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Dreizehntes Kapitel

Es war Samstagabend, die Sonne neigte sich zum Untergang. Wolken von Schnakenschwärmen wogten in ihrem Scheidestrahl über den sumpfigen Rotwiesen auf und ab, von emsig jagenden Schwalben, Rotschwänzchen und Bachstelzen durchkreuzt. Über den wallenden, silbergrau glänzenden Kornfeldern huschte der Dorndreher hin und her, und die zackigen Dornenäste, zum Schutz der Saaten von den Landleuten zu beiden Seiten des schmalen Fußsteiges gesteckt, trugen an ihren Stacheln die oft noch zappelnden, braunen Junikäfer, die Opfer seiner Mordlust. Stille war es ringsum, nur in den Kleefeldern rauschte noch die Sense des Mähders, und die Mägde schleppten hochgetürmte Lasten des duftenden Krautes auf Vorrat für morgen nach dem Dorfe. Langsam, tief atmend, schritt Fritz dem nahen Sülzdorf zu. Mancherlei trübe Gedanken bewegten ihn. Die wachsende Verbitterung der Gemüter in Bergheim, die sich schon bis in die Schule zu erstrecken begann, sodann seine täglich unklarer werdende Stellung zur Gemeinde wie zum Geistlichen peinigte ihn. Er fühlte, daß stündlich ein vernichtendes Wetter gegen ihn losbrechen könne; und wenn er auch auf das Schlimmste gefaßt war, diese dumpfe Schwüle wurde ihm auf die Dauer fast unerträglich. So schritt Fritz schmerzlich bewegt im Abendschein durch die leise wallenden Roggenfelder dahin.

In der hellen, freundlichen, großen Wohnstube des Sülzdorfer Schulbauernhauses saß die ganze Familie beim Abendbrot. Erstaunt und erfreut eilte der Hausherr dem Lehrer entgegen. »Ei, welche Freude, Herr Lehrer! Kommen grade recht, setzen Sie sich zu uns und nehmen Sie vorlieb! Anna, geschwind einen Teller für den Herrn Lehrer, und rücket zusammen, ihr dort!«

Um nicht zu stören, nahm Fritz ohne Umstände die Einladung an, was ihm ein zufriedenes Kopfnicken des Schulbauern eintrug. Tief errötend war die Herrnbauersanna aus der Stube geeilt; als der Lehrer die Hausfrau begrüßt, fragte er: »Ist Anna immer bei Ihnen?«

»Ach, leider nicht!« entgegnete die schöne, etwas blasse Frau mit einem Seufzer. »Ihre Mutter will sie durchaus nicht von sich lassen, und ich kann ihr das im Grund ja auch nicht verdenken. Die ganze Woche war ich aber so unwohl, daß ich mir doch meine Pate zur Hilfe ausgebeten habe. Morgen geht sie wieder heim.«

Anna hatte unterdes einen Teller gebracht, und der Schulbauer sagte einfach: »Nun langen Sie zu!«

Über Tisch wurde wenig gesprochen. Anna saß dem Lehrer grade gegenüber, ein leiser Schimmer des Abendrotes überhauchte ihr aschblondes Haar, und Fritz erstaunte aufs neue über die Schönheit des Mädchens.

»Was hast nur, Anna?« fragte der Schulbauer nach Beendigung des Mahles. »Bist so still, und dein Mundwerk geht doch sonst wie ein Uhrwerk?«

»Ist mir eben nicht zum Reden!« entgegnete Anna leise, während eine Purpurröte ihr Gesicht übergoß; alle Tischgenossen erhoben sich, und die Kleinmagd sprach das Tischgebet.

Während die Mägde sich auf die Ofenbank setzten und eifrig strickten, nahm die Bäuerin eine Bibel aus dem Schränkchen und legte sie vor dem Hausherrn auf den Tisch.

»Kann Ihnen meinen Hausgottesdienst nicht erlassen, Herr Lehrer!« wendete sich der Schulbauer an diesen. »Ist ein Erbstück meiner Eltern selig und mir gar lieb und wert!«

Als Fritz still nickte, blätterte er in der Bibel und sagte: »Nachdem wir die Arbeit und Plage der Woche überstanden, wollen wir nun auch unsere Gedanken von den gewöhnlichen Dingen abkehren. Habe für unsern heutigen Hausgottesdienst die Geschichte vom Nikodemus ausgewählt, Evangelium Johannes, Kapitel 3, Vers 1–15. Ist mir ein liebes, wertes Evangelium; so oft ich's schon durchgelesen, nimmer habe ich's noch ausgelesen, stets fallen mir neue, gute Gedanken dabei ein. Ist etwa nicht, daß ich alles darin bis aufs Tippele verstehe, mit vielem, was darin enthalten ist, weiß ich nichts anzufangen. Aber was übrigbleibt, das ist so einfältig, so wahrhaftig, so kräftig, daß die unverständlichen Stellen wohl mit in den Kauf zu nehmen sind. – Gebt jetzt acht!«

