Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Einunddreißigstes Kapitel.

Fürwahr, er war ein schamlos wilder Mann,
Ergeben schnöder Lust und Becherklang;
Nur wenig war's, was seine Gunst gewann;
Nur üpp'ge Dirnen, lock're Brüder dann,
Und wilde Zecher auch von hoh' und nieder'm Rang.
                                  Byron.

Mit dem nächsten Morgen hatte sich die Laune des Herzogs von Rothsay verändert. Er beklagte sich allerdings über Schmerz und Fieber, aber dies schien ihn mehr anzuregen, als zu bewältigen. Er war freundlich gegen Ramorny, und obwohl er nichts von der Angelegenheit des vorigen Abends sagte, war es doch klar, daß er sich dessen erinnerte, was er aus dem Gedächtniß seiner Gefährten auszulöschen wünschte – der üblen Laune, die er da entfaltet hatte. Er war artig gegen Jeden, und scherzte mit Ramorny hinsichtlich der Ankunft Katharinens;

»Wie erstaunt wird die hübsche Spröde sein, sich in einem Haushalt von Männern zu befinden, während sie erwartete, unter die Hüte und Hauben der Kammerfrauen Lady Marjory's zu kommen. Du hast wohl wenig vom zarten Geschlecht in deinem Haushalt, Ramorny?«

»Meiner Treu, Keine außer der Sängerdirne und einer oder zwei unentbehrlichen Mägden. Beiläufig, sie fragt besorglich nach der Gebieterin, die Eure Hoheit ihr versprochen – soll ich sie entlassen, um mit Muße einer neuen Herrin nachzujagen?«

»Nicht doch, sie wird zu Katharinens Unterhaltung dienen. Und hört, wär' es nicht gut, das spröde Mädchen mit einiger Mummerei zu empfangen?«

»Wie meint Ihr das. Mylord?«

»Du begreifst schwer, Mensch – Wir wollen sie nicht enttäuschen, da sie die Herzogin von Rothsay zu finden hofft – Ich will Herzog und Herzogin in eigener Person sein.«

»Noch begreif' ich nicht.«

»Keiner ist dümmer als ein Witziger,« sagte der Prinz, »wenn er nicht gleich auf die Spur kommt. Meine sogenannte Herzogin ist in großer Eile von hier weggelaufen, als ich herangekommen bin. Wir haben beide unsere Kleider zurückgelassen. Es ist genug weiblicher Flitterstaat in der Kleiderkammer, die an mein Schlafgemach stößt, um damit einen ganzen Karneval zu versorgen. Seht, ich will die Lady Marjory spielen, mit einem Trauerschleier und einem Weidenkranz auf diesem Ruhebett liegend, um mich als Verlassene darzustellen; du, John, wirst für ihre Galwegische Ehrendame, die Gräfin Hermigild, starr und steif genug aussehen, und Dwining soll die alte Hekate, ihre Amme, vorstellen, nur hat sie mehr Bart auf der Oberlippe, als Dwining im ganzen Gesicht und auf dem Kopfe zusammengenommen. Er sollte den Vorzug eines Bartes haben, um sie gehörig zu spielen, Hole deine Küchenmägde und was du von erträglichen Pagen bei dir hast, um meine Kammerfrauen zu machen. Hörst du? – es muß gleich geschehen.«

Ramorny eilte in's Vorzimmer, um Dwining des Prinzen Plan zu melden.

»Sieh zu, wie du den Narren bei Laune erhältst,« sagte er; »mir liegt nichts dran, wie wenig ich ihn sehe, da ich weiß, was geschehen soll.«

»Vertraut Alles mir an,« sagte der Arzt, die Schulter emporziehend. »Was ist das für ein Schlächter, der des Lammes Kehle abschneiden kann, und sich fürchtet, sein Blöken zu hören?«

»Still, fürchte nichts für meine Beständigkeit. – Ich kann nicht vergessen, daß er mich so rücksichtslos in's Kloster gesteckt hätte, als wenn er den Schaft einer zerbrochenen Lanze wegwärfe. An's Werk – doch halt – bevor du diese thörichte Mummerei besorgst, muß Etwas geschehen, um den dickköpfigen Charteris zu täuschen. Wahrscheinlich wird er, im Glauben, die Herzogin von Rothsay sei noch hier mit Katharina Glover in ihrem Gefolge, mit Dienstanerbietungen daher kommen, und das zu einer Zeit, wo, wie ich dir nicht zu sagen brauche, seine Gegenwart unbequem wäre – fürwahr, dies ist um so wahrscheinlicher, da die Leute der großen und zarten Fürsorge für das Mädchen von Seiten des eisenköpfigen Ritters einen wärmern Namen geben.«

