Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtundzwanzigstes Kapitel.

Braucht der Eroberer mehr, als daß ihn groß
Der feile Griffel der Geschichte heißt,
Und auf dem Grab' ein stattlich Denkmal bloß?
Nicht minder warm hofft' er, Gut barg wie Muth ein Geist.
                                        Byron.

Nachdem das Leichenbegängniß vorüber war, bereitete sich dieselbe Flottille, die in feierlicher und düsterer Pracht den See herabgefahren war, mit wehenden Fahnen und jeder Aeußerung von Lust und Freude zurückzukehren; denn es war nur kurze Zeit vorhanden, um Festlichkeiten zu feiern, da der furchtbare Kampf zwischen dem Clan Quhele und dessen gefürchtetsten Nebenbuhlern so nahe bevorstand. Man hatte daher beschlossen, daß das Leichenfest mit dem der Einführung des jungen Häuptlings verbunden werden sollte.

Man hatte einige Einwendungen gegen diese Anordnung, die eine üble Vorbedeutung enthalten sollte, gemacht. Auf der andern Seite aber hatte sie etwas Empfehlendes für sich, gemäß den Sitten und der Gefühlsweise der Hochländer, die bis auf diesen Tag gewohnt sind, in gewissem Grade feierliche Freude mit ihrer Trauer und etwas Melancholisches mit ihrer Freude zu verbinden. Die gewöhnliche Abneigung, an die Geliebten zu denken oder von ihnen zu sprechen, die man verlor, ist diesem ernsten und enthusiastischen Volke minder bekannt, als andern. Man hört nicht nur die Jüngeren (wie es überall gewöhnlich ist) die Verdienste und den Charakter der Aelteren erwähnen, die, dem Laufe der Natur nach, vor ihnen abgeschieden sind; sondern der verwaiste Theil redet auch im gewöhnlichen Gespräch von dem verlorenen Gatten, und, was noch befremdender ist, die Eltern spielten oft auf die Stärke und Schönheit des Kindes an, welches sie begraben haben. Die schottischen Hochländer scheinen die Trennung der Freunde durch den Tod als etwas minder Unbedingtes und Vollständiges zu betrachten, als wofür man in andern Gegenden sie hält, und sie sprechen von den theuren Verwandten, die vor ihnen in's Grab gesenkt wurden, als hätten sie eine lange Reise angetreten, in der sie ihnen bald selbst folgen müßten. Das Leichenfest, welches eine allgemeine Sitte durch ganz Schottland war, wurde daher nach der Meinung derer, die daran Theil hatten, bei der gegenwärtigen Gelegenheit nicht unschicklich mit den Festlichkeiten verbunden, welche die Erbfolge der Häuptlingschaft feierten.

Die Barke, die den Todten nur erst zu Grabe getragen, führte nun den jungen Mac Jan zu seinem neuen Herrschersitz, und die Minstrels ließen ihre fröhlichsten Weisen ertönen, da sie kaum noch die schmerzlichsten Todtenlieder, als sie Gilchrist zu Grabe begleiteten, gesungen hatten. Von der begleitenden Flottille erschollen Töne des Triumphs und Jubels, statt der Klagetöne, welche eben noch den Wiederhall des Tay-Sees aufgestört hatten; und tausend Stimmen begrüßten den jugendlichen Häuptling, der auf dem Hintertheile des Schiffes stand, vollständig bewaffnet, in der Blüthe der Jugend, Schönheit und Kraft, an der nämlichen Stelle, wo kaum vorher seines Vaters Leichnam ausgestreckt lag, und umgeben von triumphirenden Freunden, wie jener von verzweifelnden Leidtragenden. Ein Boot hielt ganz nahe bei dem Ehrenschiff der Flottille. Torquil von der Eiche, ein grauer Riese, war Steuermann, und seine acht Söhne, die alle größer als ein gewöhnlicher Mann waren, führten die Ruder. Wie ein gewaltiger und werthgehaltener Wolfshund, von der Kuppel gelöst und um seinen gütigen Herrn herumspringend, fuhr das Boot der Pflegebrüder bald auf der einen, bald auf der andern Seite der Häuptlingsbarke vorbei, und ruderte auch um sie herum, im Uebermaß der Freude; wodurch zugleich die Brüder, mit der eifersüchtigen Wachsamkeit des genannten Thieres für jedes andere Boot der Flottille es gefährlich machten, so nahe an sie zu kommen, weil es sonst befürchten mußte, durch ihre heftigen und rastlosen Manövers in Grund gebohrt zu werden. Zu einem hohen Range im Clan durch die Erbfolge ihres Pflegebruders im Oberbefehl des Clans Quhele erhoben, bezeugten sie durch jene lärmende und beinahe schreckliche Weise ihren besondern Antheil an ihres Häuptlings Triumph.

