Oscar A. H. Schmitz
Brevier für Weltleute
Oscar A. H. Schmitz

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Der Umgang mit Frauen

Als Lord Monmouth gestorben war und sein Testament eröffnet wurde, fand man eine Menge von Vermächtnissen für die einstigen Genossen seiner Freuden und für zahlreiche, bereits alternde Frauen in den verschiedensten Ländern Europas. Dazu kam eine überraschende Zahl von Jahresgehältern für treue Dienstboten, gescheiterte Schauspieler und dunkle Fremde. Sein Enkel Conningsby, ein vielversprechender junger Mann, den ganz London für den künftigen Gesamterben gehalten hatte, war eines kleinen Streites wegen, den er mit seinem hochtorystischen Großvater kurz vor dessen Tode in einer politischen Frage gehabt hatte, geflissentlich übergangen worden. Das einzige, was ihm zufiel, war ein Manuskript, was jedoch der Erzähler dieser Tatsachen, der Earl of Beaconsfield, verschweigt. Zufällig ist es mir in der Privatbibliothek eines englischen Landbesitzes in die Hand gefallen. Es enthält den Niederschlag von Mylords reichen Lebenserfahrungen. Der Abschnitt, welcher den Umgang mit Frauen behandelt, sei hier ohne Anmerkungen wiedergegeben. Heute geschrieben, würde er vielleicht das moralische Empfinden verletzen; als kulturgeschichtliches Dokument betrachtet, gibt er einen Einblick in die Erfahrungen eines englischen Großen Herrn aus der Zeit Georgs IV.

»Die Frau ist die Hüterin der Sitte. Willst du sie gewinnen, dann sei so sittsam, daß sie vor Ungeduld außer sich gerät und sich verzweifelt fragt: Bis in welche Lagen wird diese Sittsamkeit noch dauern? Erst wenn ihre Neugier die von dir ersehnte Lage herbeigeführt hat, ist es Zeit, die Sittsamkeit aufzugeben, nicht einen Augenblick früher.

Bist du reich, so entfalte um die Frau den ganzen Zauber deines Reichtums, so daß sie Reichsein als die einzige Lebensmöglichkeit empfindet. Bist du arm, so webe aus deiner Armut einen Mantel, stolzer und erhabener als ein Königsmantel, und lasse sie fühlen, wie nichtig im Grunde der Reichtum, gewogen mit einer Leidenschaft, ist. Bist du berühmt, so blende sie mit deinem Glanze, lebst du unbemerkt, so zeige ihr die heldenhafte Erhabenheit über den Ruhm. Du überzeugst sie, wenn sie fühlt, daß du das, was du bist, aus Überzeugung sein willst.

Das Weib liebt nicht den, der ihr zu Füßen stürzt, ihr rückhaltslos sein Herz gibt und sagt: Tu mit mir, was du willst! Sie entzündet sich nur für den, dessen sie nicht sicher ist. Ich warne dich daher noch einmal vor dem zu frühzeitigen Kniefall. Deine Jugend fragt mich: Woher nehme ich zu solcher Beherrschung die Kraft? Die Erfahrung antwortet: Indem du eine gegen die andere ausspielst. Halte dir eine kleine Liebe, die dich gegen die Gefahren der Einsamkeit feit, deine Ungeduld zähmt, dein Selbstbewußtsein durch Bewunderung mit Kühnheit magnetisiert, während du im Begriff bist, eine große Liebe zu erkämpfen. Ist der Kampf entschieden, dann magst du lange treu sein, sogar fürs Leben. Aber vorher, solange sich die Frau noch mit allen ihren Listen wehrt, sei dein Grundsatz: à corsaire corsaire et demi! Der Glanz, den dir die Liebe der einen gibt, bezaubert die andere. Männer, die anders reden, sind nie geliebt, sondern nur geschätzt worden. Solange du das Interesse einer Frau erwecken willst, sei kühl, beachte sie kaum. Bist du irgendwo fremd, oder sind viele Nebenbuhler da, dann mache ihr einmal so eindringlich (aber nicht aufdringlich) den Hof, daß sie unbedingt bei eurem nächsten Zusammentreffen eine Fortsetzung erwartet. Das nächstemal sei, als ob nichts vorgefallen. Manchen unerfahrenen Frauen muß ein Mann freilich, wenn er selbst sehr glänzend und gefeiert ist, etwas Mut machen. Erst wenn die Situation der Situationen gekommen ist, darfst du ihr deine ganze Liebe zu Füßen legen, und dann nicht ein Gran weniger.

