Oscar A. H. Schmitz
Brevier für Weltleute
Oscar A. H. Schmitz

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Ritterlichkeit

Ritterlichkeit ist der edelste Ausdruck der Kraft, die sich so bewußt und selbstverständlich geworden ist, daß sie auf ihre Betonung verzichten, ja bisweilen die Maske des Dienens annehmen kann. Im Mittelalter hat die Ritterlichkeit wohl erst ihre ausgesprochene Beziehung auf das Verhalten der Geschlechter gewonnen. Ihre Grundlage ist in erster Linie körperliche Stärke, und da in ihr (so weit sonst auch die Wertung der Geschlechter schwankt) der Mann eine unbestrittene Überlegenheit besitzt, haben auch durch Verstandes- und Seeleneigenschaften hervorragende Frauen, vielleicht gerade zum Schutz ihrer veredelten Art, sich die männliche Ritterlichkeit gefallen lassen, ja sie gefordert. Es ist bekannt, daß diese Eigenschaft heute im Schwinden ist, und es kann nicht geleugnet werden, daß die Schuld daran wenigstens teilweise die Frauen trifft. Der Gegenstand der Ritterlichkeit ist die Dame, jener eigenartige Typus der europäischen Sitte, eine Mischung von Schutzbedürftigkeit und Herrlichkeit. In allem, was körperliche Kraft, Rücksichtslosigkeit, Fähigkeit zum Kampfe betrifft, beugt sie sich vor dem Mann und verlangt seinen Schutz. Durch diesen unausgesprochenen Frieden steht sie außer Wettbewerb mit ihm. Sie hat ihm seine natürliche Waffe im Verkehr mit ihr entwunden und kann nun unbehelligt jene feinere Herrschaft ausüben, die auf seelischen und ästhetischen Eigenschaften beruht. Man kann daher nicht entscheiden, ob die Ritterlichkeit in allen Fällen Großmut ist oder der Erfolg jenes Zaubers, den die Frauen aus ihren Reizen zu mischen verstehen und der in der Weltgeschichte eine ebenso bedeutsame Rolle gespielt hat, wie das Rüstzeug der Männer. Solange das Schwert über dem Lager hängt, dürfen wir uns in Frauenarmen vergessen. Aus diesem Widerspiel sind die hohen Kulturen der Vergangenheit entstanden. Oft ist das Verhältnis so verworren geworden, das Schwert des Mannes derart eingerostet, daß die Frau als das wirklich stärkere Geschlecht erscheinen konnte. Auch heute noch stehen wir Männer unter der Annahme, daß wir diejenigen Mittel, die unsere Überlegenheit in einer Sekunde beweisen würden, kaum anwenden dürfen. Meist wollen wir lieber nicht siegen, als körperliche Unterlegenheit ausnutzen.

Wenn dennoch die Ritterlichkeit im Schwinden ist, so liegt es daran, daß der Typus der Dame seltener wird. Der Ausdruck der Ritterlichkeit ist die Galanterie. Diejenigen Frauen, welche mit dem Mann in scharfen Wettbewerb treten und die vollkommene Gleichberechtigung der Geschlechter fordern, sind teilweise folgerichtig genug, sich jede Ritterlichkeit zu verbitten. Leider fordert ihre Erscheinung nur selten dazu auf, sonst würden wir noch häufiger jene unbezahlbaren Szenen erleben, bei denen freundliche Herren angeschrien werden, weil sie einer Virago einen Sitzplatz in der Trambahn anzubieten oder ihr in den Pelz zu helfen wagen. Aber dies sind Ausnahmen, sie kommen in einer Betrachtung der allgemeinen Zustände kaum in Frage. Viel bedenklicher ist die Klage des Durchschnitts der gebildeten Frau über das Schwinden der Ritterlichkeit. Es gibt unter ihnen kaum eine, an deren Ohr nicht das Programm der Frauenemanzipation gedrungen ist, und die nicht, wenn auch noch so gemäßigt, manches Gute darin findet. Diese Frauen müssen sich nun darüber klar werden, daß sie damit den Typus der Dame in sich, wenn auch vorläufig nur leise, entstellen, und daß es nur die vollkommene Dame ist, die vollkommene Ritterlichkeit erwarten darf. Wird der stillschweigende Vertrag, daß Männer und Frauen keine Wettbewerber sein sollen, im mindesten angezweifelt, so muß naturgemäß an Stelle der Galanterie das Kriegsgesetz des Daseinskampfes treten. Auch dieses ist ja unter gesitteten Menschen durch manche Konventionen gemildert und vermenschlicht. Man vermeidet unnötige Rücksichtslosigkeit, aber Galanterie gegen den Gegner wäre hier Schwäche, Lächerlichkeit und Dummheit.

