Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Sechstes Kapitel.

Kein Mann soll Katharina's Hand erhalten.
              Die bezähmte Widerspenstige.

Das Frühstück war bereit, und die zarten schmackhaften Kuchen, von feinem Mehl und Honig nach dem Familienrecepte gebacken, wurden nicht nur mit all der Parteilichkeit eines Vaters und eines Liebhabers gepriesen, sondern es ward ihnen auch volle Gerechtigkeit auf die Weise gethan, auf welche man die Güte eines Kuchens oder Puddings am besten beweist. Sie schwatzten, scherzten und lachten. Auch Katharina hatte ihren Gleichmuth wieder gewonnen, wo Frauen und Mädchen unsrer Zeit den ihrigen am ersten verlieren – in der Küche nämlich und in der Oberaufsicht der Hausangelegenheiten, worin sie ihres Gleichen suchte. Ich zweifle sehr, ob das Lesen Seneka's in gleichem Zeitraume in demselben Grade ihr Gemüth beruhigt haben würde.

Die alte Dorothee setzte sich an das Tischende, wie es in jener Zeit Sitte war; und die beiden Männer waren so sehr eingenommen von ihrer eigenen Unterhaltung (und Katharina entweder mit der Beobachtung derselben oder ihren eigenen Beobachtungen so sehr beschäftigt), daß die alte Frau die Erste war, die des jungen Conachar Abwesenheit bemerkte.

»Es ist wahr,« sagte der Meister Glover; »geh' und ruf' ihn, den müßigen Hochlandsburschen. Man sah ihn während des Kampfes in letzter Nacht nicht, wenigstens ich nicht. Bemerkte ihn Jemand?« Die Antwort war verneinend; und Harry bemerkte darauf: –

»Es gibt Zeiten, wo die Hochländer versteckt sein können, wie ihr eigenes Rothwild, – ja, und auch vor der Gefahr ebenso schnell davonlaufen. Ich habe sie schon selber also thun sehen.«

»Und es gibt Zeiten,« erwiderte Simon, »wo König Arthur und seine Tafelrunde ihnen nicht Stand halten könnten. Ich wünsche, Harry, Ihr sprächt etwas ehrerbietiger von den Hochländern. Sie sind oft in Perth, theils einzeln, theils zahlreich, und Ihr solltet Frieden mit ihnen halten, so lange sie Frieden mit Euch halten wollen.«

Eine trotzige Antwort schwebte auf Harry's Lippen, aber er unterdrückte sie klüglich.

»Ei, du weißt, Vater,« sagte er lächelnd, »daß wir Handwerker die Leute am liebsten haben, von denen wir leben; nun ist mein Handwerk, für die edeln Ritter, Knappen, Edelknechte und Andere zu arbeiten, die die Waffen, welche ich fertige, führen; natürlich ist's daher, daß ich die Ruthvens, die Lindsays, die Ogilvys, die Oliphants und so viele andere unserer tapfern, edlen Nachbarn, die in meinen Rüstungen gehen wie ebenso viele Paladine, dem hochländischen nackten Gesindel vorziehe, das uns nur zu schaden sucht, um so mehr, da in jedem Clan nicht fünf sind, die einen verrosteten Waffenrock haben, so alt als ihr Brattach (Banner); und der ist nur das Werk eines ungeschickten Schmieds aus ihrem Stamme, der nicht zu unserer ehrsamen Zunft gehört und auf seinen Ambos drauf los hämmert, wie vor ihm sein Vater. Ich sage, solche Leute kann ein ehrsamer Handwerker nicht mit günstigen Augen betrachten.«

»Gut, gut,« antwortete Simon; »ich bitte dich, laß gerade jetzt die Sache ruhen, denn da kommt der saumselige Bursche; und obwohl es ein Feiertagsmorgen ist, so mag ich doch keine blutigen Puddings mehr.«

Der Jüngling trat ein. Sein Gesicht war bleich, seine Augen roth, und sein ganzes Wesen zeigte eine große Unruhe. Er setzte sich an das untere Ende des Tisches, Dorothee gegenüber und bekreuzte sich, als schickte er sich an, sein Frühmahl zu nehmen. Da er sich selber nichts vorlegte, bot ihm Katharina einen Teller, worauf einige der Kuchen lagen, die so allgemein gelobt worden waren. Anfangs wies er ihre Gefälligkeit mißmuthig zurück; als sie aber ihr Anerbieten mit gutmüthigem Lächeln wiederholte, nahm er einen Kuchen in die Hand, zerbrach ihn und war im Begriff, einen Bissen zu essen, als ihm der Versuch zu peinlich zu werden schien, und er wiederholte ihn nicht noch ein Mal.