»Mit diesem Winke überlaßt mir's allein, gegen ihn zu wirken. Ich will ihm einen solchen Brief schicken, daß er für diesen Monat sich ebenso bereit zu einer Reise nach der Hölle, als nach Falkland halten wird. – Könnt Ihr mir den Namen des Beichtvaters der Herzogin sagen?«

»Waltheof, ein Kapuziner.«

»Genug – also an's Werk.«

Binnen wenigen Minuten, denn er war ein Schreiber von seltener Gewandtheit, vollendete Dwining einen Brief, den er Ramorny einhändigte.

»Dies ist vortrefflich, und würde dein Glück bei Rothsay gemacht haben – ich denke, ich hätte zu eifersüchtig sein sollen, um dich in seinen Dienst zu bringen, außer jetzt, da seine Tage sich schließen.«

»Les't es laut,« sagte Dwining, »damit wir urtheilen können, ob sich's gut ausnimmt.« Und Ramorny las wie folgt: – »Auf Befehl unserer hohen und mächtigen Prinzessin Marjory, Herzogin von Rothsay u. s. w., thun wir, Waltheof, unwürdiger Bruder des Ordens St. Franciscus, dir, Sir Patrick Charteris, Ritter von Kinfauns, zu wissen, daß sich Ihre Hoheit sehr über die Unbedachtsamkeit wundert, mit welcher Ihr derselben ein Weib geschickt habt, über deren Ruf sie nur bedenklich urtheilen kann, da sie sieht, daß dieselbe länger als eine Woche ohne alle Noth in deinem eigenen Schloß wohnte, ohne irgend andere weibliche Gesellschaft, als Mägde; von diesem schnöden Betragen hat sich das Gerücht schon durch Fife, Angus und Perthshire verbreitet. Trotzdem hat Ihre Hoheit in Betracht der menschlichen Schwachheit die Buhlerin nicht mit Nesseln peitschen oder sonst harte Buße thun lassen; sondern da zwei gute Brüder aus dem Kloster Lindores, die Väter Thickscull und Dundermore, durch besondern Befehl in's Hochland gerufen wurden, hat Ihre Hoheit das Mädchen deren Sorge übergeben, um sie zu ihrem Vater zu führen, der, wie sie hört, sich am Taysee aufhält, unter dessen Schutz sie eine für ihre Fähigkeiten und Gewohnheiten passendere Lage finden wird, als im Schloß Falkland, so lange Ihre Hoheit, die Herzogin von Rothsay, darin wohnt. Sie hat den besagten ehrwürdigen Brüdern aufgetragen, das Mädchen so zu behandeln, daß sie zur Erkenntniß der Sünde der Unenthaltsamkeit komme, und sie empfiehlt dir Beichte und Buße. – Unterzeichnet: Waltheof, auf Befehl einer hohen und mächtigen Prinzessin,« u. s. w.

Als er geendet hatte, rief Ramorny: »Trefflich, trefflich! Dieser unerwartete Tadel wird Charteris toll machen! Er hat dieser Lady lange eine Art Huldigung bewiesen, und sich nun der Unenthaltsamkeit verdächtig zu finden, während er das volle Lob einer barmherzigen That erwartete, wird ihn ganz verwirren. Und, wie du sagst, es wird lange dauern, eh' er hierher kommt, nach der Dirne zu sehen, oder der Dame aufzuwarten. – Aber fort zu deiner Mummerei, während ich das bereite, was der Mummerei für immer ein Ende machen soll.«

Es war eine Stunde vor Mittag, als Katharina, begleitet vom alten Hendschaw und einem Reitknecht des Ritters von Kinfauns, vor dem Schloß Falkland anlangte. Das große Banner, welches herniederwehte, trug das Wappen Rothsay's, alle Diener, die erschienen, trugen die Hausfarben des Prinzen, Alles den allgemeinen Glauben bestärkend, daß die Herzogin noch dort wohne. Katharinens Herz schlug, denn sie hatte gehört, die Herzogin habe so gut den Stolz, als den hohen Muth des Hauses Douglas, und sie war ungewiß über die Art ihrer Aufnahme. Beim Eintritt in's Schloß bemerkte sie, daß die Dienerschaft minder zahlreich war, als sie erwartet hatte, aber da die Herzogin ganz zurückgezogen lebte, ward sie dadurch wenig befremdet. In einer Art Vorzimmer begegnete ihr ein kleines altes Weib, die vom Alter tiefgebeugt schien und sich auf einen Ebenholzstab stützte.