Alle falteten die Hände und blickten ernst vor sich nieder. Als der Schulbauer zu Ende gelesen, sah er noch eine Zeit wie in Gedanken verloren in das Buch, dann schob er die Bibel etwas von sich, legte die Ellbogen auf den Tisch, die gefalteten Hände aufs Buch, blickte zur Decke und begann:

»Was mich an dem Evangelium so ganz besonders erfreut, ist, daß man den Heiland da einmal ganz allein für sich hat. Mir ist's stets, wenn ich das Kapitel lese, als wäre ich der Nikodemus, und der Herr Jesus selber säß' mir gegenüber an dem Tisch, stützte seine Arme auf, guckte mir mit seinen gewaltigen Augen bis tief 'nunter ins Herz und gäbe mir Bescheid auf all mein Leid und Herzquälen. Wird mir wohl eng um die Brust, wenn ich den Herrn leibhaftig vor mir denke, aber – wir find ja eben allein – das Herzklopfen hat bald ein End', ich weiß mich meinem allerbesten Freund nah'; was mich drückt und quält, das kommt hervor, und schon, indem ich's so in Gedanken darlege, wird mir's leichter und freier ums Herz. Ist auch ein Trost und eine eindringliche Mahnung für uns, daß sich der Herr in der Nacht zum Nikodemus setzte. Daraus ersehen wir, daß der Herr auch für die Menschen ein teilnehmend Herz hatte, die ihm ein besonderes Anliegen zu klagen hatten. Der Herr hätte ja zu dem Nikodemus sagen können: ›Was willst du? – gar noch so spät in der Nacht? Geh, ich will endlich auch einmal zur Ruhe kommen. Habe ich nicht den ganzen lieben Tag gelehrt und gepredigt? Komm morgen oder übermorgen am Tag und höre meine Predigt, so wirft du finden, was du bedarfst!‹ Neunundneunzig unter Hunderten hatten's so gemacht, aber der Herr nicht. Wer kommt, ist angenehm, zu jeder Zeit ist er bereit zu hören, zu raten, zu helfen und zu trösten. Daraus leuchtet so recht seine große Liebe hervor, und ich halt's für gar nichts Klein's, daß er sich mit dem Nikodemus so lange in der Nacht unterredet hat. Zeigt uns auch unsre Schuldigkeit. Wir vergessen so gern und so leicht, was wir unserm Nebenmenschen schulden. Wie oft wäre einem armen geplagten Herzen mit einem guten Wort aufzuhelfen, aber die bekümmerte Seele traut sich nicht an uns, weil es nicht die rechte Zeit und Stunde ist; plagt und härmt sich lieber in der Einsamkeit. Drum ist die Geschichte eine Mahnung, daß wir in allzu großer Bedrängnis getrost den aufsuchen, auf den wir eben besonders Vertrauen setzen, ohne erst ängstlich auf passende Zeit zu warten; im andern Fall aber auch, daß wir nimmer einen Betrübten abweisen, sondern jederzeit mit Freundlichkeit die Bedrängten anhören, wenn es uns auch einmal nicht recht passen will!

In Summa aber achte ich das Evangelium so recht als eine Geschichte fürs Haus. Ich meine, in jeder Stube sollte ein Nikodemuseckele sein, wo man sich hinsetzt, wenn man in seinen Gedanken mit dem Herrn Jesu allein sein möchte. Achte, wäre in jedem Haus solch stilles Eckele, es würde besser in den Familien, Gemeinden und auch im Staate stehen. Will nicht sagen, daß man mit dem Herrn Götzendienst treiben, daß man ihn vielleicht gar für einen Herrgott estimieren sollte – nein, nein! Nur einen Platz im Herzen, auch in der Stube sollte ihm jeder gönnen, denn Jesus wird immerdar der beste Tröster und Berater – der allerbeste Hausfreund bleiben, wie der Pfarrer verwichen predigte.«

Sinnend blickte der Bauer in die Bibel, strich sich über Stirn und Augen und fuhr fort: »Was nun die beiden im Kämmerlein verhandelten, verstehe ich nicht, probier's auch gar nicht, eine Deutung zu finden. Wer weiß, hat's vielleicht der Herr Jesus dem gelehrten Nikodemus mit Absicht ein bißle schwer gemacht? Item, geholfen hat er ihm doch, und in der Hauptsache können wir auch seine Reden gar wohl begreifen. Wie in allen seinen Lehren und Gleichnissen verlangt er auch hier, daß wir umkehren, gut und fromm werden sollen wie die Kinder. Ach, wenn wir es einmal dahin brächten, alle Sünde von uns abzutun, dann müßte uns ja selbst zumute sein, als wären wir neu geboren. Ein schwer' Gebot, und möchte einem wohl ängstlich ums Herz werden, wenn man die große Schwachheit der menschlichen Natur betrachtet. Aber verzagen dürfen wir nicht, sonst ist von vornherein alles verloren. Ein Nikodemuseckele vor allem im Herzen ist uns not, das wollen wir uns aus dem heutigen Evangelium mit hinübernehmen in die neue Woche, das wollen wir uns merken für alle Zeit. Und wenn wir oft ernstlich in Gedanken mit dem Herrn verkehren, wenn wir ihm ernstlich nacheifern, dann dürfen wir, wie es der Nikodemus wohl auch getan hat, bei aller unsrer Schwachheit und Unvollkommenheit uns des Spruches getrösten: Auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Amen!«

