Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Fünfzehntes Kapitel.

O, einen Trank, der vermöchte
Ein banges Herz in Schlaf zu senken!
                              Bertha.

Wir haben die Geheimnisse der Beichte gezeigt; die des Krankenzimmers sind uns nicht verborgen. In einem dunklen Gemach, wo Salben und Arzneiflaschen kund thaten, daß der Arzt in seinem Berufe thätig gewesen, lag eine große, hagere Gestalt auf einem Bette, mit einem Nachtgewand umgürtet, Schmerz auf dem Antlitz, während tausend stürmische Leidenschaften im Busen wühlten. Alles im Gemach zeigte einen reichen, verschwenderischen Mann an. Henbane Dwining, der Apotheker, der die Pflege des Kranken zu haben schien, schlich mit schlauem, katzenartigem Schritt aus einem Winkel des Zimmers in den andern, indem er geschäftig Arzneien mischte und Verbände bereitete. Der kranke Mann stöhnte ein paar Mal, worauf der Apotheker sich dem Bette näherte und fragte, ob diese Töne ein Zeichen körperlichen Schmerzes oder der Gemüthsbewegung wären.

»Beides, du Giftmischer,« sagte Sir John Ramorny; »und weil ich mit deiner verfluchten Gesellschaft belästigt bin.«

»Wenn das Alles ist, so kann ich Euer Gnaden von einem dieser Uebel durch sofortige Entfernung meiner Person befreien. Dank den Fehden dieser wilden Zeit, hätt' ich zwanzig Hände, statt dieser zwei armen Diener meiner Kunst (dabei zeigte er seine dürren Hände), so wäre Beschäftigung genug für sie vorhanden; gutbezahlte Beschäftigung überdies, wo sich Dankesworte und Geldstücke streiten, wer von beiden meine Dienste am besten lohnt; während Ihr, Sir John, an Eurem Wundarzte den Zorn auslaßt, den ihr allein gegen den Urheber Eurer Wunde richten solltet.«

»Schuft, es ist unter meiner Würde, dir zu antworten,« sagte der Kranke; »aber jedes Wort deiner boshaften Zunge ist ein Dolch, der Wunden beibringt, die aller Arznei Arabiens Trotz bieten.«

»Sir John, ich verstehe Euch nicht; aber wenn Ihr diesen heftigen Ausbrüchen der Wuth Raum gestattet, so kann nur Fieber und Entzündung die Folge sein.«

»Warum sprichst du denn auf eine Weise, die mein Blut erhitzt? Warum sprichst du den Gedanken aus, deine werthlose Kunst könne mehr Hände brauchen, als die Natur dir gab, während ich, ein Ritter und Edelmann, verstümmelt bin, wie ein Krüppel?«

»Sir John,« erwiderte der Wundarzt, »ich bin kein Gottesgelehrter und auch kein sehr hartnäckiger Anhänger an manche Dinge, welche die Theologen uns sagen. Doch kann ich Euch erinnern, daß es Euch ziemlich gut gegangen ist; denn wenn der Hieb, der Euch diesen Schaden gebracht hat, Euern Hals getroffen hätte, wie er doch beabsichtigte, so hätt' er Euer Haupt von den Schultern getrennt, statt ein minder bedeutendes Glied zu amputiren.«

»Ich wollte, so wär's geschehen, Dwining – ich wollte, der Hieb hätte getroffen, wie es beabsichtigt war. Dann hätte ich nicht gesehen, wie ein Plan, so fein gesponnen, wie der meine, durch die rohe Gewalt eines betrunkenen Kerls zerrissen ward. Dann wär' ich nicht mehr da, um Rosse zu sehen, die ich nicht besteigen kann – Schranken, die ich nicht mehr beschreiten kann – Glanz, den zu theilen ich nicht hoffen kann, oder Schlachten, worin ich nicht mitkämpfen kann. Ich würde nicht, mit eines Mannes Leidenschaft für Macht und Streit, unter den Weibern Platz nehmen müssen, verachtet von ihnen noch dazu als ein ohnmächtiger Krüppel, unfähig zu werben und zu erlangen die Gunst ihres Geschlechts.«

»Gesetzt, dies wäre Alles so, so will ich doch Eure Herrlichkeit zu bemerken bitten,« erwiderte Dwining, sich noch immer mit Anordnung der Verbände beschäftigend, »daß Eure Augen, die Ihr mit Eurem Kopfe verloren haben müßtet, Euch, da sie erhalten sind, noch eine ebenso große Aussicht auf Vergnügen bieten, als Euch das des Ehrgeizes, des Sieges in den Schranken oder in der Schlacht, oder selbst die Liebe der Weiber gewähren könnte.«

