Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Vierzehntes Kapitel.

Wollt Ihr geh'n in's Hochland, Lizzy Lyndesay,
    Geht Ihr mit mir in's Hochland fort?
Wollt Ihr geh'n in's Hochland, Lizzy Lyndesay,
    Meine liebe Braut zu sein dort?
                      Alte Ballade.

Ein früheres Kapitel begann mit der königlichen Beichte; wir wollen nun dem Leser eine ähnliche Situation vorführen, obwohl Schauplatz und Personen ganz anderer Art waren. Statt eines dunklen gothischen Klostergemachs liegt eine der schönsten Aussichten in Schottland am Fuße des Berges Kinoul vor uns gebreitet, und unter einem Felsen, der die Aussicht nach jeder Richtung beherrscht, saß das schöne Mädchen von Perth, mit der Miene andächtiger Aufmerksamkeit den Lehren eines Karthäusermönchs in seinem weißen Gewande und Scapulier lauschend, welcher seine Rede mit einem Gebet schloß, in welches seine Schülerin andächtig einstimmte.

Als sie ihre Andacht beendigt hatten, blieb der Priester eine Zeitlang sitzen, die Augen auf den herrlichen Anblick geheftet, dessen Schönheiten selbst die frühe und rauhe Jahreszeit nicht beeinträchtigte, und so währte es einige Zeit, eh' er seine aufmerksame Gefährtin anredete.

»Wenn ich,« sagte er endlich, »das reiche und mannigfache Land betrachte, mit seinen Schlössern, Klöstern, Kirchen, stattlichen Palästen, fruchtbaren Feldern, ausgedehnten Wäldern, und dem herrlichen Strome, so weiß ich nicht, meine Tochter, ob ich mehr die Güte Gottes, oder die Undankbarkeit der Menschen bewundern soll. Er hat uns die Schönheit und Fruchtbarkeit der Erde gegeben, und wir haben den Schauplatz seiner Güte zu einem Beinhaus und Schlachtfeld gemacht. Er hat uns Macht über die Elemente gegeben und Geschick, Häuser zur Bequemlichkeit und zum Schutz zu errichten, und wir haben sie in Höhlen für Räuber und Mörder verwandelt.«

»Aber sicherlich, Vater, ist auch Raum für die Ruhe,« erwiderte Katharina, »selbst in der herrlichen Gegend, die wir vor uns sehen. Jene vier schönen Klöster, mit ihren Kirchen und ihren Thürmen, welche die Bürger mit eherner Stimme rufen, daß sie ihrer religiösen Pflicht gedenken; – ihre Bewohner, die sich von der Welt abschieden, von weltlichen Bestrebungen und Freuden, um sich dem Dienste des Himmels zu weihen, – Alles bezeugt, daß, wenn Schottland ein blutiges und sündiges Land ist, es doch eingedenk der Pflichten ist, welche die Religion von dem Menschen erfüllt sehen will.«

»Freilich, Tochter,« antwortete der Priester, »was du sagst, scheint Wahrheit; und doch wird, in der Nähe betrachtet, auch viel der von dir beschriebenen Ruhe als trügerisch erfunden werden. Es ist wahr, es gab eine Zeit in der christlichen Welt, wo gute Menschen, die sich selbst durch das Werk ihrer Hände erhielten, sich versammelten, nicht um gemächlich zu leben oder sanft zu schlafen, sondern um einander im christlichen Glauben zu stärken und sich zu Lehrern des Wortes für das Volk zu bilden. Ohne Zweifel finden sich immer noch solche in den heiligen Gebäuden, die wir jetzt sehen. Aber es ist zu fürchten, daß die Liebe Vieler erkaltet ist. Unsere Geistlichen sind reich geworden, sowohl durch Geschenke frommer Personen, als durch Bestechungen, welche schlechte Menschen in ihrer Unwissenheit gaben, in dem Wahne, sie könnten die Verzeihung durch Schenkungen an die Kirche erkaufen, während sie doch der Himmel nur wahren Reuigen bietet. Und so, wie die Kirche reich ward, wurden zum Unglück ihre Lehren dunkel und unklar, wie man ein Licht minder sieht, wenn es auf einer goldumflochtenen Leuchte steckt, als wenn man es durch ein einfaches Glas schimmern sieht. Gott weiß es, wenn ich diese Dinge betrachte und tadle, so ist es nicht Folge des Verlangens nach Absonderung oder weil ich gern ein Lehrer in Israel werden möchte; sondern weil die Gluth in meinem Busen brennt, und nicht dulden will, daß ich schweige. Ich gehorche den Regeln meines Ordens und entziehe mich selbst seinen strengen Vorschriften nicht. Mögen sie wesentlich zu unserm Heil oder bloße Formeln sein, angenommen, um den Mangel wahrer Buße und aufrichtiger Andacht zu ersetzen, ich habe doch versprochen, ja gelobt, sie zu beobachten; und sie werden von mir um so mehr geachtet werden, weil ich sonst der Rücksicht auf mein irdisches Behagen beschuldigt werden könnte, da doch der Himmel mein Zeuge ist, wie gering ich achte, was ich zu thun oder zu dulden berufen werde, wenn die Reinheit der Kirche nur hergestellt oder die Zucht der Priesterschaft wieder in ursprünglicher Einfachheit eingeführt würde.«

