Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Der echten Liebe Pfad ist selten sanft.
                              Shakespeare.

Die ahnungsvolle Besorgniß unseres Waffenschmieds hatte ihn nicht getäuscht. Als der gute Handschuhmacher von seinem künftigen Schwiegersohne schied, fand er, was er allerdings erwartet hatte, daß seine schöne Tochter nicht günstig für ihren Liebhaber gestimmt war. Aber obwohl er einsah, daß Katharina kalt, zurückhaltend, gesammelt war, den Anschein irdischer Leidenschaft abgelegt hatte, und mit einer, wenn auch nicht offen gezeigten Verachtung der glänzendsten Beschreibung lauschte, die er ihr von dem Kampfe auf dem Kürschnerhofe machte, so war er doch entschlossen, ihrem veränderten Benehmen nicht die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, sondern von ihrer Verbindung mit Harry als von einer Sache zu sprechen, die natürlich stattfinden würde. Endlich, als sie, wie bei einer früheren Gelegenheit, zu bemerken begann, daß ihre Neigung zu dem Waffenschmied nicht über die Grenzen der Freundschaft gehe, – daß sie entschlossen sei, nie zu heirathen, – daß das angebliche Gottesgericht eine Verspottung des göttlichen Willens und menschlicher Gesetze sei, wurde der Handschuhmacher natürlicher Weise zornig.

»Ich kann deine Gedanken nicht lesen, Mädchen; auch glaub' ich nicht, errathen zu können, durch welche schnöde Bethörung es kam, daß du einen erklärten Liebhaber küssest, – dich von ihm küssen lässest, – zu seinem Hause rennst, wenn ein Gerücht seinen Tod ansagt, und in seine Arme fliegst, da du ihn allein findest. Alles dieß steht einem Mädchen sehr wohl an, die bereit ist, ihren Eltern in einer von ihrem Vater gebilligten Partie zu gehorchen; aber solche Zeichen der Vertraulichkeit einem Manne gespendet, den ein junges Mädchen nicht achten kann, und entschlossen ist, nicht zu heirathen, sind unschicklich und unweiblich. Du bist bereits mit deinen Gunstbezeugungen gegen Harry Schmied verschwenderischer gewesen, als deine Mutter, Gott segne sie, gegen mich war, eh' ich sie heirathete. Ich sage dir, Katharina, dieses Spiel mit der Liebe eines ehrlichen Mannes ist Etwas, das ich weder dulden kann, noch will, noch darf. Ich habe meine Zustimmung zu der Heirath gegeben, und ich bestehe darauf, daß sie sofort stattfinde, und daß du morgen Harry Wynd als einen Mann empfängst, dessen Gattin du nächstens sein sollst.«

»Eine Macht, höher als die Eurige, Vater, wird nein sagen,« erwiderte Katharina.

»Ich will es d'rauf wagen; meine Macht ist eine gesetzliche, die eines Vaters über ein Kind, und ein irrendes Kind,« antwortete ihr Vater. »Gott und Menschen erkennen meine Macht an.«

»Dann mög' uns der Himmel helfen!« sagte Katharina; »denn wenn Ihr hartnäckig auf Eurer Absicht beharrt, sind wir Alle verloren.«

»Wir können keine Hülfe vom Himmel erwarten,« sagte der Handschuhmacher, »wenn wir mit Unklugheit handeln. Ich bin selbst Gottesgelehrter genug, um das zu wissen; und daß dein grundloser Widerstand gegen meinen Willen sündlich ist, wird dir jeder Priester sagen. Ja, und noch mehr als das, du hast wegwerfend von der gepriesenen Berufung auf Gott im Gottesgerichtskampfe gesprochen. Hüte dich! denn die heilige Kirche ist erwacht, ihre Heerde zu wahren und Ketzerei durch Feuer und Schwert auszurotten. Darin warn' ich dich!«

Katharina ließ eine unterdrückte Aeußerung hören, und indem sie sich mit Mühe zwang, ruhig zu erscheinen, versprach sie ihrem Vater, daß, wenn er sie mit einer weiteren Erörterung des Gegenstandes bis zum nächsten Morgen verschonen wollte, sie dann mit ihm sprechen werde, entschlossen, ihre Gedanken völlig auszusprechen.

