Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Drittes Kapitel.

Woher kommt Schmied, ob Lord, ob Knapp', ob Ritter,
Als von dem Schmied, der vor dem Amboß steht?
                                          Verstegan.

Des Waffenschmieds Herz schwoll von verschiedenen widerstreitenden Empfindungen, so daß es den ledernen Koller sprengen zu wollen schien, unter welchem es verborgen lag. Er stand auf und streckte seine Hand dem Handschuhmacher entgegen, während er das Gesicht von ihm abkehrte, als wünsche er, daß man in seinen Mienen nicht seine Bewegung lesen möchte.

»Wahrlich, hängt mich auf, wenn ich Euch jetzt Lebewohl sage, Mensch,« sprach Simon, seine Hand auf jene legend, die ihm der Waffenschmied entgegenhielt. »Unter einer Stunde mindestens will ich Euch die Hand nicht zum Abschied schütteln. Wartet einen Augenblick, Mann, und ich will Euch das Alles erklären. Gewiß werden einige Tropfen Blut aus der aufgeritzten Haut und etliche thörichte Worte von eines thörichten Mädchens Lippen Vater und Sohn nicht scheiden, wenn sie einander so lange nicht gesehen hatten? Bleib also, Mann, wenn dir etwas am Segen eines Vaters und des heiligen Valentin liegt, dessen heiliger Festabend heute ist.«

Bald hörte man, wie der Handschuhmacher laut nach Dorothee rief, und nachdem dieselbe mit Schlüsseln geklimpert und Treppen auf- und abgelaufen, erschien sie mit drei großen Bechern von grünem Glas, was in jener Zeit für eine große und kostbare Seltenheit galt, und der Handschuhmacher folgte ihr mit einer großen Flasche, mindestens drei Quart unserer entarteten Zeit enthaltend. – »Da ist ein Glas Wein, Harry, mindestens die Hälfte älter, als ich selber; mein Vater erhielt ihn zum Geschenk vom alten wackern Crabbe, dem flämischen Ingenieur, der während der Minderjährigkeit David's II. Perth so tüchtig vertheidigte. Wir Handschuhmacher vermochten stets im Kriege etwas vor uns zu bringen, wenn dieser gleich nicht in so unmittelbarer Beziehung zu uns steht, wie zu Euch, die Ihr in Eisen und Stahl arbeitet. Mein Vater hatte sich die Gunst des alten Crabbe zu erwerben gewußt; ich will dir ein andermal sagen, bei welcher Gelegenheit und wie lange diese Flaschen eingegraben waren, um sie den englischen Plünderern zu entziehen. Ich will jetzt einen Becher auf das Wohl der Seele meines Vaters leeren – mögen ihm seine Sünden vergeben sein! Dorothee, du magst darauf Bescheid thun, dann kannst du in dein Schlafgemach gehen. Ich weiß, daß du die Ohren spitzest, Weib, aber ich habe zu sagen, was Niemand hören darf, außer Harry Schmied, mein angenommener Sohn.«

Dorothee wagte nicht zu widersprechen, sondern nahm ihr Glas, oder vielleicht ihren Humpen, guten Muthes und zog sich sodann, wie ihr Herr befohlen hatte, in ihr Schlafgemach zurück. Die beiden Freunde blieben allein.

»Es betrübt mich, Freund Harry,« sagte Simon, während er sein und seines Gastes Glas füllte, »es betrübt mich, bei meiner Seele, daß meine Tochter so übel gelaunt ist; aber es fällt auch, dünkt mich, ein Theil der Schuld auf dich. Warum kommst du mit Schwert und Dolch hierher, da du doch weißt, daß sie einfältig genug ist, den Anblick dieser Waffen nicht ertragen zu können? Erinnerst du dich nicht, daß du vor deiner Abreise nach Perth einen kleinen Streit mit ihr hattest, weil du dich nicht in die friedliche Tracht der ehrbaren Bürger kleiden willst, sondern immer bewaffnet sein mußt, wie die schurkischen Jackmans, die im Dienste des Adels stehen? Es ist wahrlich Zeit genug für einen friedsamen Bürger zu den Waffen zu greifen, wenn die Gemeindeglocke schallt, die uns in die Waffenrüstung ruft.«