»Ihr habt schlechten Appetit zu einem heiligen Valentinsmorgen,« sagte der gutgelaunte Meister; »und müßt Ihr, denk' ich, in letzter Nacht recht fest geschlafen haben, da Ihr, wie's scheint, von dem Lärm des Gefechts nicht gestört wurdet. Nun, ich dachte, ein munterer Hochländer müßte an seines Meisters Seite mit dem Dolch in der Hand stehen beim ersten Rufe der Gefahr, der sich eine Meile in der Runde erhebt.«

»Ich hörte nur einen unbestimmten Lärm,« sagte der Jüngling, während sein Gesicht plötzlich wie eine glühende Kohle flammte, »und ich nahm ihn für das Geschrei einiger lustiger Nachtschwärmer; und solcher Thorheit wegen darf ich nach Eurem Geheiß weder Thür noch Fenster öffnen, oder das Haus beunruhigen.«

»Gut, gut,« sagte Simon. »Ich dachte, ein Hochländer müßte den Unterschied zwischen Schwerterklirren und Harfenklängen, zwischen Kriegsgeschrei und Freudenrufe besser kennen. Aber laß es sein, Bursche; ich bin froh, daß du deine händelsüchtigen Sitten verlierst. Iß dein Frühstück, denn ich habe ein Geschäft für dich, was Eile erfordert.«

»Ich habe schon gefrühstückt und bin selber sehr eilig. Ich will nach den Bergen. – Habt Ihr eine Botschaft an meinen Vater?«

»Nein,« erwiderte der Handschuhmacher etwas überrascht; »aber bist du bei Sinnen, Bursche? oder welche Rache führt dich von der Stadt weg, gleich der Schwinge eines Wirbelwindes?«

»Mein Auftrag ist plötzlich gekommen,« sagte Conachar, mit Mühe sprechend; ob aber wegen der zögernden Verlegenheit, mit welcher man eine fremde Sprache redet, oder ob aus anderem Grunde, ließ sich nicht leicht unterscheiden. »Es soll eine Versammlung stattfinden – eine große Jagd.« – – Er hielt inne.

»Und wann wirst du von dieser prächtigen Jagd zurückkehren?« sagte sein Meister; »das heißt, wenn ich mir erlauben darf, zu fragen.«

»Ich kann nicht bestimmt antworten,« erwiderte der Lehrling. »Vielleicht nie – wenn dies meinem Vater gefällt,« – fuhr Conachar mit angenommenem Gleichmuth fort.

»Ich glaubte,« sagte Simon Glover ziemlich ernst, »daß alles dies bei Seite gelegt sein würde, als ich dich auf ernstliches Zureden in mein Haus nahm. Ich dachte, wenn ich es unternähme, was sehr ungern geschah, dich ein ehrlich Gewerbe zu lehren, wir würden nichts mehr von Jagen, oder Streitereien, oder Clanversammlungen und dergleichen Dingen hören?«

»Man befragte mich nicht, als man mich hierherschickte,« sagte der Bursche hochmüthig. »Ich weiß nicht, welches die Bedingungen waren.«

»Aber ich kann Euch sagen, Sir Conachar,« sagte der Handschuhmacher unwillig, »daß das keine ehrbare Art ist, wenn du dich einem ehrsamen Handwerker verdingtest und ihm mehr Felle verdarbst, als dein eigenes werth ist; und jetzt, nachdem du so weit bist, von einigem Nutzen zu sein, nach Belieben über deine Zeit verfügst, als wäre sie dein und nicht deines Meisters Eigenthum.«

»Darüber rechnet mit meinem Vater ab,« antwortete Conachar; »er wird Euch genügend bezahlen – ein französisch Lamm (eine Goldmünze) für jedes Fell, was ich Euch verdarb, und eine fette Kuh oder einen Stier für jeden Tag, wo ich abwesend war.«

»Macht's fertig mit ihm, Freund Glover – macht's fertig,« sagte der Waffenschmied trocken. »Du wirst wenigstens genügend, wenn auch nicht ehrlich bezahlt werden. Ich möchte gar gern wissen, wie viel Beutel geleert werden mußten, um den bocksledernen Sporran (die Hochländertasche) zu füllen, der Euch sein Geld so freigebig spendet, und von welchen Weiden die Ochsen stammen, die Euch von den Grampischen Bergschluchten geschickt werden sollen.«

