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Elisabeth Wittelsbach-Habsburg †

Ich blicke auf das Kreuz neben diesen Namen und denke an die Frau unter Dornenkranz und Fürsten-Krone, die im ersten Jahre meiner Ehe hinausglitt aus dem Rahmen irdischen Lebens. So recht in diesem Rahmen ist sie schon lange nicht mehr gewesen. Uns Österreichern war sie nicht mehr die Kaiserin, die ihre Pflichten zu erfüllen hatte, wie jede andere Frau, die zu bestimmten Zeiten, bei vorgeschriebenen Anlässen in die Erscheinung tritt, wie es der Kaiser Franz Joseph unbedingt und zuverlässig tat. Der Kaiser kannte keine Absagen. Sein persönliches Leben war null in seiner Leere und geistigen Knappheit, seinen übereinfachen Gewohnheiten manchmal unbegreiflich.

Am Schreibtisch, an dem er gestorben ist, spann seine ganze innere Welt. Die Frau aber, die er sich in einem kurzen Liebesrausch aus dem stammverwandten Lande und Herrscherhaus geholt, in dem bei einzelnen Linien ein abnormales Seelenleben spukte, nahm ihre Persönlichkeit seit langen Jahren viel ernster als ihre hohe Position, die sie quälte wie etwas Wesensfremdes. Diese Frau war ein Ich in einem tieferen und gedankenvolleren Sinne, als dem eines bloßen sich auslebenden Egoismus. Ihre Ideale starben nie. Ihre schweigende Sehnsucht trug sie durch das Dasein, am Dasein vorüber. Viele richteten sie streng. Sie hat den Schlüssel zu österreichischem Wesen nie gefunden, obwohl sie sich nach den Besten aus diesem Wesen immer gesehnt hat. Zwischen ihr und dem echten Volk hat wie eine Phalanx die Hofclique gestanden.

Als nach Elisabeths Tod Künstler Ungarns dem Kaiser Entwürfe für ein Denkmal der Ermordeten brachten, von denen Jener den ersten Preis verdiente, der das unglückliche Los dieser Frau so recht zum Ausdruck brachte, da verwarf es der Kaiser mit den scharfen Worten: Die Kaiserin ist keine unglückliche Frau und Mutter gewesen.

Es war das uralte, typische Sich-selbst-Belügen des Habsburgertums in Österreich; der Hof- und Beamtenwelt, der hohen Generalstabskreise, der Politik und des Privatlebens bleibender Unterton. Vertuschen, verschleiern, nicht wahr haben wollen, was ist.

Auf der Lebensbahn Elisabeths war Blut und Tod. Sie sah ihren Schwager Max von Mexico fallen, dessen poetische Schwärmerseele manchmal in jungen Tagen mit der ihren zusammenklang. Sie wußte, daß er falsche Wege ging, die mit der Vernichtung enden mußten, und sagte es ihm. Damals noch wehrhaft, unbestechlich wahr, kämpfte sie, um ihn zu retten gegen den Einfluß seiner ehrsüchtigen Frau, ihrer Todfeindin. In dem schönen Lustschloß bei Triest, wo bis zur Revolution ein Erinnerungstempel habsburgischen Lebens der sechziger und siebziger Jahre war, wo die Jugendbilder des Kaiserpaares sich wie Lichterscheinungen einer anderen Welt von den Wänden abheben; wo Radetzkys, Benedeks, Tegetthofs Gestalten grüßten aus edlem Rahmen, und Gärten voll Rosen hereinblickten in große Gemächer, erfüllt von Stimmung, in Miramar webt die Seele Elisabeth Wittelsbachs. Hier focht sie Kämpfe, hier kannte sie Nächte, wo die Nachtigallen sangen und riefen. Immer wird dieses Miramar, in dem heute wohl welsche Brigantenhand jede Spur des Gestern ausgerottet, den Stempel eines Habsburghauses tragen; in den Laubengängen, zwischen blühenden Orangen, Myrten und Kamelien, die ein Blütenfest begehen, wird man die Gestalt der Kaiserin hingehen sehen, erst von Glanz und Macht umgeben, dann einsam. Der Schatten Maximilians, der von hier auszog auf die Todesfahrt nach Mexico, raunt hier noch, Charlottens hochfahrendes Antlitz sucht sich empor zu recken über die Kaiserin, ihr wenigstens gleich zu kommen. Nur einen Thron, irgend einen Thron! Mag der Mann darüber zugrunde gehen. Leise ätzend schleichen die Intriguen durch Blumenduft und Nachtigallenschlag.

