Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Neuntes Kapitel.

Weiß ich, wie diese Ding' ich schlichten soll,
Die so verworren sich mir aufgedrängt –
Nimmer, glaubt mir –
                              Richard II.

Es war kurz nach Mittag am St. Valentinstag, als der Prior der Dominikaner in seinem Berufe als Beichtiger beschäftigt war, und zwar vor einem Beichtenden von nicht geringem Ansehen. Dieser war ein ältlicher Mann von gutem Aeußern, blühende Gesundheit ruhte auf seinem Gesicht, welches ein ehrwürdiger weißer Bart umzog, der bis auf die Brust niederhing. Die großen und klaren blauen Augen, mit der hohen, breiten Stirn, drückten Würde aus; aber sie war von einer Art, daß sie mehr gewohnt schien, freiwillige Huldigungen zu empfangen, als sie, im Fall der Weigerung, zu erzwingen. Der gutmüthige Ausdruck war so groß, daß er fast eine Einfalt oder Charakterschwäche anzudeuten schien, die ihn unfähig machte, Zudringlichkeit zurückzuweisen oder Widerstand zu bewältigen. Auf seinen grauen Haaren ruhte ein kleiner goldener Kranz oder eine Krone über einer blauen Binde. Sein Rosenkranz bestand aus dicken, ziemlich plump gearbeiteten Kügelchen, war aber mit schottischen Perlen verziert, die sich durch Größe und Schönheit auszeichneten. Außerdem trug er keinen Schmuck, und seine ganze Kleidung bestand aus einem langen Gewand von karmoisinrother Seide und einem Gürtel von derselben Farbe. Nachdem er gebeichtet, erhob er sich nicht ohne Mühe von dem gestickten Kissen, worauf er gekniet hatte, und ging, auf einen Ebenholzstock mit einem Rabenschnabel gestützt, mit sichtbarer Anstrengung und hinkend auf einen Prunksessel zu, der unter einem Thronhimmel stand, und den man für ihn in das große hohe Gemach, worin er sich befand, neben das Kamin gestellt hatte.

Dies war Robert, der Dritte dieses Namens und der Zweite der unglücklichen Familie Stuart, welcher den schottischen Thron einnahm. Er hatte viele Tugenden und war nicht ohne Talent; aber zu seinem großen Unglück, welches mehrere Prinzen dieses, von so vielfachem Mißgeschick heimgesuchten Hauses mit ihm theilten, waren seine vorzüglichen Eigenschaften nicht von der Art, daß sie ihn befähigt hätten, die Rolle zu spielen, wozu ihn seine Geburt berufen. Der König eines so rauhen Volkes, wie damals die Schotten waren, hätte ein tapferer, rüstiger Krieger sein müssen, der geleistete Dienste freigebig belohnte, die Verbrechen streng bestrafte, und dessen ganzes Wesen Furcht und Liebe zugleich einflößen konnte; aber Robert des Dritten Eigenschaften waren das Gegentheil von alledem. Er hatte zwar in seiner Jugend mehreren Schlachten beigewohnt, aber wenn er darin auch keine Schmach ärntete, so hatte er doch nie die ritterliche Begierde nach Krieg und Wagstücken, und das glühende Verlangen, sich durch gefährliche Thaten berühmt zu machen, an den Tag gelegt, welches man damals von Allen erwartete, die von edler Geburt waren und Ansprüche auf Ansehen machten.