»Ach, mein guter Vater, das war nicht meine Schuld; aber kaum hatt' ich meinen Klepper verlassen, als ich hierher eilte, um Euch von meiner Rückkehr zu benachrichtigen und Euch um die Erlaubniß zu bitten, wenn's Euch gefällt, für dies Jahr Mistreß Katharinens Valentin zu sein. Nachdem ich von Mrs. Dorothee erfahren, daß Ihr Beide in die Dominikanerkirche gegangen waret, so entschloß ich mich, Euch dorthin zu folgen, theils, um mit Euch die Messe zu hören, und dann auch, möge mir's unsere liebe Frau und St. Valentin vergeben, um sie zu sehen, die so selten an mich denkt. Als Ihr in die Kirche ginget, sah ich drei Männer, die mir verdächtig schienen, während sie Euch und Katharina in's Auge faßten und sich mit einander beriethen; namentlich erkannte ich Sir John Ramorny trotz seiner Verkleidung recht gut, ungeachtet er ein sammetnes Band über dem einen Auge hatte und einen Mantel trug, wie ihn gewöhnlich die Diener haben. So dacht' ich, weil Ihr alt seid, Vater Simon, und der Lehrbursche mir etwas zu jung vorkam, um sich gut zu schlagen, ich würde wohl daran thun, Euch beim Nachhausegehen in der Stille zu folgen, weil ich nicht zweifelte, mit den Waffen, die ich trug, leicht einen Jeden, der Euch anzugreifen wagte, zurechtweisen zu können. Ihr habt, wie Ihr wißt, selber mich erkannt, und mich, ich mochte wollen oder nicht, eintreten heißen; sonst, das kann ich Euch versichern, wär' ich nicht vor Eurer Tochter erschienen, ohne vorher das Wams anzulegen, das ich mir in Berwick nach der neuesten Mode habe machen lassen, und hätte die Waffen, die sie nicht leiden kann, ihr nicht vor die Augen gebracht. Und gleichwohl, die Wahrheit zu sagen, haben so viele Leute, aus der oder jener Ursache, einen tödtlichen Haß auf mich geworfen, daß ich so gut als irgend ein Schotte nöthig habe, bei Nacht bewaffnet auszugehen.«

»Das närrische Mädchen denkt daran nie,« sagte Simon Glover; »sie hat nicht so viel Verstand, zu erwägen, daß in unserm lieben Schottland Jeder das Recht und die Freiheit zu haben glaubt, sich selber Gerechtigkeit zu verschaffen. Aber Harry, mein Sohn, du thust Unrecht, daß du dir ihre Worte so zu Herzen nimmst. Ich habe dich kühn genug vor andern Mädchen gesehen – warum so still und wortkarg bei ihr?«

»Weil sie verschieden von andern Mädchen ist, Vater Glover – weil sie nicht nur schöner, sondern auch klüger, höher, heiliger ist, und mir aus besserm Stoff gemacht zu sein scheint, als wir, die wir uns ihr nähern. Unter andern Mädchen kann ich den Kopf hoch tragen, wenn wir um den Maibaum tanzen; aber in Katharinens Nähe erscheine ich mir nur als ein gemeines, wildes Wesen, kaum werth, die Augen zu ihr zu erheben, und noch weniger, den Lehren, die sie mir gibt, zu widersprechen.«

»Ihr seid ein unkluger Kaufmann, Harry Schmied,« erwiderte Simon, »und schätzt die Waaren zu hoch, die Ihr einkaufen wollt. Katharina ist ein gutes Mädchen und meine Tochter; aber wenn Ihr durch Eure Schüchternheit und Schmeichelei einen eingebildeten Affen aus ihr macht, so werdet weder Ihr noch ich unsere Wünsche erfüllt sehen.«

»Ich fürchte es oft, mein guter Vater,« sagte der Schmied; »denn ich fühle, wie wenig ich Katharina verdiene.«

