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Dreizehnter Theil
Achte Rede

Verschlackung

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Kosambī, in der Gartenstiftung. Zu jener Zeit nun war unter den Mönchen von Kosambī Zank und Streit ausgebrochen, sie haderten mit einander und scharfe Wortgefechte fanden statt.

Da begab sich denn einer der Mönche dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und stellte sich seitwärts hin. Seitwärts stehend sprach nun jener Mönch zum Erhabenen also:

»Es ist da, o Herr, zu Kosambī unter den Mönchen Zank und Streit ausgebrochen, sie hadern mit einander und scharfe Wortgefechte finden statt. Gut wär' es, o Herr, wenn sich der Erhabene zu jenen Mönchen hinbegeben wollte, von Mitleid bewogen.«

Schweigend gewährte der Erhabene die Bitte.

Und der Erhabene begab sich zu jenen Mönchen hin und sprach also zu ihnen:

»Genug, ihr Mönche: gemieden sei Zank und Streit, gemieden Zwist und Hader.«

Also ermahnt wandte sich ein anderer der Mönche an den Erhabenen und sagte:

»Möge, o Herr, der Erhabene, der Wahrheit Gebieter, hingehn: selbstgenugsam möge, o Herr, der Erhabene säliger Gegenwart genießen; wir werden uns in diesem Zank und Streite, Zwist und Hader verständigen.«

Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal sprach der Erhabene also zu jenen Mönchen:

»Genug, ihr Mönche: gemieden sei Zank und Streit, gemieden Zwist und Hader.«

Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal sprach jener andere Mönch also zum Erhabenen:

»Möge, o Herr, der Erhabene, der Wahrheit Gebieter, hingehn: selbstgenugsam möge, o Herr, der Erhabene säliger Gegenwart genießen; wir werden uns in diesem Zank und Streite, Zwist und Hader verständigen.« Und der Erhabene, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schaale versehn, machte sich auf den Gang nach Kosambī um Almosenspeise, trat in der Stadt von Haus zu Hause hin, nahm das Mahl ein, kehrte zurück, räumte sein Lager zurecht, behielt Mantel und Schaale und ließ nun, schon aufgebrochen, folgende Weise verlauten:

»Wo jeder lärmend ein sich mengt,
Als Thor Vernunft erlangt man nie;
Den Brüderbund, zerbrecht ihr ihn,
Hört keiner auf den andern mehr.

»Vergessen ward ein weiser Spruch
Des Kenners, der erfahren sprach;
Die Zunge zügeln, das ist noth,
Und lenken sie: man lernt es nicht.

»»Gescholten hat man mich, verletzt,
Hat mich besiegt, hat mich verlacht:
Wer solchen Sinn im Herzen hegt,
Von Feindschaft lässt er nimmer ab.

»‘Gescholten hat man mich, verletzt,
Hat mich besiegt, hat mich verlacht:
Wer solchen Sinn zu bannen weiß,
Von Feindschaft lässt er eilig ab.

»»Es wird ja Feindschaft nimmermehr
Durch Feindschaft wieder ausgesöhnt:
Nichtfeindschaft giebt Versöhnung an;
Das ist Gesetz von Ewigkeit.’

»Die Menschen sehn es selten ein,
Dass Dulden uns geduldig macht:
Doch wer es einsieht, wer es weiß
Giebt alles Eifern willig auf. »Krieget man mit mir und ich gibe ime als vil worte wider, daz er geswīgen muoz, sô hân ich niht überwunden, sô bin ich überwunden. Aber geswîgen ich von rehter diemüetikeit, sô hân ich überwunden. Mit überwindenne ist man überwunden, überwunden bliben hêt man überwunden.« Eckhart, p. 639. – Zum ersten Verse cf. Persius V, 52-53:

Mille hominum species et rerum discolor usus:
Velle suum cuique est, nec voto vivitur uno.

»Der Henker, Scherge, Mörder, Dieb,
Wer Rinder, Rosse, Schätze rafft,
Landstreichersippe, Räubervolk,
Zusammen halten solche schon:
Warum nur solltet ihr es nicht?

»Hat man den abgeklärten Freund gefunden,
Der mitgeht, muthig mitbestrebt in Tugend,
Entgangen aller dräuenden Bedrängniss
Mit ihm zufrieden wandern mag der weise Mann.