»Aber, mein Vater,« sagte Katharina, »eben dieser Meinungen wegen nennen Euch die Menschen einen Lollhard und Wicklesiten und sagen, es sei Euer Wunsch, Kirchen und Klöster zu zerstören und die Religion des Heidenthums herzustellen.«

»Eben darum, meine Tochter, bin ich genöthigt, Zuflucht in Bergen und Felsen zu suchen, und muß mich gegenwärtig begnügen, unter den rauhen Hochländern zu leben, die in dem Grade dem Stande der Gnade näher sind, denn Jene, die ich verließ, als ihre Verbrechen der Unwissenheit und nicht der Ueberhebung entspringen. Ich werde nicht unterlassen, die Mittel zu suchen, ihrer Grausamkeit zu entgehen, die mir der Himmel bieten wird; denn so lange dieselben sich finden, werd' ich es für ein Zeichen nehmen, daß ich noch eine Pflicht zu erfüllen habe. Aber wenn es meines Herrn Wille ist, so weiß Er, wie gern Clemens Blair ein elendes Leben auf Erden niederlegen wird, in demüthiger Hoffnung auf einen glücklichen Wechsel im Jenseits. – Aber warum blickst du so ängstlich nach Norden, mein Kind? – deine jungen Augen sind schärfer als die meinen – siehst du Jemand kommen?«

»Ich sehe, Vater, nach dem hochländischen Jünglinge Conachar, der dein Führer nach den Bergen sein wird, wo sein Vater dir einen sichern, wenn auch rauhen Aufenthalt gewähren kann. Dies hat er oft versprochen, wenn wir von Euch und Euren Lehren sprachen – ich fürchte, er ist jetzt in Gesellschaft, wo er sie bald vergessen wird.«

»Der Jüngling hat Funken der Gnade in sich,« sagte Vater Clemens; »obwohl die Leute seines Stammes meist zu sehr ihren wilden und trotzigen Sitten ergeben sind, um mit Geduld die Beschränkungen der Religion oder gesellschaftlicher Gesetze zu ertragen. – Du hast mir nie erzählt, Tochter, wie dieser Jüngling, allen Gewohnheiten der Stadt wie der Berge entgegen, in deines Vaters Hause einen Aufenthalt fand?«

»Alles, was ich über diese Angelegenheit weiß,« sagte Katharina, »ist, daß sein Vater ein Mann von Ansehen unter jenen Bergbewohnern ist, und daß er als eine Gunst von meinem Vater, der in seinem Geschäft mit ihnen zu thun hatte, verlangte, diesen Jüngling eine Zeitlang bei sich zu behalten, und es sind nur zwei Tage vergangen, seit sie sich trennten, als Conachar nach seinen Bergen heimkehrte.«

»Und warum hat meine Tochter,« forschte der Priester, »solch' eine Verbindung mit diesem Hochlandsjüngling unterhalten, daß sie zu ihm zu schicken wußte, wenn sie seinen Dienst für mich wünschte? Gewiß, es ist viel Einfluß für ein Mädchen über einen solchen wilden Bergbewohner.«

Katharina erröthete und antwortete zögernd: »Wenn ich irgend Einfluß auf Conachar hatte, so ist der Himmel mein Zeuge, daß ich ihn blos nützte, um sein trotziges Gemüth mit den Regeln bürgerlichen Lebens zu befreunden. Es ist wahr, ich habe lange erwartet, daß Ihr, mein Vater, zur Flucht genöthigt sein würdet, und daher hatt' ich mit ihm verabredet, daß er mich an dieser Stelle treffen sollte, sobald er einen Boten mit einem Zeichen von mir erhielte, den ich gestern abgefertigt habe. Der Bote war ein behender Jüngling seines Clans, den er bisweilen brauchte, um Aufträge nach den Hochlanden zu senden.«

»Und soll ich demnach glauben, meine Tochter, daß dieser Jüngling, der so schön von Gestalt, dir nur insofern werth war, als du wünschtest, sein Gemüth zu erleuchten und seine Sitten zu bilden?«

»So ist es, mein Vater, und nicht anders,« antwortete Katharina; »und vielleicht war es nicht gut, so vertraulich mit ihm zu sein, selbst zu seinem Unterricht und zu seiner Besserung. Aber weiter erstreckte sich unser Umgang nie.«

»Dann hab' ich mich geirrt, meine Tochter, denn ich glaubte neuerdings an dir einen Wechsel deines Vorsatzes und einige verlangende Blicke auf diese Welt bemerkt zu haben, die du einst zu verlassen entschlossen warst.«

Katharina senkte das Haupt und erröthete tiefer denn je, während sie sagte: »Ihr selbst, Vater, pflegtet mir die Annahme des Schleiers zu widerrathen.«

