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Die
liegt über'm Dorf und da ist's gar still; plätschert nur der Brunnen, hie und da bellt ein Hund und der Wächter mit dem rostigen Spieß ruft die Stunden aus. Um die Nacht ist's was Sonderbares und wenn auch der Mond scheint und die Fensterscheiben weithin blitzen, ist's doch ein eigentümlich Gehaben, wenn so alles im Schlaf liegt; denn der Böse schleicht umher in mancherlei Gestalt und Form. Dort sitzt ein Pack Lumpen im Wirtshaus, die spielen und saufen; – wieder wo geh'n ein Paar auf schlimmen Wegen, irgendwo einzubrechen oder zu rauben. Sollte man nicht meinen, daß die lieben Engel die Händ' in den Schoß legen und feiern? Aber nein – sie wachen in den Häusern, schweben und weben allenthalben und stehen neben der kummervollen Mutter, die etwa am Bettlein seufzt, wo ihr krankes Kind liegt; und wenn, wie gesagt, irgendwo ein schlechter Streich des Nachts vorgeht, liegt's in des Menschen freiem Willen, ihn zu verüben, und die Strafe – hier oder dort – wird nicht ausbleiben. Wer aber ein gutes Gewissen hat, der wird die Nacht über gut ruhen, absonderlich, wenn er sich sagen kann: was an mir liegt, das hab' ich getan, das übrige muß ich dem lieben Gott anheimstellen. – Wenn's aber in dem Herzen des Menschen Nacht ist – da steht's schlimm! In uns soll es immer heller, freudiger Tag sein. Des Menschen Herz ist wie ein Haus. Schließt man die Laden, so kann der Sonnenstrahl nicht hineinscheinen. Und wer schließt sie denn? Der, so den leuchtenden Strahl vom
Himmel herab nicht ertragen mag. O, laßt ihn herein, den goldnen Schein! laßt euch erwärmen durch und durch!
Nacht und Dunkelheit haben immer etwas Schauerliches für ängstliche Gemüter; wem aber die Sonne im Herzen leuchtet, der geht wohlgemut durch Nacht und Nebel und bedarf keiner Laterne, absonderlich, wenn er etwa nicht zu viel in den Krug geschaut hat und gar in einen Graben stolpert. – Der Nachtwächter wandelt auf und ab im Dorfe, dieweil ihr alle ruht und euch auf ihn verlaßt, daß er fleißig aufschau' auf Diebe oder Feuersnot. Hör' ich ihn so die Stunden ausrufen, so mein' ich immer, es sei eine gar ernste Mahnung an das Leben und an den Tod. Ist ja der Schlaf ein halber Tod; denn ihr seid ohnmächtig, wie schwache Kindlein und liegt in der Hand des Herrn. Wie er euch findet, wenn es etwa euer letzter Schlaf sein mag, so tretet ihr ein ins Jenseits: wohlgerüstet oder armselig und elend!
Es sinkt die Nacht! mit ihren schwarzen Flügeln
Deckt sie die weite liebe Erde zu;
Längst schwand die Sonne hinter Waldeshügeln
Und alle schlafen nun in tiefer Ruh'.
Sind's
alle? – Nein, manch Auge steht noch offen
Und blickt hinaus, als säh's der Sonne nach;
So manches Herz in Bangen und in Hoffen
Hat noch geendet nicht den herben Tag.
Wohl
dem, dem Freude seinen Schlaf will rauben!
Weh' jenem, den der Schmerz vom Schlummer weckt!
Am besten ruht, wer sich mit festem Glauben
Und Gottvertrauen auf sein Lager streckt!
Am besten wohl – sei's Herr wie Knecht im Lande –
Legt der sich hin, ist nicht beschwert die Brust
Von selbsterzeugter Sorge, Schmach und Schande
Und ist er keines Frevels sich bewußt.
Es ruft's der Wächter: laßt euch alle sagen,
Eh' ihr das Licht löscht und zu Bette geht,
Mögt Freud', mögt Leid ihr in dem Herzen tragen,
Vergeßt nicht euer täglich Nachtgebet!
Macht Reu' und Leid, gedenket eurer Sünden!
Wer weiß, ob euch die Morgensonne grüßt;
Ob sie nicht eine Leich' im Lager finden,
Die bald ein Bett aus Brettlein eng umschließt!
Es ruft's der Wächter: habet acht ihr Bauern,
Ihr in der Stadt, wes Amts ihr möget sein,
In schlechten Hütten oder stolzen Mauern,
Ich sag' es euch beim hellen Mondenschein:
Wer sich den Hochmut wählt zum Schlafgenossen,
Der lud sich auch Herrn Satanas zu Gast;
Hört mich, den armen Wächter, unverdrossen:
Die Demut sei Gefährtin eurer Rast!
Will etwa gar das Gold die Herzen blenden,
Hält Geiz und Habsucht offen euer Aug',
Bedenkt's: mit
der Welt muß der Reichtum enden,
Im Jenseits ist
die Münze nimmer Brauch!
Hält euch die Sinnlichkeit und Lust umfangen,
Wend't sich der gute Engel von euch ab;
Nur allzuschnell verblüht der Blumen Prangen
Und dürre Blätter fallen auf das Grab!
Habt acht! hört ihr das Abendglöcklein schlagen;
Wer weiß, ob ihr des Morgens auch erwacht?
Habt acht! habt acht! denn einmal wird es tagen,
Wenn einst vergangen ist die letzte Nacht!
Das ist ein schöner Abendsegen, den ihr euch unter das Kopfkissen legen könnt, und dann macht das heilige Kreuz und schlaft in Gottes Namen ein!