Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Siebenundzwanzigstes Kapitel.

»Also that Augustin« – »So?« sagt' er, – »Nun, Mag's Augustin für mich denn wieder thun.«
    Pope's Prolog in den »Canterbury Tales« von Chaucer.

Der Lauf unserer Geschichte wird sich am besten verfolgen lassen, wenn wir Simon Glover begleiten. Es ist nicht unsere Absicht, genau die örtlichen Grenzen der beiden streitenden Clans anzugeben, zumal da sie von den Geschichtschreibern nicht genau bezeichnet werden, welche die Schilderungen dieser merkwürdigen Fehde lieferten. Es genügt, zu sagen, daß das Gebiet des Clans Chattan sich weit und breit ausdehnte, indem es Caithneß und Sutherland umfaßte und als unumschränkten Häuptling den mächtigen Grafen der letztern Grafschaft hatte, genannt Mohr ar chat (die große Katze). So gehörten im Allgemeinen die Keths, die Sinclairs, die Guns und andere Familien und Clans von bedeutender Macht zu diesem Bündnisse. Diese waren jedoch nicht in den gegenwärtigen Streit verwickelt, der sich auf den Theil des Clans Chattan beschränkte, der die ausgedehnten Bergdistrikte von Perthshire und Inverneßshire inne hatte, die einen großen Theil dessen bilden, was man die nördlichen Hochlande nennt. Es ist wohl bekannt, daß zwei große Clans, von denen man ohne Zweifel weiß, daß sie zu dem Clan Chattan gehörten, die Mac Phersons und die Mac Intosches, bis auf diesen Tag streiten, welcher ihrer Häuptlinge an der Spitze dieses Badenochzweiges des großen Bündnisses stand, und Beide nahmen in spätern Zeiten den Titel eines Häuptlings (captain) von Clan Chattan an. Non nostrum est. – Jedenfalls aber muß in Badenoch das Bündniß gewesen sein, so weit es in die von uns behandelte Fehde verwickelt war.

Von dem feindlichen Bunde von Clan Quhele haben wir noch minder genaue Nachricht, aus Gründen, die sich in der Fehde herausstellen werden. Einige Schriftsteller haben ihn mit dem zahlreichen und mächtigen Stamme des Mac Kay für ein und dasselbe gehalten. Beruht dies auf gutem Grunde, was zu bezweifeln ist, so müssen die Mac Kays ihre Wohnsitze seit der Regierung Roberts II. verändert haben, da man sie nun (als Clan) in den äußerst nördlichen Theilen Schottlands, in den Gegenden von Roß und Sutherland findet. Wir können daher in der Geographie unserer Geschichte nicht so klar sein, als wir wünschten. Es genüge, zu bemerken, daß der Handschuhmacher, eine nordwestliche Richtung einschlagend, eine Tagreise gegen das Land Breadalbane zog, von wo er das Schloß zu erreichen hoffte, wo Gilchrist Mac Jan, Häuptling des Clans Quhele und Vater seines Zöglings Conachar, sich gewöhnlich aufhielt, umgeben von barbarischem Pomp und einem Ceremoniell, welches zu seinen stolzen Ansprüchen paßte.

Wir brauchen uns nicht bei einer Schilderung der Mühen und Schrecknisse einer solchen Reise aufzuhalten, wo man den Weg durch Einöden und Gebirge suchen mußte, bald an steilen Abhängen emporsteigend, bald in unzugängliche Moräste hinabstürzend, und oft unterbrochen durch große Bäche, ja selbst Flüsse. Aber all' diese Gefahren hatte Simon Glover, um ehrlichen Gewinn zu suchen, schon vorher bestanden, und es ließ sich nicht annehmen, daß er sie scheute oder fürchtete, wo Freiheit, ja selbst das Leben der Preis war.

Die Gefahr von Seiten der kriegerischen und uncivilisirten Bewohner dieser Einöden würde einem Andern mindestens eben so furchtbar erschienen sein, als die Gefahren der Reise. Aber Simons Kenntniß der Sitten und Sprachen des Volkes machte ihn auch in diesem Punkte sicher. Ein Anspruch auf die Gastfreundschaft der wildesten Gälen war nie erfolglos, und der Kerl, der unter andern Umständen einen Menschen um die silberne Schnalle seines Mantels ermordet hätte, würde sich selbst einer Mahlzeit beraubt haben, um den Reisenden, der an der Thür seiner Hütte um Gastfreundschaft bat, zu erquicken. Die Reisekunst war, so vertrauensvoll und unvertheidigt als möglich zu erscheinen; deswegen trug der Handschuhmacher durchaus keine Waffen, reiste ohne den mindesten Anschein von Vorsicht, und hatte sich nur zu hüten, nichts, was die Begierde aufregen konnte, zu zeigen. Eine andere Regel, deren Beobachtung er für klug hielt, war, mit jedem Wanderer, dem er begegnete, Gemeinschaft zu vermeiden, außer so weit es den Wechsel der gegenseitigen Höflichkeit im Grüßen betraf, welche die Hochländer selten unterlassen. Aber auch für diese vorübergehenden Grüße boten sich nur wenig Gelegenheiten dar. Das immer einsame Land schien jetzt ganz verlassen, und selbst in den kleinen Straths oder Thälern, welche er zu durchwandern Gelegenheit hatte, waren die Dörfer leer und die Einwohner hatten sich in Wälder und Höhlen zurückgezogen. Dies war leicht zu erklären, wenn man die bevorstehenden Gefahren einer Fehde erwog, die nach der Erwartung Aller das allgemeinste Signal zu Plünderung und Raub, wodurch je das unglückliche Land verwüstet wurde, werden mußte.