Weit hinten und mit ganz andern Gefühlen, wenigstens auf Seiten Eines in der Gesellschaft, kam das kleine Boot, worin, bemannt vom Booshalloch und einem seiner Söhne, Simon Glover ein Reisender war.

»Wenn wir bis an's Ende des See's sollen,« sagte Simon zu seinem Freunde, »so werden wir kaum in mehreren Stunden dort sein.«

Aber als er so sprach, ließ die Mannschaft des Bootes der Pflegebrüder auf ein Zeichen von des Häuptlings Galeere die Ruder ruhen, bis des Booshallochs Boot heran kam, und indem sie ein Seil von Leder an Bord warfen, welches Niel an der Spitze seines Fahrzeugs befestigte, setzten sie ihre Ruder wieder in Bewegung; und trotzdem, daß sie das kleine Boot im Schlepptau hatten, flogen sie doch über den See fast mit derselben Schnelligkeit wie zuvor. Das Fahrzeug wurde mit einer Geschwindigkeit fortgezogen, die es in Gefahr zu setzen schien, unter das Wasser gerissen zu werden oder das Vordertheil von den übrigen Balken zu trennen.

Simon Glover sah mit Besorgniß die rücksichtslose Heftigkeit ihres Laufes, und daß der Rand des Bootes bisweilen nur ein oder zwei Zoll über dem Wasser war; und obwohl sein Freund Niel Booshalloch ihn versicherte, daß Alles zu seiner besondern Ehre geschehe, so wünschte er doch herzlich das sichere Ende der Reise. Dies ward erreicht, und zwar viel eher, als er ahnte; denn der Ort der Festlichkeiten war nicht vier Meilen von der Begräbnißinsel entfernt, und so gewählt, daß er zu der Reise des Häuptlings paßte, die dieser südwärts antreten wollte, sobald das Bankett vorüber sein würde.

Eine Bucht auf der Südseite des Taysees bot eine schöne Bank funkelnden Sandes dar, wo die Boote leicht landen konnten, und eine trockene, mit Rasen bedeckte Weide, die für die Jahreszeit ziemlich grün war, rings um welche sich hohe Ufer, mit Gebüschen bedeckt, erhoben, woselbst die verschwenderischen Zurüstungen, die zum Mahle gemacht worden, sichtbar waren.