Ueberdies war seine kriegerische Laufbahn sehr kurz. Im Getümmel eines Turniers erhielt der junge Graf von Carrick, dies war sein damaliger Titel, einen Schlag vom Pferde des Sir James Douglas von Dalkeith, in Folge dessen er zeitlebens lahm blieb, und völlig unfähig, ferner Theil am Kriege zu nehmen oder an kriegerischen Spielen und Turnieren, die ein Bild von jenem waren. Da Robert nie große Neigung zu solchen Uebungen bewiesen hatte, so bedauerte er wahrscheinlich nicht sehr, bei dergleichen Scenen keine Rolle spielen zu können. Aber dieser Unfall oder vielmehr die Folgen desselben setzten ihn in den Augen eines stolzen Adels und eines kriegerischen Volkes herab. Er mußte die wichtigen Regierungsgeschäfte bald einem Gliede seiner Familie, bald einem Andern überlassen, manchmal mit dem Titel Reichsstatthalter, und stets mit der solchem Range gebührenden Gewalt. Seine väterliche Liebe hätte ihn wohl bestimmt, einen Theil derselben seinem ältesten Sohne, einem talentvollen jungen Manne zu übertragen, den er zum Herzog von Rothsay ernannte, um ihm einen Rang zu verleihen, wodurch er dem Throne so nahe als möglich gebracht wurde; aber der junge Prinz hatte einen zu leichten Sinn und eine zu schwache Hand, um das Scepter mit Würde zu führen. Er liebte zwar die Macht, aber Vergnügungen waren seine Hauptleidenschaft, und zum Aergerniß des Volkes war der Hof Zeuge mannichfacher Liebeshändel, die sich der Prinz gestattete, dessen Aufführung für die Jugend des Landes ein Muster der Tugend und Ehrbarkeit hätte sein sollen.

Das ungebundene und ungebührliche Benehmen des Herzogs von Rothsay war in der öffentlichen Meinung um so tadelnswerther, als er ein verheiratheter Mann war; obwohl Manche, auf die seine Jugend, Heiterkeit, Huld und Gutmüthigkeit Einfluß hatten, der Meinung waren, daß gerade die Verhältnisse seiner Ehe seinen Ausschweifungen zur Entschuldigung dienen könnten. Sie erinnerten sich, daß seine Vermählung ganz das Werk seines Oheims, des Herzogs von Albany, gewesen war, durch den sich der schwache, blödsinnige König meist leiten ließ, und der, wie man allgemein glaubte, dem Geiste seines Bruders eine den Interessen und Hoffnungen des künftigen Thronerben schädliche Richtung zu geben suchte. Durch die Intriguen Albany's wurde die Hand des Prinzen gleichsam an den Meistbietenden verkauft, denn er gab öffentlich zu verstehen, derjenige schottische Große, dessen Tochter die bedeutendste Mitgift erhielte, dürfe hoffen, der Schwiegervater des Herzogs von Rothsay zu werden.

Bei dem erfolgten Streite um den Vorrang wurde Georg, Graf von Dunbar und March, der für sich oder durch seine Vasallen einen großen Theil der östlichen Grenzen besaß, den andern Bewerbern vorgezogen, und seine Tochter wurde mit wechselseitiger Zustimmung des jungen Paares dem Herzog von Rothsay verlobt.

Aber eine dritte Partei mußte noch befragt werden, und das war kein Anderer, als der furchtbare Archibald, Graf von Douglas, zu fürchten wegen der Ausdehnung seiner Besitzungen, wegen seiner zahlreichen Aemter und Gerichtsbarkeiten und wegen seiner Weisheit und seines Muthes, vereint mit unbändigem Stolze und einer ungewöhnlichen Rachlust. Auch war der Graf dem Throne nahe verwandt, indem ihm die älteste Tochter des regierenden Königs vermählt war.

Nach der Verlobung des Herzogs von Rothsay mit des Grafen von March Tochter trat Douglas auf, als ob er gezögert hätte, an der Verhandlung Theil zu nehmen, um zu zeigen, daß sie ohne ihn nicht abgeschlossen werden könne, um den Contrakt ungiltig zu machen. Er bot seine Tochter Marjory mit einer noch bedeutenderen Mitgift an, als der Graf von March versprochen hatte, und Albany, durch seine Habsucht und die Furcht vor Douglas beherrscht, machte seinen Einfluß auf den blödsinnigen Monarchen geltend und bestimmte ihn, dem Grafen von March das Wort zu brechen und seinem Sohne Marjory Douglas zu geben, eine Frau, die dieser nicht lieben konnte. Die einzige Entschuldigung, die man gegen den Grafen von March vorbrachte, war, daß die Verlobung des Prinzen mit Elisabeth von Dunbar die Zustimmung des Parlaments nicht erhalten habe, und so lange diese Bestätigung fehle, Verträge der Art nicht bindend seien. Der Graf war sehr erbittert über den ihm und seiner Tochter angethanen Schimpf, und man glaubte allgemein, er sinne auf Rache, wozu ihm das Ansehen, in dem er an der englischen Grenze stand, leicht die Mittel leihen zu müssen schien.