Simon begann, über diesen Zustand der Verwüstung beunruhigt zu werden. Er hatte ein Mal Halt gemacht, seit er Kinfauns verließ, um seinen Klepper ruhen zu lassen; und nun begann er besorgt zu werden, wie er die Nacht zubringen solle. Er hatte deswegen auf die Hütte eines alten Bekannten gezählt, den man Niel Booshalloch (oder den Kuhhirten) nannte, weil er zahlreiche Viehheerden, die dem Häuptlinge des Clan Quhele gehörten, hütete, wozu er ein Gut an den Ufern des Tay, nicht weit von der Stelle, wo der Fluß den See desselben Namens verläßt, inne hatte. Von diesem alten Wirthe und Freunde, mit welchem er manchen Handel um Felle und Pelzwerk geschlossen hatte, hoffte der Handschuhmacher den gegenwärtigen Zustand des Landes, die Erwartung über Krieg und Frieden und die besten Maßregeln zu seiner Sicherheit zu erfahren. Man muß sich erinnern, daß die Nachricht des zur Verminderung der Ausdehnung der Fehde eingegangenen Kampfvertrags Königs Robert erst den Tag vorher, ehe der Handschuhmacher Perth verließ, mitgetheilt worden war, und erst einige Zeit nachher bekannt gemacht wurde.

»Wenn Niel Booshalloch seine Wohnung gleich den Uebrigen verlassen hat, so bin ich am Ende schön angekommen,« dachte Simon, »da ich nicht nur den Vortheil seines guten Rathes entbehre, sondern auch seinen Einfluß bei Gilchrist Jan; überdies auch ein Nachtquartier und Abendessen.«

So denkend, erreichte er den Gipfel eines schwellenden grünen Hügels und sah den prächtigen Anblick des Taysees unter sich, eine unermeßliche Platte polirten Silbers, seine dunklen Haideberge und laublosen Eichenwälder, die dem mit Arabesken gezierten Rahmen eines prächtigen Spiegels glichen.

Gegen Naturschönheiten stets gleichgültig, war es Simon Glover besonders jetzt, und der einzige Theil der herrlichen Landschaft, worauf er den Blick heftete, war der Winkel oder Vorsprung eines Wiesenlandes, wo der Fluß Tay, in stolzer Fülle aus seinem väterlichen See hervorrauschend und um ein etwa eine Meile breites Thal sich im Bogen wälzend, seinen großen Lauf südostwärts beginnt, wie ein Eroberer und Gesetzgeber, um ferne Lande zu unterjochen und zu bereichern. Auf der einsamen Stelle, welche reizend zwischen See, Berg und Strom liegt, erhob sich später das lehensherrliche Schloß, der Ballongh, welches in unserer Zeit dem prächtigen Palaste des Grafen von Breadalbane Platz gemacht hat.

Aber die Campbells, obwohl sie bereits eine bedeutende Macht in Argyleshire erlangt hatten, hatten sich doch nicht so weit ostwärts bis zum Taysee ausgedehnt, dessen Ufer, sei es durch Recht oder durch bloße Besitzergreifung, damals der Clan Quhele besaß, der seine auserlesensten Heerden darauf weiden ließ. In diesem Thale also, zwischen dem Fluß und dem See, zwischen ausgedehnten Wäldern von Eichen, Haselbüschen, Eschen und Lerchenbäumen, erhob sich die niedrige Hütte Niel Booshallochs, eines ländlichen Eumäus, dessen gastlicher Schornstein reichlichen Rauch aufsteigen ließ, zur großen Beruhigung Simon Glovers, indem er sonst genöthigt gewesen wäre, nicht zu seinem besonderen Vergnügen die Nacht unter freiem Himmel zuzubringen.

Er erreichte die Thür der Hütte, pfiff, schrie und machte seine Ankunft bekannt. Es erhob sich ein Gebell von Hunden, und alsbald trat der Herr der Hütte hervor. Es lag viel Sorge auf seiner Stirn, und er schien beim Anblick Simon Glovers zu erschrecken, obgleich der Hirt Beides, so gut er konnte, verbarg; denn nichts galt in diesem Lande für unhöflicher, als wenn der Wirth in Blick oder Miene Etwas zeigte, was den Besuch zu dem Gedanken verleiten konnte, daß seine Ankunft unangenehm oder auch nur unerwartet sei. Das Pferd des Reisenden wurde in einen Stall gebracht, der beinahe zu niedrig war, um es aufzunehmen, und der Handschuhmacher selbst wurde in das Haus Booshallochs geführt, wo ihm nach der Sitte des Landes Brod und Käse vorgesetzt wurde, während man nahrhaftere Speisen bereitete. Simon, der all' ihre Gewohnheiten verstand, wollte die offenbaren Zeichen von Traurigkeit auf der Stirne seines Wirthes und der Familie desselben nicht bemerken, bis er der Form wegen Etwas gegessen hatte, worauf er die allgemeine Frage that, was es Neues im Lande gäbe?

»So schlechte Neuigkeiten, als je genannt wurden.« sagte der Hirte; »unser Vater ist nicht mehr.«

»Wie?« sagte Simon, höchlich beunruhigt, »ist der Häuptling des Clans Quhele todt?«

»Der Häuptling des Clans Quhele stirbt nie,« antwortete der Booshalloch; »aber Gilchrist Mac Jan starb vor zwanzig Stunden, und sein Sohn Eachin Mac Jan ist nun Häuptling.«

»Was, Eachin – das ist Conachar – mein Lehrling.«

»So wenig als möglich von diesem Gegenstande, Bruder Simon,« sagte der Hirte. »Ihr müßt Euch erinnern, Freund, daß Euer Gewerbe, das wohl gut ist, um in der hübschen Stadt Perth zu leben, etwas zu handwerksmäßig ist, um am Fuße des Ben Lawers oder an den Ufern des Taysees sehr geachtet zu sein. Wir haben nicht einmal ein gälisches Wort, um einen Handschuhmacher damit zu bezeichnen.«