»Gewißlich bist du willkommen, liebe Tochter,« sagte sie, Katharina begrüßend, »und, wie ich wohl sagen kann, in einem betrübten Hause; und ich hoffe (dabei grüßte sie noch ein Mal), du wirst meiner edeln und königlichen Tochter, der Herzogin, ein Trost sein. Setz' dich, mein Kind, bis ich gesehen habe, ob Mylady Zeit hat, dich zu empfangen. Ach, mein Kind, du bist sehr schön, in der That, wenn dir nur unsere Frau ein Herz gegeben hat, das einem so schönen Leibe gleichkommt.«

Damit kroch die nachgemachte Alte in's nächste Zimmer, wo sie Rothsay in dem herbeigeschafften Maskenstaat fand, so wie Ramorny, der keinen Theil an der Mummerei genommen, in seinem gewöhnlichen Anzuge.

»Du bist ein köstlicher Schuft, Sir Doctor,« sagte der Prinz; »bei meiner Ehre, ich glaube, du könntest in deinem Herzen Lust haben, das ganze Spiel, Liebhaberrolle und Alles, selber durchzuspielen.«

»Wär' es auch nur, um Eurer Hoheit die Mühe zu sparen,« sagte der Arzt, mit seinem gewöhnlichen unterdrückten Lachen.

»Nein, nein,« sagte Rothsay, »ich werde nie deine Hilfe brauchen, Mann – und sage mir nun, wie seh' ich aus, so auf dem Kissen ruhend – schmachtend und damenartig, nicht?«

»Etwas zu schön von Farbe und von zu sanften Zügen für die Lady Marjory von Douglas, wenn ich mich unterfangen darf, das zu sagen,« sagte der Apotheker.

»Fort, Schuft, und führe das schöne Eisstück ein – fürchte nicht, daß sie sich über meine Weiblichkeit beklagen soll – und du, Ramorny, geh' ebenfalls.«

Als der Ritter das Zimmer durch die eine Thür verließ, führte das nachgeahmte alte Weib Katharina Glover durch die andere herein. Das Zimmer war sorgfältig in Zwielicht gehüllt, so daß Katharina ohne den mindesten Argwohn die anscheinend weibliche Gestalt auf dem Bette liegen sah.

»Ist es das Mädchen?« fragte Rothsay mit einer natürlich zarten Stimme, die er nun sorgfältig nur flüsternd hören ließ. – »Laß sie näher treten, Griselda, und unsere Hand küssen.«

Die vermeinte Amme führte das zitternde Mädchen zur Seite des Bettes und ließ sie niederknieen. Katharina that dies und küßte mit vieler Demuth und Einfalt die behandschuhte Hand, welche die falsche Herzogin ihr entgegenhielt.

»Fürchte dich nicht,« sagte dieselbe musikalische Stimme; »in mir siehst du nur ein trauriges Beispiel der Eitelkeit menschlicher Größe – glücklich diejenigen, mein Kind, deren Stand sie unter die Stürme des Staates stellt.«

Während er so sprach, legte er die Arme um Katharinens Nacken und zog sie gegen sich, als wollte er sie zum Zeichen des Willkommens küssen. Aber der Kuß ward mit einem Eifer gegeben, der so sehr die Rolle der schönen Besitzerin überschritt, daß Katharina, in der Meinung, die Herzogin sei von Sinnen, laut aufschrie.

»Still, Närrin! ich bin es – David von Rothsay.«

Katharina sah umher – die Amme war gegangen, und indem der Herzog den Schleier abriß, sah sie sich in der Gewalt eines kühnen jungen Wüstlings.

»Nun sei Gott mit mir!« sagte sie; »und er wird es, wenn ich mich nicht selbst verlasse!«

Als dieser Entschluß in ihrer Seele erwachte, unterdrückte sie ihre Neigung zu schreien, und bemühte sich, so viel als möglich ihre Furcht zu verbergen.

»Der Scherz ist ausgespielt,« sagte sie mit so viel Festigkeit, als sie annehmen konnte; »darf ich bitten, daß Eure Hoheit mich nun loslassen?« denn noch immer hielt er ihren Arm.

