Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Zweites Kapitel.

Sammtweichen Kuß beut auch ein Mund vom Lande;
Zwar Lady nicht, flicht sie wohl süß're Bande.
                                                  Dryden.

Perth, welches sich, wie wir bereits erwähnten, so vieler Schönheiten der unbelebten Natur rühmt, hat zu keiner Zeit derjenigen Reize entbehrt, die zugleich anziehender und vergänglicher sind. Die Benennung, das schöne Mädchen von Perth, würde zu jeder Zeit eine hohe Auszeichnung gewesen sein und eine nicht geringe Uebermacht an Schönheit vorausgesetzt haben, da dort so Viele waren, um diesen beneideten Titel in Anspruch zu nehmen. Aber in den Zeiten des Lehnwesens, zu denen wir jetzt die Aufmerksamkeit des Lesers hinlenken, war leibliche Schönheit eine Eigenschaft von höherer Bedeutung, als es der Fall gewesen ist, nachdem der ritterliche Sinn großentheils erlosch. Die Liebe der alten Ritter war eine Art erlaubten Götzendienstes, welcher, wie man in der Theorie annahm, der Liebe des Himmels allein sich an Innigkeit nähern konnte, die ihr aber in der Wirklichkeit selten gleichkam. Gott und die Damen wurden gemeinsam in einem Athem angerufen; und Ergebenheit gegen das schöne Geschlecht ward dem Bewerber um die Würden des Ritterthums ebenso dringend zur Pflicht gemacht, als die, welche er dem Himmel schuldig war. In diesem Zeitalter war die Macht der Schönheit fast unbeschränkt. Sie konnte den höchsten Rang mit einem unermeßlich niedrigern gleichstellen.

Es war unter der Regierung, welche jener Roberts III. vorherging, daß Schönheit allein ein Weib von niedrigem Stande und zweifelhaften Sitten auf den Thron von Schottland erhoben hatte; und viele Frauen, weniger glücklich oder minder klug, hatten vom Range von Concubinen zur Größe sich emporgeschwungen, was die Sitten der Zeit erlaubten und entschuldigten. Solche Beispiele hätten ein Mädchen von höherer Geburt, als Katharina oder Katie Glover war, die allgemein für das schönste Mädchen der Stadt und der Umgegend galt, geblendet. Der Ruf des schönen Mädchens von Perth hatte die Aufmerksamkeit der jüngern Ritter am königlichen Hofe auf sie gelenkt. Der Aufenthalt des Hofes war in Perth oder in dessen Umgebungen, und manche durch ritterliche Thaten ausgezeichnete Edle strengten sich mehr an, Proben ihrer Festigkeit im Reiten zu geben, wenn sie an der Thür des alten Simon Glover in der sogenannten Couvrefew- oder Curfewstraße vorüberkamen, als sich bei den Turnieren auszuzeichnen, wo die edelsten Damen Schottlands Zeugen ihrer Geschicklichkeit waren.

Aber die Tochter des Glover (Handschuhmachers) – denn, wie es bei Handwerkern und Künstlern jener frühen Zeit üblich, entlehnte ihr Vater, Simon, seinen Namen dem Gewerbe, welches er trieb – zeigte keine Neigung, auf die Artigkeiten der Herren zu achten, die sich von einem Range, der weit über dem ihrigen stand, zu ihr herabließen, und wenn sie auch, wie man annehmen darf, sich ihrer persönlichen Vorzüge genügend bewußt war, so schien sie doch zu wünschen, ihre Eroberungen auf diejenigen zu beschränken, die sich mit ihr in der gleichen Sphäre befanden. Auch ihre Schönheit, die in der That mehr geistig als körperlich war, hatte, ungeachtet der natürlichen Sanftheit und Güte ihres Charakters, mehr von Zurückhaltung als Fröhlichkeit in ihrem Gefolge, selbst wenn sie mit Ihresgleichen in Gesellschaft war, und der Eifer, mit welchem sie alle religiösen Pflichten erfüllte, brachte viel Leute zu dem Glauben, Katharina Glover hege im Stillen den Wunsch, sich von der Welt zurückzuziehen und sich in die Einsamkeit des Klosters zu begraben. Aber gesetzt auch, es wäre in der That ihre Absicht gewesen, ein solches Opfer zu bringen, so ließ sich doch nie annehmen, daß ihr Vater, der für reich galt und außer ihr kein Kind weiter hatte, freiwillig seine Zustimmung geben würde.

In ihrem Entschlusse, die Höflichkeiten der artigen Höflinge zu vermeiden, ward die gefeierte Schönheit von Perth durch die Gesinnung ihres Vaters bestärkt. »Laß sie gehen,« sagte er, »laß sie gehen, Katharina, diese edlen Herren mit ihren munteren Rossen, ihren glänzenden Sporen, ihren Federhüten und wohlgepflegten Schnurrbärten; sie gehören nicht in unsern Stand und wir wollen uns nicht zu ihnen zu erheben suchen. Morgen ist St. Valentin, der Tag, an welchem jeder Vogel sein Weibchen wählt; aber du wirst weder den Hänfling mit dem Sperber, noch das Rothkehlchen mit dem Geier sich paaren sehen. Mein Vater war ein ehrsamer Bürger von Perth, und wußte die Nadel so gut zu führen wie ich. Wenn sich aber den Thoren unserer guten Stadt der Krieg nahte, warf er Nadel, Faden und Gemshaut weg, holte aus dem dunkeln Winkel, wo er sie aufgehängt hatte, Pickelhaube und Schild und nahm seine lange Lanze vom Kamine. Nenne mir Jemand einen Tag, wo ich oder er gefehlt hätten, wenn der Hauptmann Musterung hielt! So haben wir's gehalten, mein Mädchen, gearbeitet, um Brod zu gewinnen, und gefochten, es zu vertheidigen, und ich mag keinen Schwiegersohn, der sich einbildet mehr zu sein, denn ich; und was jene Herren und Ritter betrifft, so hoffe ich, du werdest dich stets erinnern, daß du zu niedrig bist, um ihre Gemahlin, und zu hoch, um ihre Buhldirne zu sein. Und nun lege deine Arbeit bei Seite, Mädchen, denn es ist heiliger Abend und es ziemt uns, in die Vesper zu gehen, um den Himmel zu bitten, daß er dir morgen einen guten Valentin sende.«

Das schöne Mädchen von Perth legte demnach den prächtigen Jagdhandschuh, den sie für Lady Drummond stickte, bei Seite, warf ihr Festtagskleid um und machte sich bereit, ihren Vater in das Dominikanerkloster zu begleiten, welches nicht weit von der Curfewstraße, wo sie wohnten, entfernt lag. Unterwegs empfing Simon Glover, ein allgemein geachteter Bürger von Perth, der in den Jahren schon bedeutend vorgerückt war, aber auch seinen Reichthum mit seinen Jahren sich zugleich hatte mehren lassen, von Jung und Alt die Huldigungen, die seinem Sammtrock und seiner goldnen Kette zukamen, während vor Katharina's Reizen, obwohl durch ihren Mantel (ähnlich den noch in Flandern üblichen Mänteln) verhüllt, sich Jung und Alt verbeugte und die Mützen zog.