Beobachten wir, wie sich auf den drei großen Gebieten der Menschlichkeit, im Logischen, Ethischen und Ästhetischen, heute der Typus der Dame verwischt:

Ebenso wie wir der Frau ohne weiteres in einem schwachen Körper ein starkes Herz zutrauen, so verehren wir in ihr eine Klugheit des triebhaften Erkennens, unabhängig von dem Rüstzeug männlicher Logik und Wissenschaften, ja sie ist davon gleichsam befreit. Eine Frau ist (auch geistig) schon etwas durch ihr bloßes Dasein, junge Mädchen können eine anerkannte gesellschaftliche Stellung haben und sitzen, wenn sie keine Gänse sind, zwischen angesehenen Männern. Ein junger Mann aber ist nur das, was er leistet, und es ist meist noch nicht viel.

Sagt er wiederholt Dummheiten, so wird ihm von Zeit zu Zeit über den Mund gefahren; manchmal vielleicht mit Unrecht, denn auch er mag bisweilen eine natürliche Klugheit besitzen, die unabhängig von Lernen und Wissen ist, aber gleichviel, »decet pueros modestos esse«. Ganz anders ist die Rolle einer gleichalterigen jungen Frau. Der Erfahrene setzt sich gern dem Urteil ihrer natürlichen Unbefangenheit aus, belehrt sie hie und da, wo ihr Interesse nähere Sachkenntnis verlangt, und beide entwickeln in gegenseitiger Berührung jene vergeistigte Plauderei, in der das Tiefste einer Zeit die menschlichste Form annimmt, in der sich unter Umständen das Grobkörperliche der Erfahrung durch die Berührung einer lichten Seele entstofflicht. Verneint nun eine Frau absichtlich dieses Verhältnis, will sie ihrer Leistungen, ihres Wissens wegen »eingeschätzt« werden, so fällt jede Möglichkeit dieser Geistigkeit fort. Falls ihr Partner geistlos ist, so wird er bei ihr den Mangel echter weiblicher Geistigkeit nicht vermissen und ihr fabelhaftes Gedächtnis und ihren Fleiß vielleicht bewundern. Besitzt er aber Geist, so wird ihm eine solche Unterhaltung eine Marter sein, denn was ihn schon bei dem männlichen Wissenschaftsbetrieb abstößt, das ideenlose Aufschichten von Tatsachen, das findet er nun als das Ideal einer solchen gelehrten Frau. Versucht sie sich selbst in Ideen, so sind es fast ausnahmslos tendenzhafte, entstellte Ideen, auf die sie ihre an sich folgerichtigen Schlüsse baut. Er wird sich manchmal wundern über die störrische Logik, mit der sie ihre Folgerungen aus falschen Voraussetzungen zieht. Es ist nämlich falsch, zu sagen, die Frauen besäßen keine Logik. Im Gegenteil: wenn sie erst einmal den Schacht ihrer Natur verschüttet haben, ist ihre Logik unerbittlich, und es gibt kein natürliches Empfinden mehr in ihnen, das sie zur Erkenntnis ihrer falschen Voraussetzungen und zum Umreißen ihres starren Gedankenbaues führen könnte. Ist es nun ein Wunder, wenn diesem neuen Typus gegenüber die männliche Ritterlichkeit versagt? Unsere »passive Resistenz«, mit der wir die Marter ihrer ahnungslosen Oberflächlichkeit zu ertragen versuchen, kann fast noch als Ritterlichkeit gelten. Wie anders wirkt auf den Mann der Widerspruch, den er in einer seiner Art fremden doch bedeutenden Frauennatur findet, die sich nicht in »Forderungen« äußert. Das Gespräch erlahmt nie und obgleich man vielleicht niemals einig ist, fühlt man ihren Wert. Der Mann wirbt um sie, und indem er sich leise erschließt, findet er zu ihrer eigenen Verwunderung den Schlüssel zu ihr.