Inzwischen machte der Herzog von Rothsay, aufgebracht, daß man seine Hand und seine Neigungen dieser Staatsintrigue geopfert habe, seinem Mißvergnügen Luft, indem er seine Gemahlin vernachlässigte, seinen furchtbaren und gefährlichen Schwiegervater verachtete und selbst dem Ansehen des Königs wenig Achtung bezeigte, auch gar keine der Vorstellungen seines Oheims Albany anhörte, den er als erklärten Feind betrachtete.

Unter diesen Familienmißhelligkeiten, die sich auch auf seine Räthe und die Verwaltung erstreckten, so daß sich überall die schlimmen Folgen der Uneinigkeit und des Zwiespalts zeigten, ließ sich der schwache König eine Zeitlang durch den Rath seiner Gemahlin, der Königin Annabella, einer Tochter des edlen Hauses von Drummond, leiten. Mit hohem Scharfsinn und Festigkeit des Charakters ausgestattet, steckte sie dem Leichtsinn eines Sohnes, der sie achtete, einigermaßen Schranken, und hielt nicht selten den wankenden Sinn ihres königlichen Gemahls aufrecht. Aber nach ihrem Tode glich der Fürst einem Schiffe, das die Anker verloren hat und von entgegengesetzten Strömungen hin- und hergeworfen wird. Man konnte sagen, daß Robert seinen Sohn leidenschaftlich liebte, daß er eine furchtsame Achtung gegen den Charakter seines Bruders Albany hegte, der freilich viel fester war, als sein eigener; daß Douglas ihm eine fast instinktmäßige Furcht einflößte, und daß er an der Treue des kühnen, aber unbeständigen Grafen von March zweifelte. Die Empfindungen, die er gegen diese verschiedenen Personen hegte, verflossen so in einander, daß sie von Zeit zu Zeit ganz anders erschienen, als sie wirklich waren. Der letzten Gewalt, die über sein lenksames Gemüth ausgeübt worden war, nachgebend, wurde der König, nachdem er ein nachsichtiger Vater gewesen, streng und selbst grausam, sein Vertrauen auf seinen Bruder verwandelte sich in Mißtrauen, und der sonst so sanfte, gütige Monarch zeigte sich als eifersüchtigen, eigennützigen Tyrannen. Wie das Kamäleon trug sein schwaches Gemüth die Farbe des stärkern Geistes, von dem er sich für den Augenblick lenken ließ. Wenn er dem Rathe eines Gliedes seiner Familie nicht mehr folgte, um sein Ohr dem eines Andern zu erschließen, so war es nicht ungewöhnlich, eine gänzliche Aenderung der Verwaltung eintreten zu sehen: ein Wechsel, eben so unehrenvoll für den Charakter des Königs, als gefährlich für das Wohl des Staates.

Eine natürliche Folge war, daß die Geistlichkeit der katholischen Kirche Einfluß auf einen Mann erlangte, der die besten Absichten hatte, aber dabei einen gänzlichen Mangel an festen Entschlüssen. Es quälte Robert nicht nur das peinliche Bewußtsein der Fehler, die er wirklich begangen hatte, sondern auch die Furcht, die ein abergläubisches Gemüth immer mit Bangigkeit erfüllt. Wir brauchen daher kaum noch hinzuzusetzen, daß die Geistlichen der verschiedenen Orden keinen geringen Einfluß auf einen so schwachen Fürsten ausübten, obwohl dies ein Einfluß war, dem in jener Zeit Wenige entgingen, so fest und entschlossen sie sich auch in ihren weltlichen Angelegenheiten zeigen mochten. – Wir kehren nun von dieser langen Abschweifung zurück, ohne welche unsere Erzählung nicht recht verständlich werden konnte.