»Es wäre auch seltsam, wenn Ihr's hättet, Freund Niel,« sagte Simon trocken, »da Ihr so wenig Handschuhe zu tragen habt. Ich glaube, es gibt keine im ganzen Clan Quhele, außer die, welche ich selbst Gilchrist Mac Jan schenkte, dem Gott gnädig sei, der sie als etwas Vorzügliches schätzte. Sehr tief bedaure ich seinen Tod, denn ich kam in wichtigen Geschäften zu ihm.«

»Ihr thätet besser, Eures Pferdes Kopf morgen früh südwärts zu wenden,« sagte der Hirte. »Das Leichenbegängniß wird gleich stattfinden, und es muß ohne viel Ceremonie geschehen; denn es soll eine Schlacht zwischen dem Clan Quhele und dem Clan Chattan gefochten werden, dreißig Kämpfer von jeder Seite, und zwar am nächsten Palmsonntag; und wir haben wenig Zeit übrig, um die Todten zu beklagen oder die Lebenden zu ehren.«

»Aber meine Angelegenheiten sind so wichtig, daß ich den jungen Häuptling nothwendig sehen muß, wär' es auch nur auf eine Viertelstunde,« sagte der Handschuhmacher.

»Höre, Freund,« erwiderte sein Wirth. »ich denke, dein Geschäft ist, entweder Geld einzusammeln oder Handel zu treiben. Nun, wenn der Häuptling dir etwas für Erziehung oder dergleichen schuldig ist, so verlang' es nicht von ihm zu einer Zeit, wo er alle Schätze des Stammes zu prächtigen Waffenrüstungen und Kleidern für seine Mitkämpfer bedarf; denn wir müssen jenen stolzen Bergkatzen so begegnen, daß sie sehen, wie hoch wir über ihnen stehen. Aber wenn du kommst, um Handel mit uns zu schließen, so ist deine Zeit noch schlimmer gewählt. Du weißt, daß du bereits von Vielen unseres Stammes beneidest wirst, wie du den jungen Häuptling erzogen hast, ein Geschäft, welches den Besten des Clans übertragen zu werden pflegt.«

»Aber, bei St. Maria, Mann!« rief der Handschuhmacher, »die Leute sollen sich erinnern, daß mir das Geschäft nicht als eine Gunst übertragen wurde, um die ich warb, sondern daß es von mir nur ungern und nur auf Bitten, zu meiner nicht geringen Verlegenheit, angenommen ward. Dieser euer Conachar, oder Hektor, oder wie ihr ihn nennt, hat mir Rehhäute im Betrage vieler schottischen Pfunde verdorben.«

»Da hast du nun wieder,« sagte der Booshalloch, »ein Wort gesprochen, was dir das Leben kosten kann; – jede Anspielung auf Felle oder Häute, zumal auf Rehhäute, kann dich in höchste Gefahr bringen. Der Häuptling ist jung und eifersüchtig auf seinen Rang – Niemand kennt den Grund besser, als du, Freund Handschuhmacher. Er wünschte natürlich, daß Alles, was sich auf den Widerspruch gegen seine Erbfolge und auf seine Verbannung bezieht, gänzlich vergessen werde; und er wird den nicht lieben, der das Gedächtniß seiner Leute zu Etwas zurückruft, oder sein eigenes zurückzwingt, dessen Beide mit Widerwillen gedenken. Denke, wie sie in solcher Zeit auf den alten Glover von Perth sehen werden, bei welchem der Häuptling so lange Lehrling war! – Nun, nun, alter Freund, Ihr habt Euch darin geirrt. Ihr seid zu eilig, die aufgehende Sonne anzubeten, während ihre Strahlen noch am Rande des Horizonts stehen. Komm, wenn sie höher am Himmel emporgestiegen ist, und du sollst an der Wärme ihrer Mittagshöhe Theil haben.«

»Niel Booshalloch,« sagte der Handschuhmacher, »wir sind alte Freunde gewesen, wie du sagst; und da ich dich für einen Treuen halte, will ich offen zu dir sprechen, obwohl, was ich sage, gefährlich sein könnte, wenn ich es Andern deines Clans mittheilte. Du glaubst, ich komme hieher, um Vortheil von deinem jungen Häuptling zu ziehen, und es ist natürlich, daß du das glaubst. Aber in meinen alten Tagen verlasse ich nicht meine Kaminecke in Curfewstreet, um mich an den Strahlen der glänzendsten Sonne zu wärmen, die je über hochländisches Heidekraut schien. Die Sache ist aber, ich komme in Noth hieher – meine Feinde haben sich über mich gesetzt und mich solcher Verbrechen angeklagt, deren ich selbst in Gedanken nicht schuldig bin. Trotzdem ist wahrscheinlich das Urtheil über mich gefällt, und ich habe nur die Wahl, zu fliehen oder zu bleiben, um zu sterben. Ich komme nun zu Eurem Häuptling, der bei mir in seiner Noth Zuflucht fand, von meinem Brode aß und aus meinem Becher trank. Ich verlange Zuflucht bei ihm, die ich, wie ich hoffe, nur kurze Zeit brauchen werde.«

»Das macht die Sache anders,« erwiderte der Hirte. »So anders, daß, wenn Ihr um Mitternacht an Mac Jans Thür kämt mit dem Kopfe des Königs von Schottland in Eurer Hand und tausend Mann hinter Euch, um sein Blut zu rächen, daß ich nicht glaube, es würde seiner Ehre zuträglich sein, Euch Schutz zu versagen. Und was Eure Schuld oder Unschuld betrifft, so thut die nichts zur Sache – oder vielmehr, er sollte Euch um so eher schützen, wenn ihr schuldig, denn Eure Noth und seine Gefahr wären in diesem Falle um so größer. Ich muß gleich zu ihm, damit ihm keine vorschnelle Zunge Eure Ankunft hier ohne den Grund derselben meldet.«

»Schade, daß ich dich bemühe,« sagte der Handschuhmacher: »aber wo liegt der Häuptling?«