»Ei was fühlen!« sagte der Handschuhmacher; »fühle für mich, Freund Schmied, für Katharina und für mich. Denke, wie das arme Kind vom Morgen bis zum Abend belagert wird, und von welchen Leuten, selbst wenn Thüren und Fenster geschlossen sind. Wir wurden heute von Einem bestürmt, der zu mächtig ist, als daß ich ihn nennen möchte – ja, und er hat seine üble Laune nicht zu bergen gesucht, als ich nicht dulden wollte, daß er in der Kirche während des Hochamts meiner Tochter Schmeicheleien vorschwatzte. Und so gibt's noch Viele, die sich ebenso ungeziemend benehmen. Daher hab' ich oft den Wunsch, Katharina möchte minder hübsch sein, daß sie diese gefährliche Bewunderung nicht erregte, oder etwas minder fromm, daß sie sich entschließen könnte, die ehrbare, zufriedene Hausfrau des wackern Harry Schmied zu werden, der sie gegen jede Unbilde der Ritterschaft des Hofes von Schottland schützen könnte.«

»Und wenn ich's nicht thäte,« sagte Harry, eine Hand und einen Arm ausstreckend, deren Knochen und Muskeln einem Riesen anzugehören schienen, »so will ich nie mehr einen Hammer auf den Ambos fallen lassen. Ja, und wenn es dahin käme, so würde meine schöne Katharina einsehen, daß es nichts so gar Schlimmes ist, wenn ein Mann sich ein Bischen vertheidigen kann. Aber sie meint, glaub' ich, die Welt sei ein großer Dom, und Alle, die darin leben, müßten sich betragen, als wären sie bei einer ewigen Messe.«

»Ja, in Wahrheit,« sagte der Vater, »sie übt einen seltsamen Einfluß auf diejenigen, die ihr nahen; – der hochländische Bursche, Conachar, der mir nun seit einigen Jahren zu schaffen macht, hat, wie du weißt, ganz die Art seiner Landsleute, und doch gehorcht er Katharinen auf das geringste Zeichen, und sie ist wirklich fast die Einzige im Hause, die ihn regieren kann. Sie gibt sich viel Mühe, ihn seine rauhen Hochlandsgewohnheiten ablegen zu lassen.«

Hier ward Harry Schmied unruhig auf seinem Stuhle, er erhob die Flasche, stellte sie wieder hin und rief endlich: »Der Teufel hole den jungen Hochländerhund und seine ganze Sippschaft! Was braucht Katharina einen solchen Burschen zu unterweisen! Es wird ihr mit ihm gehen, wie mit dem jungen Wolf, den ich thörichter Weise als einen jungen Hund aufziehen wollte. Jedermann hielt ihn für zahm; aber in einem unglücklichen Augenblicke, da ich auf dem Berge Moncrieff mit ihm spazieren ging, warf er sich auf die Heerde des Laird und richtete unter dieser eine Verheerung an, die mir theuer zu stehen gekommen wäre, wenn der Laird nicht gerade eine Rüstung nöthig gehabt hätte. Daher wundert es mich, daß Ihr, Vater Glover, der Ihr doch ein Mann von Einsicht seid, diesen hochländischen Burschen – der seine Mucken hat, verlaßt Euch d'rauf – so nah' bei Katharina laßt, als wenn außer Eurer Tochter Niemand seine Schulmeisterin machen könnte.«

»Pfui, mein Sohn, pfui, – Ihr seid jetzt eifersüchtig,« sagte Simon, »auf einen armen jungen Burschen, der sich, um Euch die Wahrheit zu sagen, hier nur aufhält, weil er auf der andern Seite des Gebirges nicht so gut leben kann.«

»Ja, ja, Vater Simon,« entgegnete der Schmied, der all' die beschränkten Ansichten des Bürgers jener Zeit hatte, »fürchtete ich nicht, Euch zu beleidigen, so würde ich sagen, daß Ihr Euch mit jenem Volke draußen gar viel zu schaffen macht.«

»Ich muß meine Rehhäute, Bockshäute, Elennshäute u. s. w. irgendwoher haben, mein guter Harry, und mit den Hochländern handelt sich's gut.«