»Mein Verstand ist zu umdüstert, um dich verstehen zu können, Arzt,« erwiderte Ramorny. »Welches ist das köstliche Schauspiel, das mir in meinem Schiffbruch aufbewahrt bleibt?«

»Das werthvollste, was die Menschheit kennt,« erwiderte Dwining; und dann fügte er im Tone eines Liebenden, der den Namen seiner Geliebten ausspricht und seine Leidenschaft zu ihr durch die Stimme ausdrückt, hinzu: »Rache!«

Der Kranke hatte sich auf seinem Kissen erhoben, etwas begierig nach der Lösung des Räthsels seines Arztes. Er legte sich wieder nieder, als er die Erklärung vernommen, und nach einer kurzen Pause fragte er: »In welchem christlichen Collegium lerntet Ihr diese Moral, guter Meister Dwining?«

»In keinem christlichen Collegium,« antwortete der Arzt; »denn obwohl sie in den meisten heimlich angenommen ist, wird sie doch in keinem offen und männlich anerkannt. Aber ich habe unter den Weisen Granada's studirt, wo der Maure mit seiner Feuerseele seinen tödtlichen Dolch hoch emporhebt, wenn er von seines Feindes Blute träuft, und die Lehre preist, die der bleiche Christ übt, obwohl er sie feigherzig nicht zu nennen wagt.«

»Du bist also ein Schurke von größerer Seele, als ich dir zutraute,« sagte Ramorny.

»Laßt das sein,« antwortete Dwining. »Die stillen Wasser sind die tiefsten, und der Feind ist am meisten zu fürchten, der nie droht, als bis er schlägt. Ihr Ritter und Waffenleute geht mit dem Schwerte in der Hand gerad' auf Euer Ziel los. Wir, die wir Gelehrte sind, gewinnen unser Ziel mit geräuschlosem Schritt und auf Umwegen, kommen aber deshalb ebenso sicher dazu.«

»Und ich,« sagte der Ritter, »der ich zur Rache schritt mit stahlgeharnischtem Fuß, der alles Echo ringsum weckte, soll mich nun eines solchen Pantoffels bedienen, wie der deine? Ha!«

»Wer die Kraft nicht hat,« sagte der schlaue Apotheker, »muß durch Geschick seinen Zweck erreichen.«

»Und sage mir aufrichtig, Apotheker, warum du mir diese Teufelslectionen halten willst? Warum willst du mich schneller und eifriger zu meiner Rache drängen, als ich dir aus eignen Antrieb dazu bereit scheine? Ich bin alt in der Weltkenntnis Freund; und ich weiß, daß ein Mensch wie du nicht umsonst Worte fallen läßt oder sich in das gefährliche Vertrauen von Männern wie ich drängt, es sei denn, daß er selber einen Vortheil dabei im Auge hat. Was liegt dir an dem Wege, sei er blutig oder friedlich, den ich unter diesen Umständen verfolgen mag?«

»Um offen zu reden, edler Ritter, obwohl ich das selten zu thun pflege,« antwortete der Arzt, »mein Weg der Rache ist mit dem Eurigen ein und derselbe.«

»Mit dem meinigen, Mensch?« sagte Ramorny mit dem Ausdrucke verächtlichen Staunens. »Ich dächte, der läge hoch über deine Region. Du suchst dieselbe Rache mit Ramorny?«

»Ja, allerdings,« erwiderte Dwining; »denn der grobe Schmied, unter dessen Hiebe Ihr gelitten habt, hat mir oft mit Trotz und Beleidigung begegnet. Er hat mich im Rathe gehindert und bei der Ausführung verachtet. Seine rohe und vorschnelle Einfalt ist ein lebendiger Vorwurf für die Feinheit meiner natürlichen Sinnesart. Ich fürchte ihn und ich hasse ihn.«