Die Hochländer, wohlbekannt als geübte Zimmerleute, hatten eine lange Halle oder ländlichen Speisesaal errichtet, fähig, zweihundert Menschen zu fassen, nebst einer Anzahl kleinerer Hütten ringsum, die zu Schlafgemächern bestimmt schienen. Die Pfeiler, Kuppeln und Sparren des einstweiligen Saales waren aus Bergfichten, die ihre Rinde noch trugen. Das Getäfel der Seiten war von Brettern oder Balken desselben Materials, von laubigen Zweigen der Tannen und anderer immergrüner Bäume, die der benachbarte Forst bot, durchzogen, während die Hügel eine Menge Haidekraut hergegeben hatten, um das Dach zu bilden. In diesen Waldpalast waren die bedeutendsten Personen eingeladen, um das hohe Fest zu feiern. Andere, minder bedeutende, sollten in langen Schuppen speisen, die mit weniger Sorgfalt gebaut waren; und Tafeln von Rasen oder rauhen Brettern, die in der freien Luft standen, wurden der zahllosen Menge angewiesen. In einiger Entfernung sah man Haufen von glühenden Kohlen oder brennendem Holz, um welche zahllose Köche arbeiteten, lärmten und sich tummelten, wie ebenso viele Teufel, die in ihrem natürlichen Elemente sind. Gruben, die in den Hügel eingegraben und von heißen Steinen umgeben waren, dienten dazu, eine ungeheure Anzahl von Rindfleisch, Hammeln und Wildpret zu braten – hölzerne Spieße trugen Schafe und Gemsen, welche ganz geröstet wurden. Andere wurden in Stücke geschnitten und in Kessel geworfen, die aus des Thieres eigenen Häuten gemacht, schnell zusammengenäht und mit Wasser gefüllt waren; während eine große Anzahl Hechte, Forellen, Lachse und Schare mit mehr Umständlichkeit in glühender Asche geröstet wurden. Der Handschuhmacher hatte viele hochländische Gastmähler gesehen, aber nie eins, dessen Zubereitungen eine so barbarische Verschwendung zeigten.

Er hatte indeß wenig Zeit, die Scene ringsum zu bewundern, denn sobald sie auf der Bank landeten, bemerkte der Booshalloch mit einiger Verlegenheit, daß, da sie nicht zur Tafel des Gebieters gebeten waren, zu welcher er eine Einladung erwartet zu haben schien, sie am besten thun würden, sich einen Platz in den niedern Hütten oder Buden zu sichern; er trat mit seinem Gaste den Weg dorthin an, als ihn einer von den Leibwachen anhielt, der das Amt eines Ceremonienmeisters zu versehen schien, und ihm Etwas in's Ohr flüsterte.

»So dacht' ich,« sagte der Hirt, sehr getröstet, »ich dachte, daß weder der Fremde noch der Mann von meinem Amte von der Haupttafel ausgeschlossen sein könnte.«

Sie wurden daher in die große Halle geführt, in welcher lange Reihen von Tischen meist schon von Gästen eingenommen waren, während diejenigen, welche den Dienst versahen, ihnen reichlichen aber rohen Vorrath des Mahles vorsetzten. Der junge Häuptling, obwohl er gewiß den Hirten und den Handschuhmacher eintreten sah, grüßte doch Keinen von Beiden besonders, und ihre Plätze wurden ihnen in einer entfernten Ecke angewiesen, weit unter dem Salzfaß (einer großen alterthümlichen Silberschüssel), dem einzigen Gegenstande von Werth, den die Tafel zeigte, und der von dem Clan wie eine Art Palladium betrachtet wurde, gezeigt und gebraucht nur bei den feierlichsten Gelegenheiten, wie bei der gegenwärtigen.

Der Booshalloch, etwas unzufrieden, flüsterte, als er seinen Platz einnahm, Simon zu: »Die Zeiten haben sich geändert, Freund. Sein Vater, dessen Seele ruhen möge, würde uns Beide angesprochen haben; aber das sind schlechte Sitten, die er im Niederlande unter Euch Sachsen gelernt hat.«

Auf diese Bemerkung hielt der Handschuhmacher eine Erwiderung nicht für nöthig; statt derselben betrachtete er das Immergrün und besonders die Felle und andern Zierrathen, womit das Innere der Halle geschmückt war. Der merkwürdigste Theil dieser Zierrathen war eine Anzahl hochländischer Panzerhemden, nebst Stahlhauben, Streitäxten und zweihändigen Schwertern, die rings um den obern Theil des Gemachs hingen, zugleich neben reichverzierten Schildern. Jedes Panzerhemd hing über einer wohlgeputzten Hirschhaut, welche die Rüstung vortheilhaft zeigte und sie zugleich vor dem Rauche schützte.