»Sie können gut mit sich handeln lassen,« erwiderte Harry trocken; »denn sie verkaufen blos gestohlene Waare.«

»Nun gut – sei das, wie es wolle; es geht mich nichts an, woher sie das Thier haben, wenn ich nur die Häute bekomme. Aber, wie gesagt, gewisse Rücksichten nöthigen mich, den Vater des jungen Burschen zu verbinden, indem ich ihn im Hause behalte. Er ist auch nur ein halber Hochländer und hat gar nicht ihre ungeschlachte Art so ganz und gar; – überhaupt hab' ich ihn selten so heftig gesehen, wie er sich heute zeigte.«

»Ihr konntet es auch nicht, wenn er nicht seinen Mann tödtete,« erwiderte der Schmied in demselben trockenen Tone.

»Trotzdem, wenn Ihr es wünscht, Harry, will ich alle anderen Rücksichten bei Seite setzen, und den Burschen morgen früh ein anderes Quartier suchen lassen.«

»Ach, Vater,« sagte der Schmied, »Ihr könnt glauben, daß dem Harry Gow nicht so viel an jener Bergkatze liegt, als an einer Kohle. Wahrlich, mich sollt' es nicht kümmern, seinen Clan das Schuhthor herab mit dem Slogangeschrei und klingendem Spiele kommen zu sehen; ich wollte fünfzig Klingen und Schilde finden, um sie schneller zurückzusenden, als sie kamen. Aber die Wahrheit zu sagen, so närrisch es auch klingen mag – es will mir nicht gefallen, den hartnäckigen Burschen so oft um Katharina zu sehen. Bedenkt, Vater Glover, daß Euer Handwerk Eure Hände und Augen in Anspruch nimmt, und daß Ihr demselben Eure ganze Aufmerksamkeit widmen müßt, selbst wenn der Taugenichts mit arbeitet, was, wie Ihr ja wißt, selten geschieht.«

»Und das ist wahr,« sagte Simon; »er schneidet all' seine Handschuhe nur für die rechte Hand und konnte nie in seinem Leben ein Paar fertig machen.«

»Ohne Zweifel sind seine Meinungen vom Zuschneiden anderer Art,« sagte Harry. »Aber mit Eurer Erlaubniß, Vater, wollt' ich nur sagen, daß er, ob er nun arbeitet oder nichts thut, keine schiefen Augen hat; seine Hände sind weder durch heißes Eisen verbrannt, noch durch Arbeit mit dem Hammer hart geworden; sein Haar ist nicht durch Rauch geschwärzt, noch am Ofen verbrannt, daß es einem Dachsfell ähnlicher sieht, als dem Haupthaar eines ehrlichen Christen. Mag nun Katharina eine noch so gute Tochter sein – und ich behaupte, sie ist die beste in ganz Perth – so muß sie doch sehen und wissen, daß dies Alles zwischen dem einen und dem andern Mann einen Unterschied machen muß, und daß der Vergleich nicht zu meinen Gunsten ausfällt.«