»Auch billige ich sie jetzt noch nicht, mein Kind,« sagte der Priester. »Die Ehe ist ein ehrbarer Stand, bestimmt vom Himmel als geziemendes Mittel zur Fortpflanzung des Menschengeschlechts; und ich las nie in der heiligen Schrift, was Menschensatzungen seitdem geltend machten in Betreff der höhern Würde des ehelosen Standes. Aber ich bin eifersüchtig auf dich, mein Kind, wie ein Vater auf seine einzige Tochter, damit du dich nicht einem deiner Unwürdigen hingibst. Ich weiß, daß dein Vater, minder schwierig, als ich es deinetwegen sein würde, die Bewerbungen des tapfern und muthigen Tollkopfs, den sie Harry vom Wynd nennen, billigt. Er ist reich, das mag sein, aber er liebt eitle und wüste Gesellschaft – ist ein gemeiner Klopffechter, der Menschenblut wie Wasser vergossen hat. Kann ein solcher ein passender Gefährte für Katharina Glover sein? – und doch sagt das Gerücht, daß sie bald verbunden werden würden.«

Das Gesicht des schönen Mädchens von Perth ward bald blaß, bald roth, während sie hastig erwiderte: »Ich denke nicht an ihn; zwar ist es wahr, daß jüngst einige Artigkeiten unter uns stattgefunden haben, theils, weil er meines Vaters Freund und dann, weil er, der Sitte der Zeit gemäß, mein Valentin ist.«

»Dein Valentin, mein Kind?« sagte Vater Clemens. »Und kann deine Sittlichkeit und Klugheit so sehr mit dem Zartgefühl deines Geschlechts Scherz treiben, daß du dich in eine solche Beziehung mit einem solchen Manne, wie dieser Handwerker, stelltest? – Meinst du, daß dieser Valentin, ein frommer Heiliger und christlicher Bischof, der er gewesen sein soll, je eine thörichte und unziemliche Sitte erfand, die ihren Ursprung wahrscheinlich in der heidnischen Verehrung der Flora und Venus hat, als die Sterblichen ihren Leidenschaften göttliche Namen gaben und sie zu üben statt zu bezwingen strebten?«

»Vater,« sagte Katharina in einem unzufriedenern Tone, als sie je gegen den Karthäuser angenommen, »ich weiß nicht, warum Ihr mich so hart wegen Beobachtung eines allgemeinen Brauchs tadelt, den die Sitte gestattet und meines Vaters Erlaubniß billigt? Es scheint mir nicht freundlich, daß Ihr mich so herabsetzt.«

»Vergib mir, Tochter,« antwortete der Priester sanft, »wenn ich dich beleidigte. Aber dieser Harry Gow oder Schmied ist ein wilder, zügelloser Mann, dem Ihr keinen außergewöhnlichen Grad von Vertrauen und Aufmunterung gewähren könnt, ohne Euch noch schlimmerer Verurtheilung auszusetzen, – es müßte denn allerdings Eure Absicht sein, ihn zu heirathen, und zwar recht bald.«

»Sprecht nicht mehr davon, mein Vater,« sagte Katharina. »Ihr martert mich mehr, als Ihr es wünschen könnt; und ich könnte gereizt werden, anders zu antworten, als mir ziemt. Vielleicht hab' ich bereits Grund genug gehabt, zu bereuen, daß ich eine eitle Sitte beobachtete. Jedenfalls glaubt, daß mir Harry Schmied nichts gilt; und daß selbst der unbedeutende Umgang, der vom Valentinstag herrührte, völlig abgebrochen ist.«

»Es freut mich, das zu hören, meine Tochter,« erwiderte der Karthäuser; »ich muß nun über etwas Anderes mit dir sprechen, was mich noch besorgter deinetwegen macht. Du kannst nicht unbekannt damit sein, obwohl ich wünschte, es wäre unnöthig, von einer so gefährlichen Sache zu reden, selbst unter diesen Felsen, Klippen und Steinen. Aber es muß gesagt sein. – Katharina, du hast einen Liebhaber unter Schottlands vornehmsten Söhnen?«

»Ich weiß es, Vater,« antwortete Katharina ruhig. »Ich wollte, es wäre nicht so.«

»Das wollt' auch ich,« sagte der Priester, »wenn ich in meiner Tochter nur das Kind der Thorheit sähe, wie die meisten Mädchen ihres Alters sind, zumal wenn sie das schlimme Geschenk der Schönheit besitzen. Da aber deine Reize, um mich des Ausdrucks einer eiteln Welt zu bedienen, einen Liebhaber so hohen Ranges an dich fesselten, so weiß ich, daß deine Tugend und Klugheit den Einfluß über des Prinzen Gemüth, den deine Schönheit gewann, behaupten werden.«

»Vater,« erwiderte Katharina, »der Prinz ist ein zügelloser Liebhaber, dessen Liebe nur meine Schmach und mein Verderben beabsichtigt. Könnt Ihr, der Ihr so erschrocken schient über die Unvorsichtigkeit, womit ich die Bewerbungen eines Mannes annahm, dessen Rang dem meinigen gleich ist, jetzt mit Billigung von der anstößigen Leidenschaft sprechen, die der Thronerbe Schottlands für mich zu erklären wagt, da Ihr doch wißt, daß er vor zwei Nächten in Begleitung der Genossen seiner Ausschweifung mich aus dem Hause meines Vaters entführt hätte, wäre ich nicht durch den kühnen Harry Schmied gerettet worden, der, wenn auch allzu gereizt, der Gefahr bei der leichtesten Gelegenheit zu trotzen, doch auch immer bereit ist, sein Leben zum Schutze der Unschuld oder zum Widerstand gegen Unterdrückung zu wagen! Es ist meine Pflicht, ihm diese Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«