Während das Paar Arm in Arm vorwärts ging, folgte ihnen ein hochgewachsener, hübscher, junger Mann, gekleidet in die einfachste Tracht, die jedoch seine wohlgeformten Glieder vortheilhaft hervorhob und edle, regelmäßige Züge blicken ließ, die neben dem reichgelockten Haar und der kleinen Scharlachmütze, welche zu diesem Kopfputz trefflich stand, noch angenehmer in's Auge fielen. Er hatte keine andere Waffe als einen Stab in der Hand (denn er war Lehrbursche beim alten Glover), und man hielt es nicht für schicklich, daß Leute seines Standes mit dem Degen oder Dolche bewaffnet in den Straßen erschienen, ein Vorrecht, welches die Jackmanns, d. h. die im besondern Dienst der Edlen stehenden Söldner, für sich allein in Anspruch nahmen. Er begleitete seinen Meister zur Kirche, einmal, weil er gewissermaßen sein Bedienter war, und sodann, um ihn zu vertheidigen, wenn dies die Umstände nöthig machen sollten; indeß ließ sich aus der Aufmerksamkeit, die er der Katharina Glover zollte, leicht abnehmen, daß vorzüglich ihr seine Dienste gelten sollten. Gewöhnlich fand sich jedoch keine Gelegenheit, seinen Diensteifer an den Tag zu legen; denn ein gemeinsames Gefühl der Achtung bewog die Begegnenden, dem Vater und der Tochter auszuweichen.

Als sich aber die Stahlhauben, Barette und Federn der Knappen, Schützen und Reisigen unter der Menge zu zeigen begannen, ließen diejenigen, welche jene auszeichnenden Merkmale des Kriegergewerbes trugen, Sitten blicken, welche minder fein waren, als die der friedlichen Bürger. Mehr als einmal, wenn einer von jenen, sei es zufällig oder im Bewußtsein eingebildeter höherer Würde, auf der Seite der Mauer sich an Simon vorüberdrängte, runzelte der junge Lehrling drohend die Stirn, als brenne er vor Begierde, seinen Diensteifer für seine Gebieterin an den Tag zu legen. So oft Conachar, dies war des Jünglings Name, also that, erhielt er von seinem Meister einen Verweis, der ihn merken ließ, daß er sich in dergleichen nicht mischen sollte, bevor man seine Vermittlung verlange. »Närrischer Bursche,« sagte er, »bist du nicht lange genug in meiner Werkstatt gewesen, um zu wissen, daß aus einem Schlag eine Schlägerei entsteht, und daß ein Dolch so schnell durch die Haut fährt, als eine Nadel durch's Leder? Weißt du nicht, daß ich den Frieden liebe, ob ich gleich den Krieg nie gefürchtet habe, und daß ich mich wenig darum kümmere, auf welcher Seite der Straße ich und meine Tochter gehen, wenn wir nur ruhig und friedlich wandeln können?« Conchar entschuldigte sich mit dem Eifer, die Ehre seiner Meisters zu schirmen, aber diese Antwort genügte dem alten Bürger von Perth nicht. – »Was haben wir mit der Ehre zu schaffen?« sagte Simon Glover; »willst du in meinem Dienst bleiben, so mußt du ehrbar gesinnt sein und die Ehre den prahlerischen Thoren lassen, die Sporen an den Stiefeln und Stahl auf den Schultern tragen. Willst du dich mit ähnlichem Zierrath schleppen, so magst du's thun, aber in meinem Hause und in meiner Gesellschaft wird es nimmer geschehen.«

Conachar schien durch diesen Vorwurf eher erbittert zu werden, als sich zu fügen. Aber ein Zeichen von Katharina, wofern die leichte Bewegung, die sie machte, indem sie den kleinen Finger aufhob, wirklich ein solches war, machte auf den Jüngling mehr Eindruck, als die Vorwürfe seines erzürnten Meisters. Er legte die kriegerische Miene, die ihm natürlich anstand, bei Seite und wurde wieder der bescheidene Diener eines ruhigen Bürgers.

Inzwischen holte die kleine Gesellschaft ein junger, schlanker Mann ein, in einen Mantel gehüllt, welcher einen Theil seines Gesichts beschattete oder verhüllte, was die Liebesritter jener Zeit häufig im Gebrauch hatten, wenn sie auf Abenteuer ausgingen und nicht erkannt sein wollten. Kurz, er schien ein Mann, welcher zu aller Welt sagen mochte: »ich wünsche für jetzt nicht erkannt und nicht meinem Titel gemäß angeredet zu sein; wie ich aber, außer mir selber, Niemand von meinem Thun Rechenschaft zu geben habe, nehme ich das Incognito nur der Form wegen an und kümmere mich wenig d'rum, ob Ihr mich kennt oder nicht.« Er kam an die rechte Seite Katharinens, die am Arm ihres Vaters hing, und mäßigte seine Schritte, als wolle er sich zu ihr gesellen.

»Guten Abend, Vater!«

»Dasselbe wünsch' ich Euer Gnaden und dank' Euch. – Darf ich Euch bitten, voranzugehen? Unser Schritt ist zu langsam für Euer Gnaden – unsere Gesellschaft zu gering für die des Sohnes Eures Vaters.«

»Meines Vaters Sohn kann das am besten beurtheilen, Alter. Ich habe Geschäfte mit Euch zu besprechen, so wie mit meiner schönen St. Katharina hier, der lieblichsten und grausamsten Heiligen im Kalender.«

»Mit aller Ehrerbietung, Mylord,« sagte der alte Mann, »möcht' ich Euch erinnern, daß heut der heilige Abend zu St. Valentinstag ist und also keine Zeit zu Geschäften, und daß ich Euer Gnaden Befehle durch einen Diener erhalten kann, so früh es Euch gefällig ist, sie zu senden.«

»Es ist keine Zeit dazu, als die gegenwärtige,« sagte der beharrliche junge Mann, dessen Rang von der Art zu sein schien, daß er ihn aller Ceremonie überhob. »Ich wünsche zu wissen, ob das Koller von Büffelleder fertig ist, welches ich vor einiger Zeit bestellte; und Euch, schöne Katharina (hier sank seine Stimme zu einem Flüstern herab), bitte ich, mir zu sagen, ob Eure niedlichen Finger dabei geschäftig gewesen sind, wie Ihr es verspracht? Doch ich darf Euch nicht befragen, denn mein armes Herz hat jeden Nadelstich empfunden, den Ihr dem Kleide, das es bedecken soll, gabt. Grausame, wie willst du die Qual des Herzens verantworten, das dich so innig liebt!«

»Laßt mich Euch dringend ersuchen, Mylord,« sagte Katharina, »solche Worte zu unterlassen – es ziemt Euch nicht, so zu sprechen, noch mir, es anzuhören. Wir sind von geringem Stande, aber ehrbaren Sitten, und die Gegenwart des Vaters sollte das Kind gegen solche Reden, selbst von Euer Gnaden, schützen.«

Dies sprach sie so leise, daß weder der Vater noch Conachar verstehen konnten, was sie sagte.

»Wohl, Grausame,« antwortete der beharrliche Ritter, »ich will Euch jetzt nicht länger quälen, wofern Ihr Euch mir morgen an Eurem Fenster zeigen wollt, sobald die Sonne den ersten Blick über die östlichen Berge wirft, und wofern Ihr mir das Recht gebt, das Jahr hindurch Euer Valentin zu sein.«

»Nicht doch, Mylord; mein Vater sagte mir so eben erst, daß sich keine Falken, geschweige denn Adler mit dem bescheidenen Hänfling paaren. Sucht Euch eine Hofdame, die Eure Begünstigung ehren wird; – mir – Eure Hoheit muß mir gestatten, die schlichte Wahrheit zu sagen– kann sie nur Unehre bringen.«

Als sie so sagte, langte die Gesellschaft an der Kirchthüre an. »Euer Gnaden erlauben uns hier hoffentlich, uns von Euch zu verabschieden?« sagte der Vater. »Ich weiß recht gut, daß die Ungelegenheiten und Beschwerden, die Euer Vergnügen uns verursacht, Euch das Letztere nicht aufzugeben nöthigen; aber aus der Menge von Dienern, die an der Thür stehen, könnt Ihr abnehmen, daß in der Kirche noch andere Personen sind, die auch Ansprüche auf Respect, und selbst von Seiten Eurer Gnaden, haben.«