»Hier deine Gesundheit von ganzem Herzen, Sohn Harry!« sagte der alte Mann, seinem Gefährten einen Becher und einen zweiten für sich selber füllend; »ich sehe, daß du, ein so guter Schmied du auch bist, doch das Metall nicht kennst, woraus Weiber gemacht sind. Du mußt dreister sein, Harry, und dich nicht benehmen, als gingest du zum Galgen, sondern als ein munterer Gesell, der weiß, was er werth ist, und sich von der besten der Töchter Eva's nicht überzeugen läßt. Katharina ist ganz wie ihre Mutter, und du irrst dich gewaltig, wenn du meinst, daß alle Weiber sich nur durch's Auge einnehmen lassen. Man muß auch ihr Ohr unterhalten, Mann. Eine Frau muß wissen, daß der, dem sie den Vorzug gibt, dreist und entschlossen ist, und die Gunst von zwanzig Andern gewinnen könnte, ob er sich gleich nur um die ihrige bewirbt. Glaube das einem Alten; die Weiber lassen sich öfter durch die Meinung Anderer bestimmen, als durch ihre eigne. Wenn Katharina fragt, wer der entschlossenste Mann in Perth sei, was wird sie zur Antwort erhalten? Harry, der Schmied. Wer der beste Waffenschmied, der je eine Wehr auf dem Ambos gehabt? Harry Schmied. Der gewandteste Tänzer? Der lustige Waffenschmied. Wer die besten Lieder singt? Harry Gow. Der beste Kämpfer, der mit Schwert und Schild am tüchtigsten umzugehen, ein Pferd zu bändigen und einen wilden Hochländer zurechtzuweisen versteht? Das bist du ebenfalls – immer wieder du – Keiner sonst als du. Und dir sollte sie den winzigen Hochländerknaben vorziehen? pfui, da könnte sie ebenso gut einen Blechhandschuh mit einem Rehfell überziehen! Ich sage dir, Conachar ist ihr gar nichts werth, höchstens, daß sie ihn aus den Krallen des Satans retten möchte, welcher meint, er sei ihm, wie die andern Hochschotten, verfallen. Der Himmel segne sie, das arme Geschöpf! sie möchte die ganze Menschheit auf bessere Gedanken bringen, wenn sie könnte.«

»Was ihr ganz gewiß fehlschlagen wird« – sagte der Schmied, der, wie der Leser gemerkt haben kann, dem Geschlechte der Hochländer nicht gewogen war. »Ich möchte hier für den Satan wetten, von dem ich was verstehen muß, weil er ein Arbeiter im nämlichen Elemente wie ich ist, gegen Katharina – der Teufel wird den Tartan holen, das ist so gut wie gewiß.«

»Ja, aber Katharina,« erwiderte der Handschuhmacher, »hat einen Beistand, von dem du wenig verstehst – Pater Clemens hat sich des jungen Burschen angenommen, und der fürchtet hundert Teufel so wenig, als ich eine Heerde Gänse.«

»Pater Clemens?« sagte der Schmied; »Ihr macht immer einen neuen Heiligen in dieser guten Stadt St. Johnston. Bitt' Euch, wer mag der Teufelsbändiger sein? Einer Eurer Einsiedler, der sich zum heiligen Werke vorbereitet, wie ein Ringer zum Kampfe, und sich durch Fasten und Buße dazu geschickt macht – nicht so?«

»Nein, das ist das Wunderbare bei der Sache,« sagte Simon; »Vater Clemens ißt, trinkt und lebt ganz wie die anderen Leute – trotzdem beobachtet er streng alle Regeln der Kirche.«

»O, ich begreife! ein lustiger Priester, der lieber fröhlich als heilig lebt, – der am Abend vor Aschermittwoch eine Kanne leert, um sich für die Fasten zu stärken – ein Lebemann, der die artigsten Weiber der Stadt zur Beichte hört?«

»Ihr seid immer noch im Irrthum, Schmied. Ich sag' Euch, meine Tochter und ich können weder einen Fastenden, noch einen vollen Heuchler ausstehen. Aber Pater Clemens ist weder der eine noch der andere.«

»Aber was ist er denn, in des Himmels Namen?«

»Einer, der entweder viel besser ist, als die Hälfte seiner Brüder von St. Johnston zusammengenommen, oder so vielmal schlimmer, als der Schlimmste von ihnen, daß es eine Sünde und Schande wäre, ihn im Lande zu dulden.«

»Mich dünkt, es wäre leicht zu sagen, ob er der eine oder der andre ist,« sagte der Schmied.