»Und Ihr hofft einen thätigen Helfer an mir zu finden?« sagte Ramorny in demselben Tone der Geringschätzung wie vorher; »aber wißt, der Handwerker steht viel zu tief, um der Gegenstand meines Hasses oder meiner Furcht zu sein. Er wird jedoch nicht frei ausgehen. Wir hassen den Wurm nicht, der uns gestochen hat, wenn wir ihn gleich abschütteln und zertreten könnten. Ich kenne den Schuft längst; er versteht die Waffen zu führen und ist einer der Freier dieser verächtlichen Puppe, wie ich hörte, deren Reize uns zu der weisen und hoffnungsvollen Unternehmung verlockten. Teufel, die ihr diese Unterwelt regiert, aus welch übertriebener Bosheit habt ihr beschlossen, daß die Hand, die die Lanze gegen das Herz eines Prinzen gerichtet hat, wie ein junger Baum durch den Arm eines Elenden und während einer nächtlichen Ausschweifung abgehauen wurde! Wohl, Arzt, so weit ist unser Weg derselbe, und du magst glauben, daß ich diese Natter zertreten werde, wenn es dir gefällt. Aber glaube nicht, mir zu entkommen, wenn dieser Theil meiner Rache vollbracht ist, was sehr leicht und schnell geschehen sein wird.«

»Vielleicht wird es gar nicht so schnell geschehen sein,« sagte der Apotheker; »denn wenn Euer Gnaden mir glauben, so wird sich wenig Leichtigkeit und Gefahrlosigkeit dabei finden, wenn man sich mit ihm einläßt. Er ist der stärkste, kühnste und geschickteste Fechter in Perth und in der ganzen Umgegend.«

»Fürchte nichts; ihm wird begegnet werden und hätte er die Kraft Simsons. Aber dann merke dir! Hoffe nicht meiner Rache zu entgehen, wenn du nicht mein fügsamer Gehilfe in der Scene sein wirst, die darauf folgt. Höre wohl, ich wiederhole dir's, ich habe nicht auf einer maurischen Schule studiert, ich habe vielleicht eine weniger unbegrenzte Rachgier als du, aber ich will auch mein Theil haben. Aufgemerkt, Arzt, so lang' ich mich dir entdecke! Aber hüte dich vor Verrath, denn so mächtig deine Teufelskunst ist, du bist doch von einem geringern Teufel unterrichtet als ich. Höre, – der Herr, dem ich durch Tugend und Laster, vielleicht für meinen guten Namen mit zu viel Eifer, aber doch mit unerschütterlicher Treue gedient, – derselbe Mann, dessen rasender Thorheit zu schmeicheln ich diesen unersetzlichen Verlust erlitt, ist, um den Bitten eines fast kindischen Vaters zu gehorchen, im Begriff, mich aufzuopfern, mir seine Gunst zu entziehen, und mich der Gnade eines heuchlerischen Verwandten zu überlassen, mit dem er sich auf meine Kosten versöhnen will; wenn er bei diesem undankbaren Plane beharrt, so werden deine Mauren, deren Farbe schwärzer ist, als der Rauch der Hölle, erröthen, ihre Rache übertroffen zu sehen; aber ich will ihm noch Raum zu Ehre und Rettung geben, eh' ich meiner ganzen, erbarmungslosen Wuth mich überlasse. – Nun, so weit hast du mein Vertrauen. – Hier die Hand auf den Handel – meine Hand, sag' ich? Wo ist die Hand, die für Ramorny's Wort bürgen sollte? Sie ist an den Schandpfahl genagelt, oder mit Verachtung den Straßenhunden vorgeworfen, die sie vielleicht eben verzehren! – Lege also nur deine Finger auf diesen verstümmelten Stumpf und schwöre, mir in meiner Rache zu dienen, wie ich dir in der deinigen. – Nun, Herr Arzt, Ihr werdet blaß! – Kann der, der dem Tode zuruft: ›Halt ein!‹ oder ›rücke vor!‹, kann der zittern an ihn zu denken oder ihn nennen zu hören? Ich habe Euern Lohn nicht erwähnt, denn Einer, der die Rache an sich selbst liebt, braucht keine weitere Bestechung – doch, wenn weite Ländereien und große Geldsummen deinen Eifer in einer tüchtigen Sache steigern können, so glaube mir, sie sollen nicht mangeln.«

»Das stimmt etwas mit meinen bescheidenen Wünschen überein,« sagte Dwining; »der arme Mensch ist in dieser geschäftigen Welt niedergedrängt wie ein Zwerg im Getümmel und so unter die Füße getreten – die Reichen und Mächtigen erheben sich wie Riesen über dem Druck und sind behaglich, während Alles ringsum durcheinander geht.«

»Dann sollst du dich erheben, Arzt, so hoch dich Gold nur heben kann. Diese Börse ist gewichtig, aber sie ist nur eine Abschlagszahlung deines Lohnes.«