Fast noch bedenklicher ist die Art, wie in unserer Zeit auf moralischem Gebiete der Typus der Dame entartet. Hier ist das Gesetz, unter dem sie steht, von scheinbar äußerster Härte, in seiner Ausübung aber macht es sie wiederum zur Herrin. Die Frau muß warten, bis der Mann um sie wirbt, ist das nicht schrecklich? Nein, es ist entzückend, auch für sie, denn in Wirklichkeit werben um fast jede, die wirklich eine Dame ist (und auch um die meisten, die es nur halb oder ein viertel sind), so viele, daß sie sich auf ihren Thron zurückziehen und die Welt zu ihren Füßen sehen kann. Liegt in ihrem Wartenmüssen also nicht ein feiner Schutz ihrer zartesten Gefühle, die sie selbst nicht zu enthüllen braucht? Man wird sagen, ich schildere die Welt zu rosig, nicht jeder sei ein solcher Thron errichtet. Aber glaubt man denn das Unglück der Entthronten dadurch besser zu machen, daß man ihnen das Recht der Werbung gibt? Die Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen, besitzt jede Frau und damit die Fähigkeit, die Blicke auf Eigenschaften zu lenken, die zwischen blendenderen Erscheinungen im Augenblick übersehen werden könnten. Wieviel reizende Schleichwege zeigt die Koketterie, die ganze Kunst des Anzuges hat ja nur diesen einen Zweck. Zweifellos sind wir Männer die Verführten, die Frau fängt immer an, und wäre es bloß durch dies allgemeine Glückversprechen ihrer Gebärden und Kleidung. Aber ein offenes Werberecht der Frau, wie wir es ihr gegenüber haben, scheitert an unseren Trieben, die zwar ein leises Winken, niemals aber ein ernstliches Entgegenkommen ertragen. Man mag von der Ungerechtigkeit dieser Tatsache vielleicht im Verstand überzeugt sein, trotzdem wird jeder Mann instinktiv eine Liebeserklärung oder einen Heiratsantrag, den ihm eine Frau machen könnte, ehe er sich selbst ausgesprochen hat, als etwas äußerst Peinliches fürchten, und zwar aus einer Ritterlichkeit heraus, welche die Frau nicht in ihren feinsten Empfindungen zurückstoßen will. Deshalb müssen diese Empfindungen verhüllt bleiben, ehe um sie vom Manne geworben worden ist. Man stelle sich also vor, wie auf unsere Sinne das Geschrei nach dem Kinde, nach freier Mutterschaft, nach freier Liebe wirkt, oder die geschmacklose Aufrollung von Angelegenheiten des Schlafzimmers durch schreibende und redende Frauen. Diese Frauen, die meist nur das sich in Bohême auflösende Bürgertum sehen, kennen die Halbwelt nicht, sonst würden sie erstaunen über das Schamgefühl, mit dem hier die Frauen ihre wahren Empfindungen für die Vertraulichkeit aufbewahren. Auch solchen Liebesreformerinnen gegenüber ist es kein Wunder, wenn die männliche Ritterlichkeit versagt, beruht sie doch auf dem heimlichen Zugeständnis unserer angriffslustigen Begierden, die wir aber mit fast wollüstigem Reiz durch die überzeugende Gegenwart einer Dame so gerne in Schranken gehalten sehen. Nichts bereuen wir mehr, als wenn Frauen uns ermutigt haben, am falschen Orte diese Schranken einzureißen. Unsere Natur ist nur zu leicht dazu bereit, aber die Haltung der Dame soll uns ritterlich machen. Man hat das früher etwas poetischer den veredelnden Einfluß des Weibes genannt. Ich würde nichts gegen diese Bezeichnung sagen, wenn sie nicht wieder nach einer anderen Seite hin zu Mißverständnissen, und zwar puritanischen, geführt hätte. Man vergißt zu leicht, daß jeder Ort und jede Tageszeit anderen Gesetzen unterliegen.