»Muss man den abgeklärten Freund vermissen,
Der mitgeht, muthig mitbestrebt in Tugend,
Als König, der sein Königreich verloren,
Alleinig wandern mag man wie der wilde Ilph.

»Allein ist bessre Wanderschaft,
Mit Thoren schließt man keinen Bund;
Alleinig wandre man und meide böse That,
Geworden selbstgenugsam wie der wilde Ilph.«

Als nun der Erhabene, schon aufgebrochen, diese Weise gesagt hatte, ging er hinweg, nach dem Dorfe Niedersoolenbrunn. Bālakaloṇakāragāmo. Damals aber weilte der ehrwürdige Bhagu bei dem Dorfe Niedersoolenbrunn. Und es sah der ehrwürdige Bhagu den Erhabenen von ferne herankommen, und als er ihn gesehn machte er einen Sitz bereit und Wasser für die Füße. Es setzte sich der Erhabene auf den dargebotenen Sitz, und als er saß spülte er sich die Füße ab. Und auch der ehrwürdige Bhagu setzte sich, nach des Erhabenen Begrüßung, zur Seite nieder. An den ehrwürdigen Bhagu, der zur Seite saß, wandte sich nun der Erhabene also:

»Geht es dir, Mönch, leidlich, kommst du wohl aus, ohne Mangel an Nahrung?«

»Leidlich, Erhabener, geht es mir, wohl, Erhabener, komme ich aus, ich ermangle, o Herr, nicht der Nahrung.«

Und der Erhabene ermunterte und ermuthigte, erregte und erheiterte den ehrwürdigen Bhagu in lehrreichem Gespräche, erhob sich alsdann von seinem Sitze und begab sich nach dem östlichen Bambushaine.

Um diese Zeit aber weilte der ehrwürdige Anuruddho, der ehrwürdige Nandiyo und der ehrwürdige Eimbilo im östlichen Bambushaine. Da sah ein Waldhüter dem Erhabenen von ferne herankommen, und als er den Erhabenen gesehn sprach er also zu ihm:

»Gehe nicht in diesen Forst, o Asket: drei edle Jünglinge weilen hier, die selbstzufrieden scheinen, störe sie nicht!«

Der ehrwürdige Anuruddho hörte aber des Waldhüters Gespräch mit dem Erhabenen, und als er es gehört sprach er also zum Waldhüter:

»Wehre nicht, Bruder Waldhüter, dem Erhabenen: unser Meister, der Erhabene ist gekommen.«

Und der ehrwürdige Anuruddho begab sich nun zum ehrwürdigen Nandiyo und zum ehrwürdigen Kimbilo und sprach also zu ihnen:

»Kommt herbei, ihr Brüder, kommt herbei, ihr Brüder: unser Meister, der Erhabene ist da.«

Und der ehrwürdige Anuruddho, der ehrwürdige Nandiyo und der ehrwürdige Kimbilo gingen nun dnin Erhabenen entgegen. Einer nahm dem Erhabenen Mantel und Schaale ab, einer machte einen Sitz zurecht, einer brachte Wasser zur Fuß waschung herbei. Es setzte sich der Erhabene auf den dargebotenen Sitz, und als er saß spülte er sich die Füße ab. Jene Ehrwürdigen aber setzten sich, nach des Erhabenen Begrüßung, zur Seite nieder. Und der Erhabene wandte sich nun an den ehrwürdigen Anuruddho, der zur Seite saß, und sprach also:

»Geht es euch, Anuruddher, leidlich, kommt ihr wohl aus, ohne Mangel an Nahrung?«

»Leidlich, Erhabener, geht es uns, wohl, Erhabener, kommen wir aus, wir ermangeln, o Herr, nicht der Nahrung.«

»Vertragt ihr euch aber, Anuruddher, einig, ohne Zwist, mild geworden, und seht euch sanften Auges an?«

»Freilich, o Herr, vertragen wir uns, einig, ohne Zwist, mild geworden, und sehn uns sanften Auges an.«

»Inwiefern aber, Anuruddher, vertragt ihr euch, einig, ohne Zwist, mild geworden, und seht euch sanften Auges an?«