Mit diesem Versprechen mußte sich Simon Glover zufrieden geben, obwohl äußerst besorgt wegen der verschobenen Erklärung. Es konnte nicht Leichtsinn oder Wankelmuth des Charakters sein, was seine Tochter bewog, so anscheinend unbeständig gegen den Mann seiner Wahl zu verfahren, den sie noch kürzlich so unzweideutig auch für den Mann der ihrigen erklärt hatte. Welch' äußere Macht stark genug sein konnte, ihre so bestimmt ausgesprochenen Entschlüsse binnen vierundzwanzig Stunden zu verändern, war ihm ein vollkommenes Räthsel.

»Aber ich will so hartnäckig sein, als sie sein kann,« dachte der Handschuhmacher, »und sie soll entweder Harry Schmied ohne weiteren Verzug heirathen, oder der alte Simon Glover will einen genügenden Grund für das Gegentheil hören.«

Der Gegenstand ward im Laufe des Abends nicht mehr berührt; aber in der Frühe des nächsten Morgens, gleich mit Sonnenaufgang, kniete Katharina vor dem Bette, in welchem ihr Vater noch schlummerte. Ihr Herz schlug, als ob es springen wollte, und ihre Thränen rollten zahlreich auf ihres Vaters Gesicht. Der gute, alte Mann erwachte, blickte empor, bekreuzte seines Kindes Stirn und küßte sie zärtlich.

»Ich verstehe dich, Katie,« sagte er; »du bist gekommen, um zu beichten, und ich hoffe, du wirst einer schweren Buße durch Aufrichtigkeit entgehen wollen.«

Katharina schwieg einen Augenblick.

»Ich brauche nicht zu fragen, mein Vater, ob Ihr Euch des Karthäusermönchs Clemens und seiner Lehren und Predigten erinnert; Ihr standet ihm in der That so oft darin bei, daß Ihr wohl wissen müßt, daß Euch die Leute einen seiner Bekehrten, und mit größerem Rechte auch mich also nannten.«

»Ich weiß Beides,« sagte der alte Mann, sich auf den Ellbogen stützend; »aber ich fordere das schnöde Gerücht heraus, zu beweisen, daß es je seine ketzerischen Ansichten annahm, obwohl ich gern seine Reden hörte über das Verderbniß der Kirche, der übeln Herrschaft der Edelleute, die schmachvolle Unwissenheit der Armen, wenn er, wie es mir schien, bewies, daß die ganze Tugend unseres Staates, seine Kraft und Ehre, unter der Bürgerschaft der besseren Klasse sei, was ich als eine gute, der Stadt vortheilhafte Lehre annahm. Und wenn er nicht die rechte Lehre predigte, warum ließen es ihm seine Obern im Karthäuserkloster zu? Wenn die Hirten den Wolf im Schafskleide unter die Heerde werfen, so können sie die Schafe nicht tadeln, wenn sie zerrissen werden.«

»Sie duldeten sein Predigen, ja, sie munterten es auf,« sagte Katharina, »so lange die Laster der Laien, die Anmaßungen der Edeln und die Unterdrückung der Armen der Gegenstand seines Tadels waren, und sie freuten sich über das Volk, das, zu der Karthäuserkirche sich drängend, alle andern Klöster verließ. Aber die Heuchler – denn das sind sie – verbanden sich mit den anderen Brüderschaften zur Anklage ihres Predigers Clemens, als er von der Schilderung der Verbrechen des Staates auf die Darstellung des Stolzes, der Unwissenheit und der Schwelgerei der Geistlichen selbst überging, und von ihrem Durst nach Gewalt, ihrer angemaßten Macht über das Gewissen der Menschen und ihrem Verlangen nach Vermehrung des weltlichen Reichthums sprach.«

»Um Gottes Willen, Katharina,« sagte ihr Vater, »sprich heimlich; deine Stimme erhebt sich und du redest bitter; – deine Augen leuchten. Diesem Eifer für das, was dich nicht mehr als Andere angeht, verdankst du es, daß böswillige Personen dir den gehässigen und gefährlichen Namen einer Ketzerin geben.«