»Ich muß wohl Etwas von der Sache wissen,« sagte der Mönch, »da meine Stimme es war, die ihn Euch zu Hilfe sandte. Ich hatte die Gesellschaft gesehen, als ich an Eurer Thür vorüber ging, und eilte, die bürgerliche Macht zum Beistand zu rufen, als ich eine Gestalt langsam mir entgegenkommen sah. Aus Furcht, es möchte dies ein Hinterhalt sein, verbarg ich mich hinter einem der Kirchenpfeiler von St. Johann und erkannte, als ich aufmerksamer hinsah, Harry Schmied. Es war mir leicht zu errathen, wohin er ging, und ich sagte ihm, was ich gesehen hatte, auf eine Art, die seine Eile verdoppelte.«

»Ich bin Euch verpflichtet, Vater,« sagte Katharina; »aber Alles dies und des Herzogs von Rothsay eigene Sprache gegen mich zeigt nur, daß der Prinz ein liederlicher junger Mann ist, der das Aeußerste nicht scheuen wird, was eine müßige Leidenschaft zu befriedigen verspricht, sei es auch auf Kosten des unglücklichen Gegenstandes. Sein Abgesandter Ramorny hatte sogar die Unverschämtheit, mir zu sagen, mein Vater würde zuerst dabei leiden, wenn ich lieber die Gattin eines ehrlichen Mannes, als die unwürdige Buhlerin eines vermählten Fürsten würde. Ich sehe kein anderes Mittel, als den Schleier zu nehmen, oder meinen und meines Vaters Untergang zu wagen. Selbst wenn keine andern Gründe vorhanden wären, würde der Schrecken, den mir die Drohungen eines unglücklicherweise zum Halten seines Wortes so fähigen Menschen einflößen, hinreichend sein, um zu hindern, daß ich die Gattin eines ehrlichen Mannes werde; denn damit würd' ich nur seinem Mörder die Thür öffnen. O, guter Vater, welch' ein Loos! und welches Unglück werd' ich wahrscheinlich meinem liebreichen Vater bereiten, wie Jedem, mit dem ich mein unglückliches Schicksal theilen könnte!«

»Sei guten Muthes, meine Tochter,« sagte der Mönch; »es gibt Trost für dich auch auf dem äußersten Gipfel dieses anscheinenden Unglücks. Ramorny ist ein Schurke und mißbraucht das Ohr seines Herrn; der Prinz ist zwar zerstreut und leichtsinnig, aber wenn mein graues Haar nicht getäuscht wird, so wird sich sein Charakter bald ändern. Man hat ihm die Niederträchtigkeit seines Günstlings gezeigt, und er bereut sehr, dessen schlechten Rathschlägen gefolgt zu sein. Ich glaube, oder ich bin vielmehr überzeugt, daß seine Leidenschaft für Euch reiner und edler werden wird, und daß die Lehre, die er von mir über die Verderbniß der Kirche und der Zeit erhalten hat, in sein Herz dringen und Früchte darin erzeugen soll, worüber die Welt staunen und sich freuen wird; wofern nur dein Mund ihm die nämlichen Lehren wiederholt. Alte Prophezeihungen sagen, daß Rom durch die Rede eines Weibes fallen soll.«

»Das sind Träume, Vater,« sagte Katharina; »die Traumgebilde eines Mannes, dessen Gedanken zu viel bei bessern Gegenständen weilen, als daß er über die gemeinen Angelegenheiten der Erde richtig urtheilen könnte. Wenn wir lange in die Sonne gesehen haben, so kann uns alles Andere nur undeutlich erscheinen.«

»Du bist zu vorschnell, meine Tochter,« sagte Clemens, »und ich will dich davon überzeugen. Die Aussichten, die ich dir eröffnen will, würden sich nicht für ein Gemüth ziemen, welches geringern Sinn für Tugend oder mehr Ehrgeiz besäße. Vielleicht ist es selbst unpassend, sie vor dir zu entfalten; aber mein Vertrauen auf deine Klugheit und deine Grundsätze ist stark. Wisse denn, daß es sehr wahrscheinlich ist, die Kirche von Rom werde das Bündniß lösen, das sie selbst schuf, und die Ehe des Herzogs von Rothsay mit Marjory Douglas aufheben.«

Hier hielt er inne.

»Und wenn die Kirche Macht und Willen hat, dies zu thun,« erwiderte das Mädchen, »welchen Einfluß kann die Scheidung des Herzogs von seinem Weibe auf das Geschick der Katharina Glover haben?«

Sie blickte den Priester bei diesen Worten ängstlich an und es machte ihm, wie es schien, einige Mühe, seine Antwort zu finden, denn er blickte zu Boden, während er ihr erwiderte:

»Was that Schönheit für Katharina Logie? wenn uns unsere Väter nicht falsch berichtet haben, so ließ sie sie den Thron David Bruce's theilen.«

»Lebte sie glücklich, oder starb sie betrauert, guter Vater?« fragte Katharina in demselben ruhigen und festen Tone.

