Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Sechzehntes Kapitel.

Zu Fastnacht, als wir lustig waren.
                    Schottisches Lied.

Die Nacht, welche auf Ramorny's Krankenbett sank, sollte keine ruhige sein. Zwei Stunden waren seit dem Abendgeläute vergangen, welches damals um sieben Uhr stattfand, und Alle hatten sich in jener alten Zeit zur Ruhe begeben, außer solche, die Andacht, oder Beruf, oder Ausschweifung munter erhielt; da es nun der Abend vor Fastnacht war, so waren die Orte der Fröhlichkeit von jenen dreien bei weitem am meisten bevölkert.

Das Volk hatte sich den ganzen Tag über beim Ballspiel ergötzt und ermüdet; die Ritter und Edeln hatten Hahnenkämpfe gehalten oder der üppigen Musik der Minstrels gelauscht, während die Bürger sich an Speckkuchen und fetter Brodsuppe gelabt hatten, – es war dies nämlich die Brühe, in welcher man gesalzenes Rindfleisch abgekocht, und worein man gerösteten Gries streute, ein Gericht, welches auch noch jetzt dem einfachen, altschottischer Sitte getreuen Gaumen nicht unangenehm ist. Diese Uebungen und Speisen waren dem Festtag eigenthümlich, auch war es strenge Regel, daß jeder gute Katholik am Abend so viel Bier und Wein trank, als er sich verschaffen konnte, und, wenn er jung und gewandt war, auf dem Ball tanzte oder unter den maurischen Tänzern eine Figur abgab, deren Kleidung in Perth, wie an anderen Orten, höchst seltsam war, und die sich durch Gewandtheit und Behendigkeit auszeichneten. Dieser Lustigkeit ließ man unter dem Vorwande freien Lauf, daß das große Fasten mit all' seinen Beschwerden und Entbehrungen nahe, und daß es daher klug sei, so viel Lust als möglich zu genießen und sich alle erdenklichen Thorheiten zu verzeihen, als man in dem kurzen Zeitraume vor dem Beginn jenes begehen konnte.

Die üblichen Vergnügungen hatten stattgefunden, und in den meisten Theilen der Stadt war die gewöhnliche Ruhe eingetreten. Besonders angelegen hatte es sich der Adel sein lassen, eine Erneuerung des Zwistes zwischen seinem Gefolge und den Bürgern der Stadt zu verhüten; so waren die Lustbarkeiten mit weniger Unfällen als sonst vorübergegangen, indem man nur drei Todte und einige gebrochene Glieder zählte, was aber so unbedeutende Leute betraf, daß man es nicht näherer Nachfrage werth hielt. Der Karneval schloß im Allgemeinen ruhig, aber an einigen Orten hatte man die Lust noch nicht eingestellt.

Eine Gesellschaft Schwärmer, die man besonders bemerkt und mit Beifallruf begleitet hatte, schienen ihre Lustbarkeit ungern zu schließen. Die Entry (Liste der Tänzer), wie man es nannte, bestand aus dreizehn Personen, gleichmäßig gekleidet, in dicht anschließenden Wämsern von Gemsleder, seltsam gezeichnet und gestickt. Sie trugen grüne Mützen mit silbernen Troddeln, rothe Bänder, weiße Schuhe, an Knieen und Knöcheln kleine Schellen und ein bloßes Schwert in der Hand. Diese geschmückte Schaar hatte vor dem König den Schwerttanz aufgeführt, der im Zusammenschlagen der Waffe und einem Wechsel seltsamer Stellungen bestand. Sie waren eben im Begriff, ihre Geschicklichkeit zum zweiten Male vor Simon Glovers Thür zu zeigen, ließen für sich und die Zuschauer Wein bringen und tranken laut jubelnd auf das Wohl des schönen Mädchens von Perth. Der alte Simon erschien an der Thür seiner Wohnung, um die Artigkeit seiner Mitbürger anzuerkennen, und dagegen den Wein zu Ehren der lustigen Mohrentänzer von Perth umgehen zu lassen.

»Wir danken dir, Vater Simon,« sagte eine Stimme, die in einem künstlichen Gequik den Ton des Oliver Proudfute schlecht zu verbergen strebte. »Aber ein Anblick deiner lieblichen Tochter wäre unserem jungen Blut süßer gewesen, als ein ganzes Faß voll Malvasier.«

»Ich dank' euch, Nachbarn, für euer Wohlwollen,« erwiderte der Handschuhmacher. »Meine Tochter ist nicht wohl und kann nicht in die kalte Nachtluft kommen – aber wenn dieser fröhliche Herr, dessen Stimme ich kennen sollte, in mein armes Haus kommen will, so wird sie ihm den Dank für die Uebrigen übertragen.«

»Bringt ihn uns in Greif's Schenke,« riefen die übrigen Tänzer ihrem begünstigten Gefährten zu; »denn dort wollen wir Kehraus machen und die Gesundheit der schönen Katharina noch einmal trinken.«

»Ich bin in einer halben Stunde bei euch,« sagte Oliver, »und will sehen, wer die größte Flasche leert oder das lauteste Lied singt. Ja, ich will so lustig sein zum Schluß des Karnevals, als sollte sich mit den Fasten mein Mund für immer schließen.«

»So lebt wohl,« riefen seine Genossen im Mohrentanz; »lebt wohl, lustiger Strumpfwirker, bis wir uns wiedersehen.«

Die Mohrentänzer setzten also ihren Zug fort, tanzend und singend, während sie, von vier Musikanten geführt, hingingen, und Simon Glover ihren Koryphäen in sein Haus zog und ihm einen Stuhl an das Feuer rückte.

»Aber wo ist Eure Tochter?« sagte Oliver. »Sie ist der Magnet für uns tapfere Degen.«

»Ei, sie hütet wirklich ihr Zimmer, Nachbar Oliver; und, um offen zu sprechen, sie hütet ihr Bett.«

»Ei, dann will ich hinauf und sie in ihrem Kummer sehen – Ihr habt meinen Zug gestört, Gevatter Glover, und Ihr seid mir Ersatz schuldig; ein lustiger Degen, wie ich, will nicht Beides, das Mädchen und das Glas, verlieren. – Sie hütet das Bett wirklich?

