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Fürstlichkeiten.

Wenn Erzherzöge kamen, zumeist der Erzherzog Eugen, der Thronfolger, und auch der geistesfriedliche, häuslich stark versklavte Friedrich aus Preßburg, der Besitzer volksveredelnder Schnapsbrauereien, dann beschäftigte die für den Empfang verantwortlichen Würdenträger unserer Grenze immer nur ein Gedanke: Wie machen wir's, daß er recht lachen muß, die kaiserliche Hoheit? Wer weiß die stärksten Anekdoten und die g'salzensten G'schichten? Was kann ma' ihm zeigen und was nicht? Ein Essen, das sich g'waschen hat, kriegt er, ein Paperl erschten Ranges. Dafür sorgte das Haupt des weißen Kreuzes. Die Welschen regten sich nie auf über erzherzogliche Besuche, so waren sie durchaus nicht. Sie fuhren lieber mal hinüber und erfrischten sich am Anblick des Minimums, das in Italien den Thron verzierte wie eine Tragantfigur die Torte. Als der Erzherzog Albrecht unter ihnen lebte, der sogenannte Sieger von Custozza, den sie natürlich mit ihrem besonderen Hasse beehrten, gingen sie ihm aus dem Wege. Und als sein häßliches Denkmal sich erhob, da wandten sie beim Vorbeikommen den Blick ab. Der Romane versteht anders zu hassen wie der Deutsche, sich anders zurückzuhalten, darin besitzt er Konsequenz. Wenn dann also der Erzherzog erschien, totgeredet vom Kommandanten, das weiße Kreuz inspizierte, über das er sich ausschwieg, dann in der Villa Hildebrand einen offiziellen Besuch gemacht hatte, der mit allen Formen preußischen Hofwesens aufgenommen wurde, pflegte er aufzuatmen. Den preußischen Besuch fand der hohe Herr unweigerlich schrecklich und sagte zu dem neben ihm sitzenden General jedes Mal: I' kann diese Leut' amal nit riechen! I mags amal nit! Die Festungsbesichtigungen, zu denen er eigentlich gekommen war, spielten sich dann lautlos ab. Nur italienische Blätter machten Bemerkungen, aus Drohung und Hohn zusammengesetzt. Conrad von Hötzendorf kämpfte jahrelang zäh,, schweigsam vor der Öffentlichkeit, die er haßte, seinen großen Kampf um die volle Wehrhaftmachung, die er für notwendig erachtete. Die entsetzliche Tragik dieser Kämpfe erkennt man erst heute. Damals gingen sie lautlos, ein Leben vergiftend. Conrad bewachte die Grenze mit offenem Auge. Was er begehrte, erhielt er niemals.

Bei den Diners oder den Schießen, die mit viel patriotischem Klimbim veranstaltet wurden, umgab die Prinzen die militärische Phalanx vorbestimmter Herren, ließ sie keine Wirklichkeiten sehen noch hören. Es war zwecklos, Audienzen zu nehmen, ernste Dinge wurden gar nicht angehört. Neben dem hohen Gaste saß unweigerlich immer der Spaßmacher irgend eines Regiments, mit stark gewürzter Zunge, als natürlicher Hofnarr, und flüsterte seine Geschichten. Lachte der Prinz, dann war alles gut. Man ehrte ihn ab, und hatte wieder seine Ruh auf Zeiten. Die ernsten Generale betrachtete man nur ironisch. Italien aber sagte: Österreich traut sich ja doch nicht!

Außer solchen einheimischen Fürstenbesuchen in gewissen Abständen kam auch der Statthalter aus Innsbruck und veranlaßte gar nichts; er saß blos bei der Koterie herum, die seine Sprache redete. Oder ein Minister kam und machte Phrasen, fand alles herrlich, die Grenze einwandfrei. Blinzelte abends auf der Terrasse von Torbole zu den welschen Scheinwerfern hinüber, die huschend aufflammten über dem Seespiegel. Man machte den Scherz: Die Italiener kommen! Das Alles klingt heute wie ein Märchen, nicht mehr verständlich. Damals schon bereitete sich alles Vernichtende vor, war Alles im Werden.