»Und jener Schmied? mein edler Wohlthäter« – sagte der Arzt, während er das Geschenk einsteckte – »der Harry vom Wynd oder wie er heißen mag – würde nicht die Nachricht, daß er für seine That gebüßt, besser den Schmerz von Euer Gnaden Wunde lindern, als der Balsam von Mekka, womit ich sie salbte?«

»Er ist unter Ramorny's Gedanken; und ich fühle nicht mehr Unwillen gegen ihn, als ich gegen die willenlose Waffe zürne, die er schwang. Aber dein Haß eben ist es, der sich an ihm befriedigen soll. Wo trifft man ihn gewöhnlich?«

»Das habe ich auch überlegt,« sagte Dwining. »Den Versuch bei Tage und in seinem eigenen Hause zu machen, wäre zu offen und gefahrvoll, denn er hat fünf Leute, die mit ihm in der Schmiede arbeiten, vier davon sind starke Kerle, und alle lieben ihren Herrn. Bei Nacht wär' es kaum minder verzweifelt, denn seine Thüren sind gut verwahrt mit Eichenbalken und eisernen Riegeln, und ehe die Befestigungsmittel dieses Hauses bewältigt werden könnten, würde sich die Nachbarschaft zu seiner Rettung erheben, vorzüglich, weil sie sehr beunruhigt sind seit dem Vorfall in der Valentinsnacht.«

»O ja, freilich, Apotheker,« sagte Ramorny, »denn auch du spielst ja Betrug mit mir – du kanntest meine Hand und Siegelring, wie du sagtest, als man diese Hand auf die Straße geworfen fand, gleich den ekelhaften Ueberresten einer Fleischbank, – warum, wenn du das wußtest, gingst du mit diesen narrenköpfigen Bürgern, um beim Patrick Charteris Rath zu holen, dem man die Sporen von den Fersen hauen sollte, weil er Gemeinschaft mit schmutzigen Bürgern hält, und den du hierher brachtest mit den Narren, um die leblose Hand zu entehren, die, wäre sie an ihrer gewohnten Stelle gewesen, er nicht werth wäre im Frieden zu berühren oder im Kriege zu fühlen?«

»Mein edler Gönner, sobald ich Grund hatte, zu glauben, daß Ihr der Dulder wäret, so wandte ich all' meine Ueberredungskunst an, um sie von Verfolgung der Fehde zurückzuhalten; aber der prahlerische Schmied und einige andere Hitzköpfe schrieen nach Rache. Euer Gnaden weiß vielleicht, daß der Bursche sich zum Ritter des schönen Mädchens von Perth aufwirft und glaubt, es gehöre zu seiner Ehre, alle Streitigkeiten ihres Vaters auszufechten: aber ich habe ihm seinen Markt in diesem Viertel verleidet und das ist schon ein Vorspiel der Rache.«

»Wie meint Ihr das, Wundarzt?« sagte der Kranke.

»Euer Gnaden werden wissen,« sagte der Apotheker, »daß der Schmied nicht eingezogen lebt, sondern ein verliebter, lustiger Bursch' ist. Ich begegnete ihm am Valentinstag einige Zeit nach dem Kampfe zwischen den Bürgern und dem Gefolge des Douglas; ja ich begegnete ihm, wie er mit einer Sängerin durch Straßen und Gäßchen schlich, und Gepäck und Laute der Dirne auf dem einen Arme trug, während sie selber an dem andern hing. Was denken Euer Gnaden davon? Ist das nicht ein schmucker Knappe, eines Prinzen Liebe zum schönsten Mädchen in Perth hinderlich zu sein, die Hand eines Ritters und Barons abzuhauen und den Kammerdiener einer wandernden Sängerin zu machen, Alles im Laufe von vierundzwanzig Stunden?«

»Wahrlich, ich denke besser von ihm, da er so viel ritterlichen Humor zeigt, obwohl er ein Bauer ist,« sagte Ramorny. »Ich wollte, er wäre ein gewissenhafter Mensch statt eines lustigen Burschen, dann hätt' ich mehr Neigung, deine Rache zu unterstützen; – und solch' eine Rache! Rache an einem Schmied – im Streite eines erbärmlichen Arbeiters in altem Leder! Pfui! – und doch soll die Rache vollkommen genommen werden, du hast sie, denk' ich, durch deine eignen Manöver schon begonnen.«