»Er hat sein Quartier etwa zehn Meilen von hier, und ist beschäftigt mit Angelegenheiten des Leichenbegängnisses und mit Vorbereitungen zum Kampfe – die Todten zum Grabe, die Lebenden zur Schlacht zu führen.«

»Es ist ein weiter Weg, und wird Euch, um zurückzukehren, die ganze Nacht kosten,« sagte der Handschuhmacher; »und ich bin überzeugt, daß Conachar, wenn er weiß, ich sei es, der –«

»Vergiß Conachar,« sagte der Hirte, den Finger auf die Lippen legend. »Und was die zehn Meilen betrifft, so sind die nur ein Hochländersprung, wenn Einer eine Botschaft zwischen seinem Freunde und seinem Häuptling trägt.«

So sprechend und den Reisenden der Obhut seines ältesten Sohnes und seiner Tochter überlassend, verließ der behende Hirte sein Haus zwei Stunden vor Mitternacht, und kehrte lange vor Sonnenaufgang dahin zurück. Er störte seinen ermüdeten Gast nicht; als aber der alte Mann am Morgen aufstand, machte er ihm bekannt, daß das Begräbniß des verstorbenen Häuptlings am nächsten Tage stattfinden werde, und daß, obwohl Eachin Mac Jan einen Sachsen nicht zu dem Leichenbegängniß einladen könne, er sich doch freuen würde, denselben beim darauf folgenden Gastmahl zu empfangen.

»Sein Wille muß befolgt werden,« sagte der Handschuhmacher, halb lächelnd über den Wechsel des Verhältnisses zwischen ihm und seinem Lehrling. »Der Mann ist jetzt der Gebieter, und ich hoffe, er wird sich erinnern, daß, als die Sachen anders zwischen uns standen, ich mein Ansehen nicht unfreundlich übte.«

»Fürwahr, Freund!« rief der Booshalloch, »je weniger du davon sprichst, um so besser. Du wirst finden, daß du Eachin ein recht willkommener Gast bist, und der Teufel auf den, der dich in seinen Grenzen zu stören wagt. Aber leb' wohl; denn ich muß, wie es sich ziemt, zum Begräbniß des besten Häuptlings gehen, den der Clan je besaß, und des weisesten Führers, der je den süßen Zweig (Myrte) auf seine Mütze steckte. Leb' wohl auf kurze Zeit, und wenn du auf den Gipfel des Tom-an-Lonach hinter dem Hause gehen willst, so wirst du einen prächtigen Anblick haben und einen Coronach hören, der bis zur Spitze des Ben Lawers schallt. In drei Stunden wird ein Boot in einem kleinen Kanal etwa eine halbe Meile westwärts vom Ausfluß des Tay dich erwarten.«

Mit diesen Worten nahm er Abschied, begleitet von seinen drei Söhnen, um das Boot zu bemannen, in welchem er sich zu den andern Leidtragenden gesellen wollte, und zwei Töchtern, deren Stimmen nöthig waren, um in die Klage einzustimmen, die gesungen oder vielmehr geschrieen wurde bei solchen Anlässen allgemeiner Trauer.

Als sich Simon Glover allein befand, ging er zum Stall, um nach seinem Pferde zu sehen, welches er wohl versorgt fand mit Graddan oder Brod aus geschrotener Gerste. Diese Güte würdigte er vollkommen, denn er wußte, daß die Familie wahrscheinlich wenig von diesem Leckerbissen für sich übrig hatte, bis die nächste Ernte dürftigen Vorrath einbrächte. Mit Viehfutter waren sie wohl versehen, und der See gab ihnen Ueberfluß an Fischen für ihre Fastenspeise, welche sie nicht streng hielten; aber Brod war ein seltener Artikel im Hochland. Die Moore lieferten weiches Heu, obwohl nicht von der besten Art, aber die schottischen Pferde waren, wie ihre Reiter, an harte Kost gewöhnt. Handschuh, denn dies war der Name des Pferdes, hatte den Stall voll getrocknetes Farrenkraut als Streu und war außerdem so wohl versorgt, als es hochländische Gastfreundschaft vermochte.

Simon Glover, der so seinen eigenen schmerzlichen Gedanken überlassen war, blieb, nachdem er die Bequemlichkeit seines stummen Reisegefährten gesehen, nichts übrig, als des Hirten Rath zu befolgen; und indem er gegen den Gipfel einer Anhöhe, genannt Tom-an-Lonach oder Berg der Eibenbäume, emporstieg, erreichte er nach halbstündiger Wanderung den Gipfel, und konnte den weitausgedehnten See, den die Anhöhe mit der trefflichsten Aussicht beherrschte, überschauen. Einige bejahrte und zerstreute Eichenbäume rechtfertigten noch immer den Namen des schönen grünen Hügels. Aber eine weit größere Anzahl war in der kriegerischen Zeit dem allgemeinen Verlangen nach Bogenstäben als Opfer gefallen; denn der Bogen war die gewöhnliche Waffe der Bergbewohner, obgleich ihre Bogen wie ihre Pfeile an Gestalt und Form, besonders an Wirksamkeit denen des lustigen England weit nachstanden. Die noch übrigen schwarzen und zerstreuten Eiben glichen den Resten eines gesprengten Heeres, die in Unordnung einen günstigen Posten einnehmen, mit dem festen Vorsatz, bis auf den letzten Blutstropfen auszuhalten. Hinter dieser Anhöhe, aber losgerissen von ihr, erhob sich ein höherer Hügel, zum Theil mit Gestrüpp bedeckt, zum Theil in Weidetriften sich öffnend, wo das umherirrende Vieh zwischen den Quellen und Sümpfen, von denen jetzt frisches Gras aufkeimte, dürftige Nahrung fand. Die entgegengesetzte oder nördliche Küste des Sees bot eine Aussicht dar, die weit mehr jener von den Alpen aus glich, als die, auf welcher der Handschuhmacher stand. Wälder und Gesträuche stiegen an den Seiten der Berge empor und verschwanden unter den Windungen, die die Schluchten bildeten, welche sie von einander trennten; aber weit über diese Proben eines erträglichen natürlichen Bodens erhoben sich die dunkeln und nackten Gebirge selbst in der schwarzgrauen Oede der Jahreszeit.