»Dies,« flüsterte der Booshalloch, »sind die Waffen der erwählten Streiter des Clans Quhele. Es sind, wie du siehst, neunundzwanzig, und Eachin selbst ist der dreißigste, der seine Rüstung heut' trägt, sonst würden dreißig dahängen. Und er hat überhaupt keinen so guten Harnisch bekommen, als er am Palmsonntag tragen sollte. Jene neun Harnische von so bedeutender Größe sind für die Leichtach oder Leibwache, von der man so viel erwartet.«

»Und jene hübschen Hirschhäute,« sagte Simon, in welchem der Geist seines Berufes beim Anblick der Güter seines Gewerbes erwachte, – »glaubt Ihr, der Häuptling werde geneigt sein, sie zu verkaufen? Man sucht sie zu den Wämsern, welche die Ritter unter der Rüstung tragen.«

»Bat ich Euch nicht,« sagte der Booshalloch, »nichts von dem Gegenstande zu erwähnen?«

»Ich sprach von den Panzerhemden,« sagte Simon, – »darf ich fragen, ob eines davon von unserm berühmten Perther Waffenschmied, genannt Harry vom Wynd, gefertigt ist?«

»Du fragst unglücklicher, als vorher,« sagte Niel; »jenes Mannes Name ist für Eachins Gemüth wie ein Wirbelwind auf dem See; doch weiß Niemand, aus welchem Grunde.«

»Ich kann mir's denken,« dachte unser Handschuhmacher, sprach aber den Gedanken nicht aus; und nachdem er zwei Mal unerfreuliche Gegenstände der Unterhaltung berührt hatte, schickte er sich, gleich den Uebrigen um ihn her, an, das Mahl zu genießen, ohne einen neuen Gegenstand anzuregen.

Wir haben so viel von den Zurüstungen gesagt, daß der Leser daraus schließen kann, daß das Fest hinsichtlich der Beschaffenheit der Speisen von der rohesten Art war, indem es hauptsächlich aus großen Fleischstücken bestand, die mit wenig Rücksicht auf die Fastenzeit verzehrt wurden, obwohl mehrere der Mönche des Inselklosters die Tafel durch ihre Gegenwart ehrten und weiheten. Die Schüsseln waren von Holz, ebenso die mit Reifen umgebenen Kelche oder Becher, aus welchen die Gäste ihr Getränk und die Fleischbrühe, die man für etwas Leckerhaftes hielt, tranken. Es waren auch verschiedene Milchspeisen da, die man hochschätzte und aus ähnlichen Gefäßen genoß. Brod war der seltenste Artikel bei der Mahlzeit; aber der Handschuhmacher und sein Wirth wurden mit einigen dünnen Stückchen, die besonders zu ihrem Gebrauch gereicht wurden, versehen. Beim Essen, wie es durch ganz Britannien der Fall war, gebrauchten die Gäste ihre Messer, genannt Skenes, oder die großen Dolche, welche Dirks hießen, ohne sich durch den Gedanken stören zu lassen, daß sie vielleicht ganz anderen oder verderblichen Zwecken dienen könnten.

Am obern Ende der Tafel stand ein leerer Sessel, ein oder zwei Stufen über dem Boden erhaben. Er war mit einem Baldachin von Hollunder- und Epheuzweigen überdeckt, und dabei lehnte ein Schwert in der Scheide und ein zusammengefaltetes Banner. Dies war der Sitz des verstorbenen Häuptlings gewesen, der ihm zu Ehren leer blieb. Eachin nahm einen niedrigen Stuhl zur Rechten des Ehrenplatzes ein.

