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Mit den X und Y ist's eine schlimme Sache, dieweil in unserer Muttersprache diese Buchstaben nicht zu Hause und eigentlich griechischen Ursprunges sind. – Nun könnte wohl bei dieser Gelegenheit vom alten persischen Könige Xerxes gesprochen werden oder von des heidnischen Gelehrten und Weltweisen Sokrates böser Frau, der Xanthippe, oder vom chinesischen Flusse Yang-tse-kiang, auch der »blaue Fluß« genannt, auch von der altedlen Familie der Yorks, Herzoge in England, wie von dem griechischen Geschlechte der Ypsilanti u. a. m.; wir wollen aber nicht soweit ausgreifen und mehr in der Heimat bleiben; könnt' euch höchstens vom heiligen Xaverius erzählen, von dem ihr aber bereits hinlänglich aus der Legende wißt, daß er der Apostel der Indier heißt, der Sohn eines navarrischen Edelmannes, an den Pyrenäen geboren war, mit Ignatius Lojola in Paris studierte, in dessen Orden eintrat, im Jahre 1540 als Missionär nach Brasilien, 1541 nach Indien ging, endlich, nachdem er zur Verbreitung des Christentumes Unendliches geleistet hatte, von den Wilden erschlagen und i. J. 1622 unter Papst Benedikt XIV. heilig gesprochen wurde. Mögt also beim Buchstaben X immer des großen Heiligen gedenken und euch ein Beispiel daran nehmen, was die Liebe zu Christus dem Herrn und zu seiner heiligen Lehre einem Menschen für Macht und Kraft gewähre, alles zum Opfer zu bringen nur um der ewigen Wahrheit willen. Zum Gegensatze können wir uns dann selber in den Spiegel schauen und aus Scham erröten, daß wir oft in dem Kleinsten verzagen und in den unbedeutendsten Gelegenheiten eine gewaltige Erbärmlichkeit zeigen, wird unserer Pflicht gemäß irgendein Opfer gefordert. Da ist ja meistens das liebe »Ich« obenan und wir haben eine ganz eigene Kunst, uns selbst, wie man zu sagen pflegt, ein X für ein U zu machen, d. h. uns selbst zu täuschen. Außerdem ist an allen Orten und in allen Ständen kein Mangel an sogenannten »X für ein U-Machern«, die eigentlich, auf gut deutsch gesagt, Betrüger sind, und zwar die feinsten.

Erinnert euch nur, wie bei verschiedenen Handelsgeschäften oder Verträgen gerne ein X für ein U gemacht wird; seid also vorsichtig und laßt euch nicht übertölpeln; fangt's oft einer gar subtil an, um euch dran zu kriegen. Wollen nur einige von den saubern Helden bezeichnen: »X für ein U-Macher« sind alle, die euch um euern alten guten Glauben in Religionssachen bringen möchten; auch alle die sogenannten Freiheitsmänner und Volksbeglücker, die z. B.in den Jahren 1848 und 1849 allen ehrenwerten Bauern goldene Berge verhießen und von der Freiheit faselten, die eigentlich ein jeder Mensch (oder wie sie's nannten: Weltbürger) von Haus aus habe, nämlich: zu tun, was ihm einfällt, sich keinem Gesetze zu fügen und die derlei allerliebste Grundsätze verbreiten wollten. Ist aber den Herren, wie den Bauern, solche X für ein U-Macherei oft gar schlecht bekommen. X für ein U-Macher sind auch alle diejenigen – Juden oder Christenjuden – die euch anraten, eure schönen Bauerngüter, die ihr von den Vätern geerbt habt, zu zertrümmern oder ein schönes Anwesen zu verkaufen, um mit Sack und Pack, Weib und Kind in das neue Weltparadies Amerika auszuwandern, wo das Geld wie die Steine auf der Gasse zu finden sein soll.

Kurz, der X für ein U-Macher gibt es genug und ist der Meister und Stuhlherr dieser edlen Profession der alte Erzlügner, der schon Adam und Eva, den ersten Menschen, als Schlange am verbotenen Apfelbaume ein X für ein U zu machen vortrefflich verstanden hat; denn sie sind in das Netz gegangen und haben uns allen die harte Arbeit hinterlassen, die Knoten des Gestrickes aufzubeißen, was uns aber auch nimmer gelingen könnte, hätte nicht unser lieber Herrgott ein Erbarmen gehabt und seinen einzigen Sohn als Erlöser gesandt!

Laßt euch also in keiner Beziehung ein X für ein U machen; täuscht und belügt euch auch selber nicht und geht immer den redlichen, geraden Weg, dann mögt ihr solches auch von anderen verlangen!


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