Knechte und Mägde standen auf, die Bäuerin trat an den Tisch neben den Hausherrn, betete das Vaterunser und schloß die Feier mit den Worten: »Der Friede Gottes sei und bleibe bei uns allen. Amen!«

Stille war es in der Stube; alle, auch Fritz, sannen dem Gehörten nach; nur einmal war es dem Lehrer, als ruhten Annas Augen auf ihm, doch war die Dunkelheit schon zu groß im Zimmer, als daß er sich hätte Gewißheit verschaffen können. Auf der Straße, dann im Hofe ward heftiges Weinen laut; ehe sich jemand nach der Ursache des Jammers umblicken konnte, stürmte die Schustersannemargt in die Stube, sank wie zerschlagen auf die Ofenbank, verhüllte ihr Gesicht in die Schürze und heulte und schrie so jämmerlich, daß die Bäuerin an allen Gliedern bebte. Der Schulbauer suchte sie zu beruhigen, lange vergeblich; endlich sagte er ernst: »Annemargt, wenn du was auf dem Herzen hast, so rede; du weißt, du wirst nicht taube Ohren finden – dein Geschrei aber laß sein. Rede – was ist geschehen?«

»Ach, daß sich Gott im hohen Himmel erbarm', Schulbauer!« rief nun die Frau, ohne die Schürze gänzlich vom Gesicht zu entfernen. »Eben ist mein Andres wieder toll und voll heimkommen, tobt wie besessen im Haus, prügelt mich und die Kinder, schlägt zusammen, was ihm unter die Hände kommt. Dabei flucht und lästert er, die Haare stehen einem zu Berg; fort und fort schreit er: ich bin zum Unglück auf der Welt, bin der Narr, der Sündenbock der Sülzdorfer. Aber ich habe das Lumpenleben satt; den Sülzdorfern zum Tort tu' ich's und hänge mich auf, denn die sind ganz allein an meinem Untergang schuld!«

Der Schulbauer schwieg, seine Brauen hatten sich zusammengezogen, heftig trommelte er auf den Tisch. Das erschreckte die Frau; sie brach in neues Heulen aus und schrie wie außer sich: »Ach, um Gottes-Jesus-Christi willen, helft, Schulbauer, helft! verlaßt mich nicht! Was soll aus mir und den Würmern werden, wenn mein Andres seine Drohung wahrmacht? Kommt mit, Schulbauer, und verhütet das Unglück!«

»Laß das Heulen!« sagte der Schulbauer und trat dicht vor die Frau. »Dein Schreien macht nichts ungeschehen! Lästere deinen Andres nicht, du bist soviel Schuld an dem Unglück als er! Wie oft habe ich dich gebeten: gehe freundlich mit deinem Alten um, schimpfe nicht den lieben langen Tag auf ihn hinein, halt' dich selber in Ordnung, sieh auf Reinlichkeit im Haus, sorge für ein ordentliches Essen, vielleicht ändert er sich. Hast du auf mich gehört? Und das ist's nicht allein; der Unfriede mit den Nachbarn bringt keinen Segen ins Haus, vom Schwätzen auf der Gasse wird kein Häfele voll, und das in den Häusern Umherflankieren macht keine Ziege satt! Ja, ja, sieh mich nur groß an, du bist nicht die Bohne besser als dein Andres! – Und eigentlich ist's gar nicht recht, daß ich dich noch anhöre, hast du mich nicht in der ganzen Welt verschrien als einen groben Hochmutsnarren, da ich versuchte, euch zum Guten zu lenken? – Aber einen Notleidenden werde ich nicht von meiner Tür weisen! Heute geh' ich nicht zu deinem Alten, im Taumel ist nicht mit ihm zu reden. – Mit dem Hängen wird es nicht so schnell gehen, im schlimmsten Fall schick' dein Bärble, mein Großknecht wird dann deinen Alten bewachen. Morgen komm' ich, dann legt mir euren Zustand ohne Heulen und Schreien vor, und ich will tun, was ich kann.«