»Nur in geringem Grade,« sagte der Apotheker; – »ich sorgte dafür, daß zwei oder drei der berüchtigtsten Klatschgevatterinnen in der Curfewstreet, denen es nicht gefällt, daß Katharina das schöne Mädchen von Perth heißt, die Geschichte ihres treuen Valentins erfuhren. Sie fielen so hitzig über die Lockspeise her, daß sie, statt die Sache zu bezweifeln, sogar darauf schwuren, als wären sie Augenzeugen gewesen. Der Liebhaber kam eine Stunde nachher zum Vater, und Ihr könnt Euch denken, wie ihn Glover empfing, denn das Mädchen selber wollt' ihn gar nicht ansehen. Und so seht Ihr, daß ich einen Vorschmack der Rache hatte. Ich hoffe, den vollen Dank aus den Händen Euer Gnaden zu erhalten, wenn wir ein brüderliches Bündniß schließen, welches –«

»Brüderlich!« sagte der Ritter verächtlich. »Aber sei es so; die Priester sagen, wir wären Alle von gemeiner Erde. Ich weiß es nicht – mir scheint da einiger Unterschied zu sein; aber die bessere Form wird der schlechteren Wort halten und du sollst deine Rache haben. Rufe meinen Pagen hierher.«

Ein junger Mann erschien auf den Ruf des Arztes aus dem Vorzimmer.

»Eviot,« sagte der Ritter, »ist Bonthron da? und ist er nüchtern?«

»So nüchtern, als Schlaf ihn nach einem gehörigen Trinken machen kann,« antwortete der Page.

»Dann hol' ihn hierher und verschließ' die Thür.«

Ein schwerfälliger Tritt näherte sich alsbald dem Gemach und ein Mann trat ein, dessen Mangel an Höhe durch Breite der Schultern und Stärke des Armes ausgeglichen schien.

»Es ist ein Mann vorhanden, mit dem du dich messen mußt, Bonthron,« sagte der Ritter.

Des Mannes grobe Züge glätteten sich und er zeigte ein zufriedenes Grinsen.

»Dieser Arzt wird dir den Mann zeigen. Nimm den Vortheil der Zeit, des Ortes und der Umstände wahr, um den Erfolg zu sichern; und denke nicht, daß du an den schlechtesten kommst, denn der Mann ist der kampffertige Schmied vom Wynd.«

»Das wird eine böse Geschichte,« murmelte der Mörder; »denn wenn mein Hieb fehlt, so kann ich mich selber als einen todten Mann ansehen. Ganz Perth spricht von des Schmieds Gewandtheit und Stärke.«

»Nimm zwei Gehilfen mit dir,« sagte der Ritter.

»Nein,« sagte Bonthron. »Wollt Ihr Etwas verdoppeln, so mag es der Lohn sein.«

»Rechne auf doppelten,« sagte sein Herr; »aber sieh' zu, daß dein Werk gehörig vollzogen wird.«

»Verlaßt Euch auf mich, Ritter – ich habe selten gefehlt.«

»Benutze dieses weisen Mannes Rath,« sagte der verwundete Ritter, auf den Arzt zeigend. »Und merke wohl! erwarte, bis er zum Vorschein kommt – und trinke nicht, bevor das Geschäft abgemacht ist.«

»So soll's geschehen,« sagte der finstere Trabant; »mein eigen Leben hängt davon ab, daß mein Hieb fest und sicher ist. Ich weiß, mit wem ich's zu thun habe.«

»So geh, bis er dich ruft, und halte Axt und Dolch in Bereitschaft.«

Bonthron nickte und zog sich zurück.

»Will Euer Gnaden wagen, solch ein Werk einer einzigen Hand anzuvertrauen?« sagte der Mediciner, als der Mörder das Gemach verlassen hatte. »Darf ich Euch bitten, daran zu denken, daß Jener vor zwei Nächten sechs gerüstete Männer niederwarf?«

»Fragt mich nicht, Sir Apotheker; ein Mann wie Bonthron, der Zeit und Ort kennt, ist zwei Dutzend wüster Schwärmer werth. – Ruft Eviot. – Zuerst sollst du deine Heilkräfte üben, und zweifle nicht, daß du beim ferneren Werk von Einem unterstützt werden wirst, der dir in der Kunst plötzlicher und unerwarteter Zerstörung gleichkommt.«

Der Page Eviot erschien auf des Apothekers Ruf wieder und half auf ein Zeichen seines Herrn dem Wundarzt Sir John Ramorny's verwundeten Arm neu verbinden. Dwining betrachtete den nackten Stumpf mit einer Art berufsmäßigem Behagen, ohne Zweifel auf dem boshaften Vergnügen beruhend, welches sein schlechtes Gemüth an Schmerz und Unglück seiner Mitmenschen fand. Der Ritter heftete eine Weile seine Augen auf den furchtbaren Anblick und ließ, dem Gewichte seines körperlichen oder geistigen Schmerzes erliegend, trotz aller Mühe, es zu unterdrücken, ein Stöhnen vernehmen.

