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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Freudlos war das schönste Fest des Jahres für Bergheim vorübergegangen. Lange vorher schon hatten sich beide Parteien gerüstet, an der Kirmse endlich einmal gegen die Feinde durchzugreifen. Keine Partei wollte der andern die Ehre des Plantanzes unter der Dorflinde vergönnen; schon vom frühesten Morgen an umdrängten Männer und Jünglinge beider Lager den Platz, der heute – zum erstenmal seit undenklichen Zeiten – ungeschmückt blieb. Eine dumpfe Stille lag auf dem Dorf, scheu und ängstlich schlüpften Weiber und Mädchen über die Gassen, finster schweigend gingen die Männer aneinander vorüber.

Heiter lachte die goldene Herbstsonne vom wolkenlosen, lichtblauen Himmel auf Dorf und Flur und schimmerte auf den bunten Seidentüchern, Schürzen und Bändern der Mädchen und Frauen, die sich in den Straßen drängten. Aber kein Auge achtete der Herrlichkeit; ängstlich irrten die Blicke nach den Männern, die in zwei dichtgedrängten, scharf getrennten Haufen den Plan umstanden und sich mit finsteren Blicken maßen. Jetzt klang Musik das Dorf herab und herauf, zwei Züge festlich geschmückter Planjünglinge und Planjungfrauen näherten sich der Dorflinde. Jeder verlangte den Plan für sich allein und bestritt dem andern das Recht zum Ehrentanz unter der Dorflinde. Die Worte wurden schärfer und schneidender. Plötzlich lösten sich die Züge, Weiber und Jungfrauen, die fremden Musikanten – die Bergheimer spielten in Sülzdorf – flohen, der friedliche Tanzplatz wurde zum Schlachtfeld, und ein wildes Chaos menschlicher Gestalten wälzte sich unter der Dorflinde hin und her.

Das war der Beginn und Schluß des Festes. Die Regierung, Wiederholungen des Skandals fürchtend, verbot Spiel und Tanz und sorgte durch einquartierte Gendarmen dafür, daß dem Verbote Folge geleistet wurde. Der Gewalttat war damit ein Riegel vorgeschoben, den Hader konnte die Regierung nicht beseitigen; gewaltsam zurückgedrängt fraß die Flamme des Hasses nur um so verderblicher im stillen um sich.