Eine Frau, die sich für weniger als eine große Liebe gibt, ist eine Hetäre. Sie ist darum nicht verächtlich, falls sie Geist besitzt. Ihre Liebe ist verantwortungslos, wie die des Mannes. Ihr Herz zu berühren, ist viel schwerer, als das der keuschen Frau, da die Erfahrung ihr Vergleichmöglichkeiten gibt. Für den jungen Mann, der selten mehr als ihren Körper besitzt, ist sie meist nur ein Ersatz, denn er möchte eine große Liebe gegen eine andere austauschen. Die Hetäre aber wird nicht durch die große Liebe, sondern durch die besondere Persönlichkeit gewonnen. Dem Erfahrenen gewährt sie die höchsten Siege, dem Unerfahrenen die gefährlichsten Niederlagen.

Das Schwerste, aber das durch die Erfahrung Erlernbare ist, zu wissen, wann diplomatisch sein und wann – »so, wie es einem ums Herz ist«.

Willst du wissen, ob dich eine verschlossene Frau liebt, so erdichte eine Liebe zu einer anderen, und mache sie zur Vertrauten. Sie wird darauf irgendwie antworten und sich dem Seelenkenner durch irgendeine Kleinigkeit verraten. Du hast es in der Hand, die erdichtete Liebesgeschichte von Tag zu Tag so weiter zu spinnen, wie du willst, und endlich vor der Vertrauten den Faden abzureißen und sie selbst zur Nachfolgerin zu machen.

Wie wird man eine Frau los? Indem man genau das Gegenteil von dem tut, was ich bisher empfohlen habe. Dann läuft sie von selbst davon. Man versichert ihr täglich, daß man ohne sie nicht mehr leben kann, man wird weichlich, süßlich und schmachtend. Sie wirft sich dem ersten besten an den Hals, der ihr »ein Mann« erscheint, und man hat die Sympathie der Welt und der zärtlichen Herzen auf seiner Seite. Alle bequemeren Mittel sind brutaler und gefährlicher.

Die Brünetten sind uns Männern ähnlicher als die Blonden. Ihre Liebe kennt Höhepunkte, infolgedessen auch Erschlaffungen. Sie können genug bekommen, sie wissen von der Liebe. Die Liebe der Blonden ist eine dauernde Erregung, ohne Zäsuren. Sie sind unersättlicher, ihre Liebe hat keinen Anfang und kein Ende. Sie machen keine Erfahrungen, so viel sie auch durchgemacht haben mögen. Sie wissen nie, sie fühlen nur. Sie sind weiblicher, beglückender, aber viel ermüdender. Die Brünetten sind interessanter, aber sie werden vielleicht nie so unwiderstehlich geliebt.

Warum essen die wenigsten Frauen gerade so viel, wie ihnen gut steht? Entweder sie sind »ästhetisch« und essen nichts, oder sie essen gleich so viel wie ein Mann. Ich habe in Sizilien ein schlankes schwarzes Mädchen mit einer edlen, ein wenig zu langen Nase gekannt, das aß zu jeder Mahlzeit ein Klümpchen rotes Fleisch wie eine Eule; dazu nahm sie etwas grünen Salat, dann ein Glas Wein, in den sie zum Nachtisch einige Biskuits tauchte. Sie war vollkommen. Eine Frau kann, ohne ihrem Reiz zu schaden, ziemliche Mengen von Austern, Champagner, Süßigkeiten usw. zu sich nehmen. Hüte dich aber vor denen, die für die anerkannten Leckerbissen laut »schwärmen«. Sie sind Gänse und enttäuschen, sobald die Schäferstunde schlägt, genau wie die, welche mißtrauisch jedes neue Gericht betrachten. Beachte dagegen die Romantikerinnen der Küche, die Liebhaberinnen exotischer Gerichte, die durch ihre Einfachheit verblüffen, wie Pilaf, türkischer Kaffee u. dgl. und die auf einer südlichen Terrasse nicht ausrufen: »Pfui, hier wird ja mit Öl gekocht«. Schon die Vorliebe für Tomaten spricht etwas für verfeinerte Sinne.«

Hier gibt die etwas geschwätzige Erfahrung des greisen Lords viele weitschweifige Ratschläge über Küche und Keller, man erfährt, wie gründlich er über die Führung eines großen Hauses nachgedacht hat. Zuletzt verliert sich das Manuskript in theologischen Erörterungen gegen die Sekten, was für deutsche Leser von geringem Belang ist.


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