Auch die ästhetischen Mißverständnisse der Frau vermindern die Ritterlichkeit des Mannes. Ich glaube, ich brauche nicht mehr viele Worte zu verlieren über jene unglückliche, schon halb gescheiterte Bewegung, welche die Verführungskünste der Mode darum verwirft, weil sie auf die Sinne des Mannes wirken. Hier ist die Reaktion zuerst eingetreten, weil die betrübenden Folgen für die armen Mädchen augenblicklich fühlbar sind. Die Frau, die nicht gefallen will, die offen die Mittel des Gefallens verschmäht, stirbt aus. In einem Vorort Münchens werden wohl noch einige Überlebende gesehen, aber ich erfahre, daß sie von der Stadtverwaltung absichtlich erhalten werden (so wie die Indianer im Yellowstonepark), um die seltsame Art der Nachwelt zu überliefern. Viel schlimmer sind die ungewollten und unbeabsichtigten Geschmacklosigkeiten der auffallenden Kleidung, der burschikosen Sprache, des emanzipierten Betragens.

Alle Männer, heißt es, stünden in der Straßenbahn auf, wenn eine hübsche Frau hereinkomme, bei einer häßlichen aber blieben sie sitzen. Nun kann man diese unfreundliche Erscheinung wirklich nicht ganz leugnen, aber man bedenke doch, was die Ritterlichkeit im Grunde ist: ein Dank des Stärkeren für die feineren und zarteren Werte, welche die Frau vielleicht gerade aus ihrer Schwachheit entwickelt. Je unbedingter nun eine Frau diese Werte verkörpert, desto triebsicherer wird der Mann in ihrer Gegenwart jenen eigentümlichen federnden Druck in den Kniegelenken empfinden, der ihn aufspringen und ihr Platz machen heißt. Und hier muß ich zur Entschuldigung der Männer sagen, daß sie diesen Stoß nicht so ausschließlich der Hübschheit, sondern der Dame, der jungen wie der alten, gegenüber empfinden. Wessen Erscheinung diesen Typus schlecht erfüllt, wird in eben dem Maße geringerer Ritterlichkeit begegnen. Man darf hier natürlich nicht mit Ritterlichkeit verwechseln, wenn jemand einer armen alten oder sichtlich ermüdeten Frau Platz macht. Das ist Menschenfreundlichkeit, die sich an alle richtet; die Ritterlichkeit aber gebührt ausschließlich der Dame, weder der Magd, noch der Emanzipierten. Diese wünscht, wie gesagt, die Ritterlichkeit abzuschaffen und an ihre Stelle dieselbe Höflichkeit zu setzen, mit der der Mann dem Manne begegnet.

Wir haben in der Kinderstube gelernt, daß man gegen Männer höflich, gegen Frauen mehr als höflich, nämlich ritterlich sein müsse. Was ist der Unterschied? Die Höflichkeit verlangt nur, daß wir unsre Ecken ein wenig abrunden, damit es bei Zusammenstößen mit den Ecken andrer zu keiner Verwundung kommt. Irgendwelche Opfer fordert die Höflichkeit nicht. Sie ist eine reine Frage der Form und verlangt nicht, daß jemand sich irgendeine wesentliche Last um andrer willen aufbürdet. Es genügt, daß man seinem Nachbar nicht auf die Füße tritt, wenn man sich neben ihn setzt. Ihm seinen Sitz zu überlassen, weil er vielleicht seinen Mantel darüberhängen will, wäre zu viel. Die Ritterlichkeit beansprucht bedeutend mehr. Der Ritter war bereit, alles, sein Leben und seine Habe den Frauen hinzugeben, wenn es verlangt wurde. Die Ritterlichkeit setzt also auch noch in ihrem blassesten Abglanz voraus, daß man zu Opfern, nicht nur zur Milderung der Formen bereit ist, in denen man seine Rechte ausdrückt. Die Ritterlichkeit verzichtet auf alle Rechte. In ihrer letzten Folge würde sie verlangen, daß ihr Vertreter lieber ohnmächtig zusammenfällt, als eine Dame bittet, ihre Bonbonniere von dem Stuhl wegzunehmen, auf dem er sitzen möchte.