Einige waren spitz, andere breitgipfelig, einige felsig und steil, andere von sanfteren Umrissen; und der Clan der Titanen schien von ihren eigenen Häuptlingen beherrscht zu sein – dem finstern Berge Ben Lawers und der noch erhabeneren Höhe des Ben Mohr, hoch über die andern emporragend, und deren Gipfel einen blendenden Schneehelm weit in den Sommer hinein und bisweilen das ganze Jahr hindurch tragen. Doch zeigten die Grenzen dieser wilden Waldungen, wo die Berge zu dem See sich hinabsenkten, selbst in jener frühen Zeit viele Spuren menschlicher Wohnungen. Dörfer zeigten sich, besonders an dem nördlichen Seeufer, halb in den kleinen Schluchten verborgen, aus denen Nebenflüßchen in den Taysee strömten, die, wie so Manches auf Erden, von weitem einen schönen Anblick darboten, in der Nähe aber, wegen des Mangels an Bequemlichkeiten, wie sie selbst indianische Wigwams bieten, ekelhaft und abschreckend waren. Sie waren von einem Geschlecht bewohnt, das weder den Boden anbaute, noch um die Genüsse, die der Gewerbfleiß verschafft, sich bekümmerte. Die Weiber, die sonst mit Liebe und selbst zarter Achtung behandelt wurden, verrichteten alle durchaus nöthigen häuslichen Arbeiten. Die Männer übten, außer dem verhaßten Gebrauch eines schlechtgeformten Pflugs, oder noch gewöhnlicher eines Spatens, mit dem sie murrend und wie mit einer Sache umgingen, die weit unter ihnen stände, kein anderes Geschäft, als das Hüten ihrer schwarzen Rinderheerden, worin ihr Reichthum bestand. Außerdem jagten, fischten oder streiften sie immer, während der kurzen Friedenszeit, zum Zeitvertreib; plünderten mit frecher Zügellosigkeit und fochten mit stolzer Erbitterung zur Zeit des Krieges, der, mocht' er nun öffentlich oder Privatfehde, von größerer oder geringerer Ausdehnung sein, das eigentliche Geschäft ihres Lebens bildete, und das einzige, welches sie ihrer würdig achteten.

Der prächtige Busen des Sees selbst gewährte einen entzückenden Anblick. Seine stattliche Breite, nebst seinem Ausgang in einen vollen und schönen Strom, ward noch malerischer durch eine jener Inseln, die oft so glücklich in den schottischen Seen gelegen sind. Die Ruinen dieser Inseln, jetzt fast formlos und mit Holz überwachsen, erhoben sich in der Zeit, von welcher wir sprechen, zu den Thürmen und Zinnen einer Abtei, wo die Reste Sibilla's, Tochter Heinrichs I. von England und Gemahlin Alexanders I. von Schottland, ruhten. Diese heilige Stätte wurde genug in Ehren gehalten, um der Ruheplatz der Reste des Häuptlings vom Clan Quhele zu sein, wenigstens bis die Entfernung der Gefahr, die jetzt so nahe drohte, es erlauben würde, seinen Leichnam in ein ausgezeichnetes Kloster im Norden zu bringen, wo er schließlich bei all' seinen Ahnen ruhen sollte.

Eine Anzahl Boote stieß von verschiedenen Punkten des nahen und ferneren Gestades ab, viele Trauerfahnen entfaltend, und andere mit ihren verschiedenen Pfeifern, die von Zeit zu Zeit einige Töne schrillen, traurigen und beklagenden Charakters hören ließen, und dem Handschuhmacher somit anzeigten, daß die Ceremonie vor sich gehen sollte. Diese Klagetöne waren nur das Vorspiel der Instrumente in Vergleich mit der allgemeinen Klage, die sogleich erhoben werden sollte.

Weit vom See herauf hörte man einen feinen Ton, der aus den entfernten und abgelegenen Thälern zu kommen schien, aus denen der Dochart und der Lochy ihre Fluthen in den Taysee ergießen. Es war an einem wilden, unzugänglichen Orte, – wo die Campells in einer spätern Zeit ihre starke Veste Finlayrigg gründeten, – daß der muthige Gebieter des Clans Quhele seinen letzten Athemzug that; und um seinem Leichenbegängniß die gebührende Feierlichkeit zu geben, ward sein Körper nun den See herab nach der Insel geführt, die seine einstweilige Ruhestätte sein sollte. Die Leichenflotte, von des Häuptlings Boote, auf welchem eine ungeheure schwarze Fahne wallte, geführt, hatte mehr als zwei Drittel des Weges zurückgelegt, ehe man von der Anhöhe, wo Simon Glover stand, die Feierlichkeit übersehen konnte. Sobald der entfernte Klageton des Coronach, der von den Leuten auf der Leichenbarke ausging, gehört wurde, schwiegen auf einmal alle geringern Wehklagen, wie der Rabe zu krächzen und der Habicht zu pfeifen aufhört, wenn das Geschrei des Adlers gehört wird. Die Boote, welche auf dem See, wie eine Heerde Wasservögel, zerstreut umhergefahren waren, zogen sich nun mit einer Art von Ordnung zusammen, damit die Leichenflotte voran ginge und sie selbst an ihre gehörigen Plätze kämen. Indessen wurde der durchdringende Ton der Kriegspfeifen lauter und lauter, und das Geschrei von den zahllosen Booten, die demjenigen folgten, aus dem das schwarze Banner des Häuptlings wehete, erhob sich in wildem Einklang zu dem Tom-an-Lonach, auf dem Glover das Schauspiel betrachtete. Die Galeere, welche den Zug anführte, trug auf dem Hintertheil ein Gerüst, worauf in weiße Leinewand gewickelt, das Gesicht blos, der Leichnam des gestorbenen Häuptlings ausgestellt war. Sein Sohn und die nächsten Verwandten befanden sich auf dem Fahrzeuge, während eine große Menge Boote jeder Art, so viel ihrer auf dem Taysee selbst, oder auf Landwegen vom Earnsee oder sonst woher zusammengebracht werden konnten, zum Theil schwachgebaute Fahrzeuge, hinten nachfolgten. Es waren selbst Curraghs hier, aus Ochsenhäuten bestehend, die man nach der Art der alten Britten über Weidenstämme spannte; Einige vertrauten sich sogar Flößen, die man aus dem nächsten, dem besten Holze so leicht zusammengefügt hatte, daß es wahrscheinlich wurde, es dürften, ehe die Reise zu Ende sei, einige der Clansleute den verstorbenen Häuptling in die Geisterwelt begleiten.