»Auch auf meinen Beistand kannst du rechnen,« sagte die Bäuerin, »aber nur, wenn du dein Bärble, deine Große, sogleich bei einer ordentlichen Herrschaft unterbringst. Ist schon ein Jahr konfirmiert und kann weder stricken noch flicken, noch sonst eine Arbeit, wo soll das hinaus? Ich selbst werd' ihr einen Dienst ausmachen, daß sie in ordentliche Hände kommt. Sodann meine ich, wir nehmen die zweite, die Margelies, sogleich zu uns; Arbeit findet sich immer, und ich möchte nicht, daß das Mädle verkommt und erstarrt wie die Bärbel!« Als der Bauer zustimmend nickte, fuhr sie fort: »Also dabei bleibt's! Du hast dann nur noch dein Jüngstes zu versorgen und kannst wohl Ordnung in deinem Haus halten. Merk's nur, ich werde dir scharf auf der Haube sein. Jetzt gehe heim, siehe zu, daß du deinen Alten zur Ruhe bringst, und morgen werde ich selber nachsehen, wo's dir fehlt! – Geh jetzt heim!«

Kleinlaut schlich die Schusterin aus der Tür; auf einen Wink der Bäuerin folgte ihr Anna – Fritz erriet, zu welchem Zweck. Während die Bäuerin im Lehnstuhl ihr Strickzeug wieder aufnahm, und die Dienstboten die Stube verließen, ging der Bauer heftig auf und ab und sagte endlich: »Ist ein Jammer, wie sich die Armen immer selber im Weg stehen; das Herz tut einem weh, wenn man das Elend mit ansehen muß. – Die Annemargt, Herr Lehrer, hat lange Jahre bei mir gedient, war ein sauberes, braves Mädle. Kaum aber hatte sie ein paar Batzen erspart, kam der Hochmut über sie; sie ließ sich mit einem Knecht ein, und die Geschichte endete, wie solche Verhältnisse meistens zu enden pflegen: Die Annemarie hatte ein Kind – die Bärbel – und der Knecht zog in ein anderes Dorf. Ihre paar Gulden lockten später den Schustersandres an, der auch schon ein Kind versorgen mußte: mein Warnen war vergebens, sie heirateten sich. Hätte sich trotzdem machen können; der Schuster ist geschickt, und die Annemargt hatte mancherlei bei meiner Lisbeth gelernt. Allein die beiden außerehelichen Kinder waren das Unglück der Schustersleute. Täglich gab es darüber Verdruß, Hader und Zank, die Annemargt verlotterte, der Andres fing das Saufen an, und nun ist's so weit, daß er an Selbstmord denkt. – Ist eine schlimme Sache, Lisbeth; wenn wir den Leuten wirklich helfen wollen, ist's mit einem Geschenk nicht getan. Wie meinst, soll ich's wagen und dem Schuster mit einem ordentlichen Kapital unter die Arme greifen, daß er sich wieder Handwerkszeug und Ledervorrat anschaffen kann, und Lust und Liebe zur Arbeit wie zum Leben kriegt? Was meinst?«

»Man könnte denken, ich wäre in allem dein Widerpart!« lächelte die Bäuerin. »Tu's nur, Jörg; anders ist ja freilich den Leuten nicht zu helfen. Gibst du ihnen einen Vorschuß, kannst du dir's ja ausbedingen, daß sie sich in allen Stücken deinen Anordnungen fügen müssen. – Ist dir doch auch recht, daß ich das Mädle ins Haus nehme?«

»Hab' mich schon lange nach einem Kind gesehnt!« entgegnete der Bauer und griff nach seiner Tabakspfeife. »Bleibt's also dabei, wir machen einen Versuch, den armen Leuten noch einmal auf die Strümpfe zu helfen. – Meine Alte würde Sie nun wohl gern ein bißle im Haus 'rumführen und Ihnen noch mit einer Kleinigkeit aufwarten, Herr Lehrer, aber es ist schon spät, und Sie besuchen uns lieber recht bald einmal wieder. Ich möchte heute noch mancherlei mit Ihnen reden, in der Stube aber wird mir's so eng – wie wär's, wenn wir einen Gang durch die Felder machten? Aber, Herr Lehrer, nur unter der Bedingung, daß Sie recht bald wieder bei uns einsprechen!«

»Ich fürchte,« lachte Fritz, »ich werde Ihnen in Zukunft nur allzuoft lästig fallen!«

»Wagen Sie es darauf!« rief der Bauer und schüttelte ihm die Hand. »Ich nehme Sie beim Wort! – und nun kommen Sie!«

Vergebens sah sich Fritz nach ihr um, vergebens rief die Bäuerin nach ihr – Anna war verschwunden, der Lehrer mußte ohne Abschied von ihr das Haus verlassen.

