hören,« antwortete Albany mit einer Miene voll Mitleid und Ungläubigkeit, als wüßte er nichts von den vermeinten Diensten.

»Ei, Bruder, Ihr seid befangen,« sagte der König; »denn ich will nicht glauben, daß Ihr eifersüchtig seid. Bemerktet Ihr nicht, daß Rothsay der Erste war, der die Art, wie die Hochlande zu beruhigen, angab; was Eure Erfahrung allerdings in eine bessere Form brachte und was allgemein gebilligt ward? – und selbst jetzt hätten wir uns getrennt, einen Hauptgegenstand unerwogen lassend, hätte er uns nicht an den Streit mit den Bürgern erinnert.«

»Ich zweifle nicht, mein König,« sagte der Herzog von Albany mit beipflichtendem Tone, der, wie er sah, erwartet wurde, »daß mein königlicher Neffe bald mit seines Vaters Weisheit wetteifern wird.«

»Oder,« sagte der Herzog von Rothsay, »ich kann es vielmehr leichter finden, von einem andern Gliede meiner Familie den glücklichen und bequemen Mantel der Heuchelei zu leihen, der alle Laster deckt; und dann kommt es wenig darauf an, ob sie vorhanden sind oder nicht.«

»Mylord Prior,« sagte der Herzog, den Dominikaner anredend, »wir bitten Ew. Ehrwürden, uns einen Augenblick allein zu lassen. Der König und ich haben dem Prinzen Etwas zu sagen, was keinen andern Zuhörer, selbst Euch nicht, zuläßt.«

Der Dominikaner verbeugte sich und ging.

Als die beiden königlichen Brüder und der Prinz allein waren, schien der König im höchsten Grade verlegen und betrübt; Albany düster und gedankenvoll; Rothsay bemühte sich indeß, einige Besorgniß unter dem gewöhnlichen Anschein von Leichtsinn zu bergen. Es herrschte ein minutenlanges Schweigen. Endlich sprach Albany:

»Königlicher Bruder,« sagte er, »mein fürstlicher Neffe nimmt jede Ermahnung, die aus meinem Munde kommt, mit so viel Mißtrauen auf, daß ich Eure Majestät selbst bitten muß, sich die Mühe zu nehmen und ihm zu sagen, was er jedenfalls wissen muß.«

»Es muß wohl eine unerfreuliche Mittheilung sein, die Mylord von Albany nicht in verzuckerte Worte hüllen kann,« sagte der Prinz.

»Still mit deiner Frechheit, junger Mann,« antwortete der König erzürnt. »Ihr fragtet soeben nach dem Streite mit den Bürgern. – Wer veranlaßte diesen Zwist, David? – Welche Leute waren es, die das Fenster eines friedlichen Bürgers und Unterthans erstiegen, die Nacht mit Fackeln und Geschrei störten und unsre Unterthanen in Gefahr und Schrecken setzten?«

»Mehr in Furcht als Gefahr, denk' ich,« antwortete der Prinz; »aber wie kann ich vor allen Andern sagen, wer die nächtliche Störung machte?«

»Einer von deinem Gefolge war dabei,« fuhr der König fort; »ein Mann des Belial, den ich zu gebührender Strafe ziehen lassen werde.«

»Ich habe meines Wissens keinen Diener, der fähig wäre, Eurer Majestät Mißfallen zu verdienen,« entgegnete der Prinz.

»Ich will keine Ausflüchte hören, junger Mensch. – Wo warst du am St. Valentinsabend?«

»Es steht zu hoffen, daß ich dem guten Heiligen diente, wie ein frommer Mann es soll,« antwortete der junge Mann mit gleichgiltigem Tone.

»Will mein königlicher Neffe uns sagen, wie sein Stallmeister am heiligen Abend beschäftigt war?« sagte der Herzog von Albany.

»Sprich, David, – ich befehle dir zu sprechen« – sagte der König.