Mein Hund und ich besuchen dir
Zu gern nur kranke Mädchen hier;
Wenn krank sie und am Sterben sind,
Dann kommt mein Hund und ich geschwind.
Und sterb' ich, wie es doch muß sein,
So scharrt mich unter'm Bierfaß ein;
Verschlung'nen Arm's ruht sicherlich
Und traulich dann mein Hund und ich.«

»Kannst du nicht einen Augenblick ernst sein, Nachbar Proudfute?« sagte der Handschuhmacher; »ich habe ein Wort mit dir zu reden.«

»Ernst?« antwortete der Gast; »ei, ich bin den ganzen Tag ernst gewesen – ich kann kaum den Mund aufthun, ohne daß etwas von Tod, Begräbniß und dergleichen herauskommt – das sind die ernstesten Gegenstände, die ich kenne.«

»Bei St. John, Mensch!« sagte der Handschuhmacher, »bist du dem Tode geweiht?«

»Nein, ganz und gar nicht – 's ist nicht mein eigener Tod, den diese düsteren Gedanken anzeigen – ich habe ein gutes Horoscop und werde noch fünfzig Jahre leben. Aber es ist das Geschick des armen Schelms – des Douglassöldners, den ich im Gefecht am Valentinstag niederschlug – er starb letzte Nacht – das ist's, was mir auf der Seele lastet und düstere Gedanken weckt. Ach, Vater Simon, wir Kriegsleute, die wir Blut in unserem Zorn vergießen, haben manchmal finstere Gedanken – ich wünsche bisweilen, daß mein Messer nichts als verworrene Fäden zerschnitten hätte.«

»Und ich wünsche,« sagte Simon, »das meine hätte nichts als Bockleder zerschnitten, denn es schnitt bisweilen in meinen eigenen Finger. Aber du kannst deine Gewissensbisse jetzt sparen; in dem Gefechte ward nur ein Mann gefährlich verwundet, der, welchem Harry Schmied die Hand abhieb, und er hat sich wieder erholt. Sein Name ist der schwarze Quentin, einer aus Sir John Ramorny's Gefolge. Man hat ihn insgeheim nach seiner Heimath Fife geschickt.«

»Was, der schwarze Quentin? – ei, das ist derselbe Mann, den Harry und ich, als wir dicht beisammen standen, im nämlichen Augenblicke trafen, nur daß mein Hieb etwas früher fiel. – Ich fürchte, es wird weitere Fehde nach sich ziehen, und der Oberrichter theilt meine Meinung. – Und er hat sich erholt? Ei, dann will ich fröhlich sein, und da du mich nicht sehen lassen willst, wie Katharina ihr Nachtkleid steht, so will ich nach dem Greif zu meinen Mohrentänzern.«

»Nein, wartet einen Augenblick. Du bist ein Kamerad Harry Wynds, und hast ihm den Dienst erwiesen, ein paar Thaten für ihn zu verrichten, wie unter anderen diese letzte. Ich wollte, du könntest ihn von anderen Beschuldigungen reinigen, womit ihn das Gerücht beladen hat.«

»Nun, ich will beim Griff meines Schwertes schwören, daß sie falsch sind, wie die Hölle, Vater Simon. – Wie! Degen und Schilder! Sollen Männer des Schwertes einander im Stich lassen?«

»Ei, Nachbar Strumpfwirker, sei geduldig; du möchtest dem Schmied einen Dienst thun, und du bist so auf dem rechten Wege. Ich suche deinen Rath hinsichtlich dieser Angelegenheit – nicht als hielte ich dich für den weisesten Kopf in Perth, denn wenn ich das sagte, so würd' ich lügen.«

»Ja, ja,« antwortete der selbstzufriedene Strumpfwirker; – »ich weiß, was Ihr mir zur Last legt – Ihr kalten Köpfe denkt, wir Hitzköpfe sind Narren. – Ich habe die Leute den Harry Wynd wohl zwanzig Mal so nennen hören.«

»Narr genug und kalt genug reimt sich fast zusammen,« sagte der Handschuhmacher; »du bist gutmüthig und liebst deinen Kameraden. Es steht mit uns und ihm jetzt übel,« fuhr Simon fort. »Du weißt, daß von einer Heirath zwischen meiner Tochter und Harry Gow die Rede gewesen ist?«

»Ich habe so ein Lied gehört seit dem St. Valentinsmorgen – Ach! der das schöne Mädchen von Perth gewinnt, muß ein glücklicher Mann sein – und doch verdirbt die Ehe manchen hübschen Burschen – ich selber bedaure fast –«

»Bitte, laß dein Bedauern für diesmal sein, Freund,« unterbrach ihn der Handschuhmacher etwas kurz. »Ihr müßt wissen, Oliver, daß einige der schwatzhaften Weiber, die alle Angelegenheiten in der Stadt zu ihren eigenen machen, Harry beschuldigt haben, er gebe sich mit Sängerinnen und dergleichen ab. Katharina nahm es sich zu Herzen, und ich hielt mein Kind für beleidigt, weil sich Harry gar nicht betrug, wie es einem Valentin ziemte, sondern am nämlichen Tag, wo er der alten Sitte gemäß die beste Gelegenheit hatte, mit meiner Tochter von seiner Liebe zu reden, eine unanständige Gesellschaft vorzog. Auch versagte ich ihm, da er Abends sehr spät zu mir kam, die Thür, und wie ein alter Narr bat ich ihn, in sein Haus zu der Gesellschaft zurückzugehen, aus der er herkomme. Ich habe ihn seitdem nicht gesehen und fange an, meine Hitze für vorschnell zu halten. Katharina ist meine einzige Tochter, aber lieber wollt' ich sie im Grabe sehen, als einem Liederlichen geben. Indes kenne ich Harry Gow wie meinen eigenen Sohn, ich kann nicht glauben, daß er uns beleidigen wollte, und ohne Zweifel läßt sich der ihm aufgebürdete Fehler zu seinem Vortheil erklären. Man rieth mir, mich an Dwining zu wenden, der dem Schmied auf dem Spaziergang mit seiner Genossin begegnete. Wenn ich dem Apotheker glaube, so war es Harry's Muhme, Joan Letham. Aber du weißt, daß der Quacksalber immer mit seinem Gesicht diese Sprache redet und mit seiner Zunge eine andere. – Nun, du Oliver, hast, wie ich denke, zu wenig Witz – ich meine zu viel Ehrbarkeit – um die Wahrheit zu belügen, und da Dwining mich merken ließ, daß auch du sie gesehen hast –«

»Ich sie gesehen, Simon Glover? Wird Dwining sagen, daß ich sie sah?«

»Nein, nicht so ganz bestimmt – aber er sagt, Ihr erzähltet ihm, daß Ihr den Schmied in solcher Gesellschaft getroffen.«

»Er lügt, und ich will ihn in einem Mörser zerstampfen!« sagte Oliver Proudfute.