Es besteht keine Gefahr, daß die heutige Männerwelt einer so hochgetriebenen Auffassung der Ritterlichkeit zum Opfer fällt, und darum darf sich die Phantasie ungestraft jene letzten Folgen einer nur noch in schönen Resten bestehenden Pflicht ausmalen. Manche schwarzsehende Damen gehen sogar so weit, zu behaupten, die Ritterlichkeit sei ganz ausgestorben, und man möchte ihnen manchmal recht geben. Wieviel Ritterlichkeit aber doch noch vorhanden ist, wird einem erst klar, wenn man die Frage erwägt, die radikale Frauenrechtlerinnen aufwerfen, ob man die Ritterlichkeit nicht ganz abschaffen und den Frauen nur höflich wie Männern entgegentreten soll. Diese Kämpferinnen glauben dahinter gekommen zu sein, daß die Ritterlichkeit die Frauen gar nicht zu Herrinnen, sondern zu Sklavinnen macht. Für ihre tatsächliche Rechtlosigkeit sollen die Frauen durch das Zuckerbrot der Galanterie entschädigt werden. Dieses, heißt es, widerstrebe ihrer Würde. Also »Los von der Ritterlichkeit!« Das hat nun eine sehr bedenkliche Seite. Nehmen wir einmal an, wir wollten gegen die Frauen genau dieselbe Höflichkeit einführen wie gegen die Männer, so würden wir notgedrungen auch denselben Maßstab an alles das legen müssen, was sie sagen. Nun scheinen aber gerade die Frauen, welche die Ritterlichkeit so leichten Herzens abschaffen wollen, nicht zu ahnen, in welch ungeheuerem Maße sie diese Eigenschaft vorläufig selbst noch in Anspruch nehmen. Wüßten sie nur, wie man Männern antworten würde, die mit ähnlicher Erfahrung und Logik wie sie öffentlich oder privat eine neue Moral, einen neuen Menschentypus, eine Reform der Ehe und der Liebe verlangten! Ohne beleidigend zu werden, können wir unwissende vorlaute Männer in ihre Grenzen zurechtweisen. Dies einer Frau gegenüber zu tun, wäre bereits äußerste Grobheit. Einen Mann, der zu pedantisch oder übertrieben wird, behandelt man mit mehr oder weniger Ironie, man macht ihn ein wenig lächerlich. Wie, wenn man Frauen gegenüber soweit gehen wollte? Die einen, die noch Unverdorbeneren, würden instinktiv ihr Recht auf männlichen Schutz aufs gröbste verletzt fühlen und Dinge übelnehmen, die zwischen Männern noch durchaus erlaubt sind. Andre fahren mit der Gesetzmäßigkeit eines Pendels ebensoweit nach der entgegengesetzten Richtung übers Ziel hinaus. Sie werden grob, wie nur eine Frauenrechtlerin grob werden kann. Solange sie uns nur die ja allgemein bekannte Männerdummheit vorwerfen, geht es noch. Aber aller denkbaren Gemeinheiten werden wir beschuldigt, wir werden für herzlose, verantwortungslose Egoisten erklärt, die harmlose unschuldige Mädchen vernichten, die Frauen zur Ehe bereden, um sie dann als Mägde zu halten, während wir mit schnödester Kaltblütigkeit außer dem Hause unsern Vergnügungen nachgehen. Erinnerungen an die entsetzlichsten Haremsgreuel des Ostens werden bisweilen hervorgezogen, und der letzte Trumpf ist die indische Witwenverbrennung, die doch auch nur von Männern ersonnen werden konnte. Gerade diese Frauen vergessen, wie sehr sie noch die Ritterlichkeit in Anspruch nehmen, denn oft schützt sie nur ihr Geschlecht vor der männlichen Pflicht, für das Rasen der Zunge Genugtuung zu leisten, möglicherweise mit der Waffe.