»Ja – Respect; und wer hat denn vor mir Respect?« sagte der hochmüthige, junge Herr. »Ein erbärmlicher Handwerker und seine Tochter, nur zu sehr geehrt durch die Notiz, die ich nehme, haben die Unverschämtheit, mir zu sagen, daß meine Aufmerksamkeit sie entehrt. Gut, meine Prinzessin von Elennsleder und blauer Seide, ich will Euch das bereuen lassen.«

Während er so murmelte, betraten der Handschuhmacher und seine Tochter die Dominikanerkirche, und ihr Begleiter Conachar, der ihnen sofort folgen wollte, stieß, vielleicht nicht zufällig, an den jungen Herrn. Der Ritter, aus seinen unangenehmen Gedanken erweckt, faßte, weil er sich vorsätzlich beleidigt glaubte, den jungen Mann an der Brust, schlug ihn und warf ihn unsanft zurück. Conachar stolperte und hielt sich mit Mühe aufrecht; dann fuhr er mit der Hand an die Seite, als suchte er einen Degen oder Dolch an der üblichen Stelle, machte, als er keinen von beiden fand, eine Geberde der Wuth und Erbitterung und ging in die Kirche. Inzwischen blieb der junge Ritter, die Arme über die Brust gekreuzt, stehen, und lächelte mit Verachtung, als wolle er seiner drohenden Miene Hohn sprechen. Nachdem Conachar verschwunden war, zog sein Gegner den Mantel dichter zusammen, so daß er sein Gesicht noch mehr verhüllte, und gab, indem er einen seiner Handschuhe abzog, ein Zeichen. Sofort traten zwei Andere zu ihm, die, gleich ihm vermummt, in einiger Entfernung seines Befehls gewärtig gewesen. Sie begannen ein lebhaftes Gespräch, worauf der junge Edle sich nach der einen, seine Freunde oder Diener sich nach der andern Seite entfernten.

Simon Glover hatte, bevor er die Kirche betrat, einen Blick auf diese Gruppe geworfen, sodann aber seinen Platz unter der Gemeinde eingenommen, ehe sie sich getrennt hatten. Als er niederkniete, schien seine Miene anzudeuten, daß ihm eine schwere Last auf dem Herzen ruhe; als aber der Gottesdienst beendet war, erschien er frei von aller Sorge, als hätte er sich und seinen Kummer der Fügung des Himmels anheimgestellt. Das Hochamt wurde feierlich gehalten, und eine große Zahl Herren und Damen von hohem Rang war dabei anwesend. Man hatte zum Empfang des guten alten Königs selbst das Nöthige veranstaltet, allein ein Unwohlsein hatte Robert III. verhindert, der Messe beizuwohnen, wie er sonst pflegte. Als die Versammlung auseinander ging, blieb der Handschuhmacher mit seiner schönen Tochter noch eine Weile in der Kirche, um in einen Beichtstuhl zu treten. So war es Nacht geworden und die Straßen bereits einsam, als sie sich auf den Weg machten, um heimzukehren. Diejenigen, die sich noch jetzt in den Straßen umhertrieben, waren Nachtschwärmer, müßige, liederliche Diener stolzer Edelleute, welche häufig friedliche Vorübergehende zu beleidigen pflegten, weil sie auf Straflosigkeit rechneten, welche ihnen durch die Gunst, die ihre Herren bei Hofe genossen, gesichert sein konnte.

Vielleicht geschah es aus Besorgniß eines Mißgeschicks solcher Art, daß Conachar, zu dem Handschuhmacher tretend, sagte: »Meister, geht schneller – man verfolgt uns.«

»Verfolgt uns, sagst du? wer thut es, und wie Viele?«

»Ein in seinen Mantel vermummter Mann, der uns folgt, wie unser Schatten.«

»So werd' ich meinen Schritt in der Curfewstraße nicht ändern, und wenn der Beste käme, der sie je betrat.«

»Aber er trägt Waffen,« sagte Conachar.

»Wir ebenfalls, und Hände, Beine und Füße. Ei, Conachar, du fürchtest doch wohl nicht einen Mann?«

»Fürchten!« antwortete Conachar, unwillig über den Verdacht; »Ihr sollt bald sehen, wie ich mich fürchte.«

»Schon wieder aus dem rechten Wege, du närrischer Bursche – dein Gemüth kennt keinen Mittelweg, da gibt's keinen Anlaß, einen Streit anzufangen, wenn wir auch nicht davonrennen. Geh' du mit Katharina voraus und ich will deine Stelle einnehmen. Wir können so nahe an unserem Hause keiner Gefahr ausgesetzt sein.«

Der Handschuhmacher blieb demnach zurück und bemerkte allerdings einen Mann, der ihnen dicht genug folgte, um, in Betracht der Stunde und des Orts, einigen Verdacht zu rechtfertigen. Wenn sie quer über die Straße gingen, so that der Fremde auch so, und beschleunigten oder hemmten sie ihre Schritte, so unterließ er nicht, desgleichen zu thun. Dieser Umstand wäre für Glover ganz unbedeutend gewesen, wenn er sich allein befunden hätte; aber die Schönheit seiner Tochter konnte diese zum Gegenstande verbrecherischer Absichten machen, besonders in einem Lande, wo die Gesetze denen, die sich nicht selber schützen konnten, nur schwachen Schutz gewährten. Indessen langte Conachar mit seiner schönen Gefährtin an der Hausthür an, die ihnen durch eine alte Magd geöffnet wurde, und nun war der Handschuhmacher aller Sorgen ledig. Um sich jedoch, sofern es geschehen könnte, zu versichern, ob er wirklichen Grund zu Besorgnissen gehabt habe, rief er dem, dessen Bewegungen ihn unruhig gemacht hatten, mit lauter Stimme zu; der Mensch blieb stehen, wiewohl er, wie es schien, sich im Schatten zu halten suchte. »Kommt vorwärts, mein Freund, und spielt nicht Versteckens; weißt du nicht, daß sie, die gleich Gespenstern im Finstern wandeln, sich wohl für den Gruß eines hübschen Stockes eignen? Vorwärts, sag' ich, und zeig' uns deine Gestalt, Mensch!«

»Ei, das kann ich wohl, Meister Glover,« sagte eine der tiefsten Stimmen, die je auf eine Frage antworteten; »ich kann Euch meine Gestalt recht wohl zeigen, nur wünsche ich, sie könnte das Licht etwas besser vertragen.«

»Meiner Seel'!« rief Simon, »die Stimme sollt' ich kennen! – Und bist du es, in deiner leibhaften Person, Harry Gow? – Nur wahrlich, mit trocknen Lippen darfst du nimmer an dieser Thür vorbei. Wie, Mann, die Abendglocke hat noch nicht geläutet, und hätte sie auch, so wäre das kein Grund, daß Vater und Sohn sich trennen sollten. Komm herein, Mensch; Dorothea soll uns was zu essen schaffen und wir wollen eine Kanne leeren, eh' du uns verläßt. Komm herein, sag' ich; meine Tochter Katie wird sich recht freuen, dich zu sehen.«

Während dem hatte er die Person, die er so herzlich bewillkommte, in eine Art von Küche gezogen, die auch bei gewöhnlichen Gelegenheiten als Besuchszimmer diente. Die Zierde derselben waren Zinnteller, vermischt mit einem Paar Silberbechern, die, höchst sauber aufgestellt, eine Reihe von Gesimsen einnahmen, ähnlich denen eines Schenktisches, gewöhnlich »Vink« genannt. Ein gutes Feuer verbreitete, unterstützt von einer angezündeten Lampe, Licht und Freundlichkeit im Gemache, und ein angenehmer Duft von Speisen, die Dorothee bereitete, beleidigte durchaus nicht die Geruchsnerven derjenigen, deren Eßlust dadurch befriedigt werden sollte.