»Wie? Erzähltet Ihr ihm nichts von einer solchen Begegnung?«

»Und wenn ich es nun that?« sagte der Strumpfwirker. »Schwur er nicht, daß er keinem Sterblichen je wieder sagen wolle, was ich ihm mittheilte? Und daher macht' er sich, indem er Euch die Sache erzählte, zum Lügner.«

»Also trafst du den Schmied,« sagte Simon, »nicht mit einem so lockern Gepäck, wie das Gerücht sagt?«

»Ei, zum Henker, nein – vielleicht war's so, vielleicht nicht. Denkt, Vater Simon, ich bin seit vier Jahren ein Ehemann, und könnt Ihr von mir denken, ich könne mich an die Knöchel einer Sängerin, an ihren Fuß, an die Stickerei ihres Rockes und solches Zeug erinnern? Nein, ich überlasse das unverheiratheten jungen Burschen, wie mein Gevatter Harry.«

»Der Schluß ist also,« sagte der Handschuhmacher sehr mißmuthig, »Ihr begegnetet ihm doch am St. Valentinstag auf offener Straße spazierend –«

»Nicht doch, Nachbar; ich traf ihn in dem entferntesten und dunkelsten Gäßchen von Perth, eilig seinem Hause zusteuernd mit Sack und Pack, welches er, als galanter Bursch, auf dem Arme trug, den kleinen Hund auf dem einen, während ihm die Donna – mir kam sie recht hübsch vor – am andern hing.«

»Nun, bei St. John!« sagte der Handschuhmacher, »diese Schmach könnte einen Christenmenschen seinen Glauben verläugnen und Mahomed in seinem Zorn anbeten lassen! Aber er hat meine Tochter zum letzten Mal gesehen. Ich sähe lieber, sie ginge mit einem barfüßigen Räuber nach den Hochlanden, als daß sie Einen heirathete, der auf solche Weise Ehre und Anstand vergessen kann. – Es ist aus mit ihm!«

»Ei, ei, Vater Simon,« sagte der freisinnige Strumpfwirker; »Ihr betrachtet die Welt nicht aus dem Standpunkte jungen Blutes. Sie waren nicht lange beisammen, denn – die Wahrheit zu sagen, ich gab ein Bischen auf ihn Achtung – ich traf ihn vor Sonnenaufgang, seine irrende Dirne nach unserer Frauen Treppe führend, damit sich die Dirne auf dem Tay einschiffen sollte; und ich weiß gewiß – denn ich erkundigte mich – daß sie nach Dundee absegelte. So seht Ihr also, es war nur eine kleine Jugendverirrung.«

»Und er kam hierher,« sagte Simon bitter, »und bat um Zutritt bei meiner Tochter, während ihn daheim seine Buhlerin erwartete! Lieber wollt' ich, er hätt' ein Dutzend Menschen erschlagen! – Das wäre nicht der Rede werth, am wenigsten bei dir, Oliver Proudfute, der, wenn du nicht so Einer bist, wie er, doch dafür gehalten sein möchte. Aber –«

»Ei, nehmt die Sache nicht so ernstlich,« sagte Oliver, der zu erwägen begann, welches Unheil sein Geschwätz wahrscheinlich für seinen Freund anstiften mußte, und welche Folgen Harry Gows Mißfallen haben werde, wenn er hinter die Eröffnung käme, die er mehr aus Herzensalbernheit als in böser Absicht gemacht hatte. »Bedenkt,« fuhr er fort, »daß solche Thorheiten der Jugend zuzuschreiben sind. Gelegenheit reizt die Menschen zu solchen Vergehungen und das Geständniß wird sie auslöschen. Ich scheue mich nicht, dir zu sagen, daß, obwohl mein Weib eine so hübsche Frau ist, als die Stadt nur eine hat, ich doch selber –«

»Still, thörichter Prahler!« sagte der Handschuhmacher hoch erzürnt; »Deine Liebschaften und deine Schlachten sind beide gleich apokryphisch. Wenn du einmal lügen mußt, was, wie mich dünkt, in deiner Natur liegt, kannst du nicht wenigstens eine Lüge erfinden, die dir Ehre macht? Glaubst du nicht, daß ich in dein Herz sehe, wie ich das Licht durch das Horn einer schlechten Laterne sehe? Glaubst du nicht, daß ich weiß, du elender Weber schmutzigen Garns, wie du nicht mehr wagtest, durch deine eigene Thür zu gehen, wenn dein Weib gehört hätte, wessen du dich rühmst? Daß du nicht den Muth hättest, dein Schwert mit einem zwölfjährigen Knaben zu kreuzen, der das seine zum ersten Mal in seinem Leben zöge? Bei St. John, es hieße Euch für die Mühe Eurer Klatschereien zahlen, deinem Weibe die Kunde deiner lustigen Streiche zuzuschicken.«

Der Strumpfwirker fuhr bei dieser Drohung zusammen, wie wenn ein Armbrustbolzen, da er's am wenigsten erwartete, an seinem Kopf vorbeigepfiffen wäre. Mit zitternder Stimme erwiderte er: »Ei, guter Vater Glover, du nimmst dir zu viel heraus auf Kosten deines grauen Haares. Erwäge, guter Nachbar, du bist zu alt, um dich mit einem jungen Kriegsmann zu messen. Und was meine Magda betrifft, so kann ich dir trauen, denn ich weiß, daß sich Keiner weniger scheut, als du, den Frieden einer Familie zu stören.«