Das war der erste Mord im Dasein dieser Fürstin. Der Letzte nicht. Ganz andere Entsetzlichkeiten, als diese politische Katastrophe sollte sie ertragen müssen bei dem Kaiser, zu dem sich niemand mit einer Hiobsbotschaft wagte, deren Verkünderin sein. Das war die furchtbare Mission ihrer letzten Jahrzehnte. Das und eine dumpf schwälende Angst vor ihrem eigenen Blut, dem Blute Ludwig des Zweiten und Ottos von Wittelsbach Wahnsinnsnaturen. Ihren Tropfen Blut hatte sie mitgebracht nach Österreich; sie sagte sich's, ehrlich wie sie war, sagte sich's selber. Rang mit dem Gespenst in sich, bezwang es nach Außen; aber sie nahm es dann schaudernd wahr im eigenen Sohn. Da brodelte es auch, vermischt mit anderen Erblichkeiten und Verhängnissen habsburgischer Art, der heimlich zügellosen. Da gährte dieser Tropfen Blut, aus dem ragende Größe kommen konnte und Weltzerstörung. Sie suchte – suchte verzweifelt den Sohn, den nur sie begriff, zu erziehen, zu retten. Er wurde ihr ganz genommen. Fand auch für diese Mutter, die er falsch wie die anderen beurteilte, nur mehr Zeremonie und Form. Sie störte ihn. – Hinter der jungen Kaiserin, die das Unfreieste aller Geschöpfe war, steht eine in Österreich typische Gestalt mit unbegrenzter Herrschergewalt im indirekten Sinn, Sophie von Bayern, die Mutter des Kaisers, eines schwachen und unfähigen Erzherzogs, der ganz alten Schule, an Ehrsucht kranke, skrupellose Frau.

Sie vergiftete die junge Ehe, zerstörte sie nach kurzem Traum. Sie brachte die Untreue in des Sohnes Leben, den humanistischen Einfluß der großzügig angelegten Natur Elisabeths über Alles fürchtend. Religiös, wohl aber niemals kirchlich war die Kaiserin. Sie hatte keine geistlichen Vertrauten und jene Schwächen nicht, auf denen sich dann beherrschende Einflüsse aufbauen, die man ausnützt, Ihr Leben war rein. Zu rein vielleicht!

Was böswillig da und dort erdichtet ward in diesem Leben, angedeutet, als Leidenschaft, Verirrung, ist nie gewesen, selbst nicht in der üblichen Art, die man verzeiht, ja erwünscht. Es wurden ihr Neigungen in Ungarn angedichtet. Passionen und Schwärmereien, weil sie dieses Land und seine starken patriotisch bewährten Menschen wirklich liebte, seine Kämpfe bewunderte, die Ganzheit magyarischer Wesenheit, im zerrissenen Österreich erschüttert, empfand, das unhaltbare Zusammengespanntsein des Doppelreiches. Deutsches und ungarisches Wesen ergriffen ihre Seele. An das Deutschtum Österreichs hat sie nie herangekonnt. An Ungarisches Fühlen sehr oft.

Dort war sie Königin in den heißen Herzen durch ihre seltsame feine Schönheit, ihre natürliche Fürstinnenwürde, furchtlose, der Einsamkeit ergebene Art. Durch ihr Reiten hin über die schweigenden Pußten, ihr Jagen ins Uferlose hinein, verwachsen mit einem edlen Pferd.

Hinter sich diese magyarischen Herren aus edelem Blut, feurig zugleich und verschlossen, aus den Familien, in denen die vielen Märtyrer und Opfer die Blutzeugen für und gegen die Habsburgische Sache gewesen sind. Ganz jung vermählt, hat Elisabeth nach der ungarischen Revolution, in der ihr Gatte das edelste Blut des Landes in Strömen auf dem Schaffot fließen ließ, auf jenem ersten Hofball der äußeren Versöhnung stehen müssen in der ungarischen Tracht, in Schleier und historischer Krone, und hat diesen Adel empfangen müssen, den man gezüchtigt hatte in furchtbarer Weise, dem man nun – pardonierte. Die junge Königin zitterte damals am ganzen Leibe, in ganzer Seele. Sie litt mit den Gebändigten. Etwas in ihr schrie auf für diese Szechenyis, Bathyanys, Bethlen, Telekys, für die Großen des Landes. Die ganze Geschichte durch bald sechshundert Jahre nur Kampf und Leid, nur Blut und Elend! Und dann dieses Maskenspiel, immer wieder die zusammengeflickte Völkerehe, ohne inneren Zusammenhang! Ahnte die junge Frau ein eigenes Schicksal in dieser Ehe? Wie es auch war, die Ungarn haben Elisabeth von Wittelsbach geliebt, wie sie eben lieben. Großzügig und glühend bis zuletzt. Nie schlug ihr Herz für Franz Joseph und das Doppelspiel seiner Regierung, immer für die stille Herrin von Gödöllö. Sie war nicht Monarchin, sie war ein Herz, das mitfühlte, das Land und das Volk verstand.