Bald hatten die Männer die offene Feldflur erreicht und schritten auf breitem Grasrain zwischen üppig sprossenden Weizenfeldern hin. War eine jener wunderbaren, stillen Sommernächte, die das Gemüt so geheimnisvoll anregen. Hell und klar stand noch das Abendrot über den nordwestlichen Bergen. Leises Zirpen der Grillen umwogte sie, im Tal murmelte der Fluß. Fritz brach zuerst das Schweigen: »Ich bin Ihnen sehr zu Danke verpflichtet! Habe viel bei Ihnen gelernt! Wenn alle Menschen dächten wie Sie, stände es besser in der Welt!«

»Das streite ich nicht! Allein so arg schlimm sind die Menschen nicht!«

»Habe noch wenig milden Sinn, selten ein wahrhaft weiches Gemüt bei den Bauern gefunden.«

Der Bauer lachte leise. »Ohne Zweifel sind wir Bauern aus härterem Holz geschnitzt als die vornehmen Herrschaften in der Stadt, aber wir haben Herz und Gemüt so gut als die Vornehmen. Auch die Liebe, das Mitleid finden Sie bei uns, wenn Sie nur darauf ausgehen, sie finden zu wollen. – Ja, ich lasse nichts auf meinen Stand kommen. Wohl ist er in vielen Stücken nicht, wie er sein sollte, wohl ist er weit zurück in seiner Entwicklung – aber ist es allein Schuld des Bauern, daß es so mit ihm steht? Ja freilich, man nennt ihn dickköpfig, eigensinnig, hartnäckig, zäh, schwer beweglich, am Alten hängend – aber, frage ich dagegen, hat man es sich auch nur einmal im Ernst angelegen sein lassen, ihn wahrhaft zu fördern? Ach, Herr Lehrer, der Bauer war von jeher der Pudelhund und Hansnarr der großen Herren. Ich selbst kann mich noch gut der Zeit erinnern, da jeder armselige Heringskrämer und Flickschuster der Stadt mit Verachtung auf den ›dummen, groben Bauer‹ herabsah und ihn danach behandelte. Und gehen Sie in die Ämter und Gerichtsstuben – dort werden Sie erfahren, was der Bauer noch heute geachtet ist! Ist's zu verwundern, daß er zuletzt mißtrauisch, störrig, verstockt gegen alles vornehme Wesen wurde? – Die Schulen sind besser geworden, ja! – aber wie lange ist es her? und glauben Sie wirklich, daß die Verbesserung soviel zu bedeuten hat? Ich mache den Lehrern keinen Vorwurf, weiß wohl, auch die Leistungen des geringsten stehen ganz außer Verhältnis zu seinem Lohn; aber traurig ist es, daß man für das Land noch immer auch den Unfähigsten für gut genug hält. Bin der festen Meinung, daß die Volksschulen die Hebung des Volkes nicht allein möglich machen werden; aber sehr viel können sie dazu beitragen. Darum tut es mir so in tiefster Seele wehe, wenn ich sehen muß, wie Männer, die grade auf dem Lande ein Segen für ihre Umgebung werden könnten, sich so stolz und gleichgültig von den Bauern abwenden, die Zeit nicht erwarten können, da sie wieder in gebildetere Kreise zurückkehren. – Ja, Reinhardt, das gilt Ihnen!« fuhr er tief bewegt fort und nahm die Hand des Lehrers. »Lange habe ich geschwankt, ob ich auch so zu Ihnen reden dürfe, aber ich kann nicht anders, ich muß Ihnen mein Herz öffnen, ich muß Ihnen sagen, wie es mich bekümmert, daß Sie Bergheim wieder verlassen wollen. Herr Lehrer, lieber Herr Reinhardt! – tun Sie's nicht! geben Sie die Stadt auf, bleiben Sie bei uns! Sie werden auch hier glücklich werden, Sie werden es nie bereuen, dem Landvolk Ihre Kräfte gewidmet zu haben!«

Fritz war tief bewegt und betroffen. Nicht gleich fand er eine Entgegnung, der Schulbauer kam ihm zu Hilfe: »Verlange keine Antwort, Herr Lehrer, noch weniger denke ich, Sie heute zu einer Entscheidung zu drängen. Nur darum bitte ich, überlegen Sie meine Worte reiflich und versprechen Sie mir: keinen raschen, übereilten Entschluß!«

Herzhaft schlug Reinhardt in die dargebotene Hand ein und sagte: »Mit Freuden kann ich Ihnen das versprechen. Übrigens war es ohnedies nicht meine Absicht, Bergheim vor Beilegung der gegenwärtigen Wirren zu verlassen.«

»O wie glücklich Sie mich machen!« rief der Bauer und drückte Reinhardts Hand. »Das habe ich von Ihnen erwartet! Ach, mir ist eine Last vom Herzen genommen, nun habe ich Hoffnung, daß wir Sie für immer behalten werden! – Verzeihen Sie, Herr Lehrer, daß ich so über Ihre Zukunft bestimmen möchte, ach, Sie wissen nicht, welche Schmerzen mir schon der Notstand des Bauernvolkes gemacht. Gleich von Anfang erkannte ich in Ihnen den Mann, der uns schon lange not getan.