»Ihr wißt, ich sage weiter nichts, als die Wahrheit,« sagte Katharina, »und was Ihr selbst oft zugestanden habt.«

»Bei Nadel und Bockfell! nein,« antwortete der Handschuhmacher hastig; »willst du, daß ich zugestehe, was mich Leib und Leben, Hab und Gut kosten kann? denn es ist Vollmacht ertheilt worden, Ketzer einzuziehen und zu untersuchen, denen man alle neuerliche Tumulte und Zwistigkeiten zur Last legt; daher sind wenig Worte die besten, Mädchen. Ich stimme stets dem alten Dichter bei:

»Das Wort ist Knecht, frei sind Gedanken,
D'rum rath' ich, halt' die Zung' in Schranken.«

»Der Rath kommt zu spät, Vater,« antwortete Katharina, auf einen Stuhl neben des Vaters Bett niedersinkend. »Die Worte sind gesprochen und gehört worden; und es wird geklagt gegen Simon Glover, Bürger in Perth, daß er unehrerbietige Reden über die Lehre der heiligen Kirche geführt –«

»So wahr ich von Messer und Nadel lebe,« fiel Simon ein, »es ist eine Lüge! Ich war nie so thöricht, zu sprechen von dem, was ich nicht verstand.«

»Und die Gesalbten der Kirche lästerte, beide, Ordens- wie Weltgeistliche,« fuhr Katharina fort.

»Ei, die Wahrheit will ich nie läugnen,« sagte der Handschuhmacher; »ein müßiges Wort kann ich auf der Bierbank gesprochen haben, oder bei einem Schoppen Wein, oder in sicherer Gesellschaft; aber sonst ist meine Zunge nicht von der Art, um meinen Kopf in Gefahr zu stürzen.«

»So glaubt Ihr, mein theuerster Vater; aber Eure geringste Rede ist erspäht worden, Eure bestgemeinten Worte hat man verdreht, und Ihr seid im Verruf als grober Spötter gegen Kirche und Geistliche, der gegen dieselben Gespräche mit lockern und liederlichen Leuten gehalten, wie z. B. der verstorbene Oliver Proudfute war, der Schmied Harry vom Wynd und Andere; ein Mann, der die Lehren des Pater Clemens empfiehlt, den sie auf sieben Hauptketzereien anklagen und mit Stab und Speer suchen, um ihn zum Tode zu bringen. – Aber dieß,« sagte Katharina knieend und aufwärtsblickend mit der Miene einer jener schönen Heiligen, welche die Katholiken durch die schönen Künste darstellten, – »dieß werden sie nimmer thun. Er ist aus dem Netze des Jägers entkommen; und, ich danke dem Himmel, es geschah durch meine Hülfe.«

»Durch deine Hülfe, Mädchen – bist du wahnsinnig?« sagte der erstaunte Handschuhmacher.

»Ich will nicht läugnen, worauf ich stolz bin,« antwortete Katharina; »es geschah durch mich, daß Conachar veranlaßt ward, mit einer Anzahl Leute hierher zu kommen und den alten Mann, der nun weit jenseit der hochländischen Grenze ist, wegzuführen.

»O, mein vorschnelles – mein unglückliches Kind!« sagte der Handschuhmacher; »wagtest du, die Flucht eines der Ketzerei Angeklagten zu unterstützen und bewaffnete Hochländer aufzufordern, sich in die Verwaltung der Gerechtigkeit in der Stadt zu mischen? Ach, du hast dich gegen beide, die Gesetze der Kirche und des Reiches, vergangen. Was – was würde aus uns werden, wenn dies bekannt würde?«

»Es ist bekannt, mein theurer Vater,« sagte das Mädchen mit Festigkeit; »bekannt sogar denen, die die bereitwilligsten Rächer der That sein werden.«

»Das muß eine leere Einbildung sein, Katharina, oder ein Streich jener heuchlerischen Priester und Nonnen; es stimmt nicht mit deiner neulichen frohen Bereitwilligkeit, Harry Schmied zu heirathen.«