»Ihr erinnert mich, Freund,« sagte der hochländische Jüngling, sich übermüthig an den Schmied wendend, »daß ich auch mit Euch eine Rechnung abzumachen habe.«

»Einen Schritt vom Leibe dann,« sagte Harry, seinen nervigen Arm ausstreckend, – »ich will nichts mehr mit dir zu schaffen haben – keine Geschichten mehr wie letzte Nacht. Mich kümmert ein Wespenstich wenig, aber ich mag mir das Insekt nicht nahe kommen lassen, wenn ich seine Nähe weiß.«

Conachar lächelte verächtlich. »Ich wollte dir nichts zu Leide thun,« sagte er. »Meines Vaters Sohn that dir nur zu viel Ehre, solch gemeines Blut zu vergießen. Ich will Euch für jeden Tropfen zahlen, damit es trockne und mir die Finger nicht länger besudle.«

»Ruhe, du prahlerischer Affe!« sagte der Schmied; »das Blut eines ächten Mannes läßt sich nicht nach Gold abschätzen. Die einzige Sühne würde sein, daß du eine Meile weit ins Niederland herabkämst mit zwei der stärksten Raufbolde deines Clans; und während ich sie ausbläute, wollt' ich dich der Züchtigung meines Lehrlings, des kleinen Janklin, überlassen.«

Hier mischte sich Katharina ein. »Friede,« sagte sie, »mein wackerer Valentin, dem ich zu befehlen ein Recht habe; und auch Ihr haltet Friede, Conachar, der Ihr mir, als der Tochter Eures Meisters, gehorchen solltet. Es ist übel gethan, am Morgen das Schlimme wieder zu wecken, was in der Nacht in Schlaf gebracht war.«

»So lebt denn wohl, Meister,« sagte Conachar, nachdem er den Schmied noch einmal voll Hohn angesehen, worauf der Letztere mit Lachen antwortete. »Lebt wohl! und ich dank' Euch für Eure Freundlichkeit, die größer war, als ich verdiente. Schien ich manchmal minder dankbar zu sein, so waren die Umstände schuld und nicht mein Wille. Katharine« – er warf auf das Mädchen einen Blick, der tiefe Aufregung verrieth und mannigfache Empfindungen zeigte. Er zögerte, als wollte er etwas sagen, und endlich wandte er sich ab mit dem einzigen Worte: »Lebt wohl!« Fünf Minuten später ging er mit Hochländerstiefeln an den Füßen und einem kleinen Bündel in der Hand zum nördlichen Thore von Perth hinaus und schlug den Weg nach den Hochlanden ein.

»Dort geht Bettelwesen und Stolz genug für einen ganzen Hochländerclan,« sagte Harry. »Er spricht so gleichgültig von Goldstücken, wie ich es von Silberpfennigen könnte, und doch will ich schwören, daß der Daum von seiner Mutter gewirktem Handschuh den Schatz des ganzen Clans fassen könnte.«

»Wohl möglich,« sagte der Handschuhmacher, über den Gedanken lachend; »seine Mutter war ein starkknochiges Weib, besonders in Fingern und Handgelenk.«

»Und was das Vieh betrifft,« fuhr Harry fort, »so denk' ich, sein Vater und die Brüder stehlen gelegentlich nach einander die Schafe.«

»Je weniger wir von ihnen reden, umso besser,« sagte der Handschuhmacher, wieder ernst werdend. »Brüder hat er nicht; sein Vater ist ein gewaltiger Mann – hat lange Arme – reicht so weit er kann, und hört auch so weit, daß es nicht nützlich ist, von ihm zu sprechen.«

»Und doch hat er seinen einzigen Sohn in die Lehre zu einem Handschuhmacher in Perth verdungen?« sagte Harry. »Ei, ich sollte denken, das edle Gewerbe St. Crispins, wie man's nennt, hätte besser für ihn gepaßt; und wenn der Sohn eines großen Mac oder O ein Künstler werden sollte, so konnt' er's blos in dem Geschäfte, worin ihm Fürsten ein Beispiel geben.«

Diese, obwohl ironische Bemerkung machte bei unserm Freund Simon das Gefühl der Würde seines Berufs rege, wodurch sich die Handwerker jener Zeit charakteristisch auszeichneten.