Es kamen die finsteren Schicksale ihres eigenen Hauses. Ludwig des Zweiten Tod, über dem die Wasser sich schweigend schlossen; der Schwestern Schicksal. Elisabeth war eine Natur, die maß mit großem Maßstab. Die kleinlichen Urteile, die Engen und Härten, wie sie den Kliquen Gesetz waren, wie die junge Kaiserin Zitta sie später mitleidslos vertrat, kannte ihre Vorgängerin nicht.

Sie verdammte selten, nur bei Niedrigkeiten, den Begriff »unmoralisch«, – »unmöglich« im landläufigen, gesellschaftlichen Sinn kannte sie nicht. Sie hat Frauen die Hand gereicht und sie angelächelt, die als erledigt galten; ihr menschliches Mitleid auch da, wo sie nicht mehr begriff, war tief.

Es war das Weiblichste an ihr.

Diesen seltenen Zug einer österreichischen katholischen Fürstin haben viele an sich erfahren, wie ein großes Erlebnis. Furchtlos und willensstark ging die Kaiserin in solchem Denken, in solchem hilfsbereiten Handeln ihre Wege über ihre schaudernde Umgebung hinweg.

Trotz großer Menschenkenntnis aber beschwor sie damit unerhörte Gefahren herauf; Unkraut wucherte um sie empor.

Ihr Sohn zerstörte sich selbst, sie hatte es dem Kaiser zu melden. Das Reich war der Habsburgischen Schmach voll, alles Dementieren half nichts. Schuld und Schande, unerhörte Herabwürdigung hatten einen Thronerben, einen Gatten und Vater in die krasseste Selbstvernichtung getrieben.

Rudolf glich seiner Mutter äußerlich. Sie nahm es zum letzten Male wahr, als sie an seinem Sarg stand, ehe das wohltätig verhüllende Tuch über ihn niedersank für immer.

Das Grauen vor jenem Tropfen Blutes, den sie hereingebracht in ein uraltes, schon erschöpftes, an Sünden reiches Geschlecht, in dem die Epilepsie wiederholt gespukt hatte, dieses anklagende Grauen mag damals noch stärker als die Mutterverzweiflung gewesen sein. Zerschmetternd. Von dem toten Sohn ging diese Frau als eine andere fort, die sie gewesen. Sie erstarrte in sich selbst.

Noch einen langen Blick, einen letzten, bei dem das Blut stockte, auf diese Umgebungen alle, in denen sie die Schuldigen wußte und kannte, die den Erben so weit gebracht. Es waren dieselben Namen, die ihre eigene Jugend, ihr Frauen- und Mutterglück vergiftet, ihre Hände gelähmt hatten. Es war die Jahrhunderte alte, landfremde, nicht dem Boden entsprossene, nur willkürlich gezüchtete Camarilla dieser Hofgesellschaft, der Mächtigsten der Welt, in spanischem Stil mobilisiert und großgezüchtet. Undeutsches Wesen, eine fremde Moral, Skrupellosigkeit, Herrschbegier, die aus Madrid und Rom kamen. Das waren die wirklichen Gebieter des Landes, da arbeitete die Gewaltherrschaft seit Jahrhunderten. Dieser Wiener Hof, dessen glänzenden Anblick die buntgemischte, fremde Art noch hob, war das große Grab der deutschen Volksentwicklung in Österreich, des deutschen Herrschergedankens; wer ihm widerstand, der fiel.

Wer sein Spielball war, der verdarb und verkam, wie Rudolf verkam. Was war in Wahrheit der Monarch selbst? Eine Puppe, gelenkt an Fäden. An diesem Sarge, in ihrem entsetzlichen Unglück, dachte die Kaiserin an ihr eigenes, nie in Worte gefaßtes Erleben, das sie hinausgetrieben hatte in die Fremde, um wenigstens eines zu finden: Schönheit, Frieden, da das eigene Schicksal ein verspieltes war. Wem sie vertraut, im Anfang, den hatte man entfernt aus ihrer Nähe. Höflinge, deren Geschlechter feststanden durch Generationen, hatten gegen sie gearbeitet.