Eine Partei war mit dem Stand der Dinge zufrieden. Die Frommen hatten von einer gründlichen Niederlage der Wilden einen gänzlichen Umschwung der Dinge erwartet. Nun aber war der erwartete Sieg nicht nur ausgeblieben, es zeigten sich im eigenen Lager bedenkliche Vorboten der Uneinigkeit, und als gar die Frommen ohne Ansehen der Person gleich den Wilden zur Strafe gezogen wurden, da erwachte in vielen Herzen erst recht der Unmut, und mancher der sonst eifrigsten Vorkämpfer für Religion und Glauben trug sich mit Abfallsgedanken. Was nützte es den Gläubigen, daß sie alle Sonntage zur Kirche liefen, sich vom Pfarrer die Hölle heiß machen ließen, wenn sie die Gottesleugner nicht einmal prügeln durften? – Anders waren die Schlüsse, welche die Wilden aus den Kirmesereignissen zogen, und doch trafen sie so ziemlich mit den Ergebnissen der Frommen überein. – Wo blieb denn die Gleichheit und Freiheit, welche ihnen der Jockenhannes tagtäglich vorgerühmt? Wann kamen endlich die goldenen Zeiten, die sie erhofft? Was hatte man bis heute gewonnen? Lustig gelebt? Das wohl, aber das mußte teuer genug bezahlt werden, des Jockenhannes, auch des Wirtes Bücher zeugten davon. Freiheit? – Ja, wo blieb die Freiheit, wenn man auch im neuen »Glauben« seine Schulden bezahlen, verzinsen und steuern mußte, um nichts besser daran war als die übrigen Brummochsen auch? – Der Jockenhannes, der Wirt machten um diese Zeit den Versuch, bei ihren Schuldnern die Schraube ein wenig straffer zu ziehen – wie bereuten sie ihr Vorgehen, wie lenkten sie schleunig wieder ein! Der Jockenhannes erkannte mit Grauen, wie seine Gewalt über seine Anhänger auf tönernen Füßen stand, wessen er sich zu versehen hatte, ertappte man ihn auf krummen Wegen. Seine Anhänger dagegen spürten, daß ihr Leithammel bei aller Brüderlichkeit in aller Stille seinen Vorteil meisterlich wahrnahm. Man erinnerte sich wieder seiner Vergangenheit und fand, daß sein gegenwärtiges Treiben nur allzu gut dazu stimme. Eine dumpfe Ahnung schlich durch die Reihen der Wilden, sie seien in ein unsauberes Spiel verwickelt worden. Mißtrauische Augen umlauerten den Hannes, Wagnerspaule und Simesschuster, manche Verwünschungen wurden ihnen heimlich nachgerufen, viele ihrer Anhänger sannen auf Abfall. – Das hatte eben auch der Wagnerspaule ausgesprochen und dadurch den Jockenhannes in nicht geringe Bestürzung versetzt, Heftig ging er in seiner Oberstufe auf und ab, blickte eine Zeit mit finster gerunzelter Stirn hinaus in den Novemberregen, trommelte an die Scheibe und sagte endlich zornig: »Du hast recht, Paule! Schon lange spüre ich, es liegt was in der Luft, und doch, wie ich mich auch zersinne, ich komme nicht dahinter, was es ist! Der Donner schlage den nichtsnutzigen Halunken in die Glieder! – Ja, ja, seit der Kirmse gärt es! Die Prügelei war unser Unglück! Hat sie nicht den Ämtern willkommene Gelegenheit gegeben, die Nase in unsre Sachen zu stecken? Ist's zu verwundern, wenn die ewigen Quälereien zuletzt die Brummochsen kopfscheu machen? Paule, Paule – wir hätten die Prügelei um jeden Preis verhindern müssen!«

»So?« lachte dieser tückisch. »Wie meinst du, hätten wir das anfangen sollen? Sei nicht dumm, die Prügelei war nicht zu hindern, die lag in der Luft wie ein Gewitter. Und hätten sich nur die Narren ordentlich austoben dürfen, so wäre alles in Ordnung. Daß keine Partei unterlegen ist, das ist das Unglück. Nun kocht und braust es inwendig, will irgendwo hinaus und kann das rechte Loch nicht finden, –'s steht schlecht um uns, Hannes, recht schlecht.«

»Und das sagst du so gleichmütig?« schrie Hannes, dunkelrot im Gesicht. »Blitz und Donner auch! Was soll ich machen? – Mit deinem heillosen Lachen! So rede doch! Was ist zu tun? Soll ich den Lumpen nicht doch noch einmal aufs Leder knien? Mein Guthaben einklagen? – wenn sie Ernst spüren, werden sie schleunigst zu Kreuz kriechen!«

»Entweder das, oder sie wenden um und fahren dir nach der Gurgel!« lachte Paule. »Hannes, ich weiß nicht, du bist nimmer der Alte, ich werde manchmal irr' an dir! – Mit unsern alten Mitteln ist's aus, damit jagen wir keine Mäuse mehr in den Sack. Mit ganz neuen Stücken müssen wir kommen! Wenn wir zum Beispiel den Herrnbauer und Ungerskasper, wenn auch nicht grad' offenbar, so doch merklich genug auf unsere Seite brächten – das wäre eine Leimrute, auf der die Gimpel sämtlich kleben blieben. – Setz dich, Hannes, und hör' mich an! Du – oder vielmehr wir – haben bei alledem Glück über Glück. Die Freierei seiner Anna mit dem Schulmeister hat den Herrnbauer völlig kopfscheu gemacht, zumal nun auch aus der Geschichte mit dem Schäfersfrieder nichts zu werden scheint. Wie ich's voraussagte, ist's eingetroffen: der Haß gegen den Schulmeister nimmt den Herrnbauern völlig ein; der Mensch ist zu allem fähig, wenn er dadurch nur den Schulmeister los wird!«