Werde Ihnen wunderlich vorkommen, nicht wahr?« fuhr er fort. »Fühle wohl, daß ich Ihnen Aufklärung über mich schuldig bin. Ist ohnedies nötig, daß wir uns gründlich kennen lernen. Ist's Ihnen recht, will ich in der Kürze meinen Lebenslauf berichten.

Stehen uns eigentlich gar nicht so fremd gegenüber, Herr Reinhardt. Wie Sie stamme auch ich aus einer Lehrerfamilie. ja, ich war selbst einige Jahre in der Schule tätig, halb und halb sind wir demnach sogar Kollegen. Seit Gründung der hiesigen Schule – länger denn 150 Jahre – waren die Vorndran hier Lehrer, immer folgte dem Vater der Sohn, bis ich endlich freiwillig das Lehramt aufgab.

Als arme Handwerker wanderten meine Voreltern hier ein, brachten es aber bald zu Wohlstand und Ansehen. Die Vorndran besorgten den Schulunterricht, der sich ja ohnedies auf den Winter beschränkte, daneben waren sie auch tüchtige Bauern. So noch mein Vater, und er meinte, auch ich sollte es nach seinem Tod forthalten. Früh schon bekam ich in Schottendorf vom Rektor und Kaplan tüchtige Privatstunden, wohl vorbereitet bezog ich mit 17 Jahren das Seminar. Ich arbeitete mit Lust unter tüchtigen Lehrern, deren volle Zufriedenheit ich mir erwarb. Weiß nicht, war es ein gewisser Hochmut über meine leichten Erfolge, oder hatte das einen tieferen Grund, eine unbestimmte Sehnsucht, die ich selber nicht verstand, trieb mich um, machte mich mürrisch, verdrossen; religiöse Zweifel, die ich an unsrer streng bekenntnistreuen Anstalt sorgfältig geheimhalten mußte, vermehrten meine Not. War eine trübe Zeit. Endlich schlug die Stunde der Erlösung. Mit guten Zeugnissen verließ ich die Anstalt und wurde sofort auf Wunsch meines Vaters diesem als Hilfslehrer beigegeben.

Neue Nöte kamen hier zu den alten. Meine innere Unruhe und Zerfahrenheit konnte dem Vater nicht verborgen bleiben: je weniger er mich begreifen konnte, desto gewaltsamer drang er auf Sinnesänderung. Bald stand ich auch in der Heimat einsam wie im Seminar, galt für überstudiert, und wurde als ein Narr verspottet. Das tat um so weher, da ich mir selber gestehen mußte, die Nachbarn hatten nicht so unrecht. Was wollte ich eigentlich? Ich meinte, ich sei eigentlich zu etwas Größerem, Höherem bestimmt, als zum Lehrer und Bauer. Mißmutig vollbrachte ich mein Tagewerk und verbiß mich tiefer in meinen Unmut, für den ich nicht einmal einen Namen hatte.

Damals fand ich Gefallen an der Herrnbauerslisbeth und war bald mit dem Mädchen einig. Aber das Glück dauerte nicht lange: die Liebe erschien mir auch wieder wie ein Hemmschuh, der mir die Erreichung meines Zieles vollends unmöglich mache.

Eine dunkle Ahnung von diesem Ziel ging mir bei dem unerwarteten Tode des Vaters auf. Ich war nun frei, unabhängig, jung, reich – nichts hinderte mich, in die Welt zu gehen, mein Wissen zu ergänzen, mir in den vornehmen Kreisen einen Platz zu erobern. In väterlicher Weise Lehramt und Bewirtschaftung eines Gutes zusammen zu betreiben, vertrug sich nicht mit den Anforderungen der Neuzeit, das hatte ich längst eingesehen, und in einer Art Zorn über mich selber, um allem Grübeln ein Ende zu machen, mir selbst jeden Rückweg abzuschneiden, legte ich mein Amt nieder, heiratete Lisbeth und wurde Bauer.

Vielfach wurde mein ›Umsatteln‹ bemäkelt: die Nachbarn nannten mich höhnend einen ›Bücherbauern‹ und prophezeiten ein baldiges, schlimmes Ende meiner Ökonomie. Das reizte meinen Stolz, es galt mir nun als Ehrensache, als untadelhafter Bauer auch vor den böswilligsten Beurteilern zu bestehen. Ich erreichte mein Ziel; bald verstummte der Spott der Nachbarn, und als ich mich erst in meinem neuen Berufe heimisch fühlte, kam mir auch meine größere Bildung zugute. Mit Eifer studierte ich neben andern Hilfswissenschaften der neueren Ökonomie besonders Tierheilkunde und darf wohl sagen, daß ich manches Unglück in den Ställen verhütete.