»Da gedenk' ich, o Herr, also: ›Erreicht habe ich's, wohl getroffen, fürwahr, der ich mit solchen wahren Asketen vereint lebe.‹ Und ich Glücklicher, o Herr, diene diesen Ehrwürdigen mit liebevoller That, so offen als verborgen, mit liebevollem Wort, so offen als verborgen, mit liebevoller Gesinnung, so offen als verborgen. Und also verweilend, o Herr, denke ich: ›Wenn ich nun meinen eigenen Willen aufgäbe und mich nur dem Willen dieser Ehrwürdigen unterwürfe?‹ Und ich habe, o Herr, meinen eigenen Willen aufgegeben und mich dem Willen dieser Ehrwürdigen unterworfen. Verschieden, o Herr, sind zwar unsere Körper, aber ich glaube wir haben nur einen Willen.«

Und der ehrwürdige Nandiyo, und der ehrwürdige Kimbilo sprach zum Erhabenen:

»Auch ich, o Herr, gedenke also: ›Erreicht habe ich's, wohl getroffen, fürwahr, der ich mit solchen wahren Asketen vereint lebe.‹ Und ich Glücklicher, o Herr, diene diesen Ehrwürdigen mit liebevoller That, so offen als verborgen, mit liebevollem Wort, so offen als verborgen, mit liebevoller Gesinnung, so offen als verborgen. Und also verweilend, o Herr, denke ich: ›Wenn ich nun meinen eigenen Willen aufgäbe und mich nur dem Willen dieser Ehrwürdigen unterwürfe?‹ Und ich habe, o Herr, meinen eigenen Willen aufgegeben und mich dem Willen dieser Ehrwürdigen unterworfen. Verschieden, o Herr, sind zwar unsere Körper, aber ich glaube wir haben nur einen Willen. Ähnlich hat das altlombardische Rittergeschlecht der Trivulzio drei Gesichter, tre volti, im Wappen mit der Legende mens unica. Bemerkenswerth noch, wenn auch vielleicht hyperbolisch, ist was Celano in seiner Vita S. Francisci, I, 8, genau so von den ursprünglichen Clarissinen berichtet: Praecipue namque ante omnia in eis viget virtus mutuae ac continuae charitatis, quae ita ipsarum in unum copulat voluntates, ut cum quadraginta vel quinquaginta pariter alicubi morentur, idem velle ac idem nolle unum in eis spiritum faciat de diversis.
Der eigenen Einsicht aber sei endlich der ausführlichere, wundervolle Bericht über unsere Fünf Gottesfreunde vom Oberlande, um 1370, empfohlen, der wohl das innigste, zarteste, feinste Gegenstück zu den Anuruddhern darbietet und in solcher Vollkommenheit ohnegleichen dasteht: bei Preger, Gesch. der deutsch. Mystik Bd. III, S. 364-367.

»Also, o Herr, verweilen wir verträglich, einig, ohne Zwist, mild geworden, und sehn uns sanften Auges an.«

»Recht so, recht so, Anuruddher. Und verweilt ihr auch ernsten Sinnes, Anuruddher, eifrig, unermüdlich?« »Freilich, o Herr, verweilen wir ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich.«

»Inwiefern aber, Anuruddher, verweilt ihr ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich?«

»Wer da zuerst von uns, o Herr, vom Almosengang aus dem Dorfe zurückkehrt, der bereitet die Plätze und setzt Trinkwasser, Waschwasser und den Spülnapf vor. Wer zuletzt vom Almosengang aus dem Dorfe zurückkehrt, und es ist noch Speise übrig, und er verlangt danach, so nimmt er davon; wo nicht, so wirft er sie fort, auf grasfreien Grund oder in fließendes Wasser. Dann ordnet er die Sitze, räumt Trinkwasser, Waschwasser und Spülnapf weg und fegt den Speiseplatz rein. Wer bemerkt, dass man den Trinknapf oder den Waschkrug oder den Mistkübel nicht mehr braucht, der stellt ihn gesäubert auf. Wenn er es allein nicht kann, so winkt er einen zweiten herbei, und wir kommen und helfen, ohne dass wir, o Herr, aus solchem Grunde das Schweigen brächen. Cf. Celano, I. c. 17: Dicebat enim (fratribus) eis ipse beatus pater, veram obedientiam fore non solum prolatam sed excogitatam, non solum imperatam sed desideratam; hoc est, si frater fratris praelati subditus non solum audiat vocem, sed comprehendat voluntatem, statim ad obedientiam totum se debet colligere ac facere quod eum velle signo aliquo comprehendet. Bald darauf berichtet er weiter: Sic enim eos repleverat sancta simplicitas, sic eos cordis puritas possidebat, ut duplicitatem animi penitus ignorarent; quia sicut una fides, ita unus spiritus erat in eis, una voluntas, una charitas, animorum cohaerentia, semper morum concordia, virtutum cultus, conformitas mentis, et pacis actionum. Ebenso auch schon Makarios, in der III. Homilie: Οφειλουσιν ουν οἱ αδελφοι, ει τι ποιουσι, εν αγαπῃ και χαρα ειναι μετ' αλληλων, κτλ. Und jeden fünften Tag, o Herr, sitzen wir die ganze Nacht hindurch in Gesprächen über die Lehre beisammen. Also, o Herr, verweilen wir ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich.«

