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Fünfzehnter Theil
Achte Rede

Die Nagaravinder

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit wanderte der Erhabene im Lande Kosalo von Ort zu Ort und kam, von vielen Mönchen begleitet, in die Nähe eines kosalischen Brāhmanendorfes Namens Nagaravindam. Und es hörten die brāhmanischen Hausleute in Nagaravindam reden: ›Der Asket, wahrlich, Herr Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, wandert in unserem Lande von Ort zu Ort und ist mit vielen Mönchen in Nagaravindam angekommen. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: ‘Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerheerde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum dar. Glücklich wer da nun solche Heilige sehn kann!’‹

Und die brāhmanischen Hausleute von Nagaravindam begaben sich nun dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt verneigten sich einige vor dem Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder, andere wechselten höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, einige wieder falteten die Hände gegen den Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, andere wieder gaben beim Erhabenen Namen und Stand zu erkennen und setzten sich zur Seite nieder, und andere setzten sich still zur Seite nieder. Zum stillen Niedersitzen, der lautlosen Versammlung, dem heiligen Schweigen cf. Bd. 2, S. 444 und 489, und die 118. Rede, S. 231. So hat denn auch S. Ioannes Sinaiticus, der unverzagte asketische Felsenklimmer, auf seiner 3. Klimax den σιωπης βυδον wahrgenommen und auf der 27. Staffel dann wundersam entsprechend erklärt. p. 28 u. 403 der Ausgabe von 1633. – In diesem Sinne hat bei uns Carlyle gesagt: »Speech is of Time, Silence is of Eternity«, Sartor resartus III, 3.9. Zu den brāhmanischen Hausleuten von Nagaravindam, die da zur Seite saßen, sprach nun der Erhabene also:

»Wenn euch, ihr Hausväter, andere Büßer und Pilger die Frage stellen: ›Was sind das, ihr Hausväter, für Asketen und Priester, die man nicht werthhalten und hochschätzen, die man nicht achten und ehren kann?‹, so mögt ihr auf diese Frage, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern also Bescheid geben: ›Wer da von Asketen und Priestern bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre sich erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt hat, gerade und ungerade wandelt in Werken, in Worten, in Gedanken, einen solchen Asketen oder Priester, den kann man nicht werthhalten und hochschätzen, den kann man nicht achten und ehren: und warum nicht? Wir selber haben uns ja bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt, wandeln gerade und ungerade in Werken, in Worten, in Gedanken: wer nichts Besseres kennt als den geraden Wandel, den wir selber führen, solch einen lieben Asketen oder Priester kann man eben darum nicht werthhalten und hochschätzen, kann ihn nicht achten und ehren. Wer da von Asketen und Priestern bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, bei den durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, bei den durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, bei den durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, bei den durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre sich erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt hat, gerade und ungerade wandelt in Werken, in Worten, in Gedanken, einen solchen Asketen oder Priester, den kann man nicht werthhalten und hochschätzen, den kann man nicht achten und ehren: und warum nicht? Wir selber haben uns ja bei diesen Dingen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt, wandeln gerade und ungerade in Werken, in Worten, in Gedanken: wer nichts Besseres kennt als den geraden Wandel, den wir selber führen, solch einen lieben Asketen oder Priester kann man eben darum nicht werthhalten und hochschätzen, kann ihn nicht achten und ehren.‹ Also mögt ihr, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern auf eine solche Frage Bescheid geben.

»Wenn euch aber, ihr Hausväter, andere Büßer und Pilger die Frage stellen: ›Was sind das, ihr Hausväter, für Asketen und Priester, die man werthhalten und hochschätzen, die man achten und ehren kann?‹, so mögt ihr auf diese Frage, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern also Bescheid geben: ›Wer da von Asketen und Priestern bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen ohne Gier, ohne Hass, ohne Irre sich erwiesen, das eigene Herz beschwichtigt hat, den geraden Wandel bewahrt in Werken, in Worten, in Gedanken, einen solchen Asketen oder Priester, den kann man werthhalten und hochschätzen, den kann man achten und ehren: und warum das? Wir selber haben uns ja bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt, wandeln gerade und ungerade in Werken, in Worten, in Gedanken: wer da nun Besseres kennt als den geraden Wandel, den wir selber führen, solch einen lieben Asketen oder Priester kann man eben darum werthhalten und hochschätzen, kann ihn achten und ehren. Wer da von Asketen und Priestern bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, bei den durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, bei den durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, bei den durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, bei den durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen ohne Gier, ohne Hass, ohne Irre sich erwiesen, das eigene Herz beschwichtigt hat, den geraden Wandel bewahrt in Werken, in Worten, in Gedanken, einen solchen Asketen oder Priester, den kann man werthhalten und hochschätzen, den kann man achten und ehren: und warum das? Wir selber haben uns ja bei diesen Dingen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt, wandeln gerade und ungerade in Werken, in Worten, in Gedanken: wer da nun Besseres kennt als den geraden Wandel, den wir selber führen, solch einen lieben Asketen oder Priester kann man eben darum werthhalten und hochschätzen, kann ihn achten und ehren.‹ Also mögt ihr, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern auf eine solche Frage Bescheid geben.