»Ihr seufzt, Sir,« sagte der Wundarzt, in einem sanft einschmeichelnden Tone, während er jedoch die Lippen zu einem vergnügten, mit Hohn gemischten Lächeln verzog, welches seine gewohnte Verstellung nicht ganz bergen konnte, – »Ihr seufzt – aber tröstet Euch. Dieser Harry Schmied versteht sein Geschäft – sein Schwert erreicht so gut das Ziel, wie sein Hammer den Ambos. Hätte ein minder geschickter Mann den unseligen Streich geführt, so hätt' er nur den Knochen beschädigt und die Muskeln zerrissen; meine ganze Kunst wäre nutzlos gewesen; aber Harry Schmied macht saubere Wunden, seine Amputationen sind so leicht zu heilen, als wenn mein eigenes Messer sie gemacht hätte. In einigen Tagen seid Ihr, wenn Ihr die Verordnungen Eures Arztes sorgfältig befolgt, im Stande, auszugehen.«

»Aber meine Hand – der Verlust meiner Hand –«

»Der kann eine Zeit lang verborgen bleiben,« sagte der Mediciner; »ich habe einige geschwätzige Narren gewonnen, denen ich im Vertrauen sagte, die gefundene Hand sei die Eures Stallknechts, des schwarzen Quentin, und Eure Gnaden wissen, daß er nach Fife gereist ist, und zwar auf eine Weise, die die Sache glaublich macht.«

»Freilich wohl,« sagte Ramorny, »kann dies Gerücht die Wahrheit eine kurze Zeit verbergen. Aber was hilft der kurze Verzug?«

»Es kann verborgen bleiben, wenn Ihr Euch eine Zeitlang vom Hofe zurückzieht, und dann, wenn neue Ereignisse die Erinnerung an gegenwärtigen Streit verdunkelt haben, kann man vielleicht sagen, die Wunde käme von einem Lanzenstich oder von einem Armbrustbolzen. Euer Knecht wird einen geeigneten Vorwand finden und für die Wahrheit der Sache stehen.«

»Der Gedanke macht mich rasend,« sagte Ramorny, wieder seufzend vor innerem und äußerem Schmerze. »Aber ich sehe kein anderes Mittel.«

»Es gibt kein anderes,« sagte der Wundarzt, dessen schlechtem Gemüthe seines Herrn Trauer köstliche Nahrung war. »Inzwischen wird man glauben, Ihr seid in Folge einiger Quetschungen und aus Kummer über den Entschluß des Prinzen, Euch nach Herzog Albany's Rath seine Gunst zu entziehen und aus seinem Dienste zu verabschieden, auf das Zimmer beschränkt; und das ist ja öffentlich bekannt.«

»Schurke, du folterst mich!« rief der Kranke.

»Im Ganzen,« sagte Dwining, »seid Ihr dennoch gut weggekommen, und, außer was den Verlust Eurer Hand betrifft, wofür es kein Mittel gibt, solltet Ihr Euch eher freuen, als beklagen; denn kein Chirurg in Frankreich oder England könnte die Operation besser vollbracht haben, als dieser Kerl mit seinem scharfen Hiebe.«

»Ich weiß vollkommen, was ich ihm zu danken habe,« sagte Ramorny, seinen Zorn bekämpfend und Ruhe affectirend; »und wenn Bonthron ihn nicht mit einem eben so scharfen Hiebe bezahlt und die Hilfe des Wundarztes unnöthig macht, so sagt, daß John von Ramorny keine Verbindlichkeit lösen kann.«

»Da sprecht Ihr, wie es Euch ziemt, edler Ritter!« antwortete der Apotheker. »Und ferner laßt mich sagen, daß die Geschicklichkeit des Operateurs umsonst gewesen wäre und der Blutverlust Eure Adern erschöpft hätte, wäre nicht der Verband und die blutstillenden Mittel der guten Mönche gewesen, so wie die armen Dienste Eures demüthigen Unterthanen Henbane Dwinings.«