Hannes war aufgesprungen. »Redest du das nur so aus dir, oder hast du Beweise?«

»Setz dich und merke, was du an mir hast!« lachte Paule, und seine Augen funkelten wie Kohlen unter den Brauen hervor. »Ohne lange zu schwätzen, handelte ich und machte mich ein paarmal, ganz zufällig natürlich, an den Herrnbauer. Zuerst sah er mich wohl groß an und tat, als ob er meine halben Reden nicht verstehe; aber es war nur der Trotz von früher, der ihn noch stieß: wäre er seiner Neigung gefolgt, hätte er mir gleich beide Hände hingelangt – ich sah's ihm wohl an! Den haben wir, Hannes, 's ist kein Zweifel! Und nun nicht gezögert! Der Herrnbauer und Ungerskasper müssen unsern Anhang aufs neue an uns ketten; denn auf den allein können wir uns nicht stützen!«

Als ihn Hannes mit weit offenen Augen und Lippen anstarrte, strich er sich über den Mund, ein Lachen zu verbergen, zog zwei altersgraue Papiere aus der Tasche und legte sie offen auf den Tisch. »Hier ist die Urkunde über den Schäfereiankauf aus der Gemeindelade – hebe sie gut auf, wenn du sie nicht lieber verbrennen willst. Und hier« – dabei schlug er auf den zweiten, gleich dem ersten beschriebenen und mit Siegeln versehenen Bogen – »hier ist meine Arbeit! Sieh dir die Schrift und die Siegel genau an; wenn du mein Machwerk außer dem Inhalt von der echten Urkunde unterscheiden kannst, heiße ich Hans. Siehst du – selbst das Wasserzeichen im Papier ist das gleiche. Ich habe im Vertrag nur wenig geändert, desto wirksamer und sicherer muß er sein. Nun gib acht! Als damals die Bergheimer Bauern von ihren Grundherren das Hutrecht und die Schäferei ankauften, wurde der Anteil eines jeden an der Schäferei, den Waldhutungen und den Triften nach seinem Geldbeitrag zur Kaufsumme ausgeschlagen. Der Herrnbauer, die Beckenbrüder, der Ungerskasper und Bergbauer wären danach die Meistberechtigten. Die Beckenbrüder und den Bergbauer habe ich geringer angesetzt, denn die könnten uns mit ihrer dummen Rechtschaffenheit das ganze Spiel verderben; dafür habe ich den Kirchbauern- und Schulzenhof unter die Höchstberechtigten gestellt. Euch vier, als die Höchstberechtigten, geht nun natürlich die Geschichte am meisten an, ihr habt das Recht, auch gleichsam die Verpflichtung, die Sache in die Hand zu nehmen – wenigstens könnt ihr mit gutem Schein so sagen! – Seitdem nun alle Feudallasten abgelöst wurden, ist der Vertrag in Vergessenheit geraten, kein Mensch denkt mehr daran, und er gilt ja auch nichts mehr, seitdem jeder auf seinen Gütern treiben kann, was er will. Nur mit den Waldhutungen ist das so ein Ding. Die werden so mir nichts, dir nichts zum Gemeindegut gerechnet. Ich weiß nicht, ob die Erben und Nachfolger der Schäfereikäufer diese Waldstücke nicht in Wahrheit für sich in Anspruch nehmen könnten. Doch mag das sein, jedenfalls würden die Waldparzellen die Kosten eines Prozesses nicht austragen. Bei dem Punkt habe ich in meiner Urkunde solch eine verlorne Bemerkung eingefügt, die sich nach allen Seiten drehen und wenden läßt. – Wer das nun grade 'rauslesen will, kann, auf dieses Papier gestützt, ein gut' Teil des besten Gemeindewaldes für die Schäfereibesitzer in Anspruch nehmen – und das ist der Köder, auf den der Herrnbauer und Ungerskasper anbeißen sollen.«