»Deine Dummheit vertraue nicht länger auf mich,« sagte der erzürnte Handschuhmacher; »aber schaffe dich selbst und das Ding, welches du einen Kopf nennst, aus meinem Bereich, oder ich borge fünf Minuten meiner Jugend zurück und breche dir den Schädel!«

»Ihr habt einen lustigen Fastnachtabend gehalten, Nachbar,« sagte der Strumpfwirker, »und ich wünsche Euch einen ruhigen Schlaf; wir werden morgen bessere Freunde sein.«

»Aus meinem Hause heut' Nacht!« sagte der Handschuhmacher. »Ich schäme mich, daß eine so thörichte Zunge, wie die deine, mich so aufzubringen vermochte. – Narr – Thier – klatschzüngiger Thor!« sprach er für sich weiter, sich selber in einen Stuhl werfend, als der Strumpfwirker verschwand; »daß ein Kerl, der aus Lügen besteht, keine finden kann, wenn es gilt, die Schmach eines Freundes zu verbergen? Und ich, wer bin ich, daß ich wünschte, die ungeheure Schmach, die mich und meine Tochter traf, entschuldigt zu sehen? Und doch, ich dachte so gut von Harry, daß ich alle Lügen zu glauben bereit war, die der prahlerische Esel hätte erfinden können. Nun wohlan! Es ist nicht der Mühe werth, daran zu denken. Unser ehrlicher Name muß bleiben und sollte auch Alles sonst zu Grunde gehen.«

Während der Handschuhmacher sich über die unwillkommene Bestätigung des Gerüchtes moralisirte, das er gern für unwahr gehalten hätte, hatte der verwiesene Mohrentänzer Muße, in der beruhigenden Luft einer kalten und finstern Februarnacht über die Folgen von des Handschuhmachers ungezähmtem Zorne nachzudenken.

»Aber er ist nichts,« dachte er bei sich, »gegen den Zorn Harry Wynds, der einen Menschen um weit Geringeres getödtet hat, als die Erregung von Zwiespalt zwischen ihm und Katharina, so wie dem hitzigen alten Vater. Gewiß, ich hätte lieber Alles läugnen sollen. Aber die Lust, als ein gewandter Galan zu scheinen, – der ich in der That bin – überwältigte mich. Thu' ich gut, im Greif das Fest zu beschließen? Magda wird lärmen, wenn ich nach Hause komme. Doch, heut' ist ja Fastnacht, da darf ich mir schon was erlauben. Da fällt mir ein guter Gedanke bei: ich gehe nicht zum Greif, ich will mich zum Schmied begeben; er muß daheim sein, da ihn heut' noch Niemand gesehen hat. Ich will Frieden mit ihm zu machen suchen und ihm meine Vermittelung beim Handschuhmacher antragen. Harry ist ein ehrlicher, gerader Bursch, und obwohl ich gestehen muß, daß er bei einem Tumult tüchtiger ist, als ich, so kann ich doch im Wortstreit machen, was ich will. – Die Straßen sind jetzt ruhig, die Nacht ist finster, und ich verberge mich leicht, wenn mir Jemand begegnet. Ja, ich will zum Schmied gehen – und, wenn ich mir seine Freundschaft erhalte, den alten Simon auslachen. St. Ringan bringe mich sicher durch diese Nacht, und ich will mir die Zunge lieber ausreißen, eh' sie meinen Kopf wieder in solche Gefahr bringen soll! Jener alte Bursche glich, als sein Blut wallte, eher einem Menschen, der Büffelkoller durchhaut, als einem Gemsfellschneider.«

Mit diesen Betrachtungen wandelte der gewaltige Oliver eilig, doch so geräuschlos wie möglich, nach dem Wynd, wo, wie unsere Leser wissen, der Schmied seine Wohnung hatte. Aber das böse Geschick ließ nicht ab, ihn zu verfolgen. Als er sich nach der hohen oder Hauptstraße wandte, hörte er einen musikalischen Akkord, begleitet von einem lauten Jubel, in der Nähe.

»Meine lustigen Genossen, die Mohrentänzer,« dachte er; »ich kenne des alten Jeremias Geige unter hundert andern. Ich will mich über die Straße wagen, eh' sie herankommen – wenn man mich erspäht, werden sie denken, ich habe ein besonderes Abenteuer, und das wird meine Ehre als wackerer Raufbold erhöhen.«

Mit diesem Verlangen nach Auszeichnung unter den Fröhlichen und Tapfern, welches jedoch im Innern klügere Betrachtungen bekämpften, machte der Strumpfwirker einen Versuch, über die Straße zu gehen. Aber die Nachtschwärmer, wer sie auch sein mochten, waren von Fackeln begleitet, deren Licht auf Oliver fiel, dessen hellfarbiges Kleid ihn um so leichter sichtbar machte. Der allgemeine Ruf; »Ein Fang! ein Fang!« übertäubte den Gesang des Minstrels, und bevor der Strumpfwirker entscheiden konnte, ob es besser sei, zu stehen oder zu fliehen, ergriffen ihn zwei gewandte junge Männer, gehüllt in phantastische Maskengewänder, wilde Menschen vorstellend und große Keulen tragend, die in tragischem Tone sagten: »Ergib dich, Mann der Schellen und des Bombasts; ergib dich auf Gnad' und Ungnade, oder du bist nur ein todter Mohrentänzer.«

»Wem soll ich mich ergeben?« sagte der Strumpfwirker mit bebender Stimme; denn obwohl er sah, daß er's mit einer Gesellschaft Masken zu thun hatte, welche nur Vergnügen suchten, so bemerkte er doch zu gleicher Zeit, daß sie weit über seinem Stande waren, und er verlor die Kühnheit, die nöthig war, seine Rolle in einem Spiele zu unterstützen, wobei der Schwächere wahrscheinlich am schlechtesten wegkommen mußte.