Der König hatte sich mühsam und ungraziös zu dem Polsterstuhle bewegt, der unter einem Thronhimmel für ihn bereit stand, und auf welchen er sich behaglich niederließ, gleich einem bequemen Manne, der eine Zeitlang in einer gezwungenen Stellung verharrt hatte. Als er saß, drückten die ehrwürdigen Züge und die sanfte Miene des Greises nichts als wohlwollende Güte aus. Der Prior, in einer Stellung tiefer Ehrerbietung, die sein von Natur stolzes Ansehen barg, vor dem Sessel des Königs stehend, war ein Mann zwischen vierzig und fünfzig Jahren, aber noch keines seiner Haare hatte die natürliche schwarze Farbe verloren. Verständige Züge und ein lebhafter Blick verriethen die Talente, durch die sich der ehrwürdige Prior auf den hohen Posten gehoben hatte, den er bei seinem Orden, und man kann hinzusetzen, im Staatsrathe bekleidete, wo er nicht selten von ihnen Gebrauch machte. Die Hauptzwecke, welche Erziehung und Gewohnheit ihn verfolgen lehrten, waren Vermehrung der Güter und Reichthümer der Kirche und Unterdrückung der Ketzerei, ein Ziel, zu dessen Erreichung er alle Mittel anwandte, die ihm seine Stellung an die Hand gab; aber durch die Aufrichtigkeit seines Glaubens und treue Befolgung der Vorschriften der Sittlichkeit, die ihn im gewöhnlichen Leben leiteten, machte er seiner Religion Ehre. Die Fehler, welche Prior Anselm zu unseligen Irrthümern und selbst zur Grausamkeit verleiteten, müssen vielleicht dem Geiste seiner Zeit und seines Standes zugeschrieben werden – seine Tugenden waren sein eigen.

»Nachdem dies geschehen,« sagte der König, »und die erwähnten Ländereien durch meine Schenkung diesem Kloster gesichert sind, seid Ihr dann der Meinung, Vater, daß ich hinreichend in der Gunst unserer heiligen Mutter Kirche stehe, um mich ihren gehorsamen Sohn zu nennen?«

»Gewiß, mein König,« sagte der Prior; »wollte Gott, daß all' ihre Kinder zum Sakrament der Beichte ein eben so lebendiges Bewußtsein ihrer Fehler brächten, und eben so viel guten Willen, sie abzubüßen. Aber ich spreche diese tröstlichen Worte, Sir, nicht zu Robert, dem König von Schottland, sondern nur zu meinem demüthigen und andächtigen Beichtkinde, Robert Stuart von Carrick.«

»Ihr überrascht mich, Vater,« antwortete der König. »Mein Gewissen macht mir wenig Vorwürfe für das, was ich in meinem königlichen Berufe gethan, denn ich pflege dabei weniger meiner eigenen Meinung, als der Stimme der weisesten Räthe zu folgen.«

»Eben darin liegt die Gefahr, mein König,« erwiderte der Prior. »Der heilige Vater erkennt in jedem Worte, jedem Gedanken, jeder Handlung bei Euch den gehorsamen Diener der heiligen Kirche. Aber es gibt schlimme Räthe, die der Eingebung ihrer schlechten Herzen folgen, während sie die Güte und Lenksamkeit ihres Monarchen mißbrauchen, und unter dem Scheine, seinen zeitlichen Interessen zu dienen, Schritte thun, die seinem ewigen Wohle nicht förderlich sein können.«

König Robert erhob sich in seinem Stuhle und nahm eine gebietendere Miene an, die er, obwohl sie ihm zukam, selten zu zeigen pflegte.