Der Leser würde sich sehr irren, wenn er aus dieser Schilderung die Vermuthung herleiten wollte, als hätten sich die Gäste wie eine Heerde hungriger Wölfe betragen, die auf ein ihnen seltenes Mahl losstürzten. Im Gegentheil, der Clan Quhele betrug sich mit der Art höflicher Zurückhaltung und Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse Anderer, welche oft bei Urvölkern, besonders solchen, die stets unter Waffen sind, gefunden wird, weil eine allgemeine Beobachtung der Regeln der Höflichkeit nothwendig ist, um Streit, Blutvergießen und Mord zu verhüten. Die Gäste nahmen die Plätze ein, die von Torquil von der Eiche, der als Marschall Taeh, d. h. Tafelmeister, auftrat, durch die Berührung mit einem weißen Stabe, ohne ein Wort zu sprechen, ihnen angewiesen wurden. Als so die Gesellschaft in Ordnung saß, wartete man geduldig auf die angewiesene Portion, die von dem Leichtach unter sie vertheilt wurde; die tapfersten Männer oder ausgezeichnetsten Krieger des Stammes wurden doppelt versehen, was man bezeichnend Bieyfir oder Antheil eines Mannes nannte. Als die Tafelmeister Jedermann bedient sahen, nahmen sie selbst ihre Plätze beim Gastmahl ein, und wurden mit einer dieser größeren Portionen versehen. In die Nähe jedes Mannes wurde Wasser gestellt, und eine Handvoll weiches Moos diente als Tafeltuch, so daß die Hände, wie bei einem morgenländischen Mahl, so oft gewaschen wurden, als die Gerichte wechselten. Zur Unterhaltung recitirte der Barde das Lob des verstorbenen Häuptlings und drückte das Vertrauen des Clans auf die aufblühenden Tugenden des Nachfolgers aus. Der Seanachin recitirte die Genealogie des Stammes, die sie bis zum Geschlecht der Dalriads zurückführten; die Harfner spielten im Saale, während die Kriegspfeifen draußen die Menge ergötzten. Die Unterhaltung unter den Gästen war ernst, würdevoll und höflich – kein Scherz überschritt die Grenzen eines freundlichen Spaßes, nur berechnet, ein flüchtiges Lächeln zu erregen. Man erhob die Stimmen nicht und kein Streit fand statt; und Simon Glover hatte hundert Mal mehr Lärm bei einem Innungsmahl in Perth gehört, als bei dieser Gelegenheit zweihundert wilde Hochländer erregten.

Selbst das Getränk schien die Gesellschaft nicht über den Ton anständigen Ernstes aufzuregen. Es war von verschiedener Art – Wein erschien in sehr geringer Menge und ward nur den vorzüglichsten Gästen gereicht, unter deren geehrte Zahl wieder Simon Glover gehörte. Der Wein und die beiden Weizenbrote waren in der That die einzigen Zeichen von Beachtung, die er während des Mahles erfuhr; aber Niel Booshalloch, eifersüchtig für seines Herrn Ruf der Gastfreundschaft, verfehlte nicht, sie als Beweise hoher Auszeichnung zu rühmen. Gebrannte Wasser, die man später so allgemein im Hochland gebrauchte, waren vergleichungsweise damals unbekannt. Der Usquebaugh ging in geringer Menge herum und wurde durch eine Abkochung von Safran und andern Kräutern noch reizender gemacht, so daß er mehr einem medicinischen Trank, als einem Getränk für die Mahlzeit glich. Cider und Meth sah man ebenfalls, aber Bier, welches in großer Menge dazu gebraut war und ohne alle Einschränkung floß, war das allgemeine Getränk, und ward mit einer Mäßigung getrunken, die unter den neuern Hochländern weit minder bekannt ist. Ein Becher auf das Andenken des verstorbenen Häuptlings war der erste Toast, der feierlich nach vollendeter Mahlzeit ausgebracht wurde; und ein tiefes Gemurmel von Segenswünschen wurde von der Gesellschaft gehört, während die Mönche allein, ihre vereinigten Stimmen erhebend, Requiem aeternam dona sangen. Eine ungewöhnliche Stille folgte, wie wenn etwas Außerordentliches erwartet würde, als Eachin mit kühnem und männlichem, doch bescheidenem Anstand sich erhob und, indem er den leeren Thronsessel einnahm, mit Würde und Festigkeit sagte:

»Diesen Sitz und meines Vaters Erbtheil nehme ich als mein Recht in Anspruch – so helfe mir Gott und St. Barr!«

»Wie willst du deines Vaters Kinder beherrschen?« sagte ein alter Mann, der Oheim des Verstorbenen.