Ihr unbekannter Begleiter stand nun in vollem Lichte unter ihnen, und obwohl sein Ansehen weder anständig noch hübsch war, so verdienten nicht allein Gesicht und Gestalt Aufmerksamkeit, sondern schienen sie gewissermaßen sogar zu fordern. Er war fast unter mittlerer Größe, aber die Breite seiner Schultern, Länge und Kräftigkeit der Arme, und das muskulöse Ansehen des ganzen Mannes, deuteten eine ungewöhnliche Stärke an und einen Körper, dessen Kraft durch beständige Uebung erhalten war. Seine Beine waren etwas gebogen, jedoch auf eine Art, die nichts Widriges hatte und sogar mit der Stärke seiner Glieder im Einklange zu stehen schien, obwohl sie ihrem Ebenmaße in gewissem Grade Eintrag thaten. Er trug ein Koller von Büffelleder und einen Gürtel, woran ein Schwert und ein Dolch befestigt waren, gleichsam zum Schutze der Börse, die, nach der üblichen Sitte des Bürgerstandes, gleichfalls am Gürtel hing. Sein schwarzes, krauses Haar war kurz verschnitten, der Kopf rund und wohlgebildet. Seine schwarzen Augen sprachen von Muth und Entschlossenheit, aber sonst schienen seine Züge eine mit Schüchternheit gepaarte gute Laune auszudrücken, und deuteten sichtbar die Freude an, seinen alten Freunden wieder zu begegnen. Abgesehen von dem, nur augenblicklichen, schüchternen Ausdruck, war die Stirne Harry Gow's, oder Schmieds (denn so ward er ohne Unterschied genannt), hoch und edel, aber der untere Theil des Gesichts war minder glücklich gebildet. Der Mund war groß und wohlversehen mit einer Reihe fester und schöner Zähne, deren Ansehen mit der Miene persönlicher Gesundheit und muskulöser Kraft im Einklange stand, welche der ganze Körper anzeigte. Ein kurzer, dichter Bart und Schnurrbart, der kürzlich mit einiger Sorgfalt geordnet war, vollendeten das Gemälde. Er mochte das achtundzwanzigste Jahr noch nicht überschritten haben.

Die Familie schien sehr wohl zufrieden mit dem unerwarteten Erscheinen eines alten Freundes. Simon Glover schüttelte ihm die Hand einmal über's andere, Dorothee machte ihre Komplimente, und selbst Katharina bot ihm von freien Stücken die Hand, welche Harry mit seiner kräftigen so fest hielt, als beabsichtigte er sie an die Lippen zu führen, aber nachdem er einen Augenblick gezögert, ließ er davon ab, aus Furcht, seine Freiheit möchte übel genommen werden. Nicht als ob von Seiten der kleinen Hand, welche in seiner gewaltigen lag, ein Widerstand stattgefunden hätte; aber es mischte sich mit dem Erröthen auf ihrer Wange ein Lächeln, welches die Verwirrung des artigen Herrn zu steigern schien. Ihr Vater aber rief, als er seines Freundes Bedenklichkeit sah, frei und offen:

»Auf die Lippen, Mensch, auf die Lippen! und das ist ein Anerbieten, welches ich nicht Jedem machen würde, der meine Schwelle überschreitet. Aber, beim guten St. Valentin (dessen Festtag morgen anbricht), ich bin so froh, dich in der guten Stadt Perth wiederzusehen, daß es schwer zu nennen sein möchte, was ich dir abschlagen könnte.«

Der Schmied – denn dies war, wie gesagt, das Gewerbe dieses stattlichen Handwerkers – ward dadurch ermuthigt, das schöne Mädchen bescheiden zu küssen, welches die Artigkeit mit einem zärtlichen Lächeln, wie es sich für eine Schwester gepaßt hätte, entgegennahm, indem sie zu gleicher Zeit sagte: »Laßt mich hoffen, daß ich einen reuigen, gebesserten Menschen in Perth wieder willkommen heiße.«

Er hielt ihre Hand, als wollte er antworten, und ließ sie darauf plötzlich los, wie Einer, der in dem Augenblicke den Muth verliert; und indem er zurücktrat, wie erschrocken über das, was er gethan, glühte sein dunkles Gesicht vor Scham, gemischt mit Freude, während er sich am Feuer, der Stelle gegenüber, die Katharina einnahm, niedersetzte.

»Rasch, Dorothee, beeile dich mit dem Essen, Alte; – und Conachar – wo ist Conachar?«

»Er ist zu Bett gegangen, Herr, weil er Kopfweh hat,« sagte Katharina zögernd.

»Geh', ruf ihn, Dorothee,« sagte der alte Glover; »er soll sich nicht gegen mich vergessen; sein hochländisch Blut ist vermuthlich zu vornehm, um einen Teller vorzusetzen oder ein Tischtuch zu breiten, und er gedenkt in unsere alte, ehrsame Zunft zu treten, ohne in allen Punkten schuldigen Gehorsams seinem Meister und Lehrer zu folgen! Geh', ruf' ihn, sag' ich; ich will nicht so vernachlässigt sein.«

Dorothee hörte man alsbald die Treppe, oder wahrscheinlicher eine Leiter hinaufschreien, die zum Boden führte, wohin sich der Lehrling zur Unzeit zurückgezogen hatte; eine murmelnde Antwort ward vernommen und bald nachher erschien Conachar im Speisezimmer. Auf seinen stolzen, aber schönen Zügen lag eine düstere Wolke der Unzufriedenheit, und während er ein Tuch über den Tisch breitete, und Teller, Salz und Pfeffer und anderes Zubehör aufsetzte, kurz, die Pflichten eines heutigen Bedienten erfüllte, die nach der Sitte der Zeit jedem Lehrling oblagen, war er über die knechtischen Dienste, die er zu verrichten hatte, sichtbar aufgebracht und erbittert. Das schöne Mädchen von Perth betrachtete ihn nicht ohne Unruhe, als fürchtete sie, seine sichtbare üble Laune möchte die Unzufriedenheit seines Meisters erhöhen, und erst, nachdem Conachars Augen Katharinens Blick zum zweiten Male begegnet waren, konnte er's über sich gewinnen, seinen Widerwillen einigermaßen zu verbergen und eine größere Bereitwilligkeit bei Diensten, die er zu vollziehen hatte, an den Tag zu legen.

Und hier müssen wir unserm Leser mittheilen, daß, obwohl die zwischen Katharina Glover und dem jungen Hochländer gewechselten Blicke anzeigten, daß sie an dem Lehrling einigen Antheil nehme, doch der aufmerksamste Beobachter in Verlegenheit gewesen wäre, wenn er hätte entdecken sollen, ob ihr Gefühl stärker war, als dasjenige, das bei einem Mädchen, gegenüber einem jungen Manne ihres Alters, mit dem sie unter einem Dache wohnt und in freundlichem Umgange lebt, sich von selber versteht.