»Sie brachte ihr Bündniß aus weltlichem und vielleicht sündlichem Ehrgeiz zu Stande,« erwiderte Vater Clemens; »und sie fand ihren Lohn in Eitelkeit und Unruhe des Geistes. Hätte sie aber in der Absicht geheirathet, daß das gläubige Weib den ungläubigen Gemahl bekehren oder den Zweifelnden stärken solle, was wäre dann ihr Lohn gewesen? Liebe und Ehre auf Erden und ein Erbtheil im Himmel bei Königin Margaretha und den Heldinnen, welche die Pflegemütter der Kirche waren.«

Bisher hatte Katharina auf einem Steine zu den Füßen des Priesters gesessen, und sie blickte dabei zu ihm empor, wenn sie hörte oder redete; jetzt aber, als wäre sie durch das Gefühl einer zwar ruhigen aber bestimmten Mißbilligung begeistert, stand sie auf, und die Hand gegen den Mönch ausstreckend, während sie sprach, redete sie ihn mit einer Miene und einem Tone an, die einem Cherub hätten gehören können, der so schonend als möglich die Gefühle des Sterblichen beklagt, dessen Irrthümer er tadeln soll:

»Und ist es wirklich so?« sagte sie, »und kann so viel von den Wünschen, Hoffnungen und Vorurtheilen der elenden Welt ihn beschäftigen, der vielleicht morgen berufen wird, sein Leben zu beschließen dafür, daß er sich der Verderbniß einer entarteten Zeit und gesunkenen Priesterschaft widersetzte? Ist es der tugendhafte, der strenge Vater Clemens, der seinem Kinde räth, nach einem Throne und einem Bette zu streben, die nur durch eine niedrige Ungerechtigkeit gegen die frei werden können, die sie bereits besitzt? Ist es der weise Reformator der Kirche, der seine Plane auf so vergängliche Grundlagen stützt? Seit wann, guter Vater, hat der leichtsinnige Prinz sein Betragen geändert und den Wunsch ausgesprochen, um die Tochter eines Handwerkers von Perth ehrlich zu werben? Zwei Tage müssen diese Veränderung hervorgebracht haben; denn kaum ist dieser kurze Zeitraum verflossen, seit er meines Vaters Haus mitten in der Nacht, und in ärgerer Absicht als ein elender Räuber, angriff. Und glaubt Ihr, wenn auch Rothsay's Herz ihn an eine seiner Geburt so wenig würdige Heirath denken ließe, glaubt Ihr, er könnte sie durchsetzen, ohne zugleich seinen Thron und sein Leben zu wagen, wenn er damit zugleich das Haus des Grafen von March und das von Douglas beleidigte? O, Vater Clemens, wo waren Eure Grundsätze, wo Eure Klugheit, als sie duldeten, daß Ihr Euch zu so seltsamem Traume verirrtet, und dem geringsten Eurer Schüler das Recht gabt, Euch so zu tadeln?«

Des alten Mannes Augen füllten sich mit Thränen, als Katharina, sichtbar schmerzlich bewegt durch das, was sie gesagt, endlich schwieg.

»Durch den Mund der Kinder und Säuglinge,« sagte er, »hat der Herr die getadelt, die für Weise zu ihrer Zeit galten. Ich danke dem Himmel, daß er mich bessere Gedanken gelehrt hat, als mir meine Eitelkeit eingab, und zwar durch die Stimme einer freundlichen Ermahnerin. – Ja, Katharina, ich darf mich künftig nicht wundern, wenn ich die, die ich schon so streng richtete, um weltliche Macht kämpfen und zugleich die Sprache eines geistlichen Eifers führen sehe. Ich danke dir, Tochter, für deine heilsame Mahnung, und dem Himmel, daß er sie durch deine Lippen, und nicht durch die eines strengeren Richters sendete.«

Katharina hatte ihr Haupt erhoben, um zu antworten, und bat den alten Mann, dessen Demüthigung sie schmerzte, sich zu trösten, als ihre Augen auf einem Gegenstand in ihrer Nähe haften blieben. Unter den Felsstücken, die den einsamen Ort umgaben, lagen zwei einander so nahe, daß sie einst ein einziger Stein gewesen und durch heftigen Sturm oder Erdbeben getrennt worden zu sein schienen. Zwischen ihnen sah man eine etwa vier Fuß breite Oeffnung unter Steinmassen. Eine Eiche wuchs aus dieser hervor und zeigte so phantastische Gestalten, als die Pflanzenwelt nur hervorzubringen vermag. Die Wurzeln hatten sich in tausend verschiedenen Richtungen hervorgedrängt und suchten in den Felsenspalten die nöthige Nahrung; ihre ungleichen Windungen boten denselben Anblick dar, wie die ungeheuren Schlangen des indischen Inselmeeres. In dem Augenblick, als Katharinens Blicke auf dieses seltsame Gewirr von Zweigen und Wurzeln fielen, bemerkte sie plötzlich zwei Augen, so funkelnd, wie die eines wilden Thieres. Sie schauderte zusammen und zeigte den Gegenstand mit dem Finger ihrem Gefährten, ohne zu sprechen. Als sie aufmerksam hinsah, entdeckte sie einen buschigen Bart und rothes Haar, die vorher hinter dem Gestrüpp versteckt gewesen.