»Recht so, recht so, Anuruddher. Habt ihr aber, Anuruddher, die ihr also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilet, ein überirdisches, reiches Heilthum errungen, sälige Ruhe?«

»Während wir da, o Herr, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilen, nehmen wir einen Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. dassanañ ca rūpānam: rūpam. = ειδος, Bild, Form, Umriss; cf. Böhtlingk-Roth l s.v. 1 e. Es ist eine geistige Wahrnehmung der Grundbegriffe, d.i. der Urbilder der Dinge. Aber dieser Abglanz entschwindet uns alsbald und der Anblick der Umrisse; und diese Erscheinung ergründen wir nicht.«

»Aber diese Erscheinung, Anuruddher, muss nun von euch ergründet werden. Auch ich hatte einst, Anuruddher, noch vor der vollen Erwachung, als unvollkommen Erwachter, Erwachung erst Erringender, einen Abglanz wahrgenommen und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Schwankend war ich geworden; Schwanken aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Unachtsam war ich geworden; Unachtsamkeit aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Matt und müde war ich geworden; matte Müde aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Entsetzt war ich geworden; Entsetzen aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse.‹ Gleichwie etwa, Anuruddher, wenn ein Mann auf der Landstraße hinschritte, und es träten ihm von beiden Seiten Mörder entgegen; da würde er alsbald in Entsetzen gerathen: ebenso nun auch, Anuruddher, war ich entsetzt geworden; Entsetzen aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. ›So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Entzückt war ich geworden; Entzücken aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse.‹ Gleichwie etwa, Anuruddher, wenn ein Mann einer Schatzgrube nachspürte Wie einst ist auch heute noch schatzgraben in manchen Gegenden, z.B. an den alten, längst unter Wüstensand verschütteten, ehedem so blühenden gräko-buddhistischen Kulturstätten im Taklamakan des östlichen Turkestan gebräuchlich und zuweilen recht ergiebig. Cf. Hoernles interessante Belege in seinen Antiquities from Central Asia, Journ. As. Soc. Bengal Extra No. 1, 1899, p. XXVII. und auf einmal fünf Schatzgruben entdeckte; da würde er alsbald in Entzücken gerathen: ebenso nun auch, Anuruddher, war ich entzückt geworden; Entzücken aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. ›So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Schwerfällig war ich geworden; Schwerfälligkeit aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu straff gespannt war ich geworden; zu straffe Spannung aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse.‹ Gleichwie etwa, Anuruddher, wenn ein Mann eine Wachtel mit beiden Händen fest umklammert hielte, sie alsbald verschmachten müsste: ebenso nun auch, Anuruddher, war ich zu straff gespannt geworden; zu straffe Spannung aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. ›So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu schlaff gespannt war ich geworden; zu schlaffe Spannung aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse.‹ Gleichwie etwa, Anuruddher, wenn ein Mann eine Wachtel lose umklammert hielte, sie alsbald seiner Hand entflatterte: ebenso nun auch, Anuruddher, war ich zu schlaff gespannt geworden; zu schlaffe Spannung aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. ›So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung, noch in zu schlaffe Spannung.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Beifällig war ich geworden; Beifall aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung, noch in zu schlaffe Spannung, noch in Beifall.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Vielheit hatte ich wahrgenommen; Vielheitwahrnehmen aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung, noch in zu schlaffe Spannung, noch in Beifall, noch in Vielheitwahrnehmen.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu scharf hatte ich die Umrisse betrachtet; zu scharfe Betrachtung der Umrisse aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung, noch in zu schlaffe Spannung, noch in Beifall, noch in Vielheitwahrnehmen, noch in zu scharfe Betrachtung der Umrisse.‹