»Nein, meine hübsche Gefangene, wehre dich nicht – Warum dich fürchten?«

»Ich wehre mich nicht, Mylord. Da es Euch beliebt, mich zu halten, so will ich Euch durch Widerstand nicht reizen, mich übel zu behandeln und Euch selbst Qual zu bereiten, sobald Euch Zeit zum Ueberlegen wird.«

»Warum, Verrätherin, hast du mich Monate lang gefangen gehalten,« sagte der Prinz; »und du willst dich von mir nicht einen Augenblick halten lassen?«

»Dies wäre Artigkeit, Mylord, geschäh' es in den Straßen von Perth, wo ich zuhören oder entfliehen könnte, nachdem ich gehört – hier ist es Tyrannei.«

»Und wenn ich dich gehen ließe, wohin willst du fliehen?« sagte Rothsay. »Die Brücken sind empor – die Fallgitter nieder – und meine Leute sind außerordentlich taub gegen die Klagen eines eigensinnigen Mädchens. Sei daher freundlich, und du sollst wissen, was es heißt, einem Prinzen gefällig sein.«

»Also laßt mich los, Herr, und hört, wie ich von Euch an Euch selbst appellire – von Rothsay an den Prinzen von Schottland. – Ich bin die Tochter eines niedern, aber ehrlichen Bürgers. Ich bin, wie ich fast sagen kann, die Gattin eines braven und wackern Mannes. Wenn ich Eurer Hoheit irgend eine Aufmunterung dazu, was Ihr gethan habt, gab, so ist es ohne Absicht geschehen. So gewarnt, bitte ich Euch, Eure Gewalt über mich zu vergessen, und mich abziehen zu lassen. Eure Hoheit kann nichts von mir erlangen, außer durch Mittel, die ebenso unwürdig des Ritters wie des Mannes wären.«

»Ihr seid kühn, Katharina,« sagte der Prinz; »aber weder als Ritter noch als Mann kann ich vermeiden, eine Ausforderung anzunehmen. Ich muß Euch lehren, wie gefährlich solche Ausforderungen sind.«

Während er so sprach, versuchte er seine Arme wieder um sie zu legen; aber sie entwand sich der Umarmung und fuhr im nämlichen Tone fester Entschiedenheit fort:

»Meine Kraft, Mylord, ist eben so groß, um mich in einem ehrenhaften Streite zu vertheidigen, als die Eurige sein kann, um mich in höchst unehrenhafter Absicht anzugreifen. Beschämt nicht Euch und mich, indem ihr es zum Kampfe kommen laßt. Ihr könnt mich durch Schläge betäuben oder Beistand rufen, um mich zu überwältigen; außerdem aber werdet Ihr Euern Zweck verfehlen.«

»Zu welchem Barbaren willst du mich machen?« sagte der Prinz. »Die Gewalt, die ich brauchen möchte, ist keine andere, als welche Frauen entschuldigt, wenn sie ihrer Schwachheit nachgeben.«

Er setzte sich in einiger Aufregung nieder.

»Dann bewahrt sie,« sagte Katharina, »für jene Frauen, die solch' eine Entschuldigung wünschen. Mein Widerstand ist der des entschlossensten Muthes, welcher je durch Ehrliebe und Furcht vor Schande eingeflößt ward. Ach, Mylord, könnt' es Euch gelingen, so würdet Ihr nur jedes Band zwischen mir und dem Leben zerreißen – zwischen Euch selbst und der Ehre. Ich wurde falsch hieher gelockt, durch welche List, weiß ich nicht; aber müßte ich entehrt von hier weggehen, so wär' es, um jedem Lande in Europa den Zerstörer meines Glückes anzuzeigen. Ich nähme den Wanderstab in die Hand, und wo nur die Ritterlichkeit geehrt würde, oder Schottlands Name gehört worden wäre, da würde ich den Erben von hundert Königen, den Sohn des gütigen Robert Stewart, den Nachkommen des Helden Bruce – einen falschen, treulosen Mann nennen, unwerth der Krone, die ihn erwartet, und der Sporen, die er trägt. Jede Dame im weiten Europa hielt' Euren Namen für zu schlecht für ihren Mund – jeder würdige Ritter hielt' Euch für einen verworfenen Elenden, der dem ersten Waffengelübde, dem Schutze der Frauen und der Vertheidigung des Schwachen, treulos geworden.«

Rothsay nahm seinen Sitz wieder ein und betrachtete sie mit einer Miene, worin Unwillen mit Bewunderung gemischt war. »Ihr vergeßt, zu wem Ihr sprecht, Mädchen. Wißt, die Auszeichnung, die ich Euch erwies, ist eine, wofür sich Hunderte, deren Schleppe Ihr zu tragen geboren seid, sich dankbar fühlen würden.«