Mancherlei deutsche Fürstlichkeiten verbrachten ihre Winter in jenen Tagen nahe dem Gardasee, in Arco. Da waren die Hohenzollern von Sigmaringen, die Altenburger, sie kamen jahrelang, ihr Prinz Moritz, ein großer, schöner, alter Herr ist da gestorben. Ich habe nie einen Menschen sich mit mehr Anstand tötlich langweilen sehen, als diesen in seiner Ehe, in seiner Umwelt, in seiner Existenz, die nur an einem reich war, an Beschränkungen.

Überwacht von einer gestrengen und stattlichen Gemahlin aus Meiningen, pekuniär gehemmt und zeremoniell umschlossen, lebte er – seinem Katarrh. Oft ging er mit meinem winzigen Mädelchen spazieren, das ihm Spaß machte und sehr in Gnaden war. Aber diesem Knirpslein gefiel der wunderschöne Kammerdiener mit dem weißen Kaiserbart viel besser, und es erklärte beim hoheitlichen Tee, den heiraten zu wollen. Die Hoheiten lasen viele, aber nur gesinnungsvolle Bücher; gaben kleine, pariserische Diners, redeten Hofgespräche, entfalteten Grandezza zugleich mit einer freundlichen Menschenverachtung, die man immer herausfühlte. Sie nannten ein junges Mädchen, das ihnen gefiel, ein gutes Tier und betrachteten die Menschen nur als Gegenstände des Amüsements in der Langeweile. Ihre Kinder, deutsche Prinzessinnen von kleinen Höfen, dann eine russische Großfürstin, kamen, sahen bei uns auf der Hausbühne Theater spielen, nahmen leichten Anteil an der Geselligkeit. Ich beobachtete die komische Angst dieser Hochgestellten vor Katastrophen. Der Fürst von Bückeburg zitterte immer vor Umstürzen, er hielt das Böllerschießen in Igels in Tirol für Revolution. Ich sah die traurige Preisgegebenheit solcher Fürstenexistenzen inmitten ihrer Umgebung. Auch die Königin von Sachsen kam nach Arco. Und die Kronprinzessin von Rumänien, diese wunderschöne Frau, die sehr viel vorstellte, aber vielleicht zu etwas Anderem geboren war als gerade zu einer Königin mit ihrem Auslebeprinzip, das über Leichen ging. Die Nähe der Throne und Kronen ist entsetzlich ernüchternd. Diese Art von Prestige in ihrer Künstlichkeit hält vor den heutigen Menschen nicht mehr stand.

Auf seiner Hochzeitsreise kam der junge Kronprinz Karl dann später auch zu uns an die Grenze, ein hübscher österreichischer Leutnant mit einer Frau von fremdem Typ, die ihn beherrschte und nicht gern deutsch redete. Sie verplauderte sich mit den welschen Arbeitern, statt zum Empfang zu gehen. Den schwachen jungen Menschen beherrschend, durch ihre, ihm weit überlegene romanische Art und fremde Erziehung, Intrigantenblut in den Adern, die Skrupellosigkeiten eines altbekannten welschen Prinzenhauses, war sie für Österreich ein gefährliches Element, waren die Ihren noch gefährlicher. Das hat sich später im Kriege gezeigt. Ihr Haus stand während des blutigen Ringens zweifellos in geheimen Verbindungen mit dem Feind und sein Blut war einem Frankreich, einem Italien naturgemäß nicht feindlich. Aber unsere Besten verbluteten für das Haus Habsburg, und auch für diese Frau, die Österreich nie geliebt hat. Immer kam nach Arco, wo ihr Gatte begraben lag, die Königin von Neapel. Sie war der Mann in ihrer Ehe gewesen, sie hatte bis zuletzt gerungen um einen fallenden Thron. Oft habe ich sie an diesem reichüberblühten Grabe sitzen sehen auf dem Friedhof, darin viele Deutsche lagen, und der im Kriege so sehr gelitten hat von Frevlerhand. Schönheit und Schicksalstragik umschwebten diese große Einsame. Sie konnte einen Königstraum nicht vergessen.



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