»Ihr irrt, Sohn Harry,« erwiderte er mit großem Ernst; »die Handschuhmacher haben die ehrenvollere Zunft von beiden, weil sie für die Bequemlichkeit der Hände sorgen, während die Schuhmacher nur für die Füße arbeiten.«

»Beide sind gleich nothwendige Glieder des menschlichen Körpers,« sagte Harry, dessen Vater ein Schuster gewesen.

»Es mag so sein, mein Sohn,« sagte der Handschuhmacher; »aber beide sind nicht gleich ehrenvolle Gewerbe. Bedenkt, daß wir die Hände als Pfänder der Freundschaft und Treue brauchen, während die Füße kein solches Vorrecht haben. Brave Männer fechten mit ihren Händen, – Feiglinge brauchen ihre Füße zur Flucht. Ein Handschuh wird hoch getragen, einen Schuh tritt man in den Koth; – ein Mann grüßt seinen Freund mit der Hand; er verachtet aber einen Hund, oder einen, den er dem Hunde gleichstellt, mit einem Fußtritt. Ein Handschuh auf der Spitze eines Speers ist Zeichen und Pfand der Treue für die ganze weite Welt, wie ein niedergeworfener Handschuh das Zeichen ritterlichen Kampfes gibt; dagegen weiß ich keine andere Bedeutung für einen alten Schuh, außer etwa, daß manche Weiber ihn hinter einem Manne dreinwerfen, um ihm Glück zu bringen, ein Kunstgriff, für welchen ich in der That wenig Vertrauen hege.«

»Wahrhaftig,« sagte der Schmied, unterhalten durch seines Freundes beredte Abhandlung über die Würde seines Handwerks, »ich bin nicht der Mann, darauf verlaßt Euch, der die Handschuhmacherzunft verachtet. Bedenkt, daß ich selber Blechhandschuhe mache. Aber die Würde Eures alten Gewerbes beseitigt meine Verwunderung nicht, daß der Vater dieses Conachar litt, daß sein Sohn die Kunst irgend eines Handwerkers aus dem Niederland lernte, da sie uns ja doch allesammt tief unter ihrem hohen Range halten, als wären wir ein Volk verächtlicher Taglöhner, unwürdig eines andern Schicksals, als übel behandelt und geplündert zu werden, so oft diese ohnehosigen Dunniewassals sichere Gelegenheit dazu sehen.«

»Ja,« antwortete der Handschuhmacher, »aber es waren gewichtige Gründe für – für« – er hielt Etwas zurück, was auf seinen Lippen zu schweben schien, und fuhr fort: »für Conachars Vater vorhanden, also zu thun. – Nun, ich habe redliches Spiel mit ihm gehalten, und ich zweifle nicht, daß er sich auch ehrenhaft gegen mich benehmen wird. – Aber Conachars plötzlicher Abschied kommt mir etwas ungelegen. Er hatte gewisse Dinge zu besorgen. Ich muß in der Werkstätte nachsehen.«

»Kann ich Euch helfen, Vater?« sagte Harry Gow, durch das ernste Benehmen seines Freundes getäuscht.

»Ihr? nein« – sagte Simon mit einem trockenen Tone, welcher Harry die Einfalt seines Anerbietens so fühlbar machte, daß er bis unter die Stirn über seinen eigenen Stumpfsinn erröthete, in einer Sache, wo ihn die Liebe so leicht sein eignes Verfahren hätte errathen lassen sollen. »Du, Katharina,« sagte der Handschuhmacher, als er das Gemach verließ, »wirst deinen Valentin einige Minuten lang unterhalten und dafür sorgen, daß er nicht geht, bevor ich zurückgekehrt bin. – Komm mit mir, alte Dorothee, und rege deine Beine zu meinem Beistand.«

Er verließ das Gemach und die Alte folgte ihm; Harry aber blieb bei Katharina ganz allein, fast zum ersten Mal in seinem Leben. Es fand eine Verlegenheit auf Seiten des Mädchens und eine Unbeholfenheit auf Seiten des Liebhabers statt, die wohl eine Minute währte; da rief Harry seinen Muth zusammen, zog die Handschuhe, womit ihn Simon versehen, aus seiner Tasche, und bat sie um Erlaubniß, daß Jemand, der diesen Morgen so schön begrüßt worden, die übliche Buße zahlen dürfte dafür, daß er in einem Augenblicke geschlafen, wo er den Schlummer eines ganzen Jahres darum gegeben hätte, eine einzige Minute wach zu sein.

