Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die

Zeit

ist der Kalender des lieben Herrgotts, in welchen er seit Erschaffung der Welt in großen Schriftzügen die Geschichte seiner Schöpfung einschreibt! Die Zeit ist ein Teil der Ewigkeit, die kein Mensch fassen kann; nur der Gedanke der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – d. h. die vergängliche Zeit – ist uns begreiflich, weshalb wir eine Zeitrechnung haben; die Ewigkeit aber ist über alle Rechnung hinaus. Die älteste Bemessung der Zeit ist die Beobachtung des Aufganges und Niederganges der Sonne; dies ist ja die gewaltige Uhr, die seit Anbeginn ihren geregelten, unwandelbaren Gang geht und für Millionen und Millionen aufgezogen ist, auf daß sie wissen: jetzt beginnt der Tag und jetzt endet er. Ungefähr 400 Jahre vor Christus gab es eine Art Kalender: die Astronomen schrieben nämlich auf Tafeln die Zahl der Tage ein und Beobachtungen der Witterung; erst Julius Cäsar, Roms mächtiger Diktator, ließ genauere Berechnungen und Einteilungen im Jahre anstellen und ordnete im Jahre 45 vor christlicher Zeitrechnung im ganzen römischen Reiche einen Kalender an, welcher deshalb der Julianische heißt. Bis dahin wurde bei den Römern immer der erste Monatstag, der Calendae hieß (daher auch der Name »Kalender« kömmt) durch einen Priester ausgerufen. Da aber diese Einteilung der Zeit sich als nicht ganz richtig bewährte und die Abweichung im Jahreslauf 13 Tage betrug, ließ Papst Gregor XIII. dies berichtigen und durch ihn wurde anno 1582 der christliche gregorianische Kalender eingeführt, mit dem Schaltjahre, wobei ein Teil der Festtage fest bestimmt ward. Unsere Vorfahren, die alten Deutschen, da sie noch Heiden waren, teilten ihr Jahr in Frühling, Sommer und Winter, welche sie durch große religiöse Feste feierten und die Bezeichnung so mancher unserer Wochentage stammt noch daher, wie z. B. Donnerstag, von dem germanischen Gotte Donar; Freitag, von der Göttin Freia u. a. m. Die Zeit ist etwas gar Heiliges und Erhabenes: denn die Tat, die in einer Minute geschehen mag, hat oft Folgen nach sich, welche Jahrhunderte dauern! Bedenk' also wohl, was du oft in einer Minute vollbringst; denn das Sprichwort »jeder Augenblick ist kostbar« hat seinen guten Grund. Ein Augenblick kann dir die Hölle erwerben oder den Himmel! Die Zeit ist aber auch wunderbar; denn es ist ja ein Wunder Gottes, wie in ihr alles zusammengefügt ist, wie eines in das andere geht, wie eines aus dem andern folgt, wie sich tausend und tausend Jahre gestaltet haben in der Zeit – alles aber in geordneter Reihenfolge und wären wir nicht kurzsichtige Wesen, so würden wir nichts einen »Zufall« nennen (wie es oft geschieht), denn alles hängt zusammen in der Zeit und im Raume! Daher haltet die Zeit heilig und werft auch nicht ein Stündlein als unnütz weg, ihr könntet euch einst darüber verantworten müssen! Es gibt aber eine Zeit der Arbeit und eine Zeit fürs Ausruhen, aber nie eine fürs Faullenzen. Heißt es ja in der Bibel vorbildlich für den geschaffenen Menschen selbst: »und also vollendete Gott am siebenten Tage (der Schöpfung) seine Werke, die er machte. Und ruhete am siebenten Tage«. Das war freilich eine Art Ruhe nicht nach unseren irdischen Begriffen. Es war die im Geiste und der befriedigende Ueberblick über das große Werk der Schöpfung. Benützt also auch die Zeit der Ruhe, nachdem ihr eure Zeit wohl gebraucht habt. Gar viele ruhen gar so gern im Wirtshaus aus, wo wenigstens eine Wanduhr hängt, auf der sich die Zeiteinteilung nach Lusten und Durstigkeit des Ausruhenden einteilt, bis endlich der Nachtwächter ruft: 's ist Zeit zum Heimgeh'n; oder gar der Hahn mit seinem Morgengruß an die verplempelte Zeit erinnern muß. Einmal aber kommt ein schlimmer Gast und klopft an die Stubentür, winkt mit dem klapperdürren Finger und ruft: »Komm' mit, 's ist Zeit!« Solche Zeitmahnung kömmt freilich manchem zu früh oder gar unerwartet, daß es nämlich mit seiner Lebens zeit aus sein soll; aber es hilft dann nichts mehr, die Zeit verwandelt sich in die Ewigkeit und das zeitlich Versäumte läßt sich nicht mehr nachholen oder einbringen. Dergleichen – nämlich daß die Zeit ein Heiligtum ist – solltet ihr euren Kindern frühzeitig beibringen. Verlorne Zeit führt zum Müßiggang, und daß dieser der Erzfeind des Guten und intimste Kamerad des Höllischen ist, das wissen wir zur Genüge und können die Anwendung davon alle Tage sehen. Die Engländer haben ein Sprichwort, welches sagt: » Zeit ist Geld.« Nicht übel, wenn alles aufs Geld hinausgehen soll! wir aber möchten sagen: » Zeit ist Gold« – ja unvergängliches, ewiges Gold für alle die, welche sie im christlichen Sinne des Wortes wohl anwenden: Gold, leuchtend und blinkend von himmlischem Glanze; Gold, das beim letzten Gerichte in die Wagschale gelegt wird; Gold, das dem Teufel gewaltig die Augen blendet, wenn er sich an eine arme Seele machen will mit seinen höllischen Krallen; Gold, wie es kein anderes auf der Welt gibt! In diesem Sinne ist Zeit – Geld, nämlich eine Münze der Ewigkeit, womit sich ein jeder kaufen kann, was er will zur geistlichen Reisezehrung ins Jenseits. –

Und so ist denn dies Büchlein mit dem Buchstaben Z geschlossen, womit auch das ABC zu Ende geht. Laßt euch die Zeit nit gereuen, es gelesen zu haben!

Was ist die Zeit?
Sie ist ein Teil der Ewigkeit.
Gebraucht sie gut
Mit frohem Mut
Dem lieben Gott zu Ehren!

Was ist die Zeit?
Ein Becher, für den Trunk bereit,
Draus Süß und Sau'r,
Trinkt Herr wie Bau'r,
Ihn auf den Grund zu leeren.

Was ist die Zeit?
Sie ist so Leid wie Freudigkeit!
Doch nichts besteht
Und alles geht –
Das möget ihr beachten!

Was ist die Zeit?
Des lieben Herrgotts Ehrenkleid,
Gewoben fein
Aus Himmelsschein,
Ein Wunder zu betrachten.

Was ist die Zeit?
Ein Bild von der Vergänglichkeit.
Drum sammelt Schätze solcher Art,
Die ihr der Ewigkeit bewahrt,
Von and'ren müßt ihr scheiden.

Was ist die Zeit?
Sie ist des Menschen Seligkeit,
Wenn er sich für die Ewigkeit
Auch jede Stunde heilig weiht
In Freuden und in Leiden!


 << zurück