»Du raisonnirest, Sclave?« antwortete eine der Masken; »soll ich dir zeigen, daß du ein Gefangener bist, indem ich dir zugleich die Bastonade gebe?«

»Ganz und gar nicht, Gewaltiger aus Indien,« sagte der Strumpfwirker; »wahrlich, ich stehe Euch durchaus zu Befehl.«

»So komm,« sagten Jene, die ihn gefangen hatten, »komm, und huldige dem Kaiser der Gaukler, dem König der Springer und dem Großherzog der finstern Stunden, und erkläre, mit welchem Rechte du so anmaßend warst, zu singen und zu tanzen und Schuhleder in seinen Bereich zu tragen, ohne ihm Tribut zu geben. Weißt du nicht, daß du die Strafe des Hochverraths verwirkt hast?«

»Das wäre hart, dünkt mich,« sagte der arme Oliver, »da ich nicht wußte, daß Se. Majestät diesen Abend die Herrschaft übte. Aber ich will gern das Vergnügen büßen, wenn die Börse eines armen Strumpfwirkers es vermag, einige Kannen Wein oder so etwas als Strafe zu entrichten.«

»Bringt ihn vor den Kaiser!« schrie man allgemein; und der Mohrentänzer ward vor die schmächtige, aber hübsche und leichte Gestalt eines jungen Mannes gestellt, welcher prächtige Kleider, Gürtel und eine Tiara von Pfauenfedern trug, die man damals als große Seltenheit aus Indien brachte. Eine kurze Jacke schloß sich unter der Brust über einem Leopardenfell; im Uebrigen war er mit fleischfarbener Seide bedeckt und sah einem indischen Fürsten ganz ähnlich; er trug Sandalen, die mit scharlachrothen Seidenbändern befestigt waren, und eine Art Fächer, wie die Damen damals brauchten, ebenfalls aus Pfauenfedern bestehend, die in einem Büschel zusammenstanden.

»Was für einen Patron haben wir da,« fragte der indische Häuptling, »der es wagt, die Mohrenglocken an die Knöchel eines dummen Esels zu binden? – Hört Ihr, Freund, Euer Kleid macht Euch zu unserem Unterthan, da unser Reich sich über's ganze Narrenland erstreckt, umfassend Gaukler und Minstrels jeder Gattung. – Wie, ist die Zunge gefesselt? Er braucht Wein – gebt ihm eine Nußschale voll Sect!«

Eine gewaltige Kürbisflasche voll Sect ward den Lippen des Flehenden geboten, während dieser Fürst der Schwärmer ihn ermahnte: –

»Knack' mir diese Nuß und mach' es hübsch und ohne Grimassen.«

Aber wie gern auch Oliver einen guten Schluck dieses trefflichen Weines genossen hätte, so erschreckte ihn doch die Menge, die er bewältigen sollte. Er that einen Zug und bat dann um Gnade.

»Mit Eurer fürstlichen Erlaubniß, ich habe noch weit zu gehen, und wenn ich Eurer Majestät Huld völlig genießen wollte, wofür Ihr meinen schuldigen Dank annehmen mögt, so würd' ich nicht im Stande sein, über den nächsten Graben zu schreiten.«

»Bist du im Stande, dich als lustiger Bruder zu betragen? Nun, thu' einen Sprung – ha! eins – zwei – drei – vortrefflich! – noch einmal – gebt ihm den Sporn – (hier gab ein Trabant des Indiers Oliver einen leichten Schwertstreich) – nein, das war das Beste von Allem – er sprang wie eine Katze in der Dachrinne! Gebt ihm die Nuß noch einmal – nun, keinen Zwang, er hat seine Buße gezahlt, und verdient nicht nur freie Entlassung, sondern Belohnung. Knie nieder, knie, und steh' auf Sir Ritter von der Kürbißflasche! Wie heißt du? Leih' mir Einer von Euch ein Rapier.«

»Oliver, wenn's Euer Gnaden gefällt – Eurer Majestät, wollt' ich sagen.«

»Oliver, Mann? na, dann bist du schon einer der zwölf Pairs, und das Schicksal ist unserer beabsichtigten Beförderung zuvorgekommen. Aber steh' auf, werther Sir Oliver Strohkopf, Ritter des ehrenwerthen Ordens vom Tanzschuh. – Steh' auf im Namen des Unsinns, und geh' deinen eignen Schlichen nach und der Teufel geh' mit dir.«

Mit diesen Worten gab der Fürst der Schwärmer mit flacher Klinge des Strumpfwirkers Schultern einen Schlag, und Oliver sprang mit mehr Behendigkeit, als er bisher gezeigt hatte, auf seine Füße und tanzte, angetrieben durch das Lachen und Halloh, das sich hinter ihm erhob, an des Schmieds Hause an, so eilend, wie ein gejagter Fuchs bei seiner Höhle.

Erst als der in Furcht gejagte Strumpfwirker einen Schlag an die Thür gethan hatte, besann er sich, daß er vorher hätte überlegen sollen, auf welche Art er sich bei Harry einführen und wie er dessen Vergebung für die unbedachten Mittheilungen bei Simon Glover erlangen könnte. Man antwortete nicht auf sein erstes Klopfen, und vielleicht hätte in dem Augenblick, da all' diese Betrachtungen in seinem erschreckten Gemüthe sich erhoben, der Strumpfwirker seinen Plan aufgegeben, aber ein ferner Schall von Gesang weckte seine Besorgnisse, wieder in die Hände der lustigen Masken zu fallen, denen er entgangen war, und er erneuerte sein Klopfen am Thor der Schmiedswohnung mit hastiger, obwohl zitternder Hand. Dann vernahm er die tiefe, aber wohlklingende Stimme Harry Gow's, der von innen rief: – »Wer klopft zu dieser Stunde? – und was ist Euer Begehr?«

»Ich bin's – Oliver Proudfute,« erwiderte der Strumpfwirker; »ich hab' Euch einen lustigen Spaß zu erzählen, Gevatter Harry.«

»Bring' deine Narrheit auf einen andern Markt. Ich bin in keiner scherzhaften Laune,« sagte Harry; »geh' fort. – Ich will heut' Nacht Niemand sehen.«

»Aber, Gevatter – guter Gevatter,« antwortete der Kriegsheld außen, »ich bin von Schurken bedrängt und bitte um den Schutz deines Hauses.«