»Ramorny war in meinem Dienst beschäftigt – ich denke, diese Antwort wird meinem Oheim genügen.«

»Aber sie will mir nicht genügen,« sagte der unwillige Vater. »Gott weiß, ich liebte nie Menschenblut zu vergießen, aber dieses Ramorny Kopf will ich haben, wenn das Gesetz ihn geben kann. Er ist der Aufmunterer und Theilnehmer all' deiner zahllosen Laster und Thorheiten gewesen. Ich will dafür sorgen, daß das nicht mehr der Fall sei. – Ruft Mac Louis, mit einer Wache!«

»Thut einem unschuldigen Manne kein Unrecht,« fiel der Prinz ein, gern zu jedem Opfer bereit, um seinen Liebling vor der gedrohten Gefahr zu schützen, – »ich verpfände mein Wort, daß Ramorny Geschäfte für mich hatte, also bei diesem Streite nicht betheiligt sein konnte.«

»Falscher, zweideutiger Mensch!« sagte der König, dem Prinzen einen Ring zeigend, »sieh' da Ramorny's Siegelring, den er in dem schmählichen Streite verlor! Er fiel in die Hände eines von Douglas Leuten und ward durch den Grafen meinem Bruder übergeben. Sprich nicht für Ramorny, denn er stirbt; und geh du aus meinen Augen und bereue die verbrecherischen Gedanken, die dich vor mir mit einer Unwahrheit im Munde stehen ließen. – O, schäme dich, David! schäme dich! als ein Sohn hast du deinen Vater belogen, als ein Ritter das Haupt deines Ordens.«

Der Prinz stand schweigend, vom Gewissen getroffen und seines Unrechts bewußt. Dann ließ er den ehrenhaften Gefühlen, die ihm im Grunde wirklich eigen, ihren Lauf, und warf sich zu des Vaters Füßen.

»Der lügenhafte Ritter,« sagte er, »verdient Degradation, der treulose Unterthan den Tod; aber ach! laßt den Sohn vom Vater Verzeihung für den Diener erbitten, der ihn nicht zum Vergehen führte, sondern der sich widerstrebend auf des Herren Befehl selbst hinein stürzte! Laßt mich die Last meiner eigenen Thorheit tragen, aber schont diejenigen, die mehr meine Werkzeuge als meine Genossen waren. Erinnert Euch, Ramorny ward von meiner frommen Mutter in meinen Dienst gebracht.«

»Nenne sie nicht, David, ich verbiet' es dir!« sagte der König; »sie ist glücklich, daß sie das Kind ihrer Liebe nimmer doppelt entehrt, durch Verbrechen und Lüge, vor sich stehen sah.«

»Ich bin in der That unwürdig, sie zu nennen,« sagte der Prinz; »und doch, mein theurer Vater, muß ich in ihrem Namen um Ramorny's Leben bitten.«

»Wenn ich meinen Rath bieten dürfte,« sagte der Herzog von Albany, welcher sah, daß bald eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn stattfinden würde, »so möcht' ich rathen, daß Ramorny aus des Prinzen Hofstaat und Dienst entlassen würde, und zwar mit einer solchen Strafe, als seine Unklugheit verdienen dürfte. Mit seiner Ungnade wird das Volk zufrieden sein und die Sache wird sich leicht beilegen oder unterdrücken lassen, wenn seine Hoheit nicht versucht, den Diener zu beschützen.«

»Willst du, mir zu Liebe, David,« sagte der König, mit zitternder Stimme und einer Thräne im Auge, »den gefährlichen Mann entlassen? Mir zu Liebe, der ich dir das Herz aus meinem Busen nicht verweigern könnte?«

»Es soll geschehen, mein Vater – sogleich geschehen,« erwiderte der Prinz; und die Feder ergreifend, schrieb er hastig die Entlassung Ramorny's aus seinem Dienste und übergab sie Albany's Händen. »Ich wollte, ich könnte all' Eure Wünsche so leicht erfüllen, mein königlicher Vater,« fügte er hinzu, sich wieder zu des Königs Füßen werfend, der ihn aufhob und zärtlich in seine Arme schloß.

Albany sah mißmuthig drein, schwieg jedoch; und erst nach ein oder zwei Minuten sagte er: »Nachdem diese Sache so glücklich beigelegt ist, so erlaub' ich mir Eure Majestät zu fragen, ob es Euch gefällt, dem Vesperdienst in der Kapelle beizuwohnen?«

»Allerdings,« sagte der König. »Muß ich nicht dem Himmel meinen Dank sagen, der die Einigkeit in meiner Familie hergestellt hat? Ihr werdet mit uns gehen, Bruder?«

»Wenn es Euch gefällt, meine Abwesenheit zu gestatten, nein,« sagte der Herzog. »Ich muß mich mit Douglas und Anderen über die Art verständigen, wie wir jene Hochlandsgeier locken können.«

Albany zog sich zurück, um seinen ehrsüchtigen Plänen nachzusinnen, während Vater und Sohn dem Gottesdienste beiwohnten, um dem Himmel für ihre glückliche Versöhnung zu danken.


 << zurück weiter >>