»Ja – zum Henker auch!« schrie Hannes, »das ist alles gut und schön! Aber warum hast du die Geschichte nicht als ganz sicher und fest hingestellt?«

»Wozu? Gerade solch halb zweifelhafte Sache reizt am meisten. Überdem, wenn der Schulz – du darfst natürlich zuerst in der Sache gar nichts tun, mußt eher dagegen sein, dich zum Beitritt nötigen lassen – wenn also der Schulz seine Sache gescheit anfängt, werden weder der Ungerskasper, noch der Herrnbauer die verfängliche Stelle beachten. Dein Hinhalten und Bedenken muß sie völlig sicher machen. Sodann aber bist du des Herrnbauers gewiß, wenn du dich stellst, als gäbest du nur ihm zu Gefallen nach, verlangtest dagegen, daß er dir gegen den Schulmeister beistehe. Dem widersteht der Herrnbauer nicht, und wo der Herrnbauer steht, ist auch der Ungerskasper!«

»Millionenhagel!« schrie Hannes und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Du bist ein verfluchter Kerl!«

»Natürlich handelt es sich um eine Versteinung des strittigen Waldes,« fuhr Paule, ohne die Unterbrechung zu beachten, fort, »und da gilt es vor allem aufpassen. Ihr müßt es dahin bringen, daß euch – den Schulzen und dich, mehr dürfen nicht um die Sache wissen – der Herrnbauer und der Ungerskasper zu einer heimlichen, eigenmächtigen Vertagung drängen; es paßt sich gut, daß ihr vier grade die Märker seid. Du und der Schulz, ihr müßt euch stellen, als willigt ihr nur gezwungen, aus Gefälligkeit gegen die andern in die Versteinung. Ist der Betrug fertig – nun könnt ihr den beiden mit der zweifelhaften Stelle in der Urkunde die Hölle heiß machen, daß sie nicht das Herz haben, die Geschichte an die Öffentlichkeit zu bringen und auf ihr Recht zu klagen; denn ruchbar darf die Sache nicht werden, damit wäre alles verloren. Die Lagsteine müssen heimlich wieder weg – Grenzverrücker bleiben der Herrnbauer und Ungerskasper dennoch, und daß sie euch zu dem Unrecht drängten, das liefert sie für immer in eure Hände.«

Hannes war aufgesprungen und lief auf und ab, sein ganzes Gesicht glühte. »O – o!« stöhnte er halblaut. »Wenn das gelingt! O – den Herrnbauer in meiner Gewalt – O, dann hab' ich gewonnen, dann muß auch von andern Seiten –« Er vollendete den Satz nicht einmal in Gedanken, unwillkürlich hatte er sich nach Paule umgesehen und erschrak vor dem Blick eiskalten Spottes und höhnischer Verachtung, der ihm unter den buschigen Brauen hervor entgegenblitzte. Hannes durchzuckte dieser Blick wie ein Dolchstich – hatte Paule seine Gedanken erraten? Wußte er, mit welchen Plänen er sich trug?

Paule aber hatte längst den Kopf wieder sinken lassen und lachte in seiner heimtückischen Weise vor sich hin. »Juble nicht zu früh! – Ja, wenn der Reinhardt nicht wäre – der Reinhardt und der Schulbauer, 's sind das zwei böse Steine im Weg!« sagte er halblaut.