»Still!« rief der Kranke, »mit deiner unglückweissagenden Stimme und deinem noch schlimmer klingenden Namen! – Mir ist, während du von den Qualen sprichst, die ich erlitten, wie wenn sich meine zerschnittenen Nerven streckten und zusammenzögen, als regierten sie noch die Finger, die einst einen Dolch führen konnten.«

»Dies,« erklärte der Arzt, »ist, mit Euer Gnaden Erlaubniß, eine Erscheinung, die uns Aerzten wohlbekannt ist. Es gab unter den alten Weisen einige, welche glaubten, es bestehe zwischen den Nerven eines abgenommenen Gliedes und dem Theile, von dem es getrennt wurde, noch eine Sympathie, und in einem Falle, wie z. B. der Eurige ist, können die Finger, die Ihr nicht mehr habt, beben und sich zusammenziehen, gleichsam um dem Antriebe zu entsprechen, der aus ihrer Sympathie mit der Lebenskraft des Gliedes hervorgeht, dem sie angehört haben. Könnten wir die Hand wieder bekommen, die gegenwärtig an das Stadtkreuz genagelt oder unter des schwarzen Douglas Obhut ist, so möchte ich die merkwürdige Erscheinung beobachten; aber ich glaube, man würde eben so sicher das Glied den Klauen eines hungrigen Adlers entreißen.«

»Und du könntest eben so sicher deine boshaften Scherze an einem verwundeten Löwen üben, als an John von Ramorny!« sagte der Ritter, sich in unbezähmbarem Zorn aufrichtend. »Schurke! thu' deine Pflicht; und bedenke, daß ich, wenn meine Hand keinen Dolch mehr fassen kann, über hundert andere gebieten kann.«

»Der Anblick einer einzigen zornig erhobenen wäre genügend,« sagte Dwining, »die Lebenskraft Eures Chirurgen zu vernichten. Aber wer,« fügte er dann in einem halb einschmeichelnden, halb höhnischen Tone hinzu, »wer würde dann die heiße und brennende Qual lindern, die mein Gönner jetzt leidet, und die ihn selbst gegen seinen armen Diener aufbringt, weil er die Regeln der Heilkunst erwähnt, die ohne Zweifel gegen die Kunst, Wunden zu schlagen, so verächtlich ist?«

Dann, als wage er nicht länger mit der Laune des gefährlichen Kranken zu spielen, machte sich der Arzt ernstlich daran, die Wunde zu salben und legte einen wohlriechenden Balsam darauf, dessen Duft das Zimmer durchströmte und statt der brennenden Hitze eine erquickende Kühlung ertheilte; dieser Wechsel war dem fieberglühenden Kranken so angenehm, daß, wie er vorher vor Schmerz gestöhnt, er nun nicht umhin konnte, vor Vergnügen zu seufzen, während er auf seine Kissen zurücksank, um der Ruhe zu genießen, welche der Verband bewirkte.

»Eure ritterliche Herrlichkeit weiß nun, wer Euer Freund ist,« sagte Dwining; »hättet Ihr einem raschen Antriebe nachgegeben und gesagt: ›schlagt mir den werthlosen Quacksalber todt,‹ wo würdet Ihr dann in den vier Meilen Britanniens den Mann gefunden haben, der Euch solche Linderung brachte?«

»Vergeßt meine Drohungen, guter Arzt,« sagte Ramorny, »und hütet Euch, mich in Versuchung zu führen. Ein Mann wie ich will keinen Scherz über seine Qualen. Behalte deine Spöttereien für die Elenden im Spital.«

Dwining wagte nichts mehr zu sagen, sondern goß einige Tropfen aus einer Phiole, die er aus der Tasche nahm, in einen kleinen Becher voll Wein mit Wasser gemischt.

»Dieser Trank,« sagte der kunstreiche Mann, »soll Euch einen Schlaf schenken, der nicht unterbrochen werden darf. Der Zeitraum der Wirkung ist ungewiß – vielleicht bis morgen.«

»Vielleicht für immer,« sagte der Kranke. »Sir Apotheker, kostet mir sogleich diesen Trank, sonst geht er nicht über meine Lippen.«

Der Arzt gehorchte ihm mit verächtlichem Lächeln. »Ich würde gern das Ganze austrinken; aber der Saft dieses indischen Gummi's bringt eben so gut dem gesunden, wie dem kranken Menschen Schlaf, und der Beruf des Arztes will, daß ich munter sei.«

»Ich bitt' Euch um Verzeihung, Herr Arzt,« sagte Ramorny, die Augen niederschlagend, als schäme er sich, Argwohn gezeigt zu haben.