»Narr, der du bist!« erwiderte Harry; »kein Hahn vom Düngerhof, der schlechteste, der an diesem Fastnachtabend gekämpft hat, würde seine Federn gegen einen solchen feigen Vogel, wie du bist, sträuben!«

In diesem Augenblick ertönte wieder Gesang, und zwar, wie der Strumpfwirker merkte, viel näher, wodurch seine Besorgniß auf's Höchste stieg; mit einer Stimme, welche unverkennbar die größte Furcht ausdrückte, rief er: –

»Um unserer guten Gevatterschaft und der Liebe unserer lieben Frau willen, laßt mich ein, Harry, wenn Ihr mich nicht als blutigen Leichnam an Eurer Thür finden wollt, erschlagen von dem blutgierigen Douglas!«

»Das würde eine Schande für mich sein,« dachte der gutmüthige Schmied; »und er kann allerdings in wirklicher Gefahr sein. Es streifen Falken umher, die auf einen Sperling so gut wie auf einen Reiher stoßen.«

Mit diesen Gedanken, halb gemurmelt, halb gesprochen, that Harry seine wohlbefestigte Thür auf, um die Wahrheit der Gefahr zu untersuchen, bevor er seinen unwillkommenen Gast in sein Haus treten ließ. Aber während er sich in der Straße umsah, um zu erkennen, wie die Sachen ständen, schlüpfte Oliver in das Haus wie ein gehetztes Reh in ein Dickicht, und ließ sich bei des Schmieds Küchenfeuer nieder, bevor Harry die Straße auf- und absehen und sich überzeugen konnte, daß den besorgten Flüchtling keine Feinde verfolgten. Er schloß daher seine Thür und kehrte in die Küche zurück, unzufrieden, daß er seine melancholische Einsamkeit hatte stören lassen, indem er Befürchtungen theilte, die doch, wie er denken konnte, bei seinem furchtsamen Mitbürger so leicht zu erregen waren.

»Wie nun?« sagte er kalt genug, als er den Strumpfwirker ruhig an seinem Herde sitzen sah. »Was sind das für thörichte Possen, Meister Oliver? – ich sehe Niemand in der Nähe, der Euch Etwas zu Leide thun will.«

»Gib mir was zu trinken, guter Gevatter,« sagte Oliver, »ich bin von der Eile erschöpft, mit der ich hierher zu kommen suchte.«

»Ich habe geschworen,« sagte Harry, »daß dieß keine lustige Nacht in diesem Hause sein soll – ich bin in meinen Werkeltagskleidern, wie Ihr seht, und halte Fasten, wozu ich guten Grund habe, statt des Festes. Ihr habt genug getrunken für den Festabend, denn die Zunge ist Euch bereits schwer. Wenn Ihr noch mehr Bier oder Wein wollt, müßt Ihr anderswohin gehen.«

»Ich habe schon mehr als genug gehabt,« sagte der arme Oliver, »und wäre fast darin ersäuft worden. – Die verfluchte Kürbißflasche! – einen Trunk Wasser, guter Gevatter! – Darum laßt Ihr mich doch nicht umsonst bitten? oder, wenn Ihr wollt, einen Becher Dünnbier.«

»Nun, wenn das Alles ist,« sagte Harry, »das soll nicht fehlen. Aber es muß viel gewesen sein, was dich dahin brachte, um solchen Trank zu bitten.«

So sprechend füllte er eine Quartflasche aus einem Fasse, das in der Nähe stand, und setzte sie seinem Gaste vor. Oliver nahm sie sogleich, führte sie mit zitternder Hand zum Munde, und schlürfte den Inhalt mit Lippen, die vor Aufregung bebten, und obwohl das Getränk so dünn war, als er verlangt hatte, so war er doch so erschöpft von der Furcht wegen Angriffen und von früheren Gelagen, daß, als er die Flasche auf den Eichentisch setzte, er einen tiefen Seufzer der Beruhigung hören ließ und schwieg.

»Nun, jetzt habt Ihr Euern Trunk gehabt, Gevatter,« sagte der Schmied, »was bedürft Ihr sonst? Wo sind die, die Euch bedrohten? Ich konnte Niemand sehen.«

»Nein – aber es waren zwanzig, die mich nach dem Wynd verfolgten,« sagte Oliver. »Als sie uns aber beisammen sahen, so verloren sie freilich den Muth, der Alle gegen Einen von uns gebracht hätte.«

»Ei, treib' keinen Scherz, Freund Oliver,« erwiderte sein Wirth. »Dazu bin ich nicht aufgelegt.«

»Ich scherze nicht, bei St. John von Perth. Ich bin angehalten und schnöde behandelt worden (dabei fuhr seine Hand über den angegriffenen Theil), und zwar durch den tollen David von Rothsay, den tobenden Ramorny und die Anderen. Sie ließen mich eine Viertelstonne Malvasier trinken.«

»Du redest thöricht, Mensch, – Ramorny ist krank und dem Tode nah', wie der Apotheker überall erzählt; sie, und zumal Ramorny, können gewiß um Mitternacht nicht aufstehen, um solche Possen zu treiben.«

»Ich kann's zwar nicht behaupten,« erwiderte Oliver; »aber ich sah die Gesellschaft bei Fackellicht, und ich kann einen körperlichen Eid schwören, daß ich sie an den Mützen erkannte, die ich seit dem Unschuldigen-Kindeltag für sie gemacht habe. Sie sind wunderlich geformt und ich muß doch mein eigenes Gewebe kennen.«

»Nun, es kann dir ein Leid zugefügt worden sein,« antwortete Harry. »Wenn du in wirklicher Gefahr bist, so will ich dir hier ein Bett machen lassen. Aber Ihr müßt Euch sogleich hineinlegen, denn ich bin nicht aufgelegt zum Plaudern.«

»Ach, ich würde dir für ein Nachtquartier sehr danken, aber meine Magda wird böse – das heißt, nicht böse, denn darnach frag' ich nichts – aber, die Wahrheit zu sagen, sie ist gar zu besorgt in einer lustigen Nacht wie diese, da sie weiß, mein Sinn gleicht dem deinigen – ein Wort und ein Hieb.«