»Ach, theuerster Vater, gedenkt der schrecklichen Ueberraschung, welche das Gerücht seines Todes veranlaßte, und des freudigen Staunens, ihn lebend zu finden; und laßt es Euch nicht wunderbar scheinen, wenn ich unter Eurem Schutze mir mehr zu sagen erlaubte, als meine Ueberlegung rechtfertigte. Aber damals wußte ich noch nicht das Schlimmste und hielt die Gefahr für übertrieben. Ach! ich wurde gestern schrecklich enttäuscht, als die Aebtissin selbst hierher kam und mit ihr der Dominikaner. Sie zeigten mir den schriftlichen Auftrag, mit dem großen Siegel von Schottland, Ketzerei auszuforschen und zu bestrafen; sie zeigten mir Euren und meinen Namen in der Liste verdächtiger Personen; und unter Thränen, fürwahr unter Thränen beschwor mich die Aebtissin, ein furchtbares Schicksal abzuwenden, indem ich mich eilig in das Kloster flüchtete; und der Mönch gab sein Wort, daß Ihr nicht belästigt werden solltet, wenn ich nachgäbe.

»Der böse Feind hole sie Beide als weinende Krokodille!« sagte der Handschuhmacher.

»Ach,« erwiderte Katharina, »Beklagen oder Zürnen wird uns wenig helfen; aber Ihr seht, ich hatte wirklichen Grund für meine gegenwärtige Unruhe.«

»Unruhe! nenn' es äußerstes Verderben. – Ach, mein leichtsinniges Kind, wo war deine Klugheit, als du blindlings in eine solche Schlinge fielst?«

»Hört mich, Vater,« sagte Katharina; »noch eine Art der Rettung ist möglich; es ist eine, die ich oft vorgeschlagen, und für die ich immer umsonst um Eure Erlaubniß bat.«

»Ich verstehe dich – das Kloster,« sagte ihr Vater. »Aber Katharina, welche Aebtissin oder Priorin würde wagen –«

»Ich will Euch das erklären, Vater, und will Euch auch die Umstände zeigen, welche mich unentschlossen und wankelmüthig in einem Grade erscheinen ließen, der mir von Euch und Andern Tadel zuzog. Unser Beichtvater, der alte Pater Francis, den ich aus dem Dominikanerkloster auf Euren Befehl wählte –«

»Ja, allerdings,« unterbrach sie der Handschuhmacher; »und ich rieth und befahl dir so, um das Gerücht zu beseitigen, daß dein Gewissen ganz unter der Leitung des Pater Clemens stehe.«

»Gut, dieser Pater Francis hat mich mehrmals gedrängt und aufgefordert, über Dinge mit ihm zu sprechen, mittelst deren er von mir Etwas über den Karthäuserprediger zu erfahren gedachte. Der Himmel vergebe mir meine Blindheit! Ich fiel in die Schlinge, sprach offen, und da er sanft in mich drang, wie Einer, der gern überzeugt sein wollte, sprach ich sogar warm zur Vertheidigung dessen, was ich andächtig glaubte. Der Beichtvater zeigte nicht sein wahres Gesicht und verrieth nicht seine geheime Absicht, bis er Alles wußte, was ich ihm sagen konnte. Dann aber drohte er mir mit weltlicher Strafe und ewiger Verdammniß. Hätten seine Drohungen mich allein betroffen, so hätte ich standhaft bleiben können; denn ihre Grausamkeit auf Erden könnte ich erdulden, und an ihre Macht jenseit dieses Lebens glaube ich nicht.«

»Um des Himmels willen,« sagte der Handschuhmacher, der nun im Stillen bei jedem neuen Worte die wachsende, äußerste Gefahr seiner Tochter erkannte, »hüte dich, die heilige Kirche zu lästern – deren Waffen so schnell treffen, als ihre Ohren scharf hören.«