»Du hast eine lange Reise gemacht, Sohn Harry,« sagte Glover, der, obwohl durchaus nicht verwandt mit dem jungen Handwerker, ihn immer mit diesem freundlichen Namen nannte; »hast auch viele andere Flüsse gesehen, außer dem Tay, und manch' andere schöne Stadt, außer St. Johnston.«

»Aber doch nichts, was mir halb so gut gefallen hätte, und auch nichts, was halb so werth wäre, mir zu gefallen,« antwortete der Schmied; »ich versichere Euch, mein Vater, als ich über die Wicks von Baiglie ging und unsere schöne Stadt vor meinen Blicken ausgebreitet sah, wie die Feenkönigin in einem Mährchen, die der Ritter auf einem Lager wilder Blumen eingeschlafen findet, da war mir's wie einem Vogel, der die ermatteten Schwingen sinken läßt, wenn er sich auf sein eigen Nest niedersenkt.«

»Aha! du kannst also noch den Dichter spielen?« sagte der Handschuhmacher. »Ei, werden wir unsre Balladen und Rundgesänge wieder haben? unsere lustigen Weihnachtslieder und die fröhlichen Frühlingsgesänge?«

»Solche Possen können wohl vorkommen, Vater,« sagte Harry, »obwohl das Blasen der Bälge und die Schläge der Hämmer auf den Ambos keine sehr passende Begleitung für den Minnesang sind; aber ich kann's nicht besser machen, da ich mein Glück versuchen muß, obwohl meine Verse schlecht sind.«

»Wohlgesprochen – mein werther Sohn, sagte Glover, »und ich hoffe, deine Reise hat dir 'was eingetragen!«

»Ei, sie war vortheilhaft, Vater – ich verkaufte das stählerne Panzerhemd um 400 Mark dem englischen Ritter Sir Magnus Redman. Er handelte gar nicht darum, nachdem ich ihm gestattet hatte, es durch einen Schwerthieb zu prüfen. Der bettelhafte, hochländische Räuber, der es bestellt hatte, wollte die Hälfte abdingen, obwohl es mich ein Jahr Arbeit gekostet hatte.«

»Was hast du emporzufahren, Conachar?« sagte Simon, indem er sich an seinen hochländischen Schüler wendete. »Wirst du nie lernen das thun, was man dich heißt, ohne auf das zu horchen, was um dich her vorgeht? Was geht's dich an, wenn ein Engländer das für wohlfeil hält, was einem Schotten theuer dünken mag?«

Conachar wandte sich, um zu sprechen; nach kurzem Nachdenken aber schlug er die Augen nieder und suchte die Ruhe wiederzugewinnen, welche die verächtliche Art, mit welcher der Schmied den Kunden aus dem Hochland erwähnt, gestört hatte. Harry fuhr fort, ohne irgend auf ihn zu achten.

»Ich verkaufte zu hohem Preis einige Schwerter und Säbel, als ich zu Edinburg war. Man sah dort einem Kriege entgegen; und gefällt's Gott, ihn zu senden, so wird meine Waare ihren Preis werth sein. Dank dem heiligen Dunstan, der von unsrer Zunft war. Kurz, dieser Bursche da« (dabei legte er die Hand auf die Börse), »der, wie du weißt, Vater, etwas schlaff und mager war, als ich vor vier Monaten wegging, ist nun so rund und voll, wie ein sechswöchig Ferkel.«

»Und jener andere lederscheidige Bursch mit eisernem Griff, der jenem zur Seite hängt,« sagte der Handschuhmacher, »ist der die ganze Zeit müßig gewesen? – Nun, lieber Schmied, gesteh' die Wahrheit – wie viel Balgereien hast du gehabt, seit du über den Tay gingst?«

»Ach, jetzt thut Ihr mir Unrecht, Vater,« erwiderte der Waffenschmied mit einem Blick auf Katharina, »daß Ihr mich in solcher Gesellschaft so fragt. Ich mache Schwerter, aber ich überlasse Andern das Geschäft, sie zu brauchen. Nein, es kommt sehr selten vor, daß ich eine bloße Klinge in die Hand bekomme, außer um sie zu poliren oder zu schleifen. Und man verleumdete mich bei Eurer Tochter Katharina, daß sie glaubte, der ruhigste Bürger von Perth sei ein Händelmacher. Ich wollte nur, daß der Beste auf dem Kinnoul solch' ein Wort zu sagen wagte und kein Mensch dabei wäre, außer er und ich.«

»Ja, ja,« sagte der Handschuhmacher lachend, »wir würden dann ein schönes Beispiel von Eurem geduldigen Wesen haben. – Ei, Harry, wie kannst du einem Manne, der dich so gut kennt, dergleichen Dinge sagen! Du siehst Katie an, als wüßte sie nicht, daß in diesem Lande der Mann eine starke Faust nöthig hat, wenn er sein Haupt ruhig schlafen legen will. Wohlan, gesteh' mir, ob du nicht eben so viele Rüstungen niedergeschlagen hast, als du verfertigt hast.«

»Ei, der müßte ein schlechter Waffenschmied sein, Vater Simon, der nicht mit seinem eigenen Hiebe sein eigen Werk prüfen könnte. Würde ich nicht dann und wann einen Helm spalten, oder die Blöße eines Panzers entdecken, so wüßt' ich nicht, welchen Grad von Stärke ich den Rüstungen, die ich mache, zu geben habe, und würde Pfuschwerk liefern, wie sie die Edinburger Schmiede in die Welt zu schicken sich nicht schämen.«

»Aha, nun wollt' ich eine goldne Krone d'ran setzen, daß du über den Punkt mit einem Edinburger Grobschmied einen Streit gehabt.«

»Einen Streit! – nein Vater,« erwiderte der Waffenschmied von Perth; »aber eine Klinge hab' ich mit einem von ihnen auf St. Leonhards Berg gemessen für die Ehre meiner guten Stadt, das gesteh' ich. Gewiß meint Ihr nicht, daß ich in einen gemeinen Streit mit einem Zunftgenossen gerathe.«

»Ei, ganz gewiß nicht. Aber wie kam Euer Zunftgenosse davon?«

»Nun, wie Einer mit einem Blatt Papier auf der Brust vor'm Stich einer Lanze davon käme – oder vielmehr, er kam in Wahrheit überhaupt gar nicht davon; denn als ich ihn verließ, lag er in der Einsiedlerhütte, täglich den Tod erwartend, denn Pater Gervis sagte, er bereite sich auf den Himmel vor.«

»Gut – und maßest du sonst noch die Klinge?« sagte der Handschuhmacher.

»Ei, allerdings, ich schlug mich mit einem Engländer bei Berwick, wegen des alten Streites über die Obergewalt, wie sie es nennen – ich bin überzeugt, Ihr würdet mich von diesem Streit nicht zurückgehalten haben! – und ich war so glücklich, ihn am linken Knie zu verwunden.«

»Wohlgethan bei St. Andreas! – Mit wem hattet Ihr zunächst zu thun?« sagte Simon, lachend über die Thaten seines friedfertigen Freundes.

»Ich schlug mich mit einem Schotten im Torwood,« antwortete Harry Schmied, »wegen eines Streites, wer der bessere Fechter sei, was, Ihr wißt ja wohl, sich nicht ohne eine Probe entscheiden ließ. Der arme Schelm verlor zwei Finger.«

»Gut genug für den friedlichsten Burschen in Perth, der nie ein Schwert anrührt, außer in seinem Berufe. – Wohlan, was gibt's sonst zu erzählen?«

»Wenig – denn die Züchtigung eines Hochländers ist eine Sache, nicht der Rede werth.«

»Warum hast du ihn gezüchtigt, o Mann des Friedens?« forschte der Handschuhmacher.

»Aus keinem Grunde, so viel ich mich entsinne,« erwiderte der Schmied, »außer, weil er sich auf der Südseite der Stirlingbrücke zeigte.«

»Nun, so trink' ich dir zu, und du bist mir willkommen nach all' diesen Thaten. – Conachar, rühr' dich. Laß die Kannen bereit sein, und du sollst einen Becher vom Nußbraunen für dich selbst haben, mein Junge.«

Conachar schenkte das gute Getränk mit schuldigem Gehorsam für seinen Meister und Katharina ein. Aber so wie dies geschehen, stellte er den Krug auf den Tisch und setzte sich nieder.