»Es ist keine Verzeihung nöthig, wo man sich nicht beleidigt fühlen kann,« antwortete der Arzt. »Ein Insekt muß einem Riesen danken, daß er nicht darauf tritt. Doch, edler Ritter, Insekten wissen so gut zu schaden, als Aerzte. Was würde es mir, außer einem unruhigen Augenblicke, gekostet haben, den Balsam zu vergiften, den ich auf Eure Wunde legte, und dadurch Euern Arm bis zur Schulter brandig und Euer Blut zu einer verdorbenen Gallerte zu machen? Wer hätte mich gehindert, noch feinere Mittel anzuwenden, und Euer Gemach mit Essenzen zu vergiften, vor denen das Lebenslicht immer dunkler und dunkler flackert, und zuletzt wie eine Kerze im trüben Dunst einer unterirdischen Höhle erlischt? Ihr achtet meine Macht zu gering, wenn Ihr nicht wißt, daß meine Kunst mir noch mächtigere Zerstörungskreise leiht; aber der Arzt tödtet den Kranken nicht, von dessen Großmuth er lebt; und zumal den, dessen Nase die Hoffnung der Rache athmet, den geschworenen Verbündeten, der seinen eigenen Plan begünstigt, wird er noch weniger vernichten. – Doch, noch ein Wort; – sollte es nöthig werden, Euch zu wecken – denn welcher Mann in Schottland kann sich acht Stunden ununterbrochener Ruhe versprechen? – dann riecht an die starke Essenz, welche diese Büchse enthält. – Und nun lebt wohl, Herr Ritter; und könnt Ihr Euch mich nicht als einen Mann von strengem Gewissen denken, so erkennt zum Mindesten meine Vernunft und meinen Scharfsinn an.«

Mit diesen Worten verließ der Apotheker das Gemach, indem seine gewöhnliche, niedrige und kriechende Miene etwas veredelt erschien, wie im Bewußtsein eines Sieges über seinen gebieterischen Kranken.

Sir John Ramorny blieb zurück, in unangenehme Betrachtungen versunken, bis er die unmerklichen Wirkungen des einschläfernden Trankes zu empfinden begann. Er raffte sich für einen Augenblick empor und rief seinen Pagen.

»Eviot! holla! Eviot! – ich habe unrecht gethan, mich diesem giftigen Quacksalber so weit zu entdecken – Eviot!«

Der Page trat ein.

»Ist der Apotheker fort?«

»Ja, Euer Gnaden.«

»Allein oder in Begleitung?«

»Bonthron sprach leise mit ihm und folgte ihm fast auf dem Fuße – auf Euer Gnaden Befehl', denk' ich.«

»Leider, ja – er geht, um einige Heilmittel zu holen – er wird bald zurückkehren. Wenn er betrunken ist, so laß ihn nicht in mein Gemach, und dulde nicht, daß er mit Jemand spricht. Er schwatzt, wenn sein Hirn vom Trinken umnebelt ist. Er war ein seltener Bursche, bis ihm eines Engländers Axt die Hirnschale traf; aber seit der Zeit schwatzt er närrisch, sobald ein Becher über seine Lippen gelaufen. – Sagte der Arzt dir etwas, Eviot?«

»Nichts; er wiederholte nur seinen Befehl, Euer Gnaden nicht zu stören.«

»Dem mußt du sicher gehorchen,« sagte der Ritter. »Ich fühle Schlaf kommen, den ich seit der unseligen Verwundung nicht genoß. – Wenigstens war's nur ein Augenblick, wenn ich schlief. Hilf mir das Kleid ablegen, Eviot.«

»Möge Gott und die Heiligen Euch gute Ruhe senden, Mylord,« sagte der Page, der sich zurückzog, nachdem er seinem verwundeten Herrn den verlangten Beistand geleistet.

Als Eviot das Zimmer verließ, murmelte der Ritter, dessen Hirn sich mehr und mehr verwirrte, des Pagen Abschiedsgruß vor sich hin.

»Gott – Heilige – ich habe unter solchem Segen gesund geschlafen. Aber nun – ich denke, wenn ich nicht zur Erfüllung meiner stolzen Hoffnungen auf Macht und Rache aufwache, so ist der beste Wunsch für mich, daß der Schlummer, der nun auf mein Haupt fällt, der Vorläufer des Schlafes wäre, der meine geliehenen Kräfte wieder zum ursprünglichen Nichtsein zurückbringt – ich kann nicht weiter darüber denken.«

So sprechend, fiel er in einen tiefen Schlaf.


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