»Prior Anselm,« sagte er, »wenn Ihr in meinem Benehmen Etwas entdeckt habt, sei es in meinem königlichen oder in meinem Stande als Privatmann, was solchen Tadel nach sich ziehen kann, wie Eure Worte andeuten, so ist es Eure Pflicht, offen zu sprechen, und ich befehle Euch, so zu thun.«

»Mein König, es soll Euch gehorcht werden,« antwortete der Prior mit leichter Verbeugung. Dann erhob er sich, und indem er die Würde seines kirchlichen Ranges annahm, sagte er: »Hört von mir die Worte unsers heiligen Vaters, des Papstes, des Nachfolgers St. Peters, dem die Schlüssel gegeben sind, beides, zu binden und zu lösen: Warum, Robert von Schottland, hast du nicht gesetzt auf den Stuhl des heiligen Andreas, Henry von Warstlaw, den der Papst empfahl, um jenen Sitz einzunehmen? Warum thust du Bekenntniß mit deinen Lippen, als gehorsamer Diener der Kirche, wenn deine Handlungen die Verstocktheit und den Ungehorsam deines Innern kund thun? Gehorsam ist besser denn Opfer.«

»Sir Prior,« sagte der Monarch, in einem Tone, der seinem hohen Range zukam, »wir können uns wohl erlassen, Euch über diesen Gegenstand zu antworten, da die Sache uns und die Staaten unsers Reichs betrifft, nicht aber unser persönliches Gewissen angeht.«

»Ach!« sagte der Prior, »und wessen Gewissen wird sie am jüngsten Tage angehen? Wer von Euren kühnen Lords oder reichen Bürgern wird sich dann zwischen den König und die Strafe stellen, die er verwirkt hat, indem er ihrer weltlichen Politik in geistlichen Angelegenheiten folgte? Wisse, mächtiger König, daß, wäre auch die ganze Ritterschaft deines Reiches aufgestellt, um dich vor dem Donnerkeil zu schirmen, daß sie doch verzehrt werden würde, wie trockenes Pergament von der Gluth eines Ofens.«

»Guter Vater Prior,« sagte der König, auf dessen schüchternes Gewissen eine solche Sprache selten verfehlte großen Eindruck zu machen, »Ihr redet sicherlich zu streng in dieser Sache. Es war während meiner letzten Unpäßlichkeit, als der Graf von Douglas als Statthalter die königliche Gewalt in Schottland ausübte, daß sich das Hinderniß gegen die Aufnahme des Primaten unglücklicherweise erhob. Tadelt mich daher nicht um dessen willen, was sich ereignete, als ich die Angelegenheiten des Reichs nicht leiten konnte, und meine Macht einem Andern anvertrauen mußte.«

»Eurem Unterthan, Sire, habt Ihr genug gesagt,« erwiderte der Prior. »Aber wenn sich das Hinderniß während der Statthalterschaft des Grafen Douglas erhob, so wird der Legat Seiner Heiligkeit Euch fragen, warum es nicht sofort verschwand, als der König die Zügel der Gewalt wieder in seine Hand nahm? Der schwarze Douglas kann viel thun, mehr als ein Unterthan in seines Herrn Reiche sollte thun können; aber er kann sich nicht zwischen Ew. Majestät und Euer Gewissen stellen, oder Euch von den Pflichten gegen die heilige Kirche entbinden, die Euch Euer Stand als König auferlegt.«

»Vater,« sagte Robert mit einiger Ungeduld, »Ihr seid zu streng in dieser Sache und solltet zum wenigsten eine gelegene Zeit erwarten, bis wir Frist zur Erwägung einer Abhilfe haben. Solche Streitfälle sind häufig unter der Regierung unserer Vorfahren vorgekommen, und unser königlicher und seliger Vorfahr, der heilige David, entsagte seinen Vorrechten als Monarch nicht, ohne sie vertheidigt zu haben, obwohl er sich dadurch mit dem heiligen Vater selbst in Streit verwickelte.«

»Und darin war dieser große und gute König weder fromm noch heilig,« sagte der Prior; »und daher ward er in die Macht seiner Feinde gegeben, als er sein Schwert gegen die Banner St. Peters, St. Pauls und St. Johannes von Beverley erhob, in dem Kriege, der noch der Standartenkrieg heißt. Gut war es für ihn, daß, gleich seinem Namensvetter, dem Sohn Isai's, seine Sünde auf Erden bestraft ward, um nicht gegen ihn zu zeugen am schrecklichen Tage des jüngsten Gerichts.«