Als er sich beobachtet sah, trat der Hochländer, denn ein solcher war es, aus seinem Schlupfwinkel hervor. Es war ein Mann von riesigem Wuchs, gehüllt in einen roth, grün und violett gewürfelten Plaid, worunter er eine Jacke von Büffelhaut trug. Bogen und Pfeile hingen über die Schultern, sein Haupt war unbedeckt, welchem ein buschiges Haar, dessen verworrene Locken den Flechten der Irländer glichen, statt der Mütze diente. Am Gürtel hing Schwert und Dolch, und in der Hand trug er eine dänische Streitaxt, die in neuerer Zeit Lochaberaxt genannt ward. Ihm folgten aus dem natürlichen Thore nach einander noch vier Männer, von ähnlicher Gestalt und auf gleiche Weise gekleidet und bewaffnet.

Katharina war zu sehr an den Anblick der Bergbewohner in solcher Nähe von Perth gewöhnt, als daß sie Unruhe hätte empfinden können, wie es bei einem andern Mädchen der Ebene bei solcher Gelegenheit hätte der Fall sein müssen. Sie sah mit ziemlicher Ruhe diese riesigen Gestalten einen Halbkreis um sie und den Mönch schließen; sie hefteten ihre großen Augen auf sie, welche, wie sie vermuthete, eine wilde Bewunderung ihrer Schönheit ausdrückten. Sie begrüßte die Männer mit leichtem Kopfnicken und sprach unvollkommen die gewöhnlichen Begrüßungsworte der Hochländer aus. Der Aelteste, der die Schaar führte, beantwortete den Gruß und wurde darauf still und unbeweglich. Der Mönch nahm seinen Rosenkranz und auch Katharina fühlte einen eigenen Schauder um ihrer persönlichen Sicherheit willen, und trat, um sogleich zu wissen, ob sie und der Mönch den Ort frei verlassen dürften, vor, als wollte sie den Berg hinabsteigen. Als sie aber durch die Linie gehen wollte, die die Bergbewohner gezogen hatten, streckte jeder seine Streitaxt aus und füllte den Raum, durch den sie gehen konnte.

Ein wenig betroffen, aber nicht erschreckt, denn sie konnte nicht denken, daß etwas Schlimmes beabsichtigt werde, setzte sie sich auf eines der zerstreuten Felsstücke, und bat den neben ihr stehenden Mönch, guten Muthes zu sein.

»Wenn ich fürchte,« sagte der Vater Clemens, »ist es nicht für mich selbst; denn ob ich von den Aexten dieser wilden Menschen erschlagen werde, wie ein Stier, der, zur Arbeit nicht mehr tüchtig, zum Schlachten verurtheilt wird, oder ob sie mich mit ihren Bogensehnen binden und denen überliefern, die mir das Leben mit umständlicherer Grausamkeit nehmen, kann mich wenig kümmern, wenn sie nur dich, theuerstes Kind, unverletzt entkommen lassen.«

»Wir haben,« erwiderte das Mädchen von Perth, »durchaus nichts Uebels für uns zu fürchten, und hier kommt Conachar, uns dessen zu versichern.«

Doch während sie dies sagte, traute sie fast ihren Augen nicht, so verändert war Benehmen und Aufzug des hübschen, stattlichen und fast prächtig gekleideten Jünglings, der, gleich einem Rehbock, von einer beträchtlichen Felshöhe niederspringend, so eben vor Katharinen erschien. Seine Kleidung war von demselben Stoffe, wie die der andern Hochländer, von denen wir soeben sprachen, aber am Hals und den Ellbogen durch ein Halsband und Armringe von Gold befestigt. Sein Harnisch war glänzend wie Silber polirt, die Arme mit Schmuck beladen, die Mütze, außer der Adlerfeder, die den Häuptling bezeichnete, mit einer goldenen Kette geschmückt, die mehrmals um sie herumlief und an einer mit Perlen besetzten Agraffe befestigt war. Die Schnalle, die den Tartanmantel oder Plaid, wie man es jetzt nennt, über der Schulter festhielt, war aus Gold künstlich gearbeitet. Er hatte keine andern Waffen, als einen kleinen, tannenen Stab mit zurückgebogener Spitze in der Hand. Sein Gang und Benehmen, sonst Mißmuth und Kummer ausdrückend, den ihm seine Erniedrigung machte, zeigte jetzt seine Kühnheit, seine Anmaßung und seinen Stolz. Er blieb mit einem selbstgenügsamen Lächeln vor Katharinen stehen, als wär' er sich seines verbesserten Aeußern wohlbewußt, und wartete, bis sie ihn erkennen würde.

»Conachar,« sagte Katharina, die diesen Zustand zu unterbrechen wünschte, »sind das deines Vaters Leute?«

»Nein, schöne Katharina,« erwiderte der junge Mann; »Conachar ist nicht mehr, außer in Hinsicht des Unrechts, das er erfuhr, und der Rache, die es erheischt. Ich bin Jan Eachin Mac Jan, Sohn des Häuptlings des Clans Quhele. Ich habe meine Federn, wie Ihr seht, mit meinem Namen getauscht. Und diese Leute sind nicht meines Vaters Gefolge, sondern das meine. Ihr seht sie nur zur Hälfte versammelt; es ist eine Schaar, die aus meinem Pflegevater und acht Söhnen besteht; meine Leibwache und die Kinder meines Gürtels, die nur athmen, um meinen Willen zu vollziehen. Aber Conachar,« fügte er mit milderer Stimme hinzu, »lebt wieder, sobald Katharina ihn zu sehen wünscht; er ist in den Augen aller Andern der junge Häuptling des Clans Quhele, aber bei ihr so demüthig und unterwürfig, als da er Simon Glovers Lehrling war. Seht, dies ist der Stab, den ich von Euch an dem Tage erhielt, als wir zusammen an den sonnigen Abhängen von Lednoch Haselnüsse suchen gingen, als der Herbst jung war in dem verflossenen Jahre. Ich würde ihn, Katharina, nicht für den Befehlshaberstab meines Stammes hingeben.«