Die adeligen Verbrecher des Jahres 66, die, um einen Feldherrn zu stürzen, ein Land geopfert, persönlichem Selbsterhaltungstrieb die Sache hingeworfen, waren allmächtig, nach wie vor.

Demütigungen, Widerspiele, Betrug und Übergehen, Schläge ins Gesicht, Vereinsamungen, das war diese kaiserliche Frauenexistenz gewesen.

Gebundene Hände lagen auf dem Opferstein. Für die schändlichen Intriguen, die einer der eingesessenen, beim Kaiser allmächtigen Höflinge gegen die Kaiserin spann, hat dieser Mann auf seinem Totenbette dann plötzlich um Verzeihung gebeten. Er erflehte das Erscheinen der Fürstin bei ihm; sie kam. Neben ihm stehend, der da gemartert in später Erkenntnis des Todes in den Kissen ächzte, hat eine Frau, wie zu Stein erstarrt, die letzten Bekenntnisse angehört, eines an Schuld und Lastern reichen Daseins, das Betteln um Verzeihung. Sie blieb eiskalt.

Sie wußte: Da stirbt Einer, viele Andere leben! Es ist auch zu spät; alles ist vorbei. – Ihrer gedenken die leise atmenden Meere, die stürmisch bewegten Wellen, die sie geliebt hat. Gedenken des Schiffes, einer ganz im Leben Verlassenen, die da vorüberglitt, die Schönheit der Erde bestaunend, ihre Hoheit nach dem Erlebnis menschlicher Niedrigkeiten. Ihrer gedenken die Olivenwälder, die um das Achiläon weit sich breiten, silbergrün, wie blasse Seide, mit schlanken Zweigen, durch die sich Rosen ranken. Rot steht der Mohn im hohen, südlichen Gras, den ihr die Kinder boten. Ihrer denken einfache Menschen, die am Herzen der Natur leben, da, dort, auf Pußten, in südlichen Einsamkeiten. Denken, in einem leidenschaftlichen Sehnen, das nie erlischt, einige erlesene, verstehende Naturen. Sie war von der wirklichen Größe gestreift und kam dem Innersten der Dinge nahe; daß sie das in den Unwürdigkeiten, Demütigungen und Verzweiflungen nicht verlor, darin liegt ihr Verdienst. Sie schützte in sich den Menschen.

An der Stelle in Genf, auf der sie ermordet wurde von einem Welschen, stand ich acht Tage vorher. Ich habe Elisabeth noch in Montreux gesehen. Die schlanke Gestalt mit den Linien ewiger Jugend, den Kopf scheu von der Menge abgewandt. Leichten Schrittes ging sie dahin, unbekümmert. So sah ich sie auch wiederholt in Wels, in Oberösterreich, wenn sie bei der Lieblingstochter weilte. Weite Wege wanderte sie, bestieg hohe Berge. Lebte spartanisch. Sehnte sich immer fort, in Weiten. Nun ist sie fort.

Ein einziges Mal nach dem Tode des Kronprinzen empfing die Kaiserin Elisabeth, auf den besonderen Wunsch des Kaisers, noch in der Hofburg mit dem ganzen Glanz, der ganzen, unvergleichlichen Aufmachung dieses etikettereichen Hoflebens. Sie war schön, wie aus einer anderen Welt und bleich wie des Todes edelste Verkörperung. Überstrahlte alles, was hier köstlich anzusehen war, prägte sich ein als eine unvergeßliche Erinnerung. Dann fiel der Vorhang hinter ihr und rauschte nieder.

Da stand und sah ihr lange nach ein Mann, nun alt, an Ehren reich, ein Österreicher, auch vergrämt, verbittert, hoffensmüde. Der an die Orden nicht mehr glaubte, die seine Brust bedeckten. Er stand und blickte mit lichtlosen Augen, in denen einst das frohe Jugendfeuer unseres Temperaments gesprüht und geirrlichtert hatte.

»Ich habe ihr die freudige Glückwunschadresse der Stadt Wien überreichen dürfen«, sagte er heiser vor sich hin. »Ja ich, als der Kronprinz geboren wurde. Sie empfing zum ersten Male. Wir kamen, eine Deputation, standen wartend in dem großen Saale. Da teilte ein Vorhang sich, sie trat ein. Es war, als blühe auf dunkelem Grunde eine Rose auf. So stand sie plötzlich da – und lächelte. Jedem von uns, so schien es, so fühlten wir's, galt dieses Lächeln, das strahlende, sonnendurchwärmte. Eine junge Mutter lächelte.