»Wohl, guter Prior – wohl – genug davon für diesmal. Der heilige Stuhl soll, Gott geb' es, nicht Ursache haben, sich über mich zu beklagen. Ich nehme unsere Liebe Frau zum Zeugen, daß ich nicht um die Krone, die ich trage, die Bürde auf mich nehmen möchte, unsere Mutter Kirche zu beleidigen. Wir fürchteten immer, daß der Graf von Douglas seine Blicke zu sehr auf den Ruhm und die zeitlichen Güter dieses vergänglichen und flüchtigen Lebens richte, um überhaupt die Ansprüche zu kennen, welche die künftige Welt an uns hat.«

»Es ist nicht lange her,« sagte der Prior, »daß er sich mit einer Schaar von tausend Gefährten im Kloster von Aberbrothock Quartier erzwang, und der Abt ist genöthigt, ihn mit Allem für Roß und Mann zu versorgen, der Graf nennt dies eine Uebung der Gastfreiheit, die er mit Recht von einer Stiftung erwarte, zu welcher seine Vorfahren beigetragen hätten. Gewiß besser wäre es, dem Douglas seine Ländereien zurückzugeben, als solche Erpressung zu dulden, welche mehr der unbändigen Zügellosigkeit eines hochländischen Räubers gleicht, als dem Benehmen eines christlichen Barons.«

»Die schwarzen Douglase,« sagte der König mit einem Seufzer, »sind ein Geschlecht, welches keinen Widerspruch hören mag. Aber, Vater Prior, ich bin vielleicht selbst so ein Zudringlicher; denn ich bin schon lange bei Euch gewesen, und meine Gefährten, obwohl nicht so zahlreich, wie jene des Douglas, sind trotzdem ihrer genug, um Euch mit ihrem täglichen Unterhalt zu belästigen. Und obwohl unser Befehl ist, Euren Aufwand so viel als möglich zu erleichtern, so wäre es doch, wenn wir Euch belästigen, gerathen, uns endlich zu entfernen.«

»Nun, das verhüte unsre liebe Frau!« sagte der Prior, der, wenn auch begierig nach Macht, doch nichts Niedriges und Habsüchtiges in seinem Charakter hatte, sondern sogar eine vorzügliche Großmuth und Freundlichkeit besaß; »sicherlich kann das Dominikanerkloster seinem Fürsten die Gastfreiheit gewähren, die das Haus jedem Wanderer, weß Standes er auch sei, bietet, den die armen Diener unsers Schutzheiligen bewirthen. Nein, mein königlicher Herr, kommt mit einem zehn Mal größern Gefolge, als jetzt, und es soll kein Körnchen Hafer, kein Bund Stroh, kein Stück Brod und kein Pfund Fleisch mangeln. Ein Anderes ist's, die Einkünfte der Kirche, die ansehnlicher sind, als die Mönche wünschen dürfen oder nöthig haben, dazu zu verwenden, mit geziemender Achtung Ew. Majestät zu empfangen, ein Anderes, sie sich von rohen, gewaltthätigen Menschen entrissen zu sehen, deren Liebe zum Raub keine andern Schranken kennt, als den Umfang ihrer Gewalt.«

»Nun wohl, guter Prior,« sagte der König; »lenken wir nun unsere Gedanken einen Augenblick von Staatsangelegenheiten ab; – könnt Ihr, ehrwürdiger Herr, uns berichten, wie die guten Bürger von Perth ihren Valentinstag begonnen haben? Verliebt und fröhlich, und hoffentlich friedlich?«

»Was das Verliebte betrifft, mein König, so versteh' ich wenig von solchen Dingen. Hinsichtlich des Friedlichen, so kamen drei oder vier Männer, zwei schrecklich verwundet, diesen Morgen vor Tagesanbruch, um das Recht des Heiligthums in Anspruch zu nehmen, verfolgt von schreienden Bürgern in ihren Hemden mit Knitteln, Piken, Streitäxten und zweihändigen Schwertern, indem immer Einer lauter als der Andere rief: schlagt zu, schlagt todt! Ja, sie waren nicht zufrieden, als unser Pförtner und Wächter ihnen sagte, daß die Verfolgten Zuflucht beim Altar der Kirche gefunden, sondern fuhren einige Minuten lang fort, zu lärmen und gegen das hintere Thor zu schlagen, verlangend, daß die Leute, die sich vergangen, ihnen ausgeliefert werden sollten. Ich fürchtete, ihr wilder Lärm möchte Ew. Majestät Ruhe stören und Euch in Schrecken setzen.«

