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ist ein gar traurig Wörtlein für alle, die schon was Liebes darin ruhen haben! wächst aber auf den Gräbern das grüne Gras und die Blumen blühen darauf alle Frühling und Sommer, setzt sich auch hie und da manch Vöglein hin, ein lieblich Lied zu singen, und wir pflanzen auch ein Kreuz drauf und so deutet denn alles auf ein Wiederaufleben und auf eine Erlösung vom Tode und Auferstehung – wenn's an der Zeit sein mag. Dies wissen und glauben wir alle, wo aber viele Gräber beisammen sind, da heißt man es seit undenklichen Zeiten den
Gottesacker: das Feld, wo gleichsam unser lieber Herrgott ausgesäet hat zu Wachstum und Gedeihen für die Ewigkeit. Fällt mir dabei eine lustige Geschichte von einem Totengräber ein, die ich euch nicht vorenthalten will: In dem Städtchen Altheim lebte ein Totengräber, der bei seinem traurigen Handwerk ein gar lustiger Vogel gewesen und dabei Musikant. War nicht leicht eine Hochzeit oder sonst ein Tänzlein, wo nit der »schwarze Jörgl« auf der Geige und wenn's am Horn oder an der Trompete fehlte, auch auf diesen Instrumenten seine löbliche Kunst zu allgemeiner Kurzweil ausübte, versteht sich, wenn's nicht auf dem Gottesacker für ihn anderes zu tun gab; trank aber nicht wenig, so daß er nicht selten auf den Gräbern einduselte und erst am hellen Tage dort aufwachte, wo die andern nit mehr aufwachen. Ergab sich nun einmal, daß ein Bürger bestattet wurde, um welchen die ganze Sippschaft gar sehr Leid trug, und als nun der Sarg mit der Leiche in das Grab versenkt,
auch des Jammerns und Flennens schier kein Ende war, gingen dann alle still und traurig heim und nur der Jörgel hatte zu verbleiben, weil es seines Amts war, die Grube auszufüllen und einen schönen Grabhügel darüber zu machen. Da nun der Sarg noch frei darinnen lag, dachte sich der Totengräber: mit dem Einfüllen hat's noch gute Zeit, will einstweilen meine durstige Seele stärken; läßt das Grabscheit liegen und geht ins Wirtshaus, denn der Tag war gar heiß. Leert einen Krug um den andern, bis er endlich, seiner Pflicht eingedenk, wieder hinauswackelt, seine Arbeit zu vollenden. Was es um einen »schweren Kopf« ist, das weiß wohl mancher von euch, man tragt ihn nit lang gerne stehenden Fußes herum; so auch der Jörgl; der setzt sich am Grabe nieder, lehnt sein Capitolium an den Erdaufwurf und läßt sich vom Mondschein ins Gesicht schau'n; Bruder Schlaf ist dann bald hinzugetreten und die Nachtpartie war fertig, während
der ganz selig schlaft, klopft's und nagelt's unten im Grabe, immer stärker und stärker; endlich springt der Sargdeckel auf, so wohl nit allzu fest vernagelt gewesen sein mochte. Der ehrsame Bürgersmann erhebt sich in seinem Totenhemdlein, reibt sich die Augen ein wenig und freut sich, daß er nit lebendig unter der Erden eines elendiglichen Todes versterben mußte. Leider geschieht's bisweilen – Gott gebe selten! – daß die Herren Doktores einen für tot erklären, ohne daß unser lieber Herrgott es gewußt und sind zu großer Freude der trauernden Hinterbliebenen solche Verstorbene, die etwa nur im Starrkrampf gelegen, in diesem Leben noch auferstanden und haben noch eine gute Zeit gelebt. So war's nun auch hier. Der Bürgersmann spaziert zum Kirchhof hinaus und der Jörgl bleibt in süßem Schlummer am Grabe liegen. Allgemach aber, woran etwa lebhaftes Träumen schuld gewesen sein mag, rutscht der Totengräber seitwärts, bis er ganz sanft ins
verlassene Grab sinkt und im Sarg liegend fortschnarcht; denn so schwere Köpfe wachen nit eher auf, bis alle bösen Dünste verschlafen und die rechten Lebensgeister wieder eingezogen sind. Der Mond ist längst hinter den Bergen seitab gegangen, dafür hat das Morgenrot sein erstes helles Streiflein an den Himmel gemalt, worüber der frische Morgenwind sich auf die Beine gemacht und der Sonne vorangelaufen ist. Unser Jörgl wacht auf, wie und wo, das wissen wir. Mittlerweile war in dem Städtlein der Hallo schon los, wenn auch der Schrecken anfänglich nicht klein war über die Geistererscheinung. Dem Jörgl aber war's eine gute Lektion, und er hat sich nit wenig geschämt, wie alles zum Grabe lauft; denn, wenn etwas dergleichen geschieht, will der Ort noch von allen betrachtet werden. Ist oft ein Blumentopf wo heruntergefallen und schaut dann die halbe Einwohnerschaft den ganzen Tag über an das Fenster hinauf und deutet einer dem andern mit dem Finger dahin. Kurz – solches geschah dem Jörgl nie mehr, und spielte er im Wirtshaus immer noch fleißig auf, dachte er sich allweil, so oft er das Krüglein zur Hand nahm, seinen Musikantendurst zu löschen: »Will nimmer im Totensarg schlafen!« ist dabei alt geworden und hat noch viele Tote begraben und vielen Lebendigen zum Tanz aufgespielt. Daß aber der
Krug den Menschen ihr
Grab werden kann, hat sich bisweilen ereignet und ist leider nichts Neues; denn es hat sich mancher schon zu tot oder ins Elend getrunken, wir aber wollen diese lustige Geschichte beiseite legen und hie und da an unser eigen Grab denken, wo sich's nit so weich liegt wie im Federbett; denn
die Bettstatt besteht aus Tannenbrettlein, die nicht gepolstert sind und wer weiß, wie's um uns aussieht, wenn einmal eine Stimme uns aufweckt, wie ein altes Verslein sagt:
Wach' auf, wach' auf, du arme Seel',
Das Morgenlüftlein wehet!
Hast lang genug im Grab geruht,
Und Petri Hahn schon krähet.
Vergiß nit deinen Sündenpack,
Mit dem du dich beladen;
Die Zeit ist um, die Zeit ist um,
bitt' um Gottes Gnaden!
Wach' auf, wach' auf, du arme Seel',
Der Engel hat gerufen,
trittst du, wie ein Kindlein bloß,
Vor deines Richters Stufen!
Wach' auf, wach' auf zur Ewigkeit,
was zeitlich – ist vergangen,
Bereite dich, es hilft dir jetzt
Kein Zagen und kein Bangen.
Wie du den Geist umkleidet hast
Mit Tugend oder Sünden,
So mußt du deinen Lohn empfah'n,
Der Richter wird's verkünden!