Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wenn wir in der stillen Stube sitzen, ist es oft nichts was sich regt, als das Tiktak der
und schauen wir bisweilen nach, so ist der Zeiger wieder um ein Stündlein vorgerückt und wir machen uns weiter nicht viel daraus, als daß wir uns sagen: jetzt ist's Essens- oder Schlafenszeit. Derweilen aber geht's auch in uns selbst ähnlich zu; unser Herz schlägt seinen Tiktak und unser Lebenszeiger rückt vor und vor, bis er endlich auf einer Stunde still steht und das Werk, so unser lieber Herrgott aufgezogen hat, abgelaufen ist. Die Räder sind alle gebrochen, die Unruh', wie's die Uhrmacher heißen, ist kaput, das Schlagwerk ist auch hin und es ist aus mit uns. Wenn wir dies bisweilen bedächten, allwo wir auf die Uhr sehen, wär's auch nicht übel. Wir würden oft bedachtsamer mit uns selbst umgehen und nicht so in den Tag hineinleben, um die kostbare Maschinerie nit vorzeitig abzunutzen und würden in Ueberlegung nehmen, daß unser letztes Stündlein plötzlich da sein kann, eh' wir's uns versehen, und wir leben und sterben hierzuland nur einmal, was übrigens längst bekannt ist.
Hörst du Stund' um Stunde schlagen,
Siehst du auf das Zifferblatt,
Magst du dir wohl selber sagen:
Einmal wird das Uhrwerk matt.
Sollst dich aber dabei fragen:
Welche von den Stunden mein
Wird die letzte einmal schlagen,
Wann das Herz gebrochen sein?
Wenn du dies bedenkst zuweilen,
Wirst du darnach richten dich,
Daß die Lebensräder eilen,
Schien's auch, daß die Zeit nur schlich.
Jedes Stündlein ist gemessen,
Jedes Stündlein nur geschenkt,
Darum handle nie vermessen,
Denk' an
Den, der's Uhrwerk lenkt.
Denn du weißt nicht, wann sein Wille
Hemmet deiner Räder Lauf,
Heißt den Zeiger stehen stille,
Wann der Pendelschlag hört auf!
Die Uhren sollen eine uralte Erfindung sein und haben schon die Mönche frühester Zeit dergleichen in den Klöstern fabriziert; freilich mag's anfänglich ein ziemlich mangelhaft Machwerk gewesen sein, wie denn alle menschliche Schöpfung erst allmählich die Vollkommenheit erreicht hat, die wir in unseren Zeiten an so vielem bewundern. Denkt nur an die Schießgewehre, die anfänglich mit Lunten abgebrannt wurden, dann erst Radschlösser bekamen und Steinfeuer, und endlich jetzt wie's höllische Feuer bei allem Wetter mit den Kapseln abgeblitzt werden. Der Verlauf hat weit über dreihundert Jahre gedauert. Mit dem Uhrwerk mag's noch weiter her sein und hat man jetzt Uhren, welche vornehme Damen zu tragen pflegen, die nicht größer sind als ein Sechser und gehen doch auf die Minute mit ihrer Spinnwebmaschinerie. Schon Kaiser Karl der Große soll im Jahre 807 (also vor mehr als tausend Jahren) von dem Regenten Persiens eine Uhr zum Präsent bekommen haben, woran Glocken geläutet und allerhand Reiter und andere Männlein sich nach Ablauf der Stunden produziert haben. Diese Uhr soll durch Wasser getrieben worden sein. Eine Vervollkommnung der Uhren schreibt man dem Papst Sylvester II. zu, welcher im Jahre 1003 starb. Im zwölften Jahrhundert fanden sich hie und da in Klöstern schon Uhren mit Radwerk und Glockenschlag, im vierzehnten Jahrhundert aber hat Heinrich de Wyck, ein Deutscher, für König Karl V. von Frankreich eine große Turmuhr fabriziert. So ging's denn immer künstlicher und feiner her, bis man endlich im siebzehnten Jahrhundert auf die Sackuhren kam, die zuerst in Eierform zu Nürnberg gemacht wurden, weshalb man sie auch »Nürnberger Eier« nannte. Kurz – an den Uhren sehen wir wieder, welcher Geschicklichkeit Geist und Hände des Menschen fähig sind, wobei wir aber doch vor allem des Ur- und Erzuhrmachers, so da ist unser lieber Herrgott, dankbarst gedenken sollen, daß er den Menschen also begabt hat. Zu höchster Bewunderung muß uns aber die Betrachtung des ganzen Weltbaues hinreißen, selbwelcher also regelmäßig von Anbeginn seinen Gang geht, und stößt kein Stern an den andern an (während doch die Menschen nicht selten mit den Köpfen aneinander rennen), geht alles seinen gewiesenen Weg, und wechseln die Jahreszeiten regelmäßig ab, blühen Blumen und Bäume zur rechten Zeit und regnet und schneit am rechten Ort und scheint die Sonne wieder – kurz, das ist freilich ein Uhrwerk sondergleichen! Und doch hat es sogenannte »Gelehrte« (waren freilich geleerte, d. h. leere Köpfe) gegeben (und gibt leider deren noch), die herausstudieren und auch anderen weiß machen wollten, das große unendlich wunderbare Uhrwerk: die Welt, sei nur aus sich und durch sich selbst entstanden und habe keinen Schöpfer! – Diese Narrheit ist der sogenannte »Atheismus«, d. h., diese unseligen »Studierten« haben an keinen Gott geglaubt, sondern nur an ihre einfältige Nasenweisheit und das führt uns denn darauf, daß der Mensch eben mit den göttlichen Geschenken, die er hat, in allen Fähigkeiten etwas zu erfinden oder auszustudieren, doch in seinem Hochmute weitab seitwärts kommen kann, und daß es gewisse Grenzen des Wissens gibt, die uns Gott selbst gesetzt hat, über die kein menschlicher Geist hinaus kann, solang er auf Erden lebt. Aber eben deshalb hat uns der Schöpfer die christliche Offenbarung geschickt, damit wir in der Demut bleiben und weiter dringen zu wollen uns nicht vermessen, als uns von Haus aus zugehört. Also: Uhrmacher bleib' bei deinen Uhren und laß dir nit etwa einfallen, höher hinaus- und hineinzupfuschen, und Schuster bleib' bei deinem Leisten; den lieben Englein und Heiligen kannst du doch keine Stiefel anmessen, und die Herren »Gstudierten« und »Gelehrten« sollen auch bedenken, daß der liebe Herrgott sich denn doch einiges vorbehalten hat von seiner Kunst und Wissenschaft und sie wohl forschen mögen (denn die rechte Kenntnis kann ja nur nützlich sein wie die wahre Bildung), aber sie sollen es in Demut vor Dem tun, der sie selbst erschaffen hat und dem sie all ihre Weisheit zu danken haben; hat ja doch noch keiner von ihnen ein Körnlein fabrizieren können, aus dem ein Halm wächst!!