»Meine Ruhe hätte gestört werden können,« sagte der Monarch; »aber daß das Geschrei mich erschreckt hätte – ach! ehrwürdiger Vater, in Schottland giebt es blos einen Platz, wo der Schrei des Opfers und die Drohungen des Unterdrückers nicht gehört werden – und der, Vater, ist – das Grab.«

Der Prior stand in ehrerbietigem Schweigen, die Gefühle des Monarchen theilend, dessen Herzenssanftmuth so schlecht mit dem Zustande und den Sitten seines Volkes übereinstimmte.

»Und was ward aus den Flüchtlingen?« fragte Robert, nachdem er eine Minute geschwiegen.

»Sie wurden, Sire,« sagte der Prior, »vor Tagesanbruch, wie sie wünschten, entlassen; wir schickten vorher hinaus, um gewiß zu sein, daß kein Hinterhalt ihrer Feinde in der Nähe sei, und darauf zogen sie ihres Weges in Frieden.«

»Ihr wißt nicht,« forschte der König, »wer die Männer waren, oder warum sie Zuflucht bei Euch suchten?«

»Der Grund,« sagte der Prior, »war ein Streit mit den Bürgern der Stadt; aber wie er entstand, ist uns nicht bekannt. Der Brauch unseres Hauses ist, vierundzwanzig Stunden hinter einander Zuflucht im Heiligthum St. Dominikus zu gewähren, ohne daß währenddem an die Unglücklichen eine Frage gerichtet würde, wer dort Schutz suche. Wenn sie längere Zeit zu bleiben wünschen, muß der Grund ihrer Flucht zur Freistätte in's Klosterbuch eingetragen werden; und, Preis sei unserm Heiligen, viele Personen entkamen der Schwere des Gesetzes durch diesen zeitweiligen Schutz, die wir, wenn wir den Charakter ihrer Verbrechen wußten, wohl selbst ihren Verfolgern pflichtgemäß hätten ausliefern müssen.«

Während der Prior sprach, schwebte dem Monarchen ein dunkler Gedanke vor, daß das so streng geübte Privilegium der Freistätte den Lauf der Gerechtigkeit in seinem Reiche unziemlich unterbrechen müsse. Er unterdrückte aber dies Gefühl, als wäre es eine Eingebung des Satans gewesen, und gab sich Mühe, daß ihm kein Wort entschlüpfe, dem Geistlichen zu verrathen, daß ein so profaner Gedanke je in seinem Busen aufgestiegen sei; im Gegentheil, er eilte, auf einen andern Gegenstand zu kommen.

»Die Sonne,« sagte er, »bewegt sich recht langsam. Nach der schlimmen Nachricht, die Ihr mir gegeben habt, erwarte ich die Lords meines Raths früher, um ihnen wegen dieses unseligen Tumultes Aufträge zu ertheilen. Schlimm war das Geschick, welches mir das Scepter über ein Volk gab, unter welchem ich, wie es scheint, der einzige Mann bin, welcher Ruhe und Frieden wünscht!«

»Die Kirche wünscht stets Ruhe und Frieden«, fügte der Prior hinzu, der auch nicht duldete, daß selbst eine so allgemeine Bemerkung des armen Königs bedrücktem Gemüth entschlüpfe, ohne für die Ehre der Kirche eine sichernde Klausel beizufügen.

»So ist unsere Meinung auch nur,« sagte Robert. »Aber, Vater Prior, Ihr werdet zugeben, daß die Kirche, wenn sie Streit unterdrückt, wie ohne Zweifel ihre Absicht ist, der geschäftigen Hausfrau gleicht, die den Staub in Bewegung setzt, den sie hinweg fegen will.«

Auf diese Bemerkung würde der Prior Etwas erwidert haben, aber die Thür des Saales öffnete sich, und ein Kammerdiener meldete den Herzog von Albany.


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