»Für mich,« sagte das Mädchen von Perth, wieder emporblickend, »würden die Schrecken der gedrohten Anzeige nicht erheblich sein; aber als sie davon sprachen, dich, mein Vater, in meine Anklage zu verwickeln, so gesteh' ich, daß ich zitterte und zu unterhandeln wünschte. Der Aebtissin Martha, vom Nonnenkloster zu Elcho, die eine Base von meiner Mutter war, erzählte ich mein Unglück, und sie gab mir das Versprechen, daß sie mich aufnehmen wollte, wenn ich weltlicher Liebe und Heirathsgedanken entsagen, und den Schleier in ihrer Schwesterschaft nehmen würde. Sie sprach ohne Zweifel über den Gegenstand mit dem Dominikaner Francis, und Beide sangen dasselbe Lied. »Bleib' in der Welt,« sagten sie, »und dein Vater und du werden als Ketzer in Untersuchung kommen – nimm den Schleier, und die Irrthümer Beider sollen vergeben und vergessen sein.« Sie sprachen nicht einmal von einem Widerruf der Irrlehren; Alles sollte still sein, wenn ich nur in das Kloster träte.«

»Ich zweifle nicht – ich zweifle nicht,« sagte Simon; »man hält den alten Handschuhmacher für reich, und sein Reichthum würde seiner Tochter in's Kloster von Elcho folgen, bis auf das, was die Dominikaner für sich in Anspruch nähmen. Dieß also ist dein Beruf zum Schleier – dieß sind deine Einwendungen gegen Harry Wynd?«

»In der That, Vater, von allen Seiten drängte man, und mein eignes Herz war ziemlich einverstanden. Sir John Ramorny bedrohte mich mit der mächtigen Rache des jungen Prinzen, wenn ich fortführe, seine schnöde Bewerbung zurückzuweisen – und was den armen Harry betrifft, so hab' ich erst ganz kürzlich zu meinem eignen Staunen bemerkt, – daß, – daß ich seine Tugenden mehr liebe, als mir seine Fehler mißfallen. Ach, diese Entdeckung hat mir meinen Abschied von der Welt nur schwerer gemacht, als wenn ich geglaubt hätte, blos dich zu beklagen.«

Sie stützte das Haupt mit der Hand und weinte bitterlich.

»Dieß ist Alles Thorheit,« sagte der Handschuhmacher. »Nie war eine Noth so groß, daß ein weiser Mann nicht Rath finden könnte, wenn er kühn genug ist, darnach zu handeln. Dieß war nie das Land oder Volk, über welches die Priester im Namen Roms herrschen konnten, ohne ihre Anmaßung eingeschränkt zu sehen. Wenn sie jeden ehrlichen Bürger strafen dürften, welcher sagt, daß die Mönche Geld lieben und daß das Leben etlicher von ihnen den Lehren, die sie predigen, Schande mache, so würde es wahrlich Stephen Smotherwell nicht an Geschäften fehlen, – und wenn alle thörichten Mädchen von der Welt sich absondern wollten, weil sie den Irrlehren eines beliebten Predigermönchs folgen, so müßten sie die Nonnenklöster erweitern, und die Schwestern auf leichtere Bedingungen aufnehmen. Unsere Rechte sind von unserm guten alten Fürsten oft gegen den Papst selbst vertheidigt worden; und wenn er sich anmaßte, sich in die weltliche Regierung zu mischen, so fehlte es nicht an einem schottischen Parlament, das ihm seine Pflicht in einem Briefe vorhielt, den man in Lettern von Gold hätte schreiben dürfen. Ich habe den Brief selbst gesehen, und ob ich ihn gleich nicht lesen konnte, so machte mir doch der Anblick der Siegel der hochwürdigen Prälaten, der edlen und treuen Barone, die daran hingen, das Herz vor Freude hüpfend. Du hättest mir dieß Geheimniß nicht vorenthalten sollen, mein Kind; doch es ist nicht Zeit, dir deinen Fehler vorzurücken. Geh' hinunter, hole mir Etwas zu essen. Ich will mich sogleich zu Pferde setzen und zu unserm Lord Oberrichter reiten, und seinen Rath suchen, und wie ich glaube seinen Schutz, nebst dem anderer treuherziger schottischer Edeln, die einen ehrlichen Mann eines leeren Wortes wegen nicht niedertreten lassen.«