»Ach, aber die Erfüllung meines St. Valentinsrechts«, sagte Katharina, »bedingt keine solche Buße, wie Ihr zu zahlen wünscht, und ich kann daher nicht daran denken, sie anzunehmen.«

»Diese Handschuhe,« sagte Harry, seinen Stuhl, während er sprach, Katharinen näher rückend, »wurden von Händen gefertigt, die Euch die theuersten sind; und seht, sie passen ganz für Euch.« Er breitete sie aus, während er sprach, und nahm ihren Arm in seine starke Hand, indem er die Handschuhe daran hielt, zu zeigen, wie schön sie paßten. »Seht diesen runden Arm,« sagte er, »seht diese kleinen Finger; denkt, wer diese Säume von Seide und Gold nähete, und bedenkt, ob der Handschuh und der Arm. welchem allein der Handschuh passen kann, getrennt bleiben sollen, weil der arme Handschuh das Mißgeschick hat, eine Minute im Besitz einer Hand gewesen zu sein, die so schwarz und rauh ist, wie die meine.«

»Sie sind willkommen, da sie von meinem Vater kommen,« sagte Katharina; »und gewiß nicht minder, da sie von meinem Freunde kommen (auf dieses Wort legte sie einen Nachdruck), der mein Valentin und mein Beschützer ist.«

»Laßt mich sie Euch anlegen,« sagte der Schmied, noch näher an ihre Seite rückend. »Sie mögen anfangs ein wenig knapp scheinen und Ihr werdet einige Hilfe brauchen.«

»Ihr seid geschickt in Eurem Beistand,« guter Harry Gow,« sagte das Mädchen lächelnd, zu gleicher Zeit aber sich weiter von dem Liebhaber entfernend.

»Wahrhaftig, nein,« sagte Harry, den Kopf schüttelnd, »meine Erfahrung beschränkt sich darauf, geharnischten Rittern Blechhandschuhe anzuziehen, weniger aber, Jungfrauen gestickte Handschuhe anzupassen.«

»So will ich Euch nicht weiter bemühen und Dorothee soll mir helfen – obwohl keine Hilfe vonnöthen ist – meines Vaters Augen und Finger sind zuverlässig in seiner Kunst; welche Arbeit durch seine Hände geht, entspricht immer genau dem Maße.«

»Laßt mich davon überzeugt werden,« sagte der Schmied; »laßt mich sehen, daß diese niedlichen Handschuhe genau zu den Händen passen, für die sie gemacht sind.«

»Ein andermal, guter Heinrich,« antwortete das Mädchen. »Ich will die Handschuhe zu Ehren St. Valentins tragen und ebenso zu Ehren des Freundes, den er mir für das Jahr gesendet hat. Ich wünschte beim Himmel, ich könnte meinem Vater in wichtigern Angelegenheiten zu Willen sein – gegenwärtig vermehrt der Duft des Leders mir das Kopfweh, welches ich seit dem Morgen habe.«

»Kopfweh, theuerstes Mädchen?« wiederholte ihr Liebhaber.

»Wollt Ihr es Herzweh nennen, so werdet Ihr nicht Unrecht haben,« sagte Katharina mit einem Seufzer, und fuhr in einem sehr ernsten Tone zu sprechen fort. »Harry,« sagte sie, »vielleicht werde ich jetzt so kühn sein, als ich Euch diesen Morgen mich zu zeigen schien, denn ich beginne von einer Sache mit Euch zu reden, in der ich zuerst Euch hören und dann antworten sollte. Nach dem aber, was diesen Morgen geschehen ist, kann ich nicht umhin, mich zu erklären, wie ich gegen Euch gesinnt bin, ohne Gefahr zu laufen, daß Ihr mich mißverstehen möchtet. Nein, antwortet mir nicht, bis Ihr mich gehört habt. Ihr seid brav, Harry, mehr als die meisten Männer, ehrbar und zuverlässig, wie der Stahl, in dem Ihr arbeitet –«

»Haltet, haltet ein, Katharina, um des Himmels Willen! Ihr sagtet in Betreff meiner nie so viel Gutes, außer um einen bittern Tadel einzuleiten, dessen Herold Euer Lob war. Ich bin ehrlich u. s. w. wolltet Ihr sagen, aber ein hitzköpfiger Händelsucher, ein gemeiner Klopffechter und Raufbold.«

