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Könnte uns bei dem Buchstaben wohl ein schöneres Wörtlein zur Hand sein als
und dabei auch
Mutter Gottes oder
Maria?
Wer nicht ein Herz von Stein oder Eisen hat und seiner leiblichen Mutter gedenkt, die etwa gestorben sein mag, dem muß wohl gar viel in den Sinn kommen. Hat ihn nicht die Mutter in Schmerzen getragen, geboren, genährt, gepflegt und auferzogen? und ist nit all die Liebe und die Sorge einer Mutter um ihr Kind das Edelste, Kostbarste, was es auf Erden nur geben mag; denn solche Lieb' und Sorg' denkt an keinen Lohn. Wer sollte da nicht oft hinausgehen an den Grabhügel, darunter der Schatz begraben liegt, um ein Tränlein zu weinen und still zu sagen: Liebe Mutter, ich dank' dir's noch über's Grab hinaus und möge dir's Gott lohnen, was du an mir getan hast! Solches mag für eine verstorbene Mutter geschehen, der sich nichts anderes erweisen läßt, als dabei wohl auch in ihrem Angedenken einen lobenswerten Wandel führen; so aber unsere Mutter noch lebt, mögen wir es ihr noch in diesem Leben vergelten, was sie uns von der Wiege an gewesen. Verflucht aber sind die ungeratenen Kinder, die der schuldigen Dankbarkeit allzuleicht vergessen und ihrer Mutter, wenn sie einsam in ihrem »Austragstübl« haust, kaum das verabreichen, was sie nach weltlichem Vertrage zu leisten schuldig sind. Ja, sie schnitzen gleichsam schon die Holznägel, den Sarg zuzunageln, in welchem die gute Frau einmal ruhen soll! Was aber in den zehn Geboten Gottes steht, das wißt ihr selbst; leider wird aber das Gesetz, welches von der Ehrfurcht gegen die Eltern handelt, nicht immer heilig gehalten. Was den sogenannten »Austrag« der Eltern betrifft, weiß ich eine alte Geschichte: Hat sich einmal ein Bauer, der sein Gut übergeben, unter anderm – wie's zuweilen üblich – auch ein Zwetschgenbäumlein ausbedungen, das im Hausanger stund und war nicht das schlechteste im Obstgarten; denn in guten Jahren hingen oft mehr Zwetschgen als Blätter daran. Der Sohn aber, dem nun der Hof gehörte, hatte, wie's eben so nach und nach kommen mag, wenn man dem Bösen Gehör gibt, endlich gar Aergernis darüber, daß dem alten Mann der Baum ausbedungen war, redet ihn oft darum an und gar hart, so daß dem Vater die Freud' an der Frucht verleidet ward; ließ ihn drum auch endlich gar stehen, starb aber selbst desselbigen Jahres und war froh, in die Rast zu kommen, denn er hatte es auch im übrigen bei seinem Sohne nit am besten gehabt; das war im Frühling, wo mit allen andern Bäumen auch die Zwetschgenbäume gar lieblich blühen. Als nun der Sohn, dem des Vaters Tod doch zu Herzen gegangen war, mit Weib und Kindern von dem Begräbnis heimgekehrt, sieh', da waren alle Blüten abgefallen und ein paar Tage darauf alle Blätter verdorrt, als ob der Reif oder die Raupen darüber gezogen wären; ist auch der ganze Baum baldigst abgestorben und mag das gerade kein Wunder gewesen sein, sondern der »Zufall« – wie's die Leute oft nennen – sein Spiel getrieben haben; dem Sohne gab's aber doch was zu bedenken, und er hat sich dieweilen unter den dürren Baum gestellt und geflennt wie ein kleines Kind; aber der Alte stund nit wieder vom Grabe auf und der Baum blieb dürr und trug keine Früchte mehr! Kurz – was daraus zu entnehmen, bedarf nit vieler Erklärung. Der Segen ruht auf Lieb' und Dankbarkeit. Haltet Vater und Mutter wohl in Ehren, das ist nicht mehr als eure Schuldigkeit. – Nun uns aber der Buchstabe M an unsere leibliche Mutter erinnert hat, führt er uns zunächst auf die allerheiligste Mutter, die unsern Erlöser und Heiland geboren hat. Bei ihrem Gedächtnis geht uns ein Himmel von Freudigkeit und Seligkeit auf und es ist uns, als ob wir in einen Garten träten voll duftender, leuchtender Blumen, auf deren bunten Blättlein das Wörtlein » Ave« geschrieben steht, uns entgegengrüßend als ein umgekehrtes » Eva«, welche die Mutter der Menschheit war; gleichwie nämlich Eva in dem Paradiesgarten auch die gewesen, welche den Sündenfall veranlaßt, hat uns der himmlische Engelsgruß » ave« die Erlösung auf die Welt gebracht und Maria ist ja die zweite Eva, die uns wieder in das ewige Paradies zurückführt.
Eva war es, die im Paradiese
Vom verbot'nen Baum den Apfel nahm,
Adam folgte, Sünd' ihn überkam!
Ave, sprach der Engel, holden Grußes
Vor die Jungfrau tretend andachtsvoll,
Ehr und Preis im Himmel hoch erscholl!
Wollte einmal ein alter Kriegsmann in einen Brüderorden treten, war aber so ungeschlacht, daß er das vorgeschriebene Brevier zu beten nit erlernen konnte und ihm nur die Wörtlein » ave Maria« im Sinne blieben, deren er im brünstigen Gebete allwegs Gebrauch machte; und als er auf dem Todbette verschied, war wieder sein letzter Stoßseufzer » ave Maria«. Nachdem er begraben, wuchs aber auf dem Grabe eine Lilie, auf deren jedem weißen Blatte in Goldschrift stund: » ave Maria«, worüber die Ordensbrüder und jedermänniglich höchlich erbaut wurden. – So auch war es, daß einst zwei fromme Mönche auf der Wallfahrt gen Loretto das ave gar andächtig betend sich verirrten, kamen aber im Walde zu einem Hüttlein, allwo sie Unterkunft fanden und wurden darin von der heiligen Jungfrau selbst, gleichfalls ohne sie zu kennen, freundlich bewirtet, wie uns eine alte Legende erzählt.
Wer fände aber Anfang und Ende, all die schönen Legenden zu erzählen, welche uns die Eigenschaften der allerheiligsten Jungfrau Maria darstellen! Ist auch wohl hier nicht der Ort dazu; möchten aber bei dem Buchstaben M jedesmal, wie unserer leiblichen Mutter hier auf Erden, jener göttlichen Mutter im Himmel gedenken, welche uns den Erlöser zur Welt gebracht hat, und sollte dieses M in leuchtender Flammenschrift, gleich einem glänzenden Stern am Firmamente, unauslöschlich in unserm Innern geschrieben steh'n zu fortwährender Erinnerung!
Mutter der Barmherzigkeit,
Anker der Betrübten,
Rettung der Reumütigen,
Juwel in Gottes Krone,
Aller Engel Freundin!