»Ach, mein Vater,« sagte Katharina, »es war gerade diese Heftigkeit, die ich fürchtete. Ich wußte, daß, wenn ich mich bei Euch beklagte, bald Feuer und Flamme sein würde, wie wenn die Religion, obwohl vom Vater des Friedens uns gesendet, nur die Mutter der Zwietracht sein sollte – und daher könnte ich jetzt – selbst jetzt – die Welt aufgeben und mich mit meinem Schmerze unter die Schwestern von Elcho zurückziehen, wollet Ihr mich nur das Opfer sein lassen. Tröstet nur, Vater, den armen Harry, wenn wir auf ewig geschieden sein werden – und laßt ihn – laßt ihn nicht zu hart von mir denken – sagt, Katharina werde ihn nie mehr mit ihren Ermahnungen plagen, aber sie wolle ihn nie in ihren Gebeten vergessen.«

»Das Mädchen hat eine Zunge, die einen Türken zum Weinen brächte,« sagte ihr Vater, indem seine eignen Augen denen seiner Tochter nachahmten. »Aber ich will jenem Einverständniß zwischen der Nonne und dem Mönch nicht nachgeben, die mir mein einzig Kind rauben wollen. – Geh', Mädchen, und laß mich ankleiden; sei bereit, mir in Allem zu gehorchen, was ich zu deiner Sicherheit zu empfehlen habe. Packe einige Kleider zusammen und was du von Werth hast – auch nimm den Schlüssel zu meinem eisernen Kasten, den mir Harry Schmied gab, und theile das Gold, was du darin findest, in zwei Portionen, – stecke die eine in eine Börse für dich und die andere in den ausgenähten Gürtel, den ich zum Reisen machte. Damit sind wir versorgt, wenn das Schicksal uns trennen sollte; dann möge der Himmel geben, daß der Wirbelwind das welke Laub nehme und das grüne schone! Laß sogleich mein Pferd satteln und den weißen Zelter, den ich gestern für dich kaufte, in der Hoffnung, dich nach der St. Johnskirche mit Mädchen und Frauen als eine so fröhliche Braut reiten zu sehen, wie noch keine über die heilige Schwelle ging. Aber das Geplauder hilft nichts. – Geh' und gedenke, daß die Heiligen denen helfen, die sich selbst helfen wollen. Kein Wort mehr – fort, sag' ich, – nur jetzt keinen Eigensinn. Der Steuermann läßt nur bei ruhigem Wetter den Schiffsjungen mit dem Ruder spielen; aber bei meiner Seele, wenn der Wind heult und die Wellen steigen, steht er selber am Steuer. Fort; kein Widerspruch.«

Während die schöne Katharina damit beschäftigt war, ihres Vaters Aufträge zu besorgen, und der gute alte Handschuhmacher sich hastig ankleidete, wie ein Mensch, der im Begriff ist, eine Reise anzutreten, hörte man den Hufschlag eines Rosses in der engen Straße. Der Reiter war in seinen Reitermantel gehüllt, den Kragen aufgeschlagen, als wollte er den untern Theil des Gesichts verbergen, und die Mütze über die Stirn gezogen, indeß eine große Feder das Gesicht von oben verdeckte. Er sprang vom Pferde, und Dorothee hatte kaum Zeit, seine Frage zu beantworten, ob der Handschuhmacher in seinem Zimmer sei, als der Fremde schon die Treppe bestiegen hatte, und in das Schlafgemach getreten war. Simon, erstaunt und erschreckt und in der Stimmung, in diesem frühen Besuch einen Gerichtsdiener oder Forderer zu sehen, der ihn und seine Tochter festnehmen wollte, war sehr erfreut, in dem Fremden, als er die Mütze abnahm und den Mantelkragen vom Gesicht zurückschlug, den ritterlichen Oberrichter der guten Stadt zu erkennen, dessen Besuch zu jeder Zeit eine ungewöhnliche Gunst war, aber zu solcher Stunde etwas Wunderbares, und, hinsichtlich der Zeitumstände, selbst etwas Schreckendes hatte.

