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Der
hat schon mit den ersten Menschen, nachdem sie das Paradies hatten verlassen müssen, seinen Anfang genommen, sehen wir schon Abel, Adams Sohn, als Hirten und das Judenvolk fortan. Unser Herr Christus nennt sich selbst den getreuen Hirten, des gute Schäflein wir sein sollten; fehlte aber aller Zeiten her, wie auch jetzt, unter der Herde nit an Sündenböcken. Der Erzhirt aber hat seinen Stab durch Petrus zuerst dem Oberhaupte der Kirche, dem heiligen Vater, auf Erden anvertraut, sind auch alle Bischöfe die Hirten ihrer Gemeinden und führen als ein äußeres Zeichen den Hirtenstab. Die ersten, welchen die Erscheinung des Heilandes auf Erden verkündigt wurde, waren schlichte Hirten. Ihnen erschien der Stern und der Engel, welcher ihnen sagte, da sie des Nachts ihre Herden hüteten: »Fürchtet euch nicht, stehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids!« Und so waren es denn Hirten, so das heiligste Kindlein in der Wiege zuerst verehrten und ihm schlichte Gaben brachten. Und hier wird ein gar schönes altes Lied aus dem Jahre 1567 an seinem Platze sein, wie folgt:
Es kam ein Engel hell und klar
Von Gott aufs Feld zu Hirten dar;
Vom Himmel, sprach er, komm' ich her
Und bring' euch viel der guten Mär',
Der guten Mär' bring' ich so viel,
Davon ich singen und sagen will.
Der liebe Gott auf höchstem Thron
Hat nun gesandt den eig'nen Sohn,
Der ist euch heut ein Mensch geboren
Von einer Jungfrau, auserkoren.
Das neugebor'ne Kindelein
Das liegt in einem Krippelein,
Mit Windeln ist es eingehüllt,
Die Welt mit Segen es erfüllt.
Darnach kam eine große Schar
Der holden Engel hell und klar,
Die sangen gar ein fröhlich Lied
Und freuten sich gar herzlich mit.
Die Hirten gingen all gemein
Und suchten dieses Kindelein;
Sie fanden's, wie der Engel sagt',
Mariam auch, die reine Magd:
willkommen sei du, Kindlein zart,
wie liegst so elend du und hart;
Du König, Schöpfer aller Ding',
Hält dich dein Volk so gar gering!
Hast du denn sonst kein' Herberg' hie,
Daß du mußt liegen bei dem Vieh;
Dein Kissen ist nur dürres Gras,
Davon das Rind und Eslein aß;
Der Sammet und die Seide dein
Sind nur geringe Windelein.
Der Wirt sollt' haben keine Rast,
Denn du wärst ja sein höchster Gast;
Er sollt' dir räumen Stub' und Saal
Mit seinen Gästen allzumal.
O liebes Kindlein, nackt und arm,
Dich unser aller heut erbarm',
Wir wollen dir auch hulden gern
Als unsern Jesum Christ' und Herrn.
O edles Kindlein, teur und wert,
Hilf uns auch jetzt auf dieser Erd',
Daß wir, die alle sind so schlecht,
weil du erschienst, erkennen recht,
wir wollen fröhlich singen gleich
Dem Kindlein aller Gnaden reich;
wir machen ihm ein Wiegelein
In unserm Herzen sündenrein;
Dann singen wir mit Innigkeit
Lob, Preis und Dank in Ewigkeit.