Sie brachte uns etwas von dem Blicke ihres Kindes, darin noch der Engelstraum webte. Wir waren fassungslos. Ich fand die Worte nicht gleich, die ich sagen sollte. Ich sah sie nur an.«

Die Stimme des Erzählers brach.

Kurz nach diesem Empfange hatte Elisabeth ihre erste offizielle Ausfahrt in Wien nach der Geburt des Erben zu machen, unter großem Zeremoniell. Inzwischen aber mochte schon dieser stumme, würgende Kampf um das Kind eingesetzt haben, das man ihr zu nehmen gedachte. Als man der Kaiserin sagte, Wien erwarte sie, um in den Maimorgen ihres lieblichen Gesichtes zu jubeln, da wurde – es war bei der Toilette – da wurde dieses Gesicht schmal, weiß und hart. Ein Kampf lag hinter ihr, sie bebte in allen Fibern. Als ihr Anzug vollendet war, befahl sie, einen dichten Schleier zu bringen; ließ ihn sich trotz aller Beschwörungen umlegen und fuhr so aus. Das Volk von Wien sah die Gestalt seiner Kaiserin, nicht ihr Antlitz.

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Ehe Benedek im Jahre 1866 das aufgezwungene Kommando im Bruderkrieg mit Deutschland übernahm, nach jenen beispiellosen Szenen mit dem Kaiser und dem Erzherzog Albrecht, der das Schicksal und Fortbestehen der Dynastie von ihm abhängig gemacht, hat er die Kaiserin noch einmal, zum letzten Mal gesehen.

Elisabeth berief ihn knapp vor seiner Abreise zu einer inoffiziellen Audienz, ohne Zeugen, in ihren eigenen Privatzimmern.

Der Kaiser wußte es, wie man bei Hofe Alles wußte, und war diesmal trotz der Bedenklichkeiten seiner Umgebung nicht gegen den selbstständigen Akt seiner Frau. In den großen Momenten, wenn es um Alles ging hat er die Gewalt ihrer Persönlichkeit, ihres Einflusses wiederholt ausgeprobt. Sie sollte ihm den Unglücklichen, der sich hingab, noch ganz dingfest machen.

So standen sich der Feldherr und seine Kaiserin gegenüber vor der furchtbaren Schicksalswende dieses Krieges, der sie, als Bayerin mit Entsetzen erfüllen mußte. Nie hat auf einer Unterredung ein schwererer Bann gelegen. Benedek erzählte sie nur einmal meinem Gatten, der sie flüchtig niederschrieb. Doch wie lebendig ist dieses Bild eines alterprobten, zu den höchsten Ehren aufgestiegenen Soldaten von schicksalshaft tragischer Dynastentreue, der zum ersten Male va banque spielt und das weiß. Der gegen seine Überzeugung, gegen seine Vernunft, seine Erfahrung etwas wagt, das er nicht wagen soll; sich und die Armee hingeben muß für das Erzhaus. Dessen moralische Pflicht ein starres »Nein« wäre, dessen Offiziersbewußtsein ihm das »Ja« der Selbstvernichtung, des Todes Tausender befiehlt. Ihm gegenüber, in ihn hineinhorchend, fast wortlos vor innerem Grauen, eine Frau, die denkt: Es hätte sich für diesen Krieg kein Führer finden dürfen. Beide dürfen die Worte nicht sagen, die in ihrer Brust brennen. Beide leiden mehr, als Menschen ertragen können. Versiegelt sind ihre Lippen. Vor fragenden, verzehrenden Augen muß der Mann die seinen senken, militärisch beherrscht, im Dienste erstarrt. Muß sagen: Es soll gehen, Majestät, rasch und schlagend. Wir müssen durch! Seine Stimme wird heiser.

Eine Hand zittert ihm entgegen. Er beugt sich über sie, küßt sie, zum letzten Mal. Durch seine Seele geht ein schwirrender Ton von gesprungenen Saiten: Auch dich werde ich niemals wiedersehen. Sie aber sieht ihm nach, wie er den Raum verläßt, lautlos, in sich zusammengefaßt. Ihre Arme möchten ihn packen, zurückreißen, ihn zwingen zu einem »Nein,« das Widerhall in allen deutschen Herzen Österreichs findet. Miteinander! nicht gegeneinander. Diese Arme sinken schlaff herab. Auch sie hat gelernt, was ihre Pflicht ist. Er salutiert an der Türe noch einmal. Soldatenaugen tauchen in die ihren.

Dann ist er gegangen.

Wie auch sie später ging: Lautlos besiegt!



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