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Zwölfter Theil
Buch der Reihe

111

Zwölfter Theil
Erste Rede

Die Reihe

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthi, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« – »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Witzig, ihr Mönche, ist Sāriputto, mächtig in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, gewaltig in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, hell in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, flink in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, scharf in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, schneidig in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto; Sāriputto, ihr Mönche, hat einen halben Monat der Reihe nach die Dinge mit Klarsicht klar gesehn.

»So aber mag, ihr Mönche, Sāriputto der Reihe nach die Dinge klar sehn: da weilt, ihr Mönche, Sāriputto, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Und die Dinge der ersten Schauung, Überlegung und Erwägung, Heiterkeit und Säligkeit und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung gewonnen. Und die Dinge der zweiten Schauung, innere Meeresstille, Heiterkeit und Säligkeit und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto in heiterer Ruhe, gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück im Körper empfunden, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so hat er die Weihe der dritten Schauung gewonnen. Und die Dinge der dritten Schauung, Gleichmuth und Säligkeit, Einsicht und Klarheit und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung gewonnen. Und die Dinge der vierten Schauung, Gleichmuth, ohne Leid-, ohne Freudengefühl, Reinheit, ohne geistigen Genuss, lauter Einsicht und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Überwindung der Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Vielheitwahmehmungen in dem Gedanken ›Gränzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegränzten Raumes gewonnen. Und die Dinge der unbegränzten Raumsphäre, Wahrnehmung der unbegränzten Raumsphäre und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Überwindung der unbegränzten Raumsphäre in dem Gedanken ›Gränzenlos ist das Bewusstsein‹ das Reich des unbegränzten Bewusstseins gewonnen. Und die Dinge der unbegränzten Bewusstseinsphäre, Wahrnehmung der unbegränzten Bewusstseinsphäre und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Überwindung der unbegränzten Bewusstseinsphäre in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins gewonnen. Und die Dinge der Nichtdaseinsphäre, Wahrnehmung der Nichtdaseinsphäre und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Überwindung der Nichtdaseinsphäre die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung gewonnen. Und aus diesem Erfunde kehrt er besonnen zurück. Und ist er aus diesem Erfunde besonnen zurückgekehrt, so nimmt er die Dinge, die überstanden, aufgelöst, umgewandelt sind, wahr: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Überwindung der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung die Auflösung der Wahrnehmbarkeit gewonnen, und des weise Sehenden Wahn ist aufgehoben. Und aus diesem Erfunde kehrt er besonnen zurück. Und ist er aus diesem Erfunde besonnen zurückgekehrt, so nimmt er die Dinge, die überstanden, aufgelöst, umgewandelt sind, wahr: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt keine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es nicht.‹

»Wer nun einen solchen, ihr Mönche, beim rechten Namen nennen mag: ›Waltefürst, Oberfürst in heiliger Sitte, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Vertiefung, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Weisheit, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Enthaftung‹, der mag eben einen Sāriputto beim rechten Namen nennen: ›Waltefürst, Oberfürst in heiliger Sitte, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Vertiefung, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Weisheit, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Enthaftung.‹ Wer nun einen solchen, ihr Mönche, beim rechten Namem nennen mag: ›Sohn des Erhabenen, von ächter Abstammung, aus dem Munde geboren, in der Lehre gezeugt, in der Lehre gebildet, Erbe der Lehre, nicht Erbe der Nothdurft‹, der mag eben einen Sāriputto beim rechten Xamen nennen: ›Sohn des Erhabenen, von ächter Abstammung, aus dem Munde geboren, in der Lehre gezeugt, in der Lehre gebildet. Erbe der Lehre, nicht Erbe der Nothdurft.‹ Sāriputto, ihr Mönche, stellt das höchste Reich der Lehre, nachdem es der Vollendete dargestellt hat, ganz ebenso dar.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


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