»Ich würde sowohl mich als Euch beleidigen, wollt' ich Euch so nennen. Nein, Harry, keinem gemeinen Raufbold, und trüg' er eine Feder auf der Mütze und goldene Sporen an den Fersen, würde Katharina Glover je die kleine Gunst erwiesen haben, die sie Euch heute freiwillig bot. Hab' ich auch manchmal ernstlich gerügt, daß Euer Sinn zum Zorn, Eure Hand zum Kampfe geneigt ist, so wollte ich damit im glücklichen Falle bewirken, daß Ihr die Sünden der Eitelkeit und leidenschaftlichen Hitze, deren Ihr Euch allzuleicht hingebt, hassen solltet. Ich sprach von diesem Gegenstande mehr, um Euer Gewissen anzuregen, als um meine Meinung auszusprechen. Ich weiß so gut als mein Vater, daß man in diesen unheilvollen, unruhigen Zeiten auf die Sitten unserer und selbst aller christlichen Völker sich berufen kann, um die Gewohnheit zu entschuldigen, von der unbedeutendsten Kleinigkeit Anlaß zu blutigem Streit zu nehmen, für die kleinste Kränkung sich furchtbar zu rächen, und sich der Ehre, oft der bloßen Ergötzlichkeit wegen einander den Hals zu brechen. Doch weiß ich auch, daß dies eben so viel Uebertretungen sind, wofür wir einst vor Gericht gezogen werden, und ich möchte Euch, mein tapferer, edler Freund, überzeugen, daß Ihr öfter dem Rathe Eures guten Herzens folgen und auf die Stärke und Gewandtheit Eures erbarmenlosen Armes minder stolz sein solltet.«

»Ich bin – ich bin überzeugt, Katharina,« rief Harry aus; »deine Worte sollen fortan Gesetz für mich sein. Ich habe genug gethan, nur allzuviel, in der That, um meine Körperstärke und meinen Muth zu bewähren. Von Euch allein jedoch, Katharina, kann ich lernen besser zu denken. Bedenkt, meine schönste Valentine, daß mein Ehrgeiz, mich durch Waffenthaten auszuzeichnen, und mein kampflustiger Sinn, wenn ich so sagen darf, gegen meine Vernunft und meinen sanfteren Charakter nicht mit gleichen Waffen streiten; sie werden durch Ursachen, die mir unbekannt sind, geweckt und ermuthigt. Entsteht ein Streit, und ich soll, wie Ihr rathet, mich nicht darein mengen, – glaubt Ihr dann, es stehe mir frei, zwischen Krieg und Frieden zu wählen? Nein, bei der heiligen Maria! hundert Stimmen erheben sich ringsum, mich anzufeuern. ›Was, Schmied! ist deine Klinge rostig?‹ sagt der Eine. ›Harry Gow will diesen Morgen nichts von Händeln hören,‹ fügt ein Zweiter hinzu. ›Schlage dich für die Ehre Perths,‹ sagt Mylord, der Profoß. ›Harry nimmt's mit Allen auf, und ich wette einen Rosenobel für ihn‹ sagt vielleicht Euer Vater selber. Was soll nun ein armer Schelm, wie ich, thun, Katharina, wenn ihm so alle Welt in des Teufels Namen zusetzt, und auf der andern Seite keine Seele ist, die ihm nur ein Wort entgegensetzte?«

»Nun, ich weiß, daß der Teufel Gehilfen genug hat, um seine Werke auszubreiten,« sagte Katharina; »aber es ist unsere Pflicht, seinen eiteln Gründen zu widerstehen, obwohl sie selbst von denjenigen vorgebracht werden mögen, denen wir Liebe und Ehrerbietung schuldig sind.«

»Dann gibt es Minstrels mit ihren Romanzen und Balladen, welche jedes Mannes Ruhm darein setzen, Schläge zu empfangen und auszutheilen. Ihr könnt Euch nicht denken, Katharina, wie viele meiner Sünden der blinde Harry, der Minstrel, zu verantworten hat. Theile ich einen gutgeführten Hieb aus, so geschieht es nicht (St. Johann sei mein Zeuge!) um Jemand zu kränken, sondern nur, um wie William Wallace zu schlagen.«