»Was soll das, Bursche? – ist dies deine Sitte? fülle meinem Gaste, dem ehrsamen Meister Harry Schmied!«

»Meister Schmied mag sich selber einschenken, wenn er trinken will,« antwortete der junge Celte. »Der Sohn meines Vaters hat sich für einen Abend schon genug erniedrigt.«

»Das heißt gut gekräht für einen jungen Hahn,« sagte Harry; »aber du hast so weit recht, mein Junge, daß der Mann verdient, Durstes zu sterben, der ohne Mundschenk nicht trinken will.«

Aber sein Wirth ertrug den Trotz des jungen Lehrlings nicht so geduldig. »Nun, bei meinem ehrlichen Wort und dem besten Handschuh, den ich je machte,« sagte Simon, »du wirst ihn mit Getränk aus dem Becher und Krug versehen, wenn du und ich unter einem Dache schlafen sollen.«

Finster erhob sich Conachar, nachdem er diese Drohung gehört, und näherte sich dem Schmied, der bereits einen Becher in der Hand hatte, und füllte diesen; während jedoch Harry den Arm hob, um den Becher zum Munde zu führen, that Conachar scheinbar einen falschen Tritt und stieß daran, daß das schäumende Ale dem Waffenschmied über Gesicht und Kleider floß. Gutmüthig, wie er trotz seiner Kampflust war, verlor derselbe bei solcher Herausforderung doch die Geduld, ergriff den Jüngling an der Kehle, die ihm unter die Hände kam, schnürte diese zusammen und rief, während er den Burschen zurückwarf: »Wär' dies an einem andern Orte geschehen, junger Galgenvogel, so hätt' ich dir die Ohren vom Kopfe geschnitten, wie ich Manchem von deinem Clan vor dir gethan.«

Conachar erhob sich mit der Behendigkeit eines Tigers und rief: »Deß sollst du dich nicht noch einmal rühmen können!« Mit diesen Worten zog er ein kleines, scharf geschliffenes Messer aus dem Busen, stürzte auf Harry los und suchte es ihm über dem Schlüsselbein in den Hals zu stoßen, wodurch er ihn tödtlich verwundet haben würde; aber sein Gegner wußte ihm mit solcher Gewandtheit in den Arm zu fallen, daß die Spitze des Messers ihm blos die Haut streifte und ein wenig Blut floß. Den Arm des Lehrlings mit der einen Hand so fest wie mit einer Zange haltend, entwaffnete er ihn augenblicklich. Als sich Conachar in der Hand seines furchtbaren Gegners sah, fühlte er, wie Todesblässe die Röthe verdrängte, womit der Zorn seine Wangen gefärbt hatte, und blieb stumm vor Scham und Furcht. Endlich ließ der Schmied seinen Arm los und sagte mit Ruhe: »Gut für dich, daß du mich nicht zornig machen kannst – du bist nur ein Knabe, und ich, ein erwachsener Mann, hätte dich nicht reizen sollen. Aber laß dir's eine Warnung sein.«

Conachar stand einen Augenblick, wie im Begriff zu erwidern, dann verließ er das Gemach, bevor Simon sich hinreichend gesammelt hatte, um zu sprechen. Dorothee lief hin und her nach Salben und heilsamen Kräutern. Katharina war bei dem Anblick des rieselnden Blutes in Ohnmacht gesunken.

»Laßt mich Abschied nehmen, Vater Simon,« sagte Harry Schmied traurig; »ich hätte merken sollen, daß mein altes Geschick mit mir ginge, und daß ich Streit und Blutvergießen brächte, wo ich am meisten wünsche, Frieden und Glück zu bringen. Sorgt nicht um mich – seht nach der armen Katharina; das Entsetzen über solch' einen Vorgang hat sie getödtet und Alles durch meine Schuld.«

»Deine Schuld, mein Sohn! – Es war die Schuld jenes hochländischen Mörders, mit dem mich ein Fluch beladen hat; aber morgen soll er nach seinen Bergen zurückgehen, oder das Stadtgefängniß kosten. Ein Angriff auf das Leben des Gastes seines Meisters, und zwar in seines Meisters Hause! – Es zerreißt alle Bande zwischen uns. Aber laßt mich nach Eurer Wunde sehen.«

»Katharina,« wiederholte der Waffenschmied; »seht nach Katharina.«

»Dorothee wird für sie sorgen,« sagte Simon; »Staunen und Schrecken tödten nicht – das thun Dolche und Messer. Und sie ist nicht mehr die Tochter meines Blutes, als du, mein lieber Harry, der Sohn meiner Neigung bist. Laß mich die Wunde sehen. Das Messer ist eine böse Waffe in eines Hochländers Hand.«

»Es kümmert mich nicht mehr, als ob mich eine wilde Katze geritzt hätte,« sagte der Waffenschmied. »Und nun auf Katharinen's Wangen die Farbe zurückkehrt, sollt Ihr mich in einem Augenblick als gesunden Mann sehen.« Er wandte sich nach einem Winkel, wo ein kleiner Spiegel hing, nahm schnell etwas trocknes Linnen aus seiner Börse, um es auf die leichte Wunde, die er empfangen, zu legen, und schlug das Lederkoller von Hals und Schultern zurück. Seine männlichen Formen traten nicht so auffallend hervor, als die Weiße seiner Haut an denjenigen Theilen seines Körpers, die nicht, wie seine Hände und sein Gesicht, dem Wechsel der Luft und den Folgen seines anstrengenden Handwerks ausgesetzt gewesen waren. Schnell verwendete er etwas Linnen, um das Blut zu stillen, und nachdem er mit etwas frischem Wasser alle Spuren, die jenes zurückgelassen, vertilgt hatte, knöpfte er das Koller wieder zu und wendete sich an Katharina, die, wenn auch noch bleich und zitternd, sich doch von ihrer Ohnmacht erholt hatte.

»Werdet Ihr mir aber auch Verzeihung dafür gönnen, daß ich Euch in der ersten Stunde meiner Wiederkehr beleidigte? Der Bursche war thöricht, mich zu reizen, und doch war ich thörichter, mich von seines Gleichen reizen zu lassen. Euer Vater ist mir nicht böse, Katharina, und könnt Ihr mir verzeihen?«

»Ich habe keinen Anlaß, zu verzeihen,« antwortete Katharina, »wo ich kein Recht habe, mich beleidigt zu fühlen. Wenn es meinem Vater beliebt, dieses Haus zum Schauplatz nächtlicher Händel zu machen, so muß ich sie mit ansehen – ich kann mir nicht helfen. Vielleicht war's unrecht von mir, daß ich ohnmächtig ward und wohl damit die Fortsetzung des ehrenwerthen Kampfes unterbrach. Meine Entschuldigung ist, daß ich kein Blut sehen kann.«

»Und ist dies die Weise,« sagte ihr Vater, »mit welcher du meinen Freund nach langer Abwesenheit empfängst? Meinen Freund, sagt' ich? nein, meinen Sohn. Er entgeht der Ermordung von der Hand eines Burschen, von dem ich morgen das Haus säubern will, und du behandelst ihn, als hätt' er Unrecht gethan, indem er die Schlange von sich schleuderte, die ihn stechen wollte?«

»Es ist nicht meine Sache, Vater,« erwiderte das Mädchen von Perth, »zu entscheiden, wer bei diesem Streite Recht oder Unrecht hatte; auch sah ich nicht genau genug, was geschah, um sagen zu können, wer angriff und wer sich vertheidigte. Aber gewiß wird unser Freund, Meister Harry, nicht läugnen, daß er in einer vollkommenen Atmosphäre von Streit, Blut und Händeln lebt. Er hört von keinem Fechter, dessen Ruhm er nicht beneidet und an dem er nicht seinen Muth prüfen muß. Er sieht keine Schlägerei, wo er nicht mitten drunter muß. Hat er Freunde, so kämpft er mit ihnen aus Liebe und um der Ehre willen – hat er Feinde, kämpft er mit ihnen aus Haß und Rache. Und Leute, die weder seine Freunde noch Feinde sind, bekämpft er, weil sie sich auf dieser oder jener Seite eines Flusses befinden. Seine Tage sind Kampftage und ohne Zweifel wiederholt er sie in seinen Träumen.«

