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Die

Orgel,

die ihr alle Sonntage in der Kirche hört, freilich oft ein bißchen verstimmt, ist wohl das eigentliche Instrument der Kirche, denn Geigen und Trompeten kann man auch auf jeder Bauernhochzeit hören und die kleinen Drehorgeln, welche wandernde Schnurranten oder Komödianten gebrauchen, tun der Würde keinen Eintrag. Der Grund und die Veranlassung zur Erfindung der Orgel ist uralt; denn mit der ersten Pfeife, die's auf Erden gegeben hat, war auch schon die Möglichkeit da, mehrere Pfeifen mit verschiedenen Tönen nebeneinander zu gebrauchen, in welcher Hinsicht die sogenannte »Papagenopfeife« gewissermaßen schon die erste Orgel war. Man kam auch frühzeitig auf die größere Anwendung. Im alten Griechenland soll es schon eine Art von Orgel gegeben haben, wo die den Wind erzeugenden Werkzeuge (Blasbälge) durch Wasserkraft in Bewegung gesetzt wurden. Die ersten Orgeln waren also Wasserorgeln. Ungefähr 300 Jahre nach Christus begann man, die Blasbälge durch Menschenhände zu rühren, wie denn jetzt noch immer einer von euch in der Kirche den Blasbalg tritt. Von jener Zeit schreibt sich auch der Gebrauch der Orgel für den Dienst der Kirche her. Im Jahre 757 ward der fränkische König Pipin vom griechischen Kaiser Kopronymus mit einer schönen Orgel beschenkt, ebenso Karl der Große vom griechischen Kaiser Michael. In Deutschland wurden die Orgeln beiläufig im neunten Jahrhundert zuerst gebraucht, freilich noch klein und mit unbeholfener, höchst einfacher Maschinerie. Im Jahre 950 war zu Winchester in England eine Orgel, deren große Blasbälge von siebenzig Männern getreten werden mußten. Wär's noch so, müßten in manchen Landkirchen alle Bauern auf den Chor gehen, um zu hantieren, wenn der Herr Lehrer die Orgel spielt. – Der älteste bekannte Orgelbauer in Deutschland hieß Nikolaus Faber und lebte ungefähr um das Jahr 1350, wo er zu Halberstadt für den Dom eine Orgel erbaute. Das Pedal wurde erst im fünfzehnten Jahrhundert von dem Deutschen Bernhard in Venedig erfunden. Vorher ward nur mit den Händen gespielt und hatten die Füße nichts dabei zu tun. So ward denn das ursprünglich aus wenig Pfeifen bestehende Instrument allmählich so vervollkommnet, daß man nichts Schöneres hören kann, als wenn jetzt in einer großen Kirche einer recht schön und andächtig die Orgel spielt. Die größte Orgel ist im Kloster Weingarten in Württemberg, denn sie hat 6666 Pfeifen und 66 Register. Die zu handhaben – kann ein Organist hübsch müde werden! Blast's aus allen Pfeifen und mit allen Registern, dann mögen aber den andächtigen Zuhörern die Ohren gellen!

Die Kirchenmusik ist was Herrliches, wenn die Wahl gut ist und alles zusammengeht, wird aber oft beim Hochamte ein solch weltliches Gedudel gemacht, daß man lieber davonlaufen möchte in den Wald hinaus, wo die Vöglein dem lieben Herrgott aus ihren Kehlen und Schnabelpfeiflein eins auforgeln! So wurde in Rom selbst die Kirchenmusik durch Uebertreibung und Mißbrauch mit allen möglichen Instrumenten so verweltlicht, daß man endlich gar alle Instrumente aus der Kirche verbannen wollte. Der große Musikus und Tonsetzer Palestrina hat nun damals für den Papst Marcellus eine Messe komponiert, die so herrlich war, daß die Ehre der Musik wieder gerettet wurde und eine Verbannung dieser edlen Kunst aus den Kirchen nicht stattfand, obschon die Entrüstung über den herangewachsenen Mißbrauch allgemein gewesen.

So kann denn alles auf der Welt – auch das Edelste – wenn es nicht in rechter Weise betrieben wird, aus der Art schlagen, wo dann immer der Radschuh eingelegt werden muß oder gar von oben herab ein »Merkt's euch« kömmt, das alles wieder in die wahre Bahn leitet. Möchten wir aber den Menschen mit einem Orgelspiel vergleichen mit vielen Pfeifen und Registern, mit hohen und tiefen Klängen und soll nur das Herz die richtigen Tasten anschlagen, damit sich alle Eigenschaften des menschlichen Wesens zur schönen Harmonie vereinigen und zusammenklingen, um Gottes Lob zu verkünden.


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