Des Minstrels Namensvetter sprach dies in einem Tone so reuevollen Ernstes, daß sich Katharina kaum eines Lächelns enthalten konnte; trotzdem aber versicherte sie ihn, daß die Gefährdung seines und des Lebens anderer Menschen keinen Augenblick für so unbedeutende Dinge in Betracht kommen dürfe.«

»Ja, aber,« erwiderte Harry, durch ihr Lächeln kühn gemacht, »mich dünkt nun, die gute Sache des Friedens könne nicht besser gedeihen, als durch einen Verfechter. Denkt Euch z. B., ich könnte, wenn man mich drängt und treibt zu den Waffen zu greifen, ich könnte mich da erinnern, zu Hause einen Schutzengel zu haben, dessen Bild mir ganz leise zuzuflüstern schiene: ›Keine Gewalt, Harry, es ist meine Hand, die du mit Blut zu bedecken im Begriff bist. Begib dich in keine unnütze Gefahr, Harry; es ist meine Brust, die du ihr aussetzest.‹ Solche Gedanken würden mehr Wirkung bei mir thun, als wenn jeder Mönch in Perth mir zuriefe: ›Halt' die Hand zurück, bei Strafe des Kirchenbannes‹.«

»Wenn eine Warnung der Art durch die Stimme schwesterlicher Freundschaft in dem Streite Gewicht haben kann,« sagte Katharina, »so denkt, daß Ihr im Streite diese Hand mit Blut färbt; daß, wenn Ihr Wunden empfangt, dies Herz verletzt wird.«

Den Schmied ermuthigte der wirklich zärtliche Ton, in welchem diese Worte gesprochen wurden.

»Und warum erstreckt Ihr Eure Theilnahme nicht um einen Grad über diese kalten Schranken hinaus? Warum, wenn Ihr so freundlich und großmüthig seid, zu bekennen, daß Ihr an dem armen unwissenden Sünder, der vor Euch steht, einigen Antheil nehmt, warum nehmt Ihr ihn dann nicht zugleich zu Eurem Schüler und Gatten an? Euer Vater wünscht es, die Stadt erwartet es; Handschuhmacher und Schmiede bereiten ihre Lustbarkeiten vor; und Ihr, blos Ihr, deren Worte so schön und freundlich sind, Ihr wollt Eure Zustimmung nicht geben!«

»Harry,« sagte Katharina mit leiser und zitternder Stimme, »glaubt mir, ich sollte es für Pflicht halten, meines Vaters Befehle zu befolgen, wären nicht unüberwindliche Hindernisse gegen das Bündniß, welches er beabsichtigt.«

»Aber erwägt – erwägt nur einen Augenblick. Ich habe wenig für mich selbst zu sagen im Vergleich zu Euch, die Ihr lesen und schreiben könnt. Aber dann wünschte ich lesen zu hören, und könnte Eurer süßen Stimme ewig lauschen. Ihr liebt die Musik, und ich lernte die Harfe spielen und singen, gleich andern Minstrels. Es macht Euch Vergnügen, mildthätig zu sein; ich habe die Mittel zu geben, ohne Gefahr mich zu entblößen; ich könnte täglich eben so viel Almosen geben, als ein Almosenpfleger gibt, ohne daß ich Etwas entbehrte. Euer Vater wird alt und kann nicht mehr arbeiten, wie seither; er könnte bei uns wohnen, denn ich betrachte ihn ganz als meinen Vater. Vor allen leichtsinnigen Händeln würd' ich mich ebenso hüten, wie davor, meine Hände in den Ofen zu stecken, und fiel es einem ein, uns anzugreifen, so würde er seine Waaren auf einen schlechtgewählten Markt bringen.«

»Mögt Ihr all das häusliche Glück erfahren, welches Ihr Euch vorstellen könnt, Harry, – aber mit einer Glücklichern, als ich bin.«

So sagte, oder vielmehr so schluchzte das schöne Mädchen von Perth, die zu ersticken schien in dem Versuche, ihre Thränen zurückzuhalten.

»Ihr haßt mich also?« sagte der Liebhaber nach einer Pause.