»Sir Patrick Charteris!« – sagte der Handschuhmacher – »diese hohe Ehre für Euern armen Diener –«

»Still,« sagte der Ritter, »es ist keine Zeit zu leeren Höflichkeiten. Ich kam hierher, weil ein Mann in gefährlichen Umständen sein eigener sicherster Page ist, und ich kann mich nicht länger aufhalten, als dich fliehen zu heißen, guter Glover, da heut' im Rathe Vollmacht ertheilt werden wird, dich und deine Tochter unter Anklage der Ketzerei zu verhaften; Verzug wird euch Beiden gewiß eure Freiheit, vielleicht euer Leben kosten.«

»Ich habe so etwas vernommen,« sagte der Handschuhmacher, »und wollte diesen Augenblick nach Kinfauns, um meine Unschuld bei dieser schmählichen Anklage darzulegen, Eurer Herrlichkeit Rath zu erbitten und Euren Schutz zu erflehen.«

»Deine Unschuld, Freund Simon, wird dir bei vorurtheilsvollen Richtern nur wenig helfen; mein Rath ist, mit einem Worte, zu fliehen und bessere Zeiten abzuwarten. Was meinen Schutz betrifft, so müssen wir warten, bis die Flut abnimmt, eh' er dir von Nutzen sein kann. Aber wenn du einige Tage oder Wochen verborgen bleiben kannst, so zweifle ich kaum daran, daß die Pfaffen, welche, in einer Hofintrigue mit dem Herzog von Albany vereint, und den Verfall der reinen katholischen Lehre als einzigen Grund des gegenwärtigen Staatsunglückes angebend, für jetzt wenigstens unwiderstehliche Gewalt über den König haben, werden nachgeben müssen. Indessen wisse, daß König Robert nicht nur diesen allgemeinen Befehl zur Untersuchung der Ketzerei bekräftigt, sondern auch die päpstliche Ernennung Henry Wardlaws zum Erzbischof von St. Andrews und Primas von Schottland bestätigt hat, und somit Rom die Freiheiten und Vorrechte der schottischen Kirche überläßt, die seine Vorfahren seit Malcolm Canmore's Zeiten so kühn vertheidigt haben. Seine tapferen Väter würden eher einen Bund mit dem Teufel unterschrieben, als in einer solchen Sache den Ansprüchen nachgegeben haben.«

»Ach, und welche Hilfe?«

»Keine, alter Mann, außer in einer plötzlichen Hofveränderung,« sagte Sir Patrick. »Der König ist nur wie ein Spiegel, der, selbst kein Licht habend, mit immer gleicher Bereitwilligkeit zurückstrahlt, was ihm gerade nahe kommt. Jetzt, obgleich der Douglas mit Albany sich verbunden hat, ist doch der Graf den hohen Ansprüchen dieser herrschsüchtigen Priester ungünstig, und liegt mit ihnen wegen der Erpressungen im Streit, die sein Gefolge an dem Abt von Aberbrothock verübt hat. Er wird mit zahlreicher Heeresmacht zurückkommen, denn das Gerücht sagt, der Graf von March sei vor ihm geflohen. Kehrt er zurück, so ist die Welt verändert, denn seine Gegenwart wird Albany im Zaume halten; besonders sind viele Edle und ich selbst, wie ich Euch im Vertrauen sage, entschlossen, sich mit ihm zur Vertheidigung des allgemeinen Rechts zu verbinden. Deine Verbannung wird daher mit seiner Rückkehr an den Hof enden; du mußt dir aber einen einstweiligen Schlupfwinkel suchen.«

»Was das betrifft, Mylord,« sagte der Handschuhmacher, »so kann mir's nicht fehlen, da ich gerechten Anspruch auf den Schutz des großen Hochländerhäuptlings Gilchrist Mac Jan, Häuptling des Clans Quhele, habe.«

»Nun, wenn du seinen Mantel fassen kannst, so brauchst du keine weitere Hilfe – weder niederländische Geistliche noch Laien finden einen freien Lauf der Gerechtigkeit jenseit der hochländischen Grenze.«

»Aber mein Kind, edler Sir – meine Katharina?« sagte der Handschuhmacher.