Während Eachin so sprach, überlegte Katharina im Stillen, ob sie nicht unvorsichtig gehandelt habe, den Beistand eines kühnen jungen Mannes zu suchen, der ohne Zweifel stolz war, durch seine plötzliche Erhebung aus einem knechtischen Zustande zu einem solchen, der, wie sie überzeugt war, ihm einen ausgedehnten Einfluß über die gesetzlose Menge seiner Anhänger gab.

»Ihr fürchtet Euch doch nicht vor mir, schöne Katharina?« sagte der junge Häuptling, ihre Hand ergreifend. »Ich ließ meine Leute hier einige Minuten vor mir erscheinen, um zu sehen, wie Ihr deren Anwesenheit ertragen könntet; und mich dünkt, Ihr betrachtet sie, als wäret Ihr zu eines Häuptlings Gemahlin geboren.«

»Ich habe keinen Grund, Beleidigungen von Hochländern zu fürchten,« sagte Katharina fest; »besonders weil ich dachte, Conachar sei bei ihnen. Conachar hat aus unserm Becher getrunken und von unserm Brod gegessen; und mein Vater hat oft mit den Hochländern gehandelt, und nie fand Beleidigung und Zwist zwischen ihm und ihnen statt.«

»Nicht?« erwiderte Hektor, denn so lautet Eachin in unserer Sprache, »wie! niemals, als er die Partei des Gow Chrom (krummbeinigen Schmieds) nahm gegen Eachin Mac Jan? – Sagt nichts, dies zu entschuldigen, und glaubt, es wird Eure eigene Schuld sein, wenn ich je wieder darauf anspiele. Aber Ihr wollt mir einen Befehl geben – sprecht, und es soll Euch gehorcht werden.«

Katharina beeilte sich zu antworten; denn es war Etwas in des jungen Mannes Benehmen und Sprache, was sie eine Abkürzung der Unterredung wünschen ließ.

»Eachin,« sagte sie, »da Conachar nicht mehr Euer Name ist, Ihr solltet merken, daß ich, als ich einen Dienst erbat, mich an meines Gleichen zu wenden glaubte, und nicht ahnte, daß ich eine Person von höherer Gewalt und Bedeutung ansprach. Ihr, so gut wie ich, seid diesem guten Manne für religiösen Unterricht verpflichtet. Er ist jetzt in großer Gefahr; schlechte Menschen haben ihm falsche Beschuldigungen aufgebürdet, und er wünscht in Sicherheit und Verborgenheit zu bleiben, bis der Sturm vorüber sein wird.«

»Ha! der gute Vater Clemens? Ja, der würdige Geistliche that viel für mich, und mehr, als mein rauhes Gemüth zu nützen verstand. Es soll mich freuen, Jemand aus der guten Stadt Perth zu sehen, der einen Mann verfolgt, welcher Mac Jan's Mantel berührt hat!«

»Es dürfte nicht gut sein, sich so sehr darauf zu verlassen,« sagte Katharina. »Ich zweifle nicht an der Macht Eures Stammes, aber wenn der schwarze Douglas sich in eine Fehde einläßt, so läßt er sich nicht durch einen hochländischen Plaid abschrecken.«

Der Hochländer verbarg sein Mißvergnügen über diese Rede mit einem erzwungenen Lachen.

»Der Sperling,« sagte er, »der dem Auge nah' ist, scheint größer als ein Adler, der über'm Bengoil schwebt. Ihr fürchtet die Douglas sehr, weil sie Euch zunächst sitzen. Aber sei das, wie es wolle – Ihr glaubt nicht, wie weit sich unsere Thäler und Wälder jenseits der dunklen Berge erstrecken, die Ihr dort in der Ferne seht. Ihr meint die ganze Welt sei an den Ufern des Tay. Dieser gute Mönch wird Felsen sehen, die ihn gegen ein ganzes Heer dieses Douglas schützen können; er wird Männer gewahr werden, die im Stande sind, ihn noch ein Mal vom Süden der Grampischen Berge zurückzuwerfen. – Aber warum sollen wir nicht Alle beisammen sein? Ich kann eine Schaar nach Perth schicken, die Euern Vater sicher hierher bringt. Er kann jenseit Loch Tay den alten Handel fortsetzen. – Ich werde nur keine Handschuhe machen, sondern ich werde Eurem Vater Häute geben, aber keine mehr schneiden, außer so lange sie auf des Geschöpfes Rücken sind.«

»Mein Vater wird einmal kommen und Euern Haushalt sehen, Conachar – Hektor wollt' ich sagen. – Aber die Zeiten müssen ruhiger sein, denn es ist Fehde zwischen den Bürgern und den Edelleuten, und man spricht von Krieg, der in den Hochlanden ausbrechen werde.«