Als die Hauptflottille der kleinern Gruppe von Booten, die sich am Ende des Sees sammelten und von der kleinen Insel abfuhren, zu Gesicht kam, begrüßten sie einander mit einem Geschrei, so laut und allgemein und in einem so seltsam verlängerten Tonfall endend, daß nicht allein das Wild meilenweit in der Runde aus seinen Klüften aufgeschreckt ward, sondern selbst das an die Stimme des Menschen gewöhnte Hausvieh all' den panischen Schrecken empfand, den das menschliche Geschrei auf wildere Stämme macht, und von seinen Weiden in Moräste und Gebüsche floh.

Durch diese Klänge aus ihrem Kloster gerufen, begannen die Mönche, welche die kleine Insel bewohnten, aus ihrem niedrigen Thore zu treten, mit Kreuz und Fahne und mit so viel kirchlicher Pracht, als sie zu entfalten vermochten; zu gleicher Zeit mischte sich der Klang ihrer Glocken, deren das Gebäude drei besaß, das Todtengeläute über den weiten See hallend, welches in's Ohr der nun schweigenden Menge tönte, mit dem feierlichen Gesange der katholischen Kirche, den die Mönche in ihrer Prozession anstimmten. Verschiedene Ceremonien fanden Statt, während die Verwandten des Verblichenen den Leichnam an's Land trugen, auf eine hierzu längst geweihte Bank legten und dem alten Brauche gemäß den Deafil um ihn machten. Als der Leichnam aufgehoben wurde, um in die Kirche getragen zu werden, brach ein neues Geschrei von der versammelten Menge aus, in welchem die tiefe Stimme der Krieger und das gellende Klagegeschrei der Weiber mit der zitternden Stimme der Greise und dem stammelnden Geschrei der Kinder sich verband. Der Coronach wurde wieder und zum letzten Male geschrieen, als der Leichnam in das Innere der Kirche gebracht wurde, wo nur die nächsten Verwandten des Verblichenen und die ausgezeichnetsten Führer des Clans eintreten durften. Das letzte Wehgeschrei war so schrecklich laut und von so viel hundert Echos beantwortet, daß der Bürger von Perth unwillkürlich seine Hände zu den Ohren erhob, um einen so durchdringenden Schall abzuhalten, oder wenigstens zu dämpfen. Er behielt diese Stellung, während Habichte, Eulen und andere Vögel, durch das wilde Geschrei gestört, anfingen sich in ihre Schlupfwinkel zu setzen, als beim Wegziehen seiner Hand eine Stimme dicht neben ihm sagte:

»Haltet Ihr dies, Simon Glover, für eine Hymne der Demuth und des Lobes, womit es ziemt, einen armen verlorenen Mann, ausgeworfen aus seiner irdischen Hülle, vor's Angesicht seines Schöpfers zu senden?«

Der Handschuhmacher drehte sich um, und es ward ihm nicht schwer, in dem alten Manne, der mit langem weißem Barte dicht neben ihm stand, an dem hellen sanften Auge und der wohlwollenden Miene, den Karthäusermönch Vater Clemens wiederzuerkennen, der nicht mehr seine klösterlichen Kleider trug, sondern in einen Friesmantel gehüllt war und eine Hochländermütze trug.

Man muß sich erinnern, daß der Handschuhmacher diesen Mann mit einem aus Achtung und Mißfallen gemischten Gefühle betrachtete, – mit Achtung, die sein Verstand der Person und dem Charakter des Mönchs nicht versagen konnte, und mit Mißfallen, welches aus Pater Clemens eigenthümlichen Lehren entstand, welche die Ursache der Verbannung seiner Tochter und seiner eigenen Bedrängniß waren. Es war daher nicht mit dem Gefühle reiner Zufriedenheit, daß er den Gruß des Paters erwiderte, und er sagte auf die wiederholte Frage, was er von dem Leichenbegängniß halte, das auf so wilde Art vollzogen werde: – »Ich weiß nicht, mein guter Vater; aber diese Leute thun ihre Pflicht gegen den verstorbenen Häuptling nach der Gewohnheit ihrer Vorfahren. Sie wollen den Schmerz über den Verlust ihres Freundes ausdrücken und ihr Gebet zum Himmel für ihn erheben, und was mit gutem Willen geschieht, muß, wie mich dünkt, günstig aufgenommen werden. Wäre es anders gewesen, so denk' ich, sie wären schon längst zu etwas Besserem erleuchtet worden.«

»Du täuschest dich,« antwortete der Mönch. »Gott hat sein Licht unter uns Alle gesendet, obwohl in verschiedenem Maße; aber der Mensch schließt absichtlich die Augen und zieht Finsterniß vor. Dies umnachtete Volk mischt mit dem Ritual der römischen Kirche die alten heidnischen Ceremonien seiner Väter, und vereinigt so mit den Abscheulichkeiten einer durch Reichthum und Macht verdorbenen Kirche die grausamen und blutigen Gebräuche des rohen Heidenthums.«