»Nun, dann geh' heim,« sagte der Schmied, »und zeig' ihr, daß ihr Schatz in Sicherheit ist, Meister Oliver – die Straßen sind ruhig – und um offen zu reden: ich möchte allein sein.«

»Ach, ich hab' aber noch über wichtige Dinge mit dir zu reden,« erwiderte Oliver, der sich scheute zu bleiben, und doch auch nicht gern gehen wollte. »Es hat Lärm gegeben in unserm Stadtrath wegen der Geschichte vom Valentinsabend. Der Oberrichter sagte mir vor kaum vier Stunden, der Douglas und er wären übereingekommen, die Fehde durch einen Kämpfer von jeder Partei zu entscheiden, und es werde unser Bekannter, der Teufels-Dick, seinen Adel bei Seite setzen und die Sache des Douglas und der Edelleute verfechten. Obwohl ich nun der ältere Bürger bin, so will ich doch gern um unsrer alten Liebe und Freundschaft willen dir den Vorrang lassen, und mich mit dem bescheidenen Amte des Sekundanten begnügen.«

Harry Schmied, obwohl ungehalten, konnte doch kaum ein Lächeln unterdrücken.

»Wenn es das ist, was deine Ruhe stört und dich um Mitternacht von deinem Bette fern hält, so will ich die Sache abmachen. Du sollst den dir angebotenen Vorzug nicht einbüßen. Ich habe einige Dutzend Zweikämpfe durchgefochten – nur allzuviel. Du bist, denk' ich, blos deinem hölzernen Sultan begegnet – es wäre unbillig – ungerecht – unfreundlich – wenn ich dein freundliches Anerbieten mißbrauchte. So geh' heim, guter Freund, und laß nicht die Furcht, Ruhm einzubüßen, deinen Schlummer stören. Ruhe in der Ueberzeugung, daß du der Anforderung antworten wirst, wozu du das Recht hast, da dich der grobe Reiter beleidigte.«

»Sehr dankbar, herzlichen Dank,« sagte Oliver, sehr verlegen durch seines Freundes unerwartete Nachgiebigkeit. »Du bist der gute Freund, wie ich dich immer kannte. Aber ich hege zu viel Freundschaft für Harry Schmied, als er für Oliver Proudfute. Ich schwöre bei St. John, ich will nicht zu deinem Nachtheil in diesem Streite fechten. Das ist nun ausgesprochen und die Versuchung kann mir nichts mehr anhaben, da du mich nicht meineidig sehen sollst und gäb' es zwanzig Duelle zu bestehen.«

»Hör',« sagte der Schmied, »bekenne, daß du Furcht hast, Oliver. Sage gleich die ehrliche Wahrheit, oder ich lasse dich das Duell ausfechten, so gut du kannst.«

»Ei, guter Gevatter,« erwiderte der Strumpfwirker, »du weißt, ich fürchte mich nie. Aber, in Wahrheit, Jener ist ein verzweifelter Schurke; und da ich ein Weib habe – die arme Magda, du weißt ja – und kleine Familie, und du –«

»Und ich,« antwortete Harry heftig, »habe keine, und nie werd' ich eine haben.«

»Ei, wirklich – so ist es allerdings – und daher wollt' ich, du föchtest lieber diesen Kampf als ich.«

»Nun, bei unserer lieben Frau, Gevatter!« antwortete der Schmied, »du bist leicht fertig! Wisse, du thörichter Bursche, daß Sir Patrick Charteris, der immer ein lustiger Mann ist, nur mit dir gespaßt hat. Meinst du, er würde die Ehre der Stadt auf deinen Kopf wagen? oder daß ich dir den Vorrang lassen würde, wo es eine solche Sache gilt? Nun gut, geh' heim, laß dir von Magda eine warme Nachtmütze um den Kopf binden; nimm ein gutes Frühstück und ein Glas Branntwein, und du wirst im Stande sein, morgen deinen hölzernen Dromond oder Sultan, wie du ihn nennst, zu bekämpfen, das einzige Wesen, welches je deine Hiebe treffen werden.«

»Ach, wie du sprichst, Kamerad!« antwortete Proudfute, sehr erleichtert, aber doch für nöthig erachtend, den Beleidigten zu spielen. »Ich kümmere mich nicht um deine schlechte Laune; es ist gut für dich, daß du meine Geduld nicht so weit erschöpfen kannst, um mit dir zu streiten. Genug – wir sind Gevattern und das ist dein Haus. Warum sollten die beiden besten Klingen in Perth einander bekämpfen? Ei, ich kenne deine üble Laune und kann sie verzeihen. – Aber ist die Fehde wirklich aufgehoben?«

»So vollkommen, als je ein Hammer einen Nagel befestigte,« sagte der Schmied. »Die Stadt hat dem Johnston eine Börse Gold gegeben, daß er sie nicht eines Ruhestörers, genannt Oliver Proudfute, beraubte, als er ihn in seiner Gewalt hatte; und dieses Gold kauft für den Oberrichter die Insel Steepleß, die ihm der König schenkt, denn der König zahlt Alles in der Länge. Und so bekommt Sir Patrick den hübschen Inch, der seiner Wohnung gegenüberliegt, und alle Ehre auf beiden Seiten ist gerettet, denn was dem Oberrichter gegeben wird, wird, versteht sich, der Stadt gegeben. Ueberdieß hat Douglas die Stadt verlassen, um gegen die Engländer zu marschiren, die, wie man sagt, von dem treulosen Grafen von March über die Grenze gerufen sind. So ist die gute Stadt ihn und sein Gefolge los.«

»Aber, in St. Johns Namen, wie ist das Alles zugegangen?« sagte Oliver; »und kein Mensch hat davon gesprochen?«

»Nun sieh', Freund Oliver, dieß, denk' ich, ist der Fall gewesen. Der Kerl, dem ich eine Hand abhieb, soll nur ein Diener Sir John Ramorny's gewesen sein, der nach seiner Heimath Fife geflohen ist, wohin auch Sir John selber verbannt worden mit voller Zustimmung jedes ehrlichen Mannes. Nun, Alles, was Sir John Ramorny betrifft, geht auch einen viel größern Mann an – ich glaube, so etwas sagte Simon Glover dem Sir Patrick Charteris. Wenn es sich verhält, wie ich vermuthe, so darf ich nur dem Himmel und allen Heiligen danken, daß ich den auf der Leiter nicht prügelte, als ich ihn gefangen nahm.«