»So hatte ich denn, Anuruddher, Schwanken als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte das Schwanken, die Herzensverschlackung, ab; hatte Unachtsamkeit als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die Unachtsamkeit, die Herzensverschlackung, ab; hatte matte Müde als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die matte Müde, die Herzensverschlackung, ab; hatte Entsetzen als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte das Entsetzen, die Herzensverschlackung, ab; hatte Entzücken als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte das Entzücken, die Herzensverschlackung, ab; hatte Schwerfälligkeit als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die Schwerfälligkeit, die Herzensverschlackung, ab; hatte zu straffe Spannung als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die zu straffe Spannung, die Herzensverschlackung, ab; hatte zu schlaffe Spannung als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die zu schlaffe Spannung, die Herzensverschlackung, ab; hatte Beifall als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte den Beifall, die Herzensverschlackung, ab; hatte Vielheitwahrnehmen als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte das Vielheitwahrnehmen, die Herzensverschlackung, ab; hatte zu scharfe Betrachtung der Umrisse als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die zu scharfe Betrachtung der Umrisse, die Herzensverschlackung, ab.

»So verweilte ich denn, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich, und nahm nun wohl den Abglanz wahr, aber nicht den Anblick der Umrisse; und nahm wohl den Anblick der Umrisse wahr, aber nicht den Abglanz: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass ich nun wohl den Abglanz wahrnehme, aber nicht den Anblick der Umrisse; und wohl den Anblick der Umrisse wahrnehme, aber nicht den Abglanz: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu einer Zeit wo ich ohne auf die Erscheinung der Umrisse achtzuhaben auf die Erscheinung des Abglanzes achthabe, nehm' ich da wohl den Abglanz wahr, aber nicht den Anblick der Umrisse; und wieder zu einer Zeit wo ich ohne auf die Erscheinung des Abglanzes achtzuhaben auf die Erscheinung der Umrisse achthabe, nehm' ich da wohl den Anblick der Umrisse wahr, aber nicht den Abglanz: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch.‹

»So verweilte ich denn, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich, und nahm einen bestimmten Abglanz wahr und den Anblick bestimmter Umrisse; und nahm unermesslichen Abglanz wahr und den Anblick unermesslicher Umrisse: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch. Da hab' ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass ich einen bestimmten Abglanz wahrnehme und den Anblick bestimmter Umrisse; und unermesslichen Abglanz wahrnehme und den Anblick unermesslicher Umrisse: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch?‹ Da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu einer Zeit wo meine Sammlung eine bestimmte ist, ist da mein Auge ein bestimmtes, und mit einem bestimmten Auge nehm' ich einen bestimmten Abglanz wahr und den Anblick bestimmter Umrisse; und wieder zu einer Zeit wo meine Sammlung unermesslich ist, ist da mein Auge unermesslich, und mit dem unermesslichen Auge nehm' ich unermesslichen Abglanz wahr und den Anblick unermesslicher Umrisse: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch.‹

»Sobald nun von mir, Anuruddher, Schwanken als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und das Schwanken, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Unachtsamkeit als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die Unachtsamkeit, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; matte Müde als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die matte Müde, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Entsetzen als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und das Entsetzen, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Entzücken als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und das Entzücken, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Schwerfälligkeit als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die Schwerfälligkeit, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; zu straffe Spannung als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die zu straffe Spannung, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; zu schlaffe Spannung als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die zu schlaffe Spannung, die Herzensverschlackung, ab geschafft war; Beifall als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und der Beifall, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Vlelheitwahrnehmen als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und das Vielheitwahrnehmen, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; zu scharfe Betrachtung der Umrisse als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die zu scharfe Betrachtung der Umrisse, die Herzensverschlackung, abgeschafft war: da hab' ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Was bei mir Herzensverschlackung gewesen hab' ich abgeschafft. Wohl denn: jetzt will ich dreifach die Sammlung vollbringen.‹

»So hab' ich denn, Anuruddher, mit Sinnen und Gedenken Sammlung vollbracht, habe ohne Sinnen, nur gedenkend Sammlung vollbracht, habe ohne Sinnen und Gedenken Sammlung vollbracht; und habe erheiternde Sammlung vollbracht, habe entheiternde Sammlung vollbracht, habe hellmüthige Sammlung vollbracht; und habe gleichmüthige Sammlung vollbracht.