Die Frau hat von Haus aus mehr angeborene Klugheit als der Mann, aus diesem Grunde sieht man ihr gern manche artige Ungereimtheit des Augenblicks nach. Manche etwas kindliche oder übertriebene Meinungen lassen sich ganz gut bei einer Frau denken, die in wesentlichen Dingen doch richtig sieht. Weil sie so beschaffen ist, verlangt die Ritterlichkeit, daß man die Worte einer Frau nicht so sehr auf die Wagschale legt wie die eines Mannes. Finden wir aber statt solcher harmloser Ungereimtheiten in den Worten einer Frau jene pedantische Beschränktheit, die uns oft genug schon beim eignen Geschlecht peinlich ist, womöglich verdichtet und verstärkt, dann ist es ein wahres Glück, daß es noch ritterliche Instinkte gibt, und in solchen Augenblicken können wir sie an der bloßen Tatsache merken, daß uns doch etwas hindert, einfach zu sagen: Dumme Gans! Die bewußt gewordene Frau sündigt nach zwei Richtungen: entweder sie überschätzt den männlichen Verstand und sucht ihn auf Kosten ihres weiblichen nachzuahmen, oder aber sie sucht die angeborene weibliche Klugheit in ein System zu bringen und vergißt, daß sie damit ihr Wesen zerstört. Ist sie wissenschaftlich, so verlernt sie bald, den Dingen echt weiblich auf den Leib zu rücken und sie irgendwo herzhaft anzupacken, sie würdigt »objektiv« und wirft uns, wenn wir nicht Wissenschaftler sind, unsre Verkennung wissenschaftlicher Zusammenhänge vor. Was soll man mit einer solchen Frau anfangen? Ich denke nach, in meiner Kinderstube ist der Fall nicht vorgesehen. Oder umgekehrt: Eine moderne Frau hat gelernt (immer hat sie es wo gelernt), gerade der weibliche Verstand sei der rechte, er sei berufen, die Einseitigkeit des männlichen Verstandes zu ergänzen, sie sei da, um Wärme und Gefühl ins Leben zu tragen, wo bisher des Mannes frostige Logik ausschließlich gewaltet hat. Wie wahr, solange sie es nicht sagt! Wie vollkommen falsch, wenn es als Anspruch geäußert wird. Gewiß, die Welt wäre tot, wenn sie von der Logik des Mannes aufgebaut und das Gefühl der Frau ausgeschaltet würde, aber im Augenblick, wo das Gefühl sich formuliert und sagt: Hier will ich mitreden, dies muß gefühlsmäßig gemacht werden und so weiter, da ist es ja nicht mehr Gefühl, sondern etwas Formuliertes, Logik, aber eine schlechte Logik, eine Gefühlslogik, wenn man diese Contradictio in adjecto überhaupt aussprechen darf. Aus dieser Wirrnis, in der weibliches Gefühl und männliche Logik abgedankt haben, um mit falschen Schlüssen und mit unklaren Empfindungen zu arbeiten, entsteht die Forderung all jener utopischen Ideale, die ausgehen von irgendeiner Hoffnung, wie die Menschen einmal sein werden. Fragt man solche Idealistinnen ein wenig eingehender, so wird man mit Entgegnungen geohrfeigt, man wolle alles in kalte Verstandeskategorien pressen, Gründe und Erklärungen könne man natürlich nicht geben, solches verstaubte Rüstzeug überlasse man den am Boden kriechenden Verstandesmenschen, nur das lebendige Gefühl könne gelten, daß es einmal anders werden müsse, ja, es sei schon anders. Das wäre ja traurig, wenn es nicht schon anders wäre!

Wenn man solche Dinge hört – und man hört sie heute fast überall, wo Männer und Frauen zusammen sind –, kann man sehen, wieviel Ritterlichkeit noch in den meisten Männern steckt, die das alles über sich ergehen lassen, und sich meistens bemühen, geduldig zuzuhören oder nachsichtig aufzuklären. Dies ist der Zustand, in dem heute der Kampf sich befindet, und es kommt mir fast vor, als hätte ich durch diese Ausführungen selbst dazu beigetragen, die Unhaltbarkeit der Ritterlichkeit in manchen Fällen zu begründen, obwohl ich gerade für ihre Aufrechterhaltung eintreten wollte.

Nicht wissen, wo Korsika liegt, ist zweifellos ungebildet, man muß es in der Schule gelernt haben. Nicht genau wissen, wo Rhodesia liegt, ist verzeihlich, denn als wir in der Schule waren, gab es das noch nicht. »Wir haben es nicht gehabt.« Ebenso: unritterlich gegen Frauen sein, verrät eine schlechte Erziehung, aber der emanzipierten Frau gegenüber, die keine Frau mehr ist und es auch nicht sein will, manchmal nicht ritterlich, sondern nur höflich, das heißt für weibliches Gefühl grob zu sein, das kann manchem sonst wohlerzogenen Mann vorkommen. Es soll nun nicht etwa dazu aufgefordert werden, ihr auf ihre Füße (in Normalschuhen) zu treten oder ihrer Reformfigur zu nahe zu kommen oder sie an den Schnecken ihrer Frisur zu zerren oder sie wegen der Unverantwortlichkeit ihres Mundes zu beleidigen. Ich möchte nur für mildernde Umstände für den eintreten, der ihr gegenüber manchmal vergißt, daß er eine Frau vor sich hat. Sie war in unsrer Erziehung nicht vorgesehen. »Wir haben sie nicht gehabt.«


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