Die berühmtesten Männer, die größten Heiligen sind aus dem niedrigen Hirtenstande hervorgegangen und wäre fürwahr nicht Raum genug und gäbe mehr als ein Buch, wollte man deren Lebensbeschreibungen zusammenstellen. Als heilige Hirten verehren wir den hl. Drago, Flores, Wendelin und die hl. Genoveva, Schutzpatronin von Paris. Auch die Jungfrau Johanna von Orleans, welche unter König Karl VII. den Franzosen gegen die Engländer zu vielen Siegen verhalf, indem sie in heiliger Begeisterung mit der Fahne in der Hand das Heer anführte, war ein schlichtes Hirtenmädchen. Endlich von den Engländern gefangen genommen, wurde sie, angeblich als Hexe, im Jahre 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt, hinterher aber auf Veranlassung des Papstes Calixtus durch einen richterlichen Spruch vom Erzbischof von Rheims und den Bischöfen von Paris und Coutance für unschuldig erklärt; war freilich zu spät, wie es oft geschah, wenn man eine als Hexe verbrannt hatte. Die Sage erzählt aber, daß, als Johanna auf dem Scheiterhaufen ihren Geist aufgegeben, eine weiße Taube daraus aufgeflogen und gegen Himmel entschwebt sei. Auch Papst Sixtus V., der in Rom ein so gewaltig Regiment führte, hat als Knabe auf dem Felde das Vieh gehütet. Er war geboren im Jahre 1521, unweit des Städtchens Montalto und hieß eigentlich Felix Peretti. Sein Bruder, welcher Franziskaner war, erkannte seine hohen Geistesgaben, ließ ihn deshalb studieren und bald ward er Priester, Doktor der Theologie und Regens der Klosterschule zu Siena. Aber nicht nur durch seinen Geist glänzte er, sondern auch durch seine Frömmigkeit. Zu Rom hat er eine gar schöne Bruderschaft gestiftet unter dem Namen der Gesellschaft des heiligen Sakramentes, deren Mitglieder die Verpflichtung hatten, das heilige Sakrament, wenn es den Kranken gebracht wurde, feierlich zu begleiten. Er selbst war Franziskaner und hielt an vielen Orten Italiens eifrige Missionspredigten. Im Jahre 1570 erhielt er die Kardinalswürde unter dem Papste Pius V. Vorzüglich drang er als Generaloberer der Franziskanerorden auf die Abstellung vieler Uebelstände, welche damals in den Klöstern eingerissen waren, wodurch er sich gerade keine Freunde machte. Als Gregor XII. den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, zog sich Peretti von Rom zurück, lebte den theologischen Wissenschaften und frommer Tätigkeit, wurde aber nach Gregors Tode (1585) fast einstimmig zum Papste gewählt unter dem Namen Sixtus V. Er war streng gegen alles Schlechte, mild und geneigt den Armen und Bedrängten und verbesserte die Staatswirtschaft Roms in bewunderungswürdiger Weise. Im Jahre 1590 starb dieser große Mann. Man glaubte, seine Feinde haben ihn vergiftet, denn er war, wie gesagt, ein gar strenger Herr, was nicht jedem, der sich fehlig erkannte, mochte genehm gewesen sein. Und so ist denn aus einem armen Hirten ein großer Papst geworden! – Wenn ich so ein Hirtenbüblein auf dem Felde sehe, kömmt mir wohl zuweilen der Gedanke: kannst – wenn auch nicht Papst – doch sonstwas Gescheit's werden. Da muß's mich aber immer dabei ärgern, daß diese Buben mit ihrem Vieh herumschlenzen, als ob sie selbst nichts andres wären als Ochs oder Schaf. Liegen oft halbe Tage unter einem Baum dort und schnalzen nur mit der Peitsche, da es doch besser wär', wenn hie und da einer ein Büchlein mitnähm', eine Zeile darin läse oder ein Sprüchlein daraus lernte. Aber die Faulheit zieht eben auch mit der Herde aus dem Dorf und denkt sich so ein Bürschlein: 's Vieh hüten ist auch kein schlecht Geschäft. – Muß wohl sein, man könnte aber nebenbei noch was anderes treiben, ohne gerade die notwendige Aufsicht über die vierbeinige Gesellschaft zu vernachlässigen, daß sie nit etwa in Wälder und Felder lauft, dorten die Bäume zu verderben, sonderlich die »Holzjugend« abzufressen, hier Gerste und Korn zu zertreten. Die Faulenzerei tut aber nirgend und niemals gut und drum sind aus solchen Hirtenbüblein wohl nicht große Gelehrte oder sonst große Männer – aber nit selten große Lumpen geworden, insonderheit, wenn ihnen bei ihrem einsamen Herumtreiben manch toller Streich aus purer Langweile in das Köpflein gekommen. Sollten also die Bauern und obenan der Herr Schullehrer selber so gescheit sein, ihnen ein Büchlein oder sonst eine Arbeit, z. B. gar den Strickstrumpf, wie's an manchen Orten üblich, beim Austreiben in die Hand zu geben.