»Tochter,« sagte Simon, »deine Zunge spricht allzufrei. Streitigkeiten und Gefechte sind der Männer Sache und nicht der Frauen, und es ist nicht jungfräulich, daran zu denken und davon zu reden.«

»Aber wenn sie so roh in unsrer Gegenwart geübt werden,« sagte Katharina, »so ist es ein bischen hart, zu verlangen, daß wir an etwas Anderes denken sollen. Ich will Euch zugeben, mein Vater, daß dieser tapfere Bürger von Perth einer der gutherzigsten Männer ist, der innerhalb unsrer Mauern lebt – daß er lieber hundert Schritte vom Wege gehen würde, eh' er einen Wurm träte – daß er ebenso ungern eine Spinne tödten würde, als wär' er ein Verwandter König Robert's, seligen Andenkens – daß er im letzten Streite vor seinem Abschiede mit vier Fleischern kämpfte, um sie zu hindern, einen armen Hund todt zu schlagen, der sich beim Stiergefecht nicht gut gehalten hatte, und daß er kaum dem Schicksale entging, welches sein Schützling hatte. Ich will Euch auch zugeben, daß Arme nie vor'm Hause des reichen Waffenschmieds vorübergehen, ohne Speise und Almosen zu empfangen. Aber was hilft dies Alles, wenn sein Schwert ebenso viele darbende Waisen und klagende Wittwen macht, als seine Börse unterstützt?«

»Ach, Katharina, höre nur ein Wort von mir, ehe du beginnst, den Vorwürfen gegen meinen Freund freien Lauf zu lassen, die zwar scheinbar verständig klingen, während sie mit Allem, was wir um uns sehen und hören, doch in Wahrheit nicht zusammenstimmen. Was,« fuhr der Handschuhmacher fort, »pflegt unser König und unser Hof, unsere Ritter und Damen, unsere Aebte und Mönche und die Priester selbst am liebsten zu sehen? Ist es nicht das Schauspiel der Ritterlichkeit, wo sie den muthigen Thaten mannhafter Ritter beim Turnier zuschauen, den Thaten der Ehre und des Ruhms durch Waffen und Blutvergießen? Wodurch aber unterscheiden sich die Handlungen dieser edlen Ritter von demjenigen, was unser Harry Gow in seinem Kreise thut? Wer hat jemals sagen hören, daß er seine Stärke und Geschicklichkeit gemißbraucht habe, um Uebles zu thun oder Unterdrückung zu begünstigen, und wer weiß es nicht, wie oft er sich ihrer zur Unterstützung der guten Sache in unserer Stadt bediente? Solltest nicht du, vor allen andern Frauen der Stadt, dir eine Ehre daraus machen, daß ein Mann, der ein so gutes Herz und einen so kräftigen Arm besitzt, sich für deinen Verlobten erklärt hat? Auf was bilden sich denn die stolzesten Damen mehr ein, als auf die Tapferkeit ihres Liebhabers? Und hat der kühnste Ritter in Schottland ausgezeichnetere Thaten vollbracht, als mein wackerer Sohn Harry, wenn er auch von niedriger Herkunft ist? Kennt man ihn nicht im Niederland wie im Gebirg' als den besten Waffenschmied, der je ein Schwert verfertigt hat, als den besten Krieger, der je eins zog?«

»Mein theuerster Vater,« antwortete Katharina, »Eure Worte widersprechen sich selbst, wenn Ihr Eurem Kinde erlauben wollt, so zu sprechen. Danken wir Gott und den guten Heiligen, daß wir in niederem, friedlichem Stande geboren sind, der uns der Aufmerksamkeit derjenigen überhebt, welche hohe Geburt und mehr noch der Stolz durch Werke blutgieriger Grausamkeit zum Ruhme führt, welche die Großen und Mächtigen ritterliche Thaten nennen. Eure Weisheit wird zugeben, daß es unverständig von uns wäre, uns mit ihren Federn zu schmücken und ihre prächtigen Kleider zu tragen; warum wollen wir also die Laster nachahmen, denen sie sich ohne Rückhalt hingeben? Warum wollen wir uns den Stolz ihres verhärteten Herzens und ihre unmenschliche Grausamkeit zu eigen machen, welcher ein Mord nicht allein Unterhaltung gewährt, sondern auch Gegenstand eiteln Ruhmes ist? Die, deren Rang blutige Huldigungen verlangt, mögen Ehre und Genuß darin finden, aber wir, die wir nicht zu jenen gehören, können nichts Besseres thun, als die Leiden der Opfer, welche jenen fallen, beklagen. Danken wir dem Himmel, daß er uns in niedrige Lage versetzte, weil wir dadurch der Versuchung überhoben sind. Aber vergebt mir, Vater, wenn ich die Grenzen meiner Pflicht überschritt, indem ich Euern Ansichten widersprach, die Ihr, mit so vielen Andern, über diesen Gegenstand hegt.«

»Ja, du bist selbst mir zu geschwätzig, Mädchen,« sagte ihr Vater etwas mißlaunig. »Ich bin nur ein armer Handwerker, dessen bestes Wissen ist, den linken Handschuh vom rechten zu unterscheiden. Aber wenn du meine Vergebung haben willst, so sage meinem armen Harry ein tröstliches Wort. Dort sitzt er, verwirrt und außer Fassung durch die lange Predigt, die du gehalten, und er, dem ein Trompetenschall als Einladung zu einem Feste gilt, ist niedergeschlagen durch den Schall einer Kinderpfeife.«

Der Waffenschmied hatte in der That, während er die Lippen, die ihm die theuersten, seinen Charakter auf die ungünstigste Weise schildern hörte, den Kopf auf seine gekreuzten Arme, die auf dem Tische lagen, sinken lassen, in der Stellung der tiefsten Niedergeschlagenheit, die nahe an Verzweiflung grenzte. »Ich wünsche zu Gott, mein theuerster Vater,« antwortete Katharina, »daß es in meiner Macht stände, Harry zu trösten, ohne die heilige Sache der Wahrheit zu verrathen, der ich vorhin das Wort geredet. Und ich kann – ja, ich muß dies können,« fuhr sie in einem Tone fort, der in Verbindung mit der vollendeten Schönheit ihrer Züge und der Begeisterung, mit der sie sprach, für Inspiration hätte gelten können. »Die Wahrheit des Himmels,« sagte sie in einem feierlichen Tone, »ward nie einem Munde, so schwach er auch sei, anvertraut, ohne ihm das Recht zu verleihen, Gnade zu verkünden, wenn er das Urtheil bekannt macht. – Steh' auf, Harry, steh' auf, edler, guter und großmüthiger, obgleich sehr verirrter Mann – deine Fehler sind die dieses grausamen und gefühllosen Zeitalters – deine Tugenden sind ganz dein.«

Während sie so sprach, legte sie ihre Hand auf des Schmieds Arm, und diesen mit sanfter Gewalt, der er nicht zu widerstehen vermochte, unter seinem Kopfe wegziehend, zwang sie ihn, sie seine männlichen Züge und die Thränen sehen zu lassen, welche Katharinens Vorwürfe und andere Empfindungen, die sich ihm aufdrängten, hervorgerufen hatten. »Weine nicht,« sprach sie, »oder weine vielmehr, – aber weine gleich Jenen, welche Hoffnung haben. Entsage dem sündigen Stolz und Jähzorn, die dich am meisten plagen, wirf jene verfluchten Waffen von dir, deren verhängnißvoller, mörderischer Gebrauch dir eine leichte Versuchung bereitet.«