»Laßt sie mit Euch gehen, Mann. Der Graddankuchen wird ihre weißen Zähne erhalten, die Ziegenmilch wird ihr das Blut wieder in die Wange treiben, welches diese Unruhe verbannt hat; und selbst das schöne Mädchen von Perth kann sanft genug auf einem Bett von hochländischen Kräutern schlafen.«

»Nicht aus so eitlen Rücksichten, Mylord, trag' ich Bedenken,« sagte der Handschuhmacher. »Katharina ist die Tochter eines schlichten Bürgers und ist nicht eigensinnig, was Nahrung und Wohnung anlangt. Aber der Sohn Mac Jans ist mehrere Jahre Gast in meinem Hause gewesen, und ich muß gestehen, daß ich ihn meine Tochter (die so gut wie verlobte Braut ist) auf eine Weise betrachten sah, die, obwohl ich es nicht fürchtete in diesem Hause in Curfewstreet, mich für die Folgen in einem hochländischen Thale besorgt macht, wo ich keinen Freund habe, Conachar aber viele.«

Der ritterliche Oberrichter antwortete mit einem langen pfeifenden Tone. – »Ja, in dem Falle rath' ich dir, sie in's Nonnenkloster zu Elcho zu senden, wo die Aebtissin, wenn ich mich nicht irre, Eure Verwandte ist. Ja, sie hat es selber gesagt und fügte hinzu, sie liebte ihre Muhme nebst Allem, was zu dir gehört, Simon.«

»Allerdings, Mylord, glaub' ich, daß die Aebtissin so viel Achtung für mich hegt, daß sie gern den Schutz meiner Tochter übernehmen würde, und dazu mein ganzes Hab und Gut in ihre Schwesterschaft. – Wahrlich, ihre Zuneigung ist etwas anhänglicher Art, und würde ungern das Anvertraute, weder die Tochter noch die Aussteuer, fahren lassen.«

Der Ritter pfiff wieder bedenklich: »Bei dem Thane's-Kreuz. Mann, das ist ein schwer zu windender Knäul. Aber nie soll man sagen, das schönste Mädchen von Perth sei in ein Kloster gesperrt worden, wie eine Henne in einen Käfig, während sie im Begriff ist, den kühnen Bürger Harry Wynd zu heirathen. Das soll man nicht erzählen, so lang' ich Gürtel und Sporen trage und Oberrichter von Perth heiße.«

»Aber wie helfen, Mylord?« fragte der Handschuhmacher.

»Wir müssen Alle unser Theil an der Sache nehmen. Wohlan, setzt Euch sammt Eurer Tochter sogleich zu Pferde. Ihr sollt mit mir reiten, und wir wollen sehen, wer Euch finster anzublicken wagt. Die Forderung ist noch nicht gegen dich erlassen, und wenn sie einen Gerichtsboten nach Kinfauns schicken, ohne Vollmacht von des Königs eigener Hand, so schwör' ich bei des rothen Räubers Seele! daß er seine Schrift fressen soll, Wachs und Pergament mit einander. Zu Pferde! zu Pferde! und (sich an Katharina wendend, die so eben eintrat) auch Ihr, mein artiges Kind,

»Zu Pferd und fürchtet Niemand's Droh'n,
Wer Chartres traut, ist sicher schon!« –

Binnen zwei Minuten saßen Vater und Tochter zu Pferde, Beide auf des Oberrichters Weisung einen Pfeilschuß weit vor ihm reitend, damit es nicht schiene, sie gehörten zu seiner Gesellschaft. Mit einiger Eile zogen sie durch das östliche Thor und ritten rasch vorwärts, bis man sie nicht mehr sehen konnte. Sir Patrick folgte gemächlich; als er aber der Wache aus dem Gesicht war, spornte er sein Roß und holte bald den Handschuhmacher und Katharina ein, wo denn ein Gespräch erfolgte, welches Licht auf einige frühere Vorgänge dieser Geschichte wirft.


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