»Und auch ich danke dem Himmel und allen Heiligen auf's Beste,« sagte Oliver. »Ich stand hinter dir, wie du weißt, und –«

»Nichts mehr davon, wenn du klug bist – es gibt Gesetze gegen die, welche Fürsten schlagen,« sagte der Schmied; »am besten ist's, man rührt das Hufeisen nicht eher an, als bis es kalt geworden. Alles ist nun beigelegt.«

»Wenn das ist,« sagte Oliver, zum Theil verlegen, noch mehr aber ermuthigt durch die Kunde, die er vom besser unterrichteten Freunde erhielt, »so hab' ich Grund, mich über Sir Patrick Charteris zu beklagen, daß er mit der Ehre eines ehrlichen Bürgers Scherz treibt, während er selber Oberrichter unserer Stadt ist.«

»Thu' es, Oliver; fordere ihn heraus, und er wird seinem Diener befehlen, die Hunde auf dich zu hetzen. – Aber wohlan, die Nacht rückt vor, seid Ihr zu Ende?«

»Nun, ich hätte dir noch ein Wort zu sagen, guter Gevatter. Aber zuerst noch einen Becher Eures kalten Bieres.«

»Die Pest auf dich, du Narr! Du machst, daß ich dich hinwünsche, wo kalte Getränke selten sind. – Da, leere das Faß aus, wenn du Lust hast.«

Oliver nahm die zweite Flasche, trank aber, oder schien vielmehr sehr langsam zu trinken, um Zeit zu gewinnen zur Ueberlegung, wie er den zweiten Gegenstand der Unterhaltung einleiten könne, der bei des Schmiedes gegenwärtigem reizbarem Zustande sehr kitzlich schien. Endlich fand er nichts Besseres, als gleich auf die Sache los zu gehen mit den Worten: »Ich habe heute Simon Glover gesehen, Gevatter.«

»Gut,« sagte der Schmied in einem leisen, tiefen und ernsten Tone. »Und wenn du ihn sahst, was geht es mich an?«

»Nichts, nichts,« antwortete der eingeschüchterte Strumpfwirker. »Ich dachte nur, Ihr möchtet gern wissen wollen, daß er mich genau fragte, ob ich Euch am Valentinstage, nach dem Lärm bei den Dominikanern, gesehen habe und in welcher Gesellschaft.«

»Und ich wette, du sagtest ihm, daß du mich mit einer Sängerin in jenem dunkeln Gäßchen gesehen?«

»Du weißt, Harry, ich habe keine Gabe, zu lügen; aber ich brachte Alles bei ihm in's Gleiche.«

»Wie, ich bitt' Euch!« sagte der Schmied.

»Ei nun, so! – Vater Simon, sagt' ich, Ihr seid ein alter Mann und kennt unsere Beschaffenheit nicht, in deren Adern die Jugend wie Quecksilber fließt. Ihr meint nun, es lieg' dem Harry an jenem Mädchen, sagt' ich, und daß er sie in irgend einem Winkel hier in Perth habe? Keineswegs; ich weiß, sagt' ich, und will einen Eid drauf schwören, daß sie am nächsten Morgen in aller Frühe aus seinem Hause nach Dundee abreiste. Ha! Hab' ich dir in der Noth geholfen?«

»Wahrlich, das scheint mir so, und wenn in diesem Augenblick noch Etwas meine Unruhe und meinen Kummer mehren könnte, so ist es, daß, während ich so tief im Sumpfe stecke, ein Esel wie du seinen plumpen Fuß auf meinen Kopf stellt, um mich gänzlich versinken zu lassen. Nun mach', daß du fort kommst, und mögest du solches Glück haben, als deine klatschhafte Laune verdient; dann denk' ich, wird man dich mit gebrochenem Halse in der nächsten Gasse finden. – Mach', daß du fortkommst, oder ich werfe dich mit dem Kopfe voran aus der Thür.«

»Ha, ha!« lachte Oliver sehr gezwungen, »wie kannst du so unzart sein! Aber, Gevatter Harry, willst du mich in deinem Trübsinn nicht nach meinem Hause in Meal Vennal begleiten?«

»Zum Teufel, nein!« antwortete der Schmied.

»Ich will dir Wein vorsetzen, wenn du mitgehst,« sagte Oliver.

»Ich will dir Prügelsuppe vorsetzen, wenn du bleibst,« sagte Harry.

»Nun, dann will ich dein Büffelwams anziehen und die Stahlhaube aufsetzen und deinen starken Schritt annehmen, und deinen Pibroch; ›Gebrochene Beine zu Loncarty‹ pfeifen; und wenn sie mich für dich nehmen, so werden vier auf einmal sich nicht an mich wagen.«

»Nimm Alles oder was du willst in des Satans Namen! aber geh' nur.«

»Gut, gut, Harry, wir sehen uns, wenn du besser aufgelegt bist,« sagte Oliver, der die Kleidung angelegt hatte.

»Geh' – und mög' ich dein narrenhaftes Gesicht nie wiedersehen!«

Oliver befreite endlich seinen Wirth, indem er fortging, so gut er konnte, den festen Schritt und die kühne Haltung seines unerschrockenen Gefährten nachahmend, und einen Pibroch pfeifend, der die Niederlage der Dänen zu Loncarty enthielt und welchen er aufgeschnappt hatte, weil er eine Lieblingsweise des Schmieds war, den er, so gut er konnte, zu seinem Vorbilde nahm. Aber, als der unschuldige, obwohl eingebildete Bursch' den Wynd an der Stelle verließ, wo er sich mit der Highstreet verbindet, empfing er von hinten einen Hieb, gegen den seine Blechhaube keinen Schutz lieh, und er todt auf den Platz fiel; ein Versuch, Harry's Namen zu murmeln, von welchem er stets Schutz erwartete, bewegte noch seine sterbende Zunge.


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