»Noch einmal, Mylord,« begann Katharina wieder, »behaltet solche Gunst für Jene, welche sie schätzen, oder vielmehr bewahrt Eure Zeit und Gesundheit für andere und edlere Bestrebungen, – für die Vertheidigung Eures Vaterlandes und das Glück Eurer Unterthanen. Ach, Mylord! wie gern möchte ein jauchzendes Volk Euch zu seinem Oberherrn annehmen! – Wie freudig würden sie Euch umringen, zeigtet Ihr ihnen den Wunsch, sie zu führen gegen die Unterdrückung der Mächtigen, die Gewaltthat der Gesetzlosen und die Tyrannei der Heuchler.«

Der Herzog von Rothsay, dessen tugendhafte Gefühle eben so leicht erregt wurden, als sie schwanden, war gerührt durch die Begeisterung, mit welcher sie sprach. »Verzeih' mir, wenn ich dich beunruhigte, Mädchen,« sagte er; »du bist zu edelsinnig, um das Spielwerk flüchtiger Lust zu sein, wozu dich mein Irrthum bestimmte; und ich hätte Euch, wäre auch Eure Geburt Eures edlen Geistes und Eurer großen Schönheit würdig, ich hätte Euch kein Herz zu geben; und nur Huldigung des Herzens darf um ein Mädchen werben, wie du bist. Aber meine Hoffnungen sind verwelkt, Katharina – das einzige Mädchen, das ich liebte, wurde mir durch den Willen der Staatskunst entrissen und mir ein Weib aufgedrungen, die ich immer verabscheuen müßte, und besäße sie selbst die milde Sanftmuth, die allein ein Weib in meinen Augen liebenswürdig macht. Auch meine Gesundheit schwindet in der Jugend hin, und Alles, was mir übrig bleibt, ist, so viel Blumen zu pflücken, als ich auf meinem kurzen Wege zum Grabe erlangen kann. Sieh meine schwindsüchtige Wange – fühle, wenn du willst, meinen unterbrochenen Pulsschlag, und bemitleide und entschuldige mich, wenn ich, dessen Rechte als Fürst und Mensch man geraubt und mit Füßen getreten hat, oft gleichgiltig gegen die Rechte Anderer bin, und dem selbstsüchtigen Verlangen nachgebe, dem Wunsche eines flüchtigen Augenblicks zu genügen.«

»O, Mylord!« rief Katharina mit der Begeisterung, welche ihrem Charakter eigen war – »ich bitte Euch, mein theurer Herr – denn theuer muß der Erbe Bruce's jedem Kinde Schottlands sein – laßt mich Euch nicht solche Worte sprechen hören! Euer ruhmwürdiger Ahn trug Verbannung, Verfolgung, die Nacht des Hungers und den Tag des ungleichen Kampfes, um sein Vaterland zu befreien – übt die nämliche Selbstverläugnung, um Euch selbst frei zu machen. Entreißt Euch denen, die ihren Weg zur Größe durch Nährung Eurer Laster gebahnt finden. Mißtraut dem finstern Ramorny! Ihr kennt ihn nicht, das weiß ich! – Ihr könnt ihn nicht kennen. Aber der Elende, der die Tochter auf die Bahn der Schande drängen will, indem er das Leben des alten Vaters bedroht, ist alles Schlechten fähig – Alles fähig, was verräterisch ist!«

»That Ramorny dies?« sagte der Prinz.

»Er that es allerdings, Mylord, und er wagt nicht, es zu läugnen.«

»Es soll untersucht werden,« antwortete der Herzog von Rothsay; »ich habe aufgehört, ihn zu lieben; aber er hat meinetwillen viel gelitten, und ich muß sehen, daß seine Dienste ehrenvoll belohnt werden.«

»Seine Dienste! O, Mylord, wenn Chroniken wahr sprechen, so legten solche Dienste Troja in Trümmer und gaben Spanien den Ungläubigen in die Hände.«

»Still, Mädchen; sprich mit Mäßigung, ich bitte dich,« sagte der Prinz, aufstehend; »unser Gespräch endigt hier.«

»Noch ein Wort, Mylord, Herzog von Rothsay,« sagte Katharina mit Lebhaftigkeit, während ihr schönes Gesicht dem eines warnenden Engels glich – »ich kann nicht sagen, was mich antreibt, so kühn zu sprechen, aber das Feuer brennt in mir und will herausbrechen. Verlaßt dies Schloß ohne eine Stunde zu zögern! Die Luft ist ungesund für Euch. Entlaßt diesen Ramorny, bevor der Tag zehn Minuten älter ist! Seine Gesellschaft ist höchst gefährlich.«