»Ja, bei unsrer lieben Frau! Katharina; und wär' es nicht eben wegen des Hochlandskrieges, Ihr dürftet Euern Besuch in den Hochlanden nicht so aussetzen, meine schöne Gebieterin. Aber das Volk der Hügel soll sich nicht länger in zwei Nationen spalten. Sie werden als Männer fechten um die Oberherrschaft, und wer sie erlangt, wird mit dem König von Schottland als Standesgenosse, nicht wie mit einem Höhern sprechen. Bete, daß der Sieg Mac Jon zufällt, meine fromme Katharina, denn du wirst für Einen beten, der dich innig liebt.«

»Ich will für das Recht beten,« sagte Katharina; »oder vielmehr, ich will bitten, daß überall Friede sei. – Lebt wohl, guter und trefflicher Vater Clemens; glaub', ich werde nie deine Lehren vergessen – gedenke meiner in deinen Gebeten. – Aber wie wirst du eine so mühsame Reise aushalten können?

»Sie sollen ihn tragen, wenn es nöthig wird,« sagte Hektor, »wofern wir weit gehen müssen, ohne ein Pferd für ihn zu finden. Aber Ihr – Katharina – es ist weit von hier nach Perth. Laßt mich Euch bis dorthin begleiten, wie ich gewohnt war.«

»Wenn Ihr so wäret, als Ihr gewohnt wäret, so würde ich Eure Begleitung annehmen. Aber goldene Schnallen und Armbänder sind gefährliche Gesellschaft, wenn die Lanzen von Liddesdale und Annandale so dicht auf der Straße reiten, wie die Blätter am Allerheiligenfest; und zwischen Hochlandtartans und Stahlharnischen findet keine friedliche Begegnung statt.«

Sie wagte diese Bemerkung, da sie glaubte, daß der junge Eachin die Gewohnheiten noch nicht ganz hinter sich hatte, die er in seinem niedern Stande angenommen, und daß, obwohl er kühne Worte brauchte, er doch nicht tollkühn genug sein würde, der Ueberzahl Trotz zu bieten, die ihm begegnet wäre, wenn er sich der Stadt genähert hätte. Sie schien richtig geurtheilt zu haben, denn nach einem Abschied, wobei sie es dahin brachte, daß statt ihres Mundes ihre Hand geküßt wurde, nahm sie allein ihren Weg nach Perth und sah die Hochländer, als sie hinter sich schaute, einen beschwerlichen, steilen Weg einschlagen und sich nach Norden wenden.

Sie fühlte sich zum Theil befreit von ihrer Unruhe, so wie die Entfernung zwischen ihr und jenen Männern wuchs, deren Handlungen sich allein nach dem Willen ihres Häuptlings richteten, welcher ein wilder, ungestümer Jüngling war. Sie fürchtete auf ihrem Rückwege nach Perth keine Beleidigung von den Kriegsleuten beider Parteien, die ihr begegnen konnten: denn die Gesetze des Ritterthums waren damals ein mehr zuverlässiger Schutz für ein Mädchen von ehrbarem Betragen, als eine Begleitung von Bewaffneten; aber entferntere Gefahren beunruhigten ihr Herz. Die Bewerbungen des Prinzen hatten einen furchtbaren Charakter angenommen, seit sein unwürdiger Günstling ihr, wenn sie bei ihrer Ziererei, wie er's nannte, beharren würde, zu drohen gewagt hatte. Solche Drohungen in diesem Jahrhundert und aus solchem Munde waren ein ernstlicher Gegenstand des Schreckens; – Conachars Ansprüche an ihre Liebe, die er in seinem dienstbaren Zustande kaum unterdrückt hatte, jetzt aber laut aussprach, wurden ein neuer Zuwachs zu ihrer Unruhe. Die Hochländer hatten bereits mehr als einen Einfall in Perth unternommen; mehrere Bürger, aus ihren eigenen Häusern weggeführt, waren gefangen worden, oder in den Straßen der Stadt unter dem Claymore gefallen. Außerdem fürchtete sie die Zudringlichkeit ihres Vaters zu Gunsten des Schmieds, dessen unwürdiges Betragen am Valentinstag ihr hinterbracht worden war. Wäre er auch nicht schuldig gewesen, sie hätte doch nicht gewagt, ihm Gehör zu geben, denn immer klangen ihr Ramorny's schreckliche Drohungen in den Ohren. Diese Gefahren, diese Furcht flößten ihr mehr als je den Wunsch ein, den Schleier zu nehmen; aber sie sah keine Möglichkeit, ihres Vaters Einwilligung zu dem einzigen Schritte zu erlangen, von welchem sie Frieden und Schutz erwartete.

Der Gang dieser Verhandlungen läßt uns nicht erkennen, ob sie sehr bedauerte, daß sie Gefahren begleiteten, weil sie das schöne Mädchen von Perth war; dies war ein Punkt, der anzeigte, daß sie noch nicht ganz ein Engel war; und vielleicht war ein zweiter der Umstand, daß, trotz Harry's wirklichen oder angeblichen Vergehungen, sich ein Seufzer aus ihrem Busen stahl, wenn sie an den St. Valentinsabend dachte.


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