»Sobald nun von mir, Anuruddher, mit Sinnen und Gedenken Sammlung vollbracht war, ohne Sinnen, nur gedenkend Sammlung vollbracht war, ohne Sinnen und Gedenken Sammlung vollbracht war; und erheiternde Sammlung vollbracht war, entheiternde Sammlung vollbracht war, hellmüthige Sammlung vollbracht war; und gleichmüthige Sammlung vollbracht war: da ist mir dann das Wissen und der Anblick aufgegangen:

Auf ewig bin erlöst ich,
Das ist das letzte Leben,
Und nicht mehr giebt es Wiedersein.«

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Anuruddho über das Wort des Erhabenen. Zum Anblick der Umrisse, der geistigen Wahrnehmung der Urbilder der Dinge, S. 373-381, cf. Platons Ideenlehre; sowie Fausts Abstieg in den allertiefsten Grund, zur Gestaltung und Umgestaltung bei den Müttern (Mahāmātaras, Lokamātaras, Μεγαλαι θεαι, Matres materiae; Magna Mater, Mater deum Aestiorum, Nerthus, Nornen); dann Tao-te-king Kap. 21. – Vergl. auch die spätere Darstellung der Mütter in den Felsenhöhlen der Tempel, Ruinen und Torsi, so zu Elurā.
Es mag nebenher angemerkt sein, dass recht eigentlich hier das nachspürende, aufschürfende, sehr allmälig vordringende Verständniss jüngerer Epochen indischer Architektur und Skulptur, der autochthonen Meisterwerke, – der Dutzenddurchschnitt und die barbarisch, d.i. fremdartig, persisch oder griechisch oder chinesisch behandelte Schablone verdient nur kulturhistorische Betrachtung – einfahren und anbohren muss; weil eben zumal der indische Künstler geheimnissvoll wie die Natur einzig von innen nach außen geschaffen, gebildet, gestaltet hat und so bei all dem Überflusse und der unendlichen Fülle noch immer großartig, ja erhaben zu wirken vermag; und nun trotz der scheinbaren Regellosigkeit, die den erstaunten Gast oft wie bei Rembrandt befremden wird, wirklich doch eine höhere Einheit und Ordnung erreicht ist. Aber wenn man große Maler ohne Anschauung der Originale kaum verstehn lernen, wenn man sich Pyramiden und Amenophien durch Bilder oder Modelle schwerlich gut vorstellen kann, viel weniger erst die Art und Wirkung jener hindustanischen Denkmale, die gar tief gegründet in der heimischen Erde wurzeln, aus dem Schooße ihrer Felsenklüfte und -grüfte emporgewachsen, hinangewölbt, so zu sagen aus dem Reiche der indischen Mütter an den Tag hervorgestiegen scheinen. Immerhin einen mächtigen Kontrast zur Wirkung dieser Architektur bieten unsere gothischen Dome, in Straßburg, Rheims, in Mailand, Toledo etc., deren felsige Gestalt bekanntlich als freie Weiterentwickelung des hindustanischen Grottenstils anzusehn, uns in Europa von den Arabern und Mauren maskiert übermittelt worden ist. Denn wo der Islam dabei irgend selbständig zuwerke gehn wollte, hat er lediglich zierlich nette Kleinschmiedearbeit zustande gebracht, nicht mehr und nicht weniger, selbst in den angeheueren Dimensionen der mogulischen Moscheen und Mausoleen zu Delhi und Agra: während schon der erste beste gewöhnliche indische oder gothische Thurm unser Gemüth bedeutsam wie die Natur anspricht, als ein Monolith vor dem Altar der Gabenmutter Demeter oder der unerschöpflich reichen Diana der Epheser. Wenn also Schopenhauer die, freilich zu seiner Zeit ganz unzulänglich gekannte, hindustanische Skulptur als bloß symbolisch bezeichnet hat, so wäre hier eben bei »des Lebens Bildern, regsam, ohne Leben«, wo »Alles Melodie wird« und Säulenschaft und Triglyphe klingen, vielleicht noch eine höhere, fast unbeschreibliche Aussicht und Einsicht erreichbar und etwa der Erinnerung zu gedenken:

Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniss.


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