»Ihr sprecht vergebens zu mir, Katharina,« erwiderte der Waffenschmied; »ich kann allerdings Mönch werden und mich von der Welt zurückziehen; aber so lang' ich in ihr lebe, muß ich mein Handwerk treiben, und so lang' ich für Andere Waffen verfertige, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, sie selbst zu gebrauchen. Ihr würdet mir nicht solche Vorwürfe machen, wüßtet Ihr, wie die Mittel, durch die ich meinen Unterhalt gewinne, von dem kriegerischen Geiste unzertrennlich sind, den Ihr mir zum Verbrechen macht, da er doch aus unvermeidlicher Nothwendigkeit hervorgeht. Während ich dem Schilde oder Panzer die erforderliche Festigkeit gebe, daß er den Hieben widerstehe, muß ich da nicht immer darauf denken, wie man diese führt, mit welcher Gewalt sie einschlagen, und wenn ich ein Schwert schmiede oder härte zum Kampfe, ist mir's da möglich, die Erinnerung an seinen Gebrauch zu vermeiden?«

»Dann, mein lieber Harry,« sagte das enthusiastische Mädchen, indem sie mit ihren niedlichen Händen die starke, nervige Faust des kräftigen Waffenschmieds ergriff, die sie nicht ohne Schwierigkeit aufhob, ohne daß der Schmied ihr widerstand, sondern sie ganz gewähren ließ – »dann werft die Kunst von Euch, die eine Schlinge der Versuchung für Euch ist. Entsagt der Verfertigung von Waffen, die nur dazu dienen können, das menschliche Leben zu verkürzen, das an sich schon zu kurz ist für die Reue, oder um durch ein Gefühl der Sicherheit diejenigen zu ermuthigen, welche ohnedies die Furcht abhalten konnte, sich der Gefahr bloßzustellen. Die Kunst, Waffen zu schmieden, sei's zum Angriff, sei's zur Vertheidigung, ist gleich strafbar für einen Mann, dessen heftiger Charakter in dieser Arbeit einen Fallstrick und Gelegenheit zum Sündigen findet. Entsagt also ganz der Kunst, Waffen zu schmieden, welcher Gattung sie auch sein mögen, und verdient Euch die Vergebung des Himmels, indem Ihr Allem abschwört, was Euch zu der Sünde verführen kann, die Ihr am leichtesten begeht.«

»Und was,« murmelte der Waffenschmied, »soll ich für meinen Unterhalt thun, wenn ich der Kunst des Waffenschmiedens entsage, in welcher Harry vom Tay bis zur Themse bekannt ist?«

»Eure Kunst selber,« sagte Katharina, »kann unschuldige und löbliche Zwecke erstreben. Wenn Ihr keine Schwerter und Schilde mehr schmiedet, so könnt Ihr den nützlichen Spaten, die friedliche Pflugschar und die Geräthschaften fertigen, die des Lebens Unterhalt gewinnen oder seine Freuden erhöhen helfen. Ihr könnt Riegel und Schlösser schmieden, um das Eigenthum des Schwachen gegen die Uebermacht des Stärkern und gegen die Angriffe der Räuber zu schützen. Die Menschen werden sich noch an dich wenden und belohnt wird dein bescheidener Fleiß –«

Aber hier ward Katharina unterbrochen. Ihr Vater hatte die Reden gegen Krieg und Turniere mit einer Empfindung gehört, die, obwohl ihre Lehren neu für ihn waren, ihm sagte, daß sie trotzdem nicht ganz irrig sein möchten. Er wünschte sogar im Stillen, daß derjenige, der sein Schwiegersohn werden sollte, sich nicht aus freien Stücken den Gefahren aussetzen möchte, welchen sein unternehmender Geist und seine außerordentliche Stärke den Schmied bisher nur allzuleicht hatten entgegentreten lassen. So weit hätte er gewünscht, sollten Katharinens Worte auf das Gemüth ihres Verlobten wirken, der, wie er wußte, wo die Liebe im Spiele war, ebenso nachgiebig, als halsstarrig und unbeugsam blieb, wenn man ihn mit feindlichen Vorstellungen oder Drohungen angriff. Aber ihre Rede widersprach geradezu seinen Ansichten, als er sie darauf bestehen hörte, sein künftiger Schwiegersohn sollte ein Handwerk aufgeben, welches damals in Schottland das einträglichste war, und Harry von Perth mehr einbrachte, als jedem andern Waffenschmied des Königreichs. Er hatte eine undeutliche Vorstellung, daß es nicht schlimm gethan wäre, den Schmied von der Gewohnheit abzubringen, die Waffen allzuoft zu handhaben, ob es gleich auf der andern Seite seinem Stolze schmeichelte, mit einem Manne in näherer Verbindung zu stehen, der sie mit solcher Ueberlegenheit zu führen verstand, was in jener kriegerischen Zeit kein geringes Verdienst war. Als er aber hörte, wie seine Tochter ihrem Liebhaber als den kürzesten Weg, jene friedliche Stimmung des Gemüths zu gewinnen, den bezeichnete, daß er das einträgliche Handwerk aufgeben solle, worin es ihm Keiner gleichthat, und welches ihm bei den Fehden, die täglich stattfanden, und bei den häufigen Kriegen einen namhaften Gewinn sicherte, konnte er seinen Zorn nicht länger bemeistern. Kaum hatte Katharina ihrem Verlobten den Rath gegeben, Ackergeräthe zu fertigen, als ihr Vater, überzeugt, daß er recht habe, worüber er im Anfange der Rede seiner Tochter etwas zweifelhaft gewesen, sie mit den Worten unterbrach:

»Schlösser und Riegel! Pflugscharen und Eggenzähne! – warum nicht lieber Schaufeln und Feuerzangen? da braucht' er weiter nichts, als einen Esel, der seine Waaren von Dorf zu Dorf trüge, und du könntest einen zweiten an der Halfter nachführen. Ei, Katharina, Mädchen, hast du den Verstand ganz verloren, oder meinst du, in diesem eisernen Jahrhundert werde man viele Leute finden, die ihr Geld für etwas Anderes ausgeben mögen, als für dasjenige, wodurch sie sich in den Stand gesetzt sehen, ihren Feinden das Leben zu nehmen oder das ihrige zu vertheidigen? Was wir gegenwärtig nöthig haben, thörichtes Mädchen, ist ein Schwert, uns zu schützen, keine Pflugschar, um die Erde zu öffnen und ihr die Saat anzuvertrauen, die wir vielleicht nimmer reifen sehen. Das tägliche Brod nimmt sich der Stärkere und lebt, der Schwache geht leer aus und stirbt Hungers. Glücklich, wer wie mein würdiger Sohn im Stande ist, sich seinen Unterhalt auf andere Weise zu gewinnen, als mit dem Schwert in der Hand, das aus seiner Werkstätte hervorgeht. Predige ihm den Frieden, so lange du magst – dagegen werd' ich nie etwas einwenden; aber dich dem ersten Waffenschmied in Schottland rathen hören, er solle keine Schwerter, Streitäxte und Rüstungen mehr fertigen, das heißt die Geduld selbst erschöpfen. Gehe mir aus den Augen! und morgen früh, wenn du das Glück hast, Harry Schmied zu sehen, was mehr ist, als dein Betragen verdient, so erinnere dich, daß du einen Mann siehst, der in Führung des Schwertes und der Streitaxt in Schottland seines Gleichen nicht hat, und der im Jahre fünfhundert Mark erwerben kann, ohne einen Feiertag zu entweihen.«

Als die Tochter ihren Vater in so bestimmtem Tone sprechen hörte, verneigte sie sich ehrerbietig und zog sich ohne weitere Abschiedsworte nach ihrem Schlafgemach zurück.


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