Glücklich aber war ich nicht; nicht die herzliche Liebe meiner Lisbeth, nicht das Gelingen meiner Arbeit, nicht das wachsende Ansehen vermochten mir Ruhe, Zufriedenheit zu geben. Mein Wirken genügte mir nicht, noch immer glaubte ich mich am unrechten Platz, zu Größerem, höherem bestimmt. Ach, meine arme Lisbeth hatte in jener Zeit viel zu leiden: ich liebte sie von ganzem Herzen, dennoch war ich nicht stark genug, die heimlichen, hochmütigen Wünsche aus dem Herzen zu reißen. Mein Glück machte mich täglich blinder, verstockter und wunderlich! – auch hochmütig und eitel. Nach und nach gewöhnte ich mich daran, mein Glück als mein eigenstes Werk zu betrachten: allein statt mich dessen zu erfreuen, wurde ich nur unmutiger. Waren mir solche Erfolge möglich in meinen engen, beschränkten Verhältnissen, was hätte ich erst leisten müssen am rechten Platz? – So sann, grollte ich, verachtete, was ich hatte, und wußte selber kaum, was ich mir wünschte.

Mein Stolz, meine Hoffnungen waren meine Kinder, Fritz und Anna. Körperlich wie geistig gleich begabt, wuchsen sie heran, allen Menschen zur Freude. In ihnen wollte ich glücklich werden, sie sollten erreichen, was mir versagt blieb. Und welche Aussichten eröffneten sich auch diesen Kindern! Nicht nur wuchs mein Vermögen jährlich, eine unerwartete Erbschaft verdoppelte es noch, dazu schien die Ehe meines Schwagers, des Herrnbauers, kinderlos zu bleiben – auch dort konnten sie einst erben! Ach, ich war in jener Zeit sehr hochmütig – und dennoch innerlich so arm!

Da kam das Nervenfieber ins Dorf – nach kaum acht Tagen mußte ich meinen Fritz, meine Anna in ein Grab sinken sehen!«

Tief erschüttert schwieg der Bauer. In stummer Teilnahme drückte ihm Fritz die Hand.

»Wie ich den ersten Schmerz überwand, weiß ich nicht. Meine Lisbeth war stärker als ich, ihr Glaube war ihr Trost, ihre Hoffnung; vielleicht war es auch die Sorge um mich, was ihr über das Leid hinweghalf. Mit mir muß es schlimm gestanden haben; hernach erfuhr ich, daß man ernstlich um meine klaren Gedanken sorgte.

War's ein Wunder, wenn ich völlig darniederlag? Einen Halt in mir hatte ich nicht – meine einzige Hoffnung war nun auch für immer zerstört, was blieb mir? Frühe schon plagten mich religiöse Zweifel, nun kamen sie mit doppelter Gewalt über mich. Wo ich ging und stand, wälzte ich den Gedanken um: gibt es Unsterblichkeit oder nicht? In meiner Herzensangst fragte ich da und dort um, Bücher auf Bücher las ich, aber alle Gründe dafür vermehrten nur meine Zweifel. Ich wollte mich zwingen, an ein Wiedersehen mit meinen Kindern zu glauben – umsonst. Ich stand an einem Abgrund, welchen mein Denken nicht zu überspringen vermochte! Reinhardt, als ich endlich nicht mehr zweifelte, da waren meine Kinder zum zweitenmal gestorben, da war mir die ganze Welt verödet – mir war alles genommen!

Wie lange das so andauerte, weiß ich nicht. Einmal ackerte ich wieder allein drüben in der Leiten. War ein wonniger Tag; in Bergheim mußte ein Begräbnis sein, die Glocken klangen klar und hell zu mir herüber. Da kam das Leid mit einer Gewalt über mich, wie noch nie: ich meinte, ich müsse in die Erde versinken. Derweil klang das Geläute fort, bald leiser, bald lauter, und die milden Töne taten mir wohl. Wie schade, dachte ich, daß es sobald verklingen wird! – Aber warum schade? sann ich weiter; muß nicht alles auf der Erde ein Ende haben? Wer weiß denn, wie bald man auch dir zum letzten Gang läuten wird? Dann liegst du still und ruhig, hörst nichts von dem Klingen und Seufzen und Weinen um dich. Und ob die Sonne dein Grab erwärmt oder die Sterne darauf herniederleuchten, ob der Frühling die Blümlein aus dem Hügel lockt, oder ob ihn Eis und Schnee deckt, und der Sturm darüber braust – 's ist alles eins! Eine Zeitlang wird man meiner gedenken, die Lisbeth wird mein Andenken in Ehren halten; aber ist auch sie erst gestorben, so bin ich und sie und die Kinder bald vergessen. Alles ist eitel! – Nur die Welt bleibt bestehen, ewig schön, ewig jung, ewig reich. Andere Geschlechter kommen, freuen und quälen sich eine Zeit, bald kürzer, bald länger, dann legen auch sie sich nieder, verschwinden unter die Erde, über ein Kleines sind sie vergessen. – Warum nun dieses Trotzen und Quälen? Führt mich nicht jeder Tag, jede Stunde dem großen Ziele alles Lebens näher? Bin ich nicht gewiß, daß ich auch über kurz oder lang das Los meiner Kinder teilen und wieder mit ihnen vereint sein werde?