»O – jetzt fürchte ich sie nicht mehr!« rief Hannes. »Was wollen sie auch machen? – Gerade sie sind's ja, die den Herrnbauer zu uns treiben! Und arbeiten ich und der erst zusammen, so müßte es ja mit dem Teufel zugehen, wenn wir einen lumpigen Schulmeister nicht zu Fall brächten!«

»Hm, hm – ist ein verfluchter Kerl, der Reinhardt – der hat zähes Leben wie 'ne Katze. Was richtet der Pfarrer gegen ihn aus? Nichts; mit all den großen Herren, die hinter ihm stehen – nichts! – Meinst, er verklagt ihn wegen dem Skandal in der Kirche, wie er gedroht? O, ich weiß aus sichrer Hand, er denkt gar nicht dran! 's ist eigentlich schade um den Reinhardt; wie er dem Pfaffen mitspielt, ist ganz unerhört. Weiß der Kuckuck, vor dem Burschen hab' ich Respekt. Gnade uns Gott, käme der einmal hinter unsre Schliche!«

»Verdamm' dich samt deinem Unsinn!« rief Hannes. »Mußt du den Teufel an die Wand malen? Wahrlich, du greinst ja wie ein Schulbub' – 's könnt' einen selber anstecken, hört man dich so barmen!«

»Nu, nu –'s soll mich freuen, kommt die Furcht nicht einmal ernstlicher an uns!« entgegnete Paul höhnisch. »Bis jetzt haben wir nichts zu fürchten, noch ist er nicht auf rechter Spur, und was er auch sonst tut, unwissentlich arbeitet er doch allein uns in die Hände. Daß er den Pfarrer jetzt wieder so gründlich ins Bockshorn gejagt hat, ist reiner Gewinn für uns. Denn einmal vertrat da der Reinhardt ganz wacker unsre Interessen, sodann aber – und das ist die Hauptsache – muß diese neue, schimpfliche Niederlage den Pfarrer in die tollste Wut bringen. Nur zu – nur immer zu so!« rief er, die Hände reibend, »Ha, ha! – ich seh's kommen, daß der Pfarrer wie der Herrnbauer noch blind und toll wird und unsre Hilfe gegen den Schulmeister mit Dank annehmen wird, hat er erst sein Pulver gänzlich verschossen! O, das Gaudium, wenn der fromme Herr bei uns um Hilfe betteln ging! Und er wird kommen, so gewiß ihm der Reinhardt in keinem Punkt nachgibt! Und wenn wir ihm mit einem Mittelchen an die Hand gehen, das gewissen Erfolg verspricht – er wird nicht forschen, wo wir es gefunden; im Eifer wird er nicht darauf achten, ob es auch die Hand rein läßt, die es angreift! Ha – wenn wir das erreichten – wieder zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen!«

»Und das wird, Hannes!« fiel ihm Paule ins Wort mit ganz verändertem, geschmeidigem Wesen. »Hat der Pfarrer sich nur erst mit uns eingelassen, dann ist er unser mit Leib und See!'; denn wie könnt' er noch Pfarrer sein, käm' das an den Tag? Und damit du siehst, wie ich mich für dich aufopfere, will ich dir noch eins sagen: Mit dem Sülzdorfer Schulmeister stand's schlimm; nicht nur, daß er in Schulden stak bis an den Hals, obendrein hatte er Umgang mit einem liederlichen Weibsbild von X., die in Schottendorf diente. Das Mädle verließ auf einmal ihren Dienst in Schottendorf und zog heim – da ist was nicht sauber. Wart' doch ab, was noch kommt! Auf einmal stecken der Sülzdorfer und unser Schulmeister, die sich sonst kaum grüßten, tagtäglich beisammen; der Robert Schulz aber bezahlt seine Schulden auf einem Brett und der Reinhardt läuft alle Wochen ein paarmal zu dem Justizrat Stein in X.«

»Hm – und was kümmert das uns?«

»Hannes – so besinn' dich doch! Rechne: kaum hat das liederliche Weibsbild Schottendorf verlassen, werden der Reinhardt und der Schulz die dicksten Freunde; der bezahlt auf einmal – kein Mensch weiß, wo er das Geld her hat – seine Schulden, und dieser läuft sich fast die Beine ab nach einem Advokaten, der mit der liederlichen Dirne in einer Stadt wohnt! Nun – bringst du noch immer nichts zusammen? Wie die Sachen stehen, ist freilich unschwer zu erraten; aber könnte es nicht auch anders sein? Wär's zu verwundern, wenn plötzlich ganz seltsame Gerüchte auftauchten?«

