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Seit der liebe Gott zur Erlösung der Menschheit durch seinen lieben Sohn, unsern Herrn und Heiland, das Christentum auf diese Erde gesandt hat, sollten wir auch
christlich leben und uns fleißig und getreulich an die Gebote halten, die uns der Erlöser unmittelbar während seines Lebens auf Erden oder mittelbar durch die von ihm gestiftete heilige Kirche gegeben hat. Aber mit dem christlichen Leben ist es so ein eigen Ding, und wie in den Städten, so auf dem Lande draußen, meinen nicht eben die wenigsten,
damit sei's abgetan, daß einer Sonn- und Feiertags in die Kirch' geht zu Amt und Rosenkranz, an den gebotenen Tagen die Lasten hält und etwa einmal des Jahres, weil man's tun muß, zur Beicht und Kommunion sich einfindet. Run wäre das wohl Recht und Pflicht, wie sich von selbst versteht; aber damit
allein ist's auch nicht schon christlich gelebt. Wer nur in der Kirche ein Christ ist und nicht auch im Haus, auf dem Leid und überall, d. h. wer die Religion nicht lebendig im Herzen hat, – dessen Christentum kauf ich nit teuer, will euch nur ein Beispiel anführen, wie s oft zugeht in einer sogenannten christlichen Gemeinde: wenn's Sonntag früh zum Hochamt läutet und die Glocken gar hell und lieblich über Wald und Flur klingen, sieht man's wohl mit Freuden, wie alles zur Kirche zieht. Durch die Felder her wogt's wie bunte Blumen, die der Wind bewegt; dort kommen ein paar aus dem Buchenwald heraus, da drüben Weiber und Kinder von dem Einödhof, dieweil den Mann das Haushüten trifft –
wieder einen andern weg her eilen Knecht und Dirn – kurz von allen Seiten geht man Gott zu gefallen. Bald steht ein Häuflein hie und dort vor dem Gotteshaus oder Wirtshaus, das zumeist nit weit von der Kirche abgelegen, (denn wo unser Herrgott sein Haus gebaut, da hat auch der Teufel gern seine Butik' aufgeschlagen, wie ein altes Sprichwort sagt). Einige sind bei den Gräbern auf dem Kirchhofe und beten den ihrigen, die da still unter dem Grase liegen, ein Vaterunser. Alles wartet aufs Zusammenläuten; der Herr Pfarrer kömmt aus dem Pfarrhof herüber und die Meßnerbuben blasen schon die Kohlen im Weihrauchfaß an, das sie vor der Sakristeitüre hin und her schwenken; bald ist die Kirche voll und jeder faltet die Hände, weil's eben so der Brauch ist. (Geb' Gott, daß auch ein jeder sein Herz bei der Sach' habe!) wenn nun bei der Predigt hie und da einer eingeduselt ist, so merken dafür die andern bester auf und alles geht gut; macht auch so mancher einen frommen Vorsatz unserm Herrgott zulieb. Nach dem Segen und wenn das Weihwasser gegeben, strömt's aus der Kirch', will weiter nit sagen, daß etwa gar ein oder anderer denkt: bin froh, daß's aus ist. Weiber und Kinder zieht's heim, die Männer und Burschen, nit die wenigsten, aber ins Wirtshaus, um ein Maßt zu trinken, was wohl nichts Uebles ist, wenn einer Durst hat und das Geld dazu, ihn zu löschen. Nun dauert aber bisweilen das Löschen länger als der Durst; dabei schiebt einer per Jux eine Kugel auf der Kegelbahn hinaus. »Tun mir eins – heißt's – nur um Pfennig!« Der Vorschlag ist nicht schlecht und das Geklapper geht an. Die zum Esten nach Hause gegangen, kommen nachmittags wieder, 's wird immer lustiger. Anfangs ganz respektabel und heimlich, allmählich werden die Köpfe warm, da wird ein bißl disputiert, die Grobheit bleibt auch nicht aus, da ist denn bald der Teufel auch dabei; denn der setzt gern
Kegel auf und 's freut ihn, einzuschenken. Vom Streiten wird's ein Fluchen, dann ein Stoß oder ein Preller und der böse Handel ist im Gang. Wenn's dann nur ein paar blutige Köpfe absetzt, darf man noch vom Glück sagen; wie oft aber hat einer im Rausch und im Zorn schon sein Sackmesser gezogen und den andern gestochen, daß
der das letzte Mal beim Kegeln war. Und so hat denn der
christliche Tag mit dem Kirchgang seinen Anfang gehabt und mit dem Todschlag geendigt! Und doch meint ihr, so ein Leben sei
christlich? Plappert den Rosenkranz daher ohne an was zu denken, als wie ihr dem Nachbar etwas zum Tort antun könnt oder sonst einen säubern Handel anzustellen; die Knechte tun auch gar fromm beim Gebetläuten und freut sich mancher dabei schon aufs »Fensterln«, und wie manche Bauern, die sich christliche Hausvater nennen, vertun ihr Hab und Gut nach und nach im Wirtshaus, weniger oft von wegen des Trinkens, als weit sie die Arbeit nit mehr freut, während die Bäurin Schmalz und Mehl zusammenklauben muß, damit sie den Kindern und Dienstboten kochen kann. So kommt denn der sogenannte gute Christ durch sein unchristliches Leben gar auf die »Gant«; ein mitleidiger Jud, einer von denen, wie sie im Lande herum alles gleich ausgeschnuppert haben, will heraushelfen, setzt ihn aber erst recht hinein und Not und Elend halten in dem christlichen Bauernhof ihren feierlichen Einzug, gar liebe Hausgenossen! wie's dann weiters wird, das wißt ihr selbst und es bedarf keiner genaueren Explikation. Dies und dergleichen sind aber größtenteils nur die Folgen davon, daß die Leute meinen, es sei genug, so man nur in der Kirche ein Christ sei, das andere werd' sich schon von selber finden; da ist aber dieweil einer schlechter als die gottlosen Heiden, die ihre Religion besser in Ohren gehalten als wir erlöste Christen die unsere. Ein solches Christentum ist nur ein
toter Glaube;
unser lieber Herr aber hat uns einen
lebendigen Glauben hinterlassen wollen, der in Fleisch und Blut dringt, der uns durch und durch säuert, wie die Hefen den Teig, wenn das Brot gut werden soll. Doch ihr haltet euch oft nur an die Form und damit, meint ihr, sei's abgetan, wenn aber das letzte Stündlein schlägt, da wird euch freilich heiß und kalt zugleich, da heißt's: »Holt mir den Pfarrer und das heiligste Sakrament!« – Ist's wohl nit zu spät mit der Umkehr und Einkehr? Das muß jeder selbst mit dem ewigen Richter abmachen; besser aber ist's wohl, wenn einer als ein guter Christ seinen ordentlichen Weg vorher schon gegangen ist. So schwer ist's nicht und es kommt nur auf die Angewöhnung an. Es ließ sich dann in dem C-Kapitel wohl noch gar vieles sagen, aber das kann euch euer Herr Pfarrer besser und schöner beibringen, denn es ist sein Beruf. Leider aber geht's oft bei einem Ohr hinein und beim andern gleich wieder hinaus, wie sich einer bettet, so liegt er, und wer sich ernsthaft in den Seelenspiegel schaut, der kann leichtlich herausfinden, wie es mit seinem
Christentum steht, wenn er nicht etwa die Augen zudrückt und es nit sehen
will!