Im Herzen quoll mir's wunderlich auf, der Pflug wurde mir so leicht in der Hand, als ging er von selber, und wie er die Erde wendete, schien er auch neue Gedanken mit heraufzuholen.

Zwar war es traurig, daß meine armen Kinder so frühe die schöne Welt lassen mußten. Allein auf der andern Seite war auch gerade ihnen wieder ein gar schönes Los gefallen. Ein sonniger, wolkenloser Frühlingstag war ihr Leben. Durfte ich sie beklagen? Da, Reinhardt, da dämmerte zuerst in mir auf eine Ahnung jener ewigen Liebe, die alle Welten durchdringt, die jegliches Wesen mit gleicher Innigkeit umfaßt, die jedes einzelnen Geschick so abwägt und ausgleicht, daß keiner verkürzt wird.

Noch ahnte ich nicht, welchen Schatz ich gewonnen; allein ich kehrte ruhiger heim, ein neues Leben begann von diesem Tag.

Nun ich das Geschick meiner Kinder nicht mehr trostlos beklagte, waren sie mir auch nicht mehr tot, ihre Gestalten standen in meinem Herzen auf, da lebten sie fort in ewiger Jugend und Schönheit. Die Ahnung der ewigen Liebe hatte meine Kinder vom Tode für mich auferweckt, die Welt neu belebt, mich selbst dem Leben wiedergegeben.

Nur langsam richtete ich mich auf, stand darum auch fest. Meine frühere Torheit hatte ich klar erkannt, all der unruhige Tatendrang, all die doch im Grund nur selbstsüchtigen Wünsche ruhten bei meinen Kindern im Grabe. Im Leid waren mir die Augen geöffnet worden für fremdes Unglück, wie erschreckte mich das Elend, der Jammer überall! Vermochte der Glaube an eine gerecht ausgleichende allgemeine Liebe mir nicht alle Rätsel zu lösen, so wurde er mir doch zum Heil, denn er führte mich vom Denken ab zur Tat. Ich selbst konnte ja ein Werkzeug jener ewigen Liebe werden, ich selbst konnte das Geschick der Armen und Elenden helfen ausgleichen. Und in diesem Handeln, Reinhardt, fand ich nicht nur völligen Trost und Frieden, sondern auch die wahre Erfüllung meines Lebens, die ich früher so weit ab, so hoch droben gesucht hatte. Ich lernte mich bescheiden, lernte einsehen, daß es nicht auf den Platz ankomme, den uns das Schicksal angewiesen, sondern nur, wie wir diesen Platz ausfüllen. Zu schaffen, zu wirken gibt es überall – was ist zuletzt groß oder klein? Solche Gedanken verloren sich überhaupt bald, je mehr ich ins Handeln kam! Bald sah ich ein: nicht von oben her tut Hilfe not, sondern von unten herauf! Wieviel Jammer, wieviel Elend lernte ich kennen! Großer Gott! wie sind die Herzen erstarrt und verhärtet. Da galt es helfen und fördern, da tat sich ein Arbeitsfeld vor mir auf!

Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen. Mit Freude darf ich sagen, nicht ganz umsonst war meine Arbeit; allein meine anfänglichen Hoffnungen haben sich nicht verwirklicht. Nur im engsten Kreis meiner allernächsten Umgebung zeigten sich Spuren meiner Wirksamkeit. Und nun werde ich alt, stehe einsam wie zu Anfang – und doch ist dem armen Landvolk Hilfe nötiger denn je!«

In großer Bewegung sprach der Schulbauer: »Sie kennen jetzt mein Leben und meine Ziele! – Still, ich will keine Entgegnung, heute nicht! Seit langem schon habe ich Sie im Auge, an Ihnen hoffte ich einen Bundesgenossen zu finden, hoffte, Sie sollten mein Werk weiterführen! Ich wiederhole meine Bitte: Bleiben Sie bei uns, Reinhardt! Ja, bleiben Sie bei uns – bei mir!«

Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt der Bauer eilig dem Dorfe zu. Sinnend blickte ihm Fritz nach. Auch er war in großer Erregung. Sich selbst hatte er in der Schilderung des Schulbauers wiedererkannt. Das gleiche Ungenügen, die gleichen hochfliegenden, gestaltlosen Hoffnungen und Wünsche ließen ihn nicht zur Ruhe, zur Klarheit kommen. War der Schulbauer der Mann, der ihm helfen konnte? War der Weg, den er ihm zeigte, geeignet, ihn zu einem befriedigenden Ziel zu leiten?

In großer Bedrängnis schritt er heim. Lange noch ging er in seinem Zimmer auf und ab, lange floh ihn der Schlaf. Er fühlte, daß er an einem entscheidenden Wendepunkt seines Lebens stehe.


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