»Begnügt Euch, mein Freund,« sagte Simon, »zu wissen, daß, wenn Ihr Pater Clemens nach dem beurtheilt, was Ihr ihn thun sehet und sprechen hört, er Euch als der beste und wohlthätigste Mensch von der Welt erscheinen muß; denn er ist der Trost der Traurigen und der Rath der Dürftigen, der sicherste Führer des Reichen und des Armen bester Freund. Aber hört Ihr auf das, was die Dominikaner von ihm sagen, so ist er – benedicite! (hier bekreuzte sich der Handschuhmacher auf Stirn und Brust) ein schnöder Ketzer, der mittels irdischer Flammen zu denen geschickt werden sollte, welche ewig brennen.«

Der Schmied bekreuzte sich gleichfalls und rief aus: – »Heilige Maria! Vater Simon, und Ihr, der Ihr so viel Einsicht und Verstand habt, daß man Euch den weisen Handschuhmacher von Perth nennt, Ihr duldet, daß Eure Tochter einen Menschen zum Beichtvater hat, der – alle Heiligen schützen uns! – mit dem bösen Feinde selber im Bunde stehen soll? Wie? ist es nicht der Priester, der im Meal-Vennel den Teufel beschwor, als Hodge Jackson's Haus von einem Sturmwind eingerissen wurde? Und erschien nicht der Teufel mitten im Tay mit einem Skapulier und grunzte im Wasser wie ein Meerschwein, an dem Morgen, als unsre schöne Brücke fortgerissen wurde?«

»Ich kann nicht sagen, ob er's that oder nicht,« sagte der Handschuhmacher; »ich weiß nur, daß ich ihn nicht sah. Was Katharina betrifft, so kann man nicht sagen, daß Pater Clemens ihr Beichtvater sei, da dies der alte Pater Francis, der Dominikaner, ist, der ihr heute die Absolution ertheilt hat. Aber die Weiber sind bisweilen eigenwillig, und gewiß ist, daß sie öfter, als ich wünschte, mit Pater Clemens Berathung hält. Und doch ist er mir selber, so oft ich ihn gesprochen habe, so tugendhaft und fromm erschienen, daß ich ihm gern das Heil meiner Seele anvertrauen würde. Es sind schlimme Gerüchte über ihn bei den Dominikanern im Umlauf, das ist wahr; aber was geht das uns Laien an, mein Sohn? Leisten wir unsrer heiligen Mutter Kirche, was ihr gebührt, geben Almosen, beichten, thun die Buße, die uns auferlegt wird, und die Heiligen werden mit uns sein.«

»Ja, sicherlich; und sie werden ein Einsehen haben,« sagte der Schmied, »wegen eines raschen und unglücklichen Schlages, den ein Mann in einem Kampfe austheilt, wenn er sich zu vertheidigen hat; und das ist das einzige Glaubensbekenntniß, mit dem ein Mann in Schottland leben kann, Eure Tochter mag darüber denken, wie sie will. Wahrlich, ein Mann muß zu fechten verstehen, oder sein Leben ist nur auf kurze Frist geliehen in einem Lande, wo Schläge so reichlich fallen. Fünf Rosenobel haben mir für den besten Mann, mit dem ich ein Unglück hatte, Sühne bei unserem Altar verschafft.«

»So laß uns denn vollends unsere Flasche leeren,« sagte der alte Handschuhmacher; »denn ich höre vom Dominikanerthurm Mitternacht schlagen. Und nun hör' an, Sohn Harry: sei ganz früh an unserm Fenster, das gen Morgen sieht, und gib mir von deiner Ankunft ein Zeichen, indem du leise die Schmiedeweise pfeifst. Ich will dafür sorgen, daß Katharina zum Fenster heraussieht, und so erhältst du für den Rest des Jahres alle Vorrechte eines artigen Valentin; wenn du diese nicht zu deinem Vortheil nutzen kannst, so werde ich glauben müssen, daß, wenn du auch in die Löwenhaut gehüllt bist, dir die Natur doch die langen Ohren des Esels gelassen hat.«

»Amen, Vater,« sagte der Waffenschmied; »ich wünsch' Euch herzlich gute Nacht und Gottes Segen auf Euer Dach und diejenigen, die es deckt. Ihr sollt des Schmieds Signal mit dem Hahnenschrei hören; ich werde gewiß den Herrn ›Hellsänger‹ beschämen.«

So sprechend nahm er Abschied; und obwohl völlig furchtlos, ging er durch die verlassenen Straßen doch sehr vorsichtig nach seiner Behausung, welche im Mill Wind, am westlichen Ende von Perth, lag. Viertes Kapitel.


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