»Ha, Schwerenot auch! – bist du rein des Teufels?« fuhr Hannes auf. »Wenn solche Gerüchte entständen – ha – wenn sie richtig zugestutzt dem Pfarrer zugeleitet würden – – –«

Hannes ging wieder heftig auf und ab, in seinem Gesicht arbeitete und zuckte es. Paule ließ ihn eine Weile gewähren, dann sagte er leise, mit einer Herzlichkeit, die ihm wunderlich stand: »Nun – habe ich meine Schuldigkeit getan? Ich meine selber, du könntest mit mir zufrieden sein. Nun beweis' auch, daß du meine Arbeit anerkennst, Hannes – ich brauche Geld!«

Hannes hemmte plötzlich seinen Umgang, sein eben noch strahlendes Gesicht zeigte den tiefsten Verdruß. »Bist du bei Sinnen?« fuhr er grob heraus. »Nichts – keinen Heller! Hab' ich dir nicht erst verwichen mehr 'geben, als ich vor mir verantworten kann? Der Donner schlag 'nein, was mußt du auch das Geld ausstreuen, als war' das eitel Dreck? Nichts – ich habe heute nichts für dich!«

»Du, ich hab' lang' gemerkt, daß ich dir nichts mehr gelte, wie ich mich auch für dich plage!« klagte Paule kleinlaut. »Andere Leute sind dir lieber, du siehst dich nach neuen Freunden um. Aber nimm dich in acht, Hannes! Wem willst du künftig trauen? Den Beckenbrüdern? Hm! – Der Karl ist dein Schwiegersohn noch nicht, und wenn er's wäre, fragt sich 's, ob es dir nützt. Der Schulz, der Veitenbauer? – Bah! Der Simesschuster? – Hannes, der Schuster macht mir ernstlich Sorge. Der Bursch ist auf einmal so still geworden, er geht einem aus dem Weg, so weit er kann, im Wirtshaus läßt er sich nimmer blicken, dabei seufzt er und verdreht die Augen, schwätzt von seinem Gewissen – wie, wenn der einen dummen Streich machte? – Was du nun gar für einen Narren an dem Uhrmacherle gefressen hast, verstehe ich vollends nicht. Was hat er dir genützt, oder was versprichst du dir für Vorteile von ihm? Was er dir aus der Pfarr' zuträgt, kann doch das ewige Geld nicht wert sein, das du ihm zufließen läßt?« Als sich Hannes heftig gegen das Fenster wendete und an die Scheiben trommelte, fuhr er langsam fort: »Hannes, sei nicht dumm – überleg', was du tust. Meinst du, es fällt andern Leuten nicht auch auf, daß der liederliche Uhrmacherle, ohne zu arbeiten, plötzlich so mit Geld um sich wirft? Meinst du, eure Zusammenkünfte bleiben verborgen? Sei kein Narr, Hannes! Noch bist du lange nicht am Ziel, treue Freunde sind dir nötiger denn je. – Sei kein Narr!« rief er drohend und stand auf. »Wir wollen Freunde bleiben, weil wir uns gegenseitig nicht entbehren können. Geh, hole Geld – sei kein Kniller! – Wiegen meine heutigen Berichte nicht allein ein Kapital auf? Geh, damit wir zeitig ins Wirtshaus kommen; es gilt nun öffentlich gegen den Schulmeister aufzutreten, des Herrnbauern wegen. Geh, vielleicht treffen wir heute mit dem Schulmeister zusammen, es ist heute sein Wirtshaustag; die Gelegenheit dürfen wir nicht unbenutzt vorübergehen lassen – geh!«


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