»Wenn euch nun, ihr Hausväter, die anderen Büßer und Pilger die Frage stellen: ›Was eignen doch den Ehrwürdigen für Merkmale, was für Kennzeichen, dass ihr von ihnen also redet: ‘Freilich haben jene Ehrwürdigen die Gier verloren oder sind auf dem Wege die Gier zu verleugnen, haben den Hass verloren oder sind auf dem Wege den Hass zu verleugnen, haben die Irre verloren oder sind auf dem Wege die Irre zu verleugnen’?‹, so mögt ihr auf diese Frage, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern also Bescheid geben: ›Darum eben suchen jene Ehrwürdigen tief im Walde abgelegene Orte auf: dort aber giebt es keinerlei durch das Gesicht ins Bewusstsein tretende Formen, die man sehn und sehn und begehren könnte; dort aber giebt es keinerlei durch das Gehör ins Bewusstsein tretende Töne, die man hören und hören und begehren könnte; dort aber giebt es keinerlei durch den Geruch ins Bewusstsein tretende Düfte, die man riechen und riechen und begehren könnte; dort aber giebt es keinerlei durch den Geschmack ins Bewusstsein tretende Säfte, die man schmecken und schmecken und begehren könnte; dort aber giebt es keinerlei durch das Getast ins Bewusstsein tretende Tastungen, die man tasten und tasten und begehren könnte. Das sind, ihr Brüder, Merkmale, das sind Kennzeichen, um deren willen wir von jenen Ehrwürdigen also reden: ‘Freilich haben jene Ehrwürdigen die Gier verloren oder sind auf dem Wege die Gier zu verleugnen, haben den Hass verloren oder sind auf dem Wege den Hass zu verleugnen, haben die Irre verloren oder sind auf dem Wege die Irre zu verleugnen.’‹ Also mögt ihr, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern auf eine solche Frage Bescheid geben.«

 

Nach dieser Rede sprachen die brāhmanischen Hausleute von Nagaravindam also zum Erhabenen:

»Vortrefflich, Herr Gotamo, vortrefflich, Herr Gotamo! Gleichwie etwa, Herr Gotamo, als ob man Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirrten den Weg zeigte, oder ein Licht in die Finsterniss hielte: ›Wer Augen hat wird die Dinge sehn‹: ebenso auch ist von Herrn Gotamo die Lehre gar vielfach gezeigt worden. Und so nehmen wir bei Herrn Gotamo unsere Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge uns Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu.« Wie das Vorspiel dieser und ähnlicher Reden lautet der Bericht in Celanos Vita S. Francisci, I, 22: Ingrediente ipso aliquam civitatem, laetabatur clerus, pulsabantur campanae, exultabant viri, congaudebant foeminae, applaudebant pueri, et saepe ramis arborum sumptis psallentes ei obviam procedebant.
Diese, zumal im 2. Bande, oft dargestellte cārikā kalyāṇena kittisaddena abbhuggatā ist gewissermaaßen eine vihārayātrā höherer Art, oder recht eigentlich eine dhammayātrā; and man erinnert sich da gern, dass Asoko gerade den letzteren Ausdruck auf dem VIII. Felsenedikt gebraucht, auch wohl im Gegensatze zur gewöhnlichen devayātrā, um alsdann, ein seltener Herrscher, zufrieden den Schluss ziehen, er habe, auf der anderen Seite, dabei, nämlich bei der dhammayātrā, mehr Genuss erfahren als die vorangegangenen Könige bei ihren vihārayātrās, Prozessionen, Jagdfahrten und sonstigen dergleichen Vergnügungen. – Nb.: bhāge aṃñe, bez. bhagi aṃñi, ist loc.: parte alteri; wodurch mit ächt indischem feinsten Humor implicite das ‘bessere Theil’ bedeutet ist. Ähnlich Säulenedikt VII, 2, 9, wo Asoko völlig bewusst des Unzulänglichen selbst seines großartigen Wirkens, das umfassend und allgemein wie es ist zugleich auch die mindesten Einzelheiten zum Schutze der Menschen sowie der zahmen und der wilden Thiere sorgsam vorgesehn hat, endlich – ubique princeps – mit innig melancholischem Lächeln sagt: Tata cu lahu se dhaṃmaniyame, nijhatiyā va bhuye: »Dennoch aber ist wenig gethan mit gerechtem Betragen, Einsicht üben ist wohl mehr.« Eine solche Mahnung ist übrigens auch bei uns, zwar von keinem Kaiser und König, doch von einem Meister verkündet worden: »Ihr sollt wissen, dass die Leute die nützesten Übungen üben. – Wisset, dass das Königreich sälig ist, wo der Mensch eins ist innen. Sie schaffen mehr ewigen Nutzes in einem Augenblicke, als alle äußeren Werke, die je auswendig gewirkt wurden«: Eckhart, p. 129; vielleicht also wie kein anderer kühn bekräftigend was der Panagios Gregorios Phoster ein Jahrtausend vorher schon an den Abhängen des Ararat gelebt und gelehrt. Act. Sanct. Sept. tom. VIII fol. 393 C.
Der Bescheid über jene Ehrwürdigen, am Schlusse der obigen Rede, ist eine schlichte Auflösung der bedenklichen Frage Jakobs, Ep. 4, 4, und des paradoxen Spruches, den Eckhart p. 483 aus einem gleichen Sanctus Expergitus Illuminator beibringt: »Weltliche Ehre und weltliche Freude ist nichts anderes als eine ungerechte Bosheit«; wie denn sogar unser frohgemuthe und doch tiefsinnige Ritter Wirnt ebenso gesagt hatte, »daz diu werlt niht fröuden hât, | ir hœhstez leben mit grimme stât | « : Wigâlois v. 11677/78.


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