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Geleitwort.

Das erste Buch der »Erinnerungen einer Respektlosen« hat im Publikum den freundlichsten Widerhall, bei der Kritik volles Verständnis gefunden.

Es brachte die Werdejahre eines Lebens, das eigene Wege gegangen ist in vielen Kämpfen, in widerspruchsvoller Entwickelung und endlicher Selbsterkenntnis. Die Wirklichkeit ausschöpfen dort, wo sie meistens nicht berührt wird; das frei aussprechen, was menschlich wahr, daher Jedem verständlich ist; der eigenen Verfehlungen sich nicht schämen, das ist eine Sache der Selbstüberwindung, auch eine Lebensweisheit, die die Menschen zueinander führt.

Dieser zweite Band der »Erinnerungen« umfaßt die Epoche von 1899 bis 1914. An Grenzen verschlagen; gezwungen, die besten Jahre meines Lebens da zu verbringen, wo zwei einander tief feindliche Völkerarten unausgesetzt aufeinander prallten; durch Stellung, Verhältnisse, geistige Regsamkeit und innerliche Revolte gegen bestehende Regierungs- und soziale Formen fortgesetzt in diesem Kampf in Mitleidenschaft gezogen, an den geheimen Kämpfen und Qualen eines Volkstums teilnehmend, habe ich den Grund der Dinge wohl erkennen können, das Hereinbrechen der Götterdämmerung jahrelang vorempfunden. Ein sorgenloses Privatleben kannte ich niemals. Hinter der Geselligkeit und Repräsentation, die lange Zeit mir künstlerische Anregungen ersetzen sollten, krochen all die Schatten unerbittlich heran, in denen schließlich ein lichtes Land und leichtlebig wirkende Völker versanken. In der nie verstummenden Tragik des Grenzlebens, das sich auch in der Familie tief auswirkt, mitten im welschen und vielsprachig österreichischen Treiben hat sich meine Natur langsam durchgearbeitet zur Überzeugung, daß deutsche Wesenheit die beste ist.

Aber es liegen in der österreichischen Natur, selbst wenn sie richtigen Willens ist, seltsame, oft kaum zu begreifende Hemmungen gegen das volle Bekenntnis zum Deutschtum. Darauf bauen die Erbfeinde, Frankreich, Italien – das ungeheure Slaventum, damit rechnen sie alle. Denn das Gespenst, das ihren Siegerschlummer stört, ist und bleibt dieser Zusammenschluß alles Deutschen auf der Welt, zu dem das volle Sichfinden Österreichs und Deutschlands den Auftakt geben würde. Passive Resistenz lauert immer bei uns, von einer Umwelt gestützt, ja aufgestachelt, die nicht zu fassen ist. Bluts- und Stammesbrüder sind da, die sich gegenseitig verletzen, abstoßen, nicht begreifen. Wo ist der große Führer, der sie endlich wirklich zusammenbrächte? Dieser Führer ist heute die wichtigste Persönlichkeit für uns.

So ist, so war Österreich; so waren wir Alle, mit wenigen Ausnahmen. Wie lange werden wir noch so sein; uns klammern an's Unmöglich gewordene, Überlebte, Welke, die frischen Triebe abstoßen? Als unangenehme Leute die boykottieren, die an ein Großösterreich, im besonderen Sinne habsburgischer Grundideen der Volksverfremdung, nicht mehr glauben können? Sie heißen die Verräter am altösterreichischen Gedanken.

Ich stehe allein im Leben. Losgelöst von dieser absterbenden Heimat von gestern bin ich und vertrete als mein Lebensziel den Gedanken dieses Zusammenfließens meiner deutschösterreichischen Heimat mit dem Reiche. In ihm liegen wartend die jungen Keime aller Hoffnungen. Beherrschen muß der deutsche Gedanke die Welt, Herr werden der Kultur, ihr wieder die Richtung geben. Nutzbar gemacht werden müssen alle deutschen Kräfte überall. In Österreich liegen, aus Unverstand und Gleichgültigkeit, ungehobene Schätze, blühen Industrien nicht, verkümmern geistige Kräfte. Ihnen reiche die führende Hand das deutsche Vaterland. Es erziehe zur Reife ein Volk voll von Gaben, herzenswarm, gesundmachend fröhlich und gut, aber führerlos. Ich weiß es, wie lange ich das selber gewesen bin in mir, was es gekostet hat, den Weg zu finden. Kämpfe einer einzelnen Natur weisen hier hin auf den allgemeinen inneren Kampf der Heimat, der hineinsprüht ins Ringen der ganzen Zeit, um die Vorherrschaft der Nationalitäten und Rassen. Wer nie nur ein Ich war, in sich selbst eingesponnen, wem persönliche Bevorzugungen das Leben nie ausgefüllt, der darf es wagen, von dem Stärkeren in sich zu reden. Das Ringen eines Einzelnen solcher Art ist Ringen einer Zeit.



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