»Welchen Grund habt Ihr, dies zu sagen?«

»Keinen besonderen,« sagte Katharina, über ihren eigenen Eifer betroffen, – »keinen vielleicht, außer meine Besorgniß für Eure Sicherheit.«

»Auf leere Besorgniß darf der Erbe von Bruce nicht achten. Wie, heda! wer wartet draußen?«

Ramorny trat ein und verbeugte sich tief vor dem Herzog und dem Mädchen, die er wahrscheinlich zur Stelle einer Lieblingssultanin bestimmt glaubte, und folglich zu höflicher Aufwartung berechtigt.

»Ramorny,« sagte der Prinz, »ist unter der Dienerschaft irgend eine anständige Frau, welche tauglich ist, dieser Jungfrau aufzuwarten, bis wir sie hinsenden können, wohin sie zu gehen wünscht?«

»Ich fürchte,« antwortete Ramorny, »wenn es Eurer Hoheit nicht mißfällt, die Wahrheit zu hören, daß Euer Haushalt in dieser Hinsicht schlecht versehen ist; und um die Wahrheit zu sagen, die Sängerin ist die Anständigste unter uns.«

»Also laßt sie diesem jungen Mädchen aufwarten, da keine Bessere vorhanden ist. – Habe Geduld, Mädchen, auf einige Stunden.«

Katharina entfernte sich.

»Wie, Mylord, – scheidet Ihr so bald von dem schönen Mädchen von Perth? Das ist, in der That, der Uebermuth des Sieges.«

»Hier ist weder von Sieg noch von Niederlage die Rede,« erwiderte der Prinz trocken. »Das Mädchen liebt mich nicht; auch liebe ich sie nicht genug, um mich hinsichtlich ihrer Bedenklichkeiten zu quälen.«

»Der keusche jungfräuliche Malcolm lebt in einem seiner Nachkommen wieder auf!« sagte Ramorny.

»Begünstigt mich, Sir, mit einem Stillstand Eures Witzes, oder mit einem andern Gegenstand für denselben. Es ist Mittag, glaub' ich, und Ihr werdet mich verbinden, wenn Ihr die Mahlzeit auftragen laßt.«

Ramorny verließ das Zimmer, aber Rothsay glaubte ein Lächeln auf seinem Gesichte zu entdecken, und der Gegenstand für den Spott dieses Mannes zu sein, machte ihm nicht geringe Pein. Er rief indeß den Ritter zu seiner Tafel und erwies selbst Dwining dieselbe Ehre. Die Unterhaltung war lebendigen und muntern Charakters, ein Ton, den der Prinz förderte, als wollte er dadurch seine sittliche Strenge an diesem Morgen gut machen, die Ramorny, welcher in alten Geschichten belesen war, die Kühnheit hatte, mit der Enthaltsamkeit Scipio's zu vergleichen.

Die Mahlzeit wurde, trotz des Herzogs schwankender Gesundheit, übermüthiger Weise weit über die Grenzen der Mäßigung hinausgezogen; und, geschah es nun blos wegen der Stärke des Weines, den er trank, oder wegen seiner schwachen Constitution, oder auch, was am wahrscheinlichsten ist, weil der letzte Wein, den er genoß, von Dwining eine Beimischung erhielt, kurz, der Prinz fiel zuletzt in einen tiefen Schlaf, aus dem ihn zu wecken unmöglich schien. Sir John Ramorny und Dwining trugen ihn in sein Gemach, ohne fremde Hilfe, außer von einer dritten Person, die wir später nennen werden.

Am nächsten Morgen ward verkündigt, der Prinz sei von einer ansteckenden Krankheit ergriffen, und um zu verhüten, daß sich dieselbe unter die Dienerschaft verbreite, ward Niemandem gestattet, ihm aufzuwarten, außer seinem ehemaligen Stallmeister, dem Arzt Dwining und dem bereits erwähnten Diener; Einer von ihnen schien stets in dem Zimmer zu bleiben, während die Andern eine gewisse Vorsicht hinsichtlich ihrer Gespräche mit den übrigen Hausgenossen beobachteten, und zwar so streng, daß sie den Glauben aufrecht hielten, er liege gefährlich an einer ansteckenden Krankheit darnieder.


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