»Ich will sie mit meines Vaters Schwert vertheidigen und Gerechtigkeit unter meines Vaters Banner für sie üben.«

Der alte Mann zog mit zitternder Hand das gewichtige Schwert aus der Scheide, und indem er es bei der Klinge hielt, bot er der Hand des jungen Häuptlings den Griff; zu gleicher Zeit entfaltete Torquil von der Eiche das Banner des Stammes und schwenkte es wiederholt über Eachins Haupt, der mit seltenem Anstand und Gewandtheit, als vertheidigte er die Fahne, den großen Claymore schwang. Die Gäste erhoben ein gellendes Geschrei, um ihre Beistimmung zur Wahl des patriarchalischen Häuptlings, der ihre Huldigung in Anspruch nahm, zu bezeugen, und kein Anwesender war geneigt, vor dem schönen und gewandten Jüngling an die traurigen Weissagungen zu erinnern. Als er in flammender Rüstung, auf das lange Schwert gestützt, und durch würdevolle Bewegungen den Zuruf, der die Luft innen, außen und ringsumher durchbrach, anerkennend dastand, war Simon Glover versucht zu zweifeln, ob diese männliche Gestalt derselbe Jüngling sei, den er oft mit wenig Umständen behandelt hatte, und begann, die Folgen davon einigermaßen zu fürchten. Ein allgemeiner Gesang der Minstrels folgte dem Zuruf, und Fels und Wald erklangen von Harfen und Pfeifen, wie kurz vorher von Wehklagen und Jammer.

Es würde ermüdend sein, wenn wir den Fortgang des Einweihungsfestes verfolgen oder die Trinksprüche einzeln anführen wollten, die den ehemaligen Helden des Clans und besonders den neunundzwanzig tapfern Streitern gebracht wurden, welche in dem bevorstehenden Kampfe unter den Augen und der Führung ihres jungen Häuptlings fechten sollten. Die Sänger nahmen in den alten Zeiten mit ihrer Kunst verbundenen prophetischen Charakter an, und wagten den ausgezeichnetsten Sieg zuzusichern und die Wuth vorauszusagen, mit welcher der blaue Falke, das Zeichen des Clans Quhele, die Bergkatze, das wohlbekannte Zeichen des Clans Chattan, in Stücke reißen würde.

Sonnenuntergang war nahe, als eine Bowle, genannt der Gnadenbecher, aus Eichenholz und mit Silber eingefaßt, zum Zeichen der Trennung um die Tafel ging, obwohl es Jedem freistand, noch länger zu zechen oder sich sogleich in eine der äußern Hütten zu begeben. Was Simon Glover betraf, so führte ihn der Booshalloch in eine der kleinen Hütten, die für einen Einzelnen eingerichtet zu sein schien, und ein Bett von Haidekraut und Moos enthielt, so gut es die Jahreszeit gestaltete, und ein reicher Vorrath solcher Leckerbissen, als das gehaltene Gastmahl gewährte, zeigte, daß alle Sorgfalt für des Bewohners Bequemlichkeit beobachtet worden.

»Verlaß diese Hütte nicht,« sagte der Booshalloch zu seinem Freunde und Schutzbefohlenen, indem er Abschied nahm; »dies ist dein Ruheplatz; aber in einer solchen geräuschvollen Nacht gehen die Gemächer verloren, und wenn der Dachs sein Loch verläßt, kriecht der Fuchs hinein.«

Simon Glover war diese Einrichtung keineswegs unangenehm. Er war vom Geräusche des Tages ermüdet und sehnte sich nach Ruhe. Nachdem er daher einen Bissen gegessen, was sein Appetit kaum nöthig machte, und einen Becher Wein getrunken, um sich zu erwärmen, murmelte er sein Abendgebet, hüllte sich in seinen Mantel und legte sich auf ein Lager, welches durch alte Bekanntschaft ihm bequem und vertraut war. Das Summen und Murmeln, ja selbst das gelegentliche Geschrei von einigen der Gäste, welche draußen fortfuhren zu schwärmen, unterbrach seine Ruhe nicht lange; und nach etwa zehn Minuten war er eingeschlafen, als wenn er in seinem eigenen Bette in Curfewstreet gelegen hätte.


 << zurück weiter >>