»Der Himmel sei mein Zeuge, nein!«

»Oder liebt Ihr einen Andern, Bessern?«

»Es ist grausam, zu fragen, was zu wissen Euch nicht nützen kann. Ihr seid aber ganz im Irrthum.«

»Jene wilde Katze, Conachar, vielleicht?« sagte Harry. »Ich habe seine Blicke beobachtet.«

»Ihr bedient Euch dieser peinlichen Lage, mich zu höhnen, Harry, obwohl ich es wenig verdient habe. Conachar gilt mir nichts mehr, als der Versuch, sein wildes Gemüth durch Unterweisung zu zähmen, mich veranlassen konnte, einigen Antheil an einer Seele zu nehmen, welche voll von Vorurtheilen und Leidenschaften war, und darin, Harry, Eurer eigenen glich.«

»Dann muß es einer von den glänzenden Seidenwürmern vom Hofe sein,« sagte der Waffenschmied, dessen natürliche Gemüthshitze Täuschung und Ungewißheit entzündete; »einer von denen, welche glauben, sie müssen mit ihren langen Federn und glänzenden goldenen Sporen Alles gewinnen. Ich möchte ihn wohl kennen, der seine gewöhnlichen Genossinnen, die geschminkten, duftenden Hofdamen verläßt und schlichten Bürgermädchen nachläuft. Ich möchte seinen Namen und Beinamen wissen.«

»Harry Schmied,« sagte Katharina, die Schwäche bezwingend, die sie für einen Augenblick zu überwältigen drohte, »dies ist die Sprache eines undankbaren Thoren, oder vielmehr eines Rasenden. Ich sagte Euch schon beim Beginn unseres Gesprächs, daß ich von Niemand eine höhere Meinung habe, als von dem, der nur mit jedem Worte, das er im Tone ungerechten Verdachts und grundlosen Zornes ausspricht, in meiner Achtung verliert. Ihr hattet nicht einmal das Recht, das zu erfahren, was ich Euch sagte, und ich bitt' Euch zu beachten, daß meine Gespräche Euch zu der Meinung kein Recht geben dürfen, daß ich Euch vor Andern bevorzuge, obwohl ich gestehe, daß ich keinen über Euch stelle. Es genüge Euch zu wissen, daß Euren Wünschen ein unbezwingliches Hinderniß im Wege steht, wie wenn ein Zauberer mein Schicksal gebunden hätte.«

»Zauber wird gebrochen durch tüchtige Männer,« sagte der Schmied. »Ich wollte, es käme darauf an. Thorbiorn, der dänische Waffenschmied, sprach von einem Zauber, den er bei Fertigung von Brustharnischen anwende, indem er ein gewisses Lied singe, während das Eisen glüht. Ich sagte ihm, diese Runenverse wären kein Schutz gegen die Waffen, die man bei Loncarty führte – was weiter dabei vorkam, ist unnütz zu sagen; – aber der Harnisch und sein Träger, und der Arzt, der ihm die Wunde heilte, wissen, ob Harry Gow Zauber brechen kann oder nicht.«

Katharina sah ihn an, als wollte sie zur Antwort eine kleine Mißbilligung der That, die er gewagt, geben, indem der tapfere Schmied sich nicht erinnert hatte, daß er sich damit immer ihren Tadel zuzog. Aber ehe sie ihren Gedanken Worte leihen konnte, steckte ihr Vater seinen Kopf durch die Thür.

»Harry,« sagte er, »ich muß Eure angenehmen Angelegenheiten unterbrechen und Euch bitten, eilig in mein Arbeitszimmer zu kommen, um Euch über gewisse Dinge zu Rathe zu ziehen, die das Wohl der Stadt sehr nahe angehen.«

Harry verließ, sich von Katharina verabschiedend, auf ihres Vaters Ruf das Gemach. Gewiß war es für ihr künftiges freundschafliches Verhältniß günstig, daß sie jetzt schieden, bei einer Wendung, welche das Gespräch wahrscheinlich hätte nehmen müssen. Denn wie der Werber begonnen hatte, die Weigerung des Mädchens für launenhaft und unerklärlich zu halten nach jener Ermuthigung, die sie, wie er glaubte, gewährt hatte, so betrachtete Katharina ihrerseits ihn vielmehr als Einen, der die bewiesene Gunst mißbrauche, denn als einen Mann, dessen Zartgefühl ihn solcher Gunst würdig mache.

Aber es lebte in Beider Busen eine wechselseitige Zuneigung, welche am Schlusse des Streites gewiß wieder erwachen und das Mädchen veranlassen mußte, die Verletzung ihres Zartgefühls, so wie den Liebhaber, seine verschmähte Wärme der Leidenschaft zu vergessen.


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