»Vater,« sagte Simon kurz, »mich dünkt, Eure Gegenwart wäre nützlicher in jener Kapelle, um Euren Brüdern bei Verrichtung ihres kirchlichen Amtes zu helfen, als um den Glauben eines demüthigen, obwohl unwissenden Christen, wie ich bin, zu stören und wankend zu machen.«

»Und warum, guter Bruder, sollte ich deine Glaubensgrundsätze wankend machen wollen?« antwortete Clemens. »So wahr mir der Himmel helfe, wäre mein Herzblut nöthig, um die Seele eines Menschen an die heilige Religion, die er bekennt, zu knüpfen, es sollte dafür frei verströmen.«

»Eure Rede ist schön, Vater, ich gesteh' es,« sagte der Handschuhmacher; »aber wenn ich die Lehre nach den Früchten beurtheile, so hat mich der Himmel durch die Hand der Kirche gestraft, indem ich darauf hörte. Eh' ich Euch hörte, war mein Beichtvater wenig bekümmert, obwohl ich gestehen möchte, daß ich etwa ein Wort auf der Bierbank habe fallen lassen, wenn auch ein Mönch oder eine Nonne der Gegenstand sein mochte. Als ich einmal den Pater Hubert einen bessern Hasen- als Seelenjäger genannt hatte, so beichtete ich es dem Pfarrer Weinsauf, welcher lachte und mich eine Rechnung zur Buße bezahlen ließ, – oder wenn ich sagte, der Pfarrer Weinsauf sei seinem Becher treuer, als seinem Brevier, so beichtete ich es beim Vater Hubert, und ein neuer Falkenhandschuh machte Alles wieder gut; so lebte ich, mein Gewissen und Mutter Kirche in Friede, Freundschaft und gegenseitiger Verträglichkeit miteinander. Aber seit ich Euch gehört habe, Vater Clemens, ist diese angenehme Verbindung in Stücke gebrochen, und nichts donnert in mein Ohr, als Fegfeuer in jener und Scheiterhaufen in dieser Welt. Darum geht weg von mir, Vater Clemens, oder sprecht mit Solchen, die Eure Lehre verstehen können. Ich habe nicht das Herz, ein Märtyrer zu werden, und habe nie in meinem Leben Muth genug gehabt, ein Licht mit den Fingern zu putzen; und, die Wahrheit zu gestehen, ich bin gesonnen, nach Perth zurückzugehen, beim geistlichen Gerichtshof mir Verzeihung auszuwirken, meinen Scheiterhaufen zum Zeichen des Widerrufs an den Fuß des Galgens zu tragen und mir den Namen eines guten Katholiken wieder zu erkaufen, wäre es auch um den Preis alles weltlichen Reichthums, der mir übrig ist.«

»Ihr seid unwillig, mein theuerster Bruder,« sagte Clemens; »und einer geringen irdischen Gefahr und eines geringen irdischen Verlustes wegen gereuen Euch die guten Gedanken, die Ihr einst unterhieltet.«

»Ihr könnt leicht so sprechen, Vater Clemens, da Ihr, wie ich denke, schon längst dem Reichthum und den Gütern der Welt entsagt habt und vorbereitet seid, das Leben, wenn es verlangt wird, für die Lehre, die Ihr predigt und glaubt, hinzugeben. Ihr seid so bereit, das Pechhemd und die Schwefelmütze anzulegen, als ein nackter Mann, in sein Bett zu gehen, und es könnte scheinen, Ihr hättet nicht viel mehr Widerwillen gegen die Ceremonie. Aber ich habe noch immer Etwas, was mir anhängt. Mein Reichthum ist noch mein eigen, und ich danke dem Himmel, daß er ein anständiges Auskommen gewährt – mein Leben ist überdies das eines gesunden alten Mannes von sechzig, der nicht eilen will, es zu Ende zu bringen. – Und wär' ich auch so arm, wie Hiob, und am Rande des Grabes, müßt' ich nicht immer an meiner Tochter hängen, der Eure Lehren schon so theuer zu stehen gekommen sind?«

»Deine Tochter, Freund Simon,« sagte der Karmeliter, »kann wirklich ein Engel auf Erden genannt werden.«

»Ja; und weil sie auf Eure Lehren hörte, Vater, wird sie nun wahrscheinlich bald ein Engel im Himmel heißen, und aus einem feurigen Wagen dorthin geschickt werden.«

»Ach, mein guter Bruder,« sagte Clemens, »ich bitte dich, laß ab von dem zu sprechen, wovon du wenig verstehst. Da es Zeitverschwendung wäre, dir das Licht zu zeigen, gegen welches du sprichst, so höre nur, was ich in Betreff deiner Tochter zu sagen habe, deren zeitliches Glück, obwohl ich es durchaus nicht gegen das geistige abwägen möchte, trotzdem dem Clemens Blair so theuer ist, als ihrem eigenen Vater.«

Thränen standen dem alten Manne im Auge, während er sprach, und Simon Glover war etwas erweicht, als er ihn wieder anredete.

»Man könnte dich, Vater Clemens, für den freundlichsten und liebenswürdigsten Mann halten; wie kommt es denn, daß deinen Schritten allgemeines Mißfallen folgt, wohin du sie auch wenden magst? Ich wollte mein Leben wetten, du hast bereits jenes Dutzend armer Mönche in ihrem wasserumgürteten Käfig zu beleidigen versucht, und sie haben dir deshalb die Theilnahme am Leichenbegängniß verboten!«

»Allerdings, mein Sohn,« sagte der Karthäuser, »und ich zweifle, daß ihre Bosheit mich länger in diesem Lande dulden wird. Ich sagte nur einige Worte über den Aberglauben und die Thorheit, St. Fillians Kirche zu besuchen, um mittelst ihrer Glocke Diebstahl zu entdecken – wahnsinnige Kranke in seinem Teiche zu baden, um ihre Geistesschwachheit zu heilen – und siehe, die Verfolger haben mich aus ihrer Gemeinschaft gestoßen, wie sie mich bald aus diesem Leben stoßen werden.«

»Da habt Ihr's nun,« sagte der Handschuhmacher; »seht, wie es mit einem Manne geht, der keine Warnung hören kann. Nun, Vater Clemens, die Leute werden mich nicht ausstoßen, so lang' ich nicht Euer Gefährte bin; ich bitte Euch daher, sagt mir, was Ihr von meiner Tochter zu sagen habt, und laßt uns weniger Nachbarn sein, als wir's gewesen sind.«

»Nun, Bruder Simon, so hab' ich dir dies bekannt zu machen. Dieser junge Häuptling, der von Stolz auf seine eigene Macht und Ehre aufgeblasen ist, liebt einen Gegenstand mehr denn Alles, und das ist Eure Tochter.«

»Ha, Conachar!« rief Simon. »Mein entlaufener Lehrling wagt, zu meiner Tochter emporzusehen!«

»Ach,« sagte Clemens, »wie fest sitzt Euer weltlicher Stolz, ganz wie Epheu, der sich an die Mauer klammert und nicht abgelöst werden kann! – Emporsehen zu deiner Tochter, guter Simon? Ach nein! der Häuptling des Clans Quhele, groß, wie er ist, und größer, als er bald zu sein erwartet, blickt nieder zur Tochter des Bürgers von Perth und glaubt sich dadurch erniedrigt. Aber, um seinen eigenen profanen Ausdruck zu brauchen, Katharina ist ihm theurer, als das Leben hier und der Himmel jenseits – er kann nicht ohne sie leben.«

»So mag er sterben, wenn er will,« sagte Simon Glover, »denn sie ist einem ehrsamen Bürger von Perth verlobt; und mein Wort möcht' ich nicht brechen, um meine Tochter zur Braut des Prinzen von Schottland zu machen.«

»Ich dachte, daß Ihr so antworten würdet,« erwiderte der Mönch; »ich wollte, werther Freund, du könntest in deinen geistlichen Angelegenheiten nur einen Theil des kühnen und entschlossenen Muthes anwenden, womit du deine weltlichen Geschäfte leitest.«

»Still – still, Vater Clemens!« antwortete der Handschuhmacher; »wenn du in dies Kapitel geräthst, so riechen deine Worte nach brennendem Pech, und diesen Duft lieb' ich nicht. Was Katharina betrifft, so muß ich mich benehmen, so gut ich kann, um den jungen Würdenträger nicht zu beleidigen; aber es ist gut für mich, daß sie weit außer seinem Bereich ist.«

»Dann muß sie in der That fern sein,« sagte der Karmeliter. »Und nun, Bruder Simon, da du es für gefährlich hältst, mich und meine Meinungen anzuerkennen, so muß ich allein mit meinen Lehren und den Gefahren gehen, die sie auf mich ziehen. Aber sollte Euer Auge, minder verblendet, als es jetzt durch weltliche Hoffnung und Furcht ist, je einen Blick auf ihn wenden, der bald von Euch gerissen sein kann, so erinnert Euch, daß Clemens Blair durch nichts als sein tiefes Gefühl der Wahrheit und Wichtigkeit der Lehre, die er vortrug, dazu gebracht werden konnte, dem Stolze der Mächtigen und Verhärteten entgegenzutreten, ja ihn herauszufordern, die Furcht des Argwöhnischen und Schüchternen aufzuschrecken, in der Welt umher zu gehen, an der er keinen Theil hatte, und für wahnsinnig gehalten zu werden, weil er, wo möglich, Gott Seelen gewinnen wollte. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich Alles, was recht ist, thun will, um die Liebe und das Gefühl meiner Mitmenschen zu gewinnen! Es ist keine leichte Sache, von dem Würdigen als ein Angesteckter vermieden, von den Pharisäern des Tages als ein Ungläubiger verfolgt, mit Abscheu und Verachtung von dem Pöbel, der mich für einen Wahnsinnigen hält, dessen unglückliches Ende er erwartet, angesehen zu werden. Aber mögen auch alle diese Uebel hundertfach vermehrt werden, das Feuer in mir darf nicht verlöschen, und die innere Stimme, die mich sprechen heißt, muß Gehorsam finden. Wehe mir, wenn ich nicht das Evangelium predige, selbst wenn ich es am Ende mitten unter des Scheiterhaufens Flammen predigen sollte!«

So sprach dieser kühne Zeuge; einer von denen, die der Himmel von Zeit zu Zeit aufstehen ließ, eine Darlegung des unverfälschten Christenthums, von der Zeit der Apostel bis zu den Tagen, wo, durch die Erfindung der Buchdruckerkunst begünstigt, die Reformation in vollem Glanze ausbrach, in den unwissendsten Zeitaltern zu bewahren, und den darauffolgenden zu überliefern. Die selbstsüchtige Klugheit des Handschuhmachers wurde seinen eigenen Augen enthüllt, und er kam sich selbst verächtlich vor, als er den Karmeliter in aller Heiligkeit der Entsagung sich von ihm wenden sah. Er empfand sogar eine momentane Neigung, dem Beispiele des Predigers der Menschenliebe und des uneigennützigen Eifers zu folgen; aber der Gedanke fuhr nur wie ein Blitzstrahl durch ein finsteres Gewölbe, wo nichts liegt, um den Strahl aufzufangen; und langsam stieg er den Hügel hinab in einer andern Richtung, als der des Karthäusers, indem er ihn und seine Lehren vergaß, und sich in sorgenvolle Gedanken